L 6 SF 1983/11 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 42 SF 214/09 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 1983/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Einschlägige Verfahrensgebühr für ein Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Landessozialgericht ist Nr. 3501 VV-RVG (vgl. Thüringer LSG, Beschlüsse vom 14. März 2012 - Az.: L 6 SF 86/12 B, 29. Juni 2011 - Az.: L 6 SF 247/11 B, 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 3. August 2011 - Az.: L 7 AS 681/11 B, 5. Mai 2008 - Az.: L 20 B 139/07 SO; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. April 2011 - Az.: L 2 SF 205/10 E).
2. Die Einigungsgebühr in einem sozialgerichtlichen Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem Betragsrahmengebühren anfallen, richtet sich nach Nr. 1006 VV-RVG (vgl. SG Berlin, Beschluss vom 6. Dezember 2010 - Az.: S 180 SF 1755/09 E).
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 15. November 2011 wird zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Beschwerdeverfahren vor dem Thüringer Landessozialgericht (Az.: L 7 AS 625/08 ER) streitig.

Am 1. April 2008 beantragten die von dem Beschwerdeführer vertretenen Antragsteller - eine Bedarfsgemeinschaft von vier Personen - beim Sozialgericht (SG) Altenburg, die Antragsgegnerin - eine Arbeitsgemeinschaft SGB II - im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren und Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des Beschwerdeführers zu bewilligen. Mit Beschluss vom 3. Juni 2008 lehnte das SG die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Auf die Beschwerde bewilligte der 7. Senat des Thüringer Landessozialgerichts den Antragstellern mit Beschluss vom 17. Juli 2008 PKH und ordnete den Beschwerdeführer bei. Mit Bescheid vom 18. Juli 2008 gewährte die Antragsgegnerin den Antragstellern vorläufige Leistungen vom 1. April bis 30. September 2008. Unter dem 20. August 2008 erklärte der Beschwerdeführer das Verfahren für erledigt und beantragte, der Antragsgegnerin die Kosten aufzuerlegen. Nachdem sich diese zur Übernahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu 80 v.H. bereit erklärt hatte, nahm der Beschwerdeführer seinen Kostenantrag zurück.

In seiner Kostenrechnung vom 22. September 2008 beantragte er für das Beschwerdeverfahren die Festsetzung von 1.022,21 Euro: Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV-RVG 589,00 Euro Erledigungsgebühr Nr. 1002, 1007 VV-RVG 250,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Fahrtkosten Nr. 7003 VV-RVG (112 km x 0,30 Euro) 33,60 Euro MWSt 163,21 Euro Gesamtsumme 1.022,21 Euro

Unter dem 15. Dezember 2008 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die Zahlung an und forderte die Antragsgegnerin zu Zahlung von 817,77 Euro auf. Diese hat am 13. Januar 2009 Erinnerung eingelegt. In Betracht kämen nur eine Verfahrensgebühr von 2/3 der Mittelgebühr und eine Erledigungsgebühr in Höhe der hälftigen Mittelgebühr.

Unter dem 6. Juli 2009 hat der Beschwerdegegner Erinnerung eingelegt und beantragt, die Vergütung wie folgt festzusetzen: Verfahrensgebühr Nr. 3501 VV-RVG 87,50 Euro Erhöhung für drei weitere Auftraggeber 78,75 Euro 1007 VV-RVG 250,00 Euro Pauschale Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 436,25 Euro MWSt 82,89 Euro Gesamtsumme 519,14 Euro

Mit Beschluss vom 15. November 2011 hat das SG die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 519,14 Euro festgesetzt und u.a. ausgeführt, einschlägige Gebühr für das Beschwerdeverfahren sei die Nr. 3501 VV-RVG; Nr. 3204 VV-RVG komme nicht in Betracht.

Gegen den am 24. November 2011 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 30. November 2011 Beschwerde eingelegt und vorgetragen, aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass Beschwerden im einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit der Nr. 3204 VV-RVG zu vergüten seien. Hilfsweise sei die Höchstgebühr der Nr. 3501 VV-RVG festzusetzen.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 15. November 2011 aufzuheben und die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückzuweisen, hilfsweise, den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 15. November 2011 abzuändern und seine Gebühren für das Beschwerdeverfahren auf 683,06 Euro festzusetzen.

Der Beschwerdegegner hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.

II.

Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B, 25 Oktober 2010 - Az.: L 6 SF 652/10 B, 26. Januar 2009 - Az.: L 6 B 256/08 SF; 16. Januar 2009 - Az.: L 6 B 255/08 SF, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF) und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Die Antragsteller, denen hier PKH gewährt wurde, waren kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF, 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF, 14. März 2001 - Az.: L 6 B 3/01 SF; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 73a Rdnr. 13 f.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 12). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006 – Az.: L 1 B 320/05 SF SK, nach juris); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Einschlägige Verfahrensgebühr für ein Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Landessozialgericht ist Nr. 3501 VV-RVG (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Beschlüsse vom 14. März 2012 - Az.: L 6 SF 86/12 B, 29. Juni 2011 - Az.: L 6 SF 247/11 B m.w.N., 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 3. August 2011 - Az.: L 7 AS 681/11 B und 5. Mai 2008 - Az.: L 20 B 139/07 SO; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. April 2011 - Az.: L 2 SF 205/10 E, nach juris). Eine speziellere Regelung enthält das Gesetz nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B). Gegen die von der Vorinstanz zuerkannte Mittelgebühr in Höhe von 87,50 Euro bestehen im Ergebnis keine Bedenken. Der zeitliche Umfang der anwaltlichen Tätigkeit im Eilverfahren vor dem 7. Senat lag mit vier Schriftsätzen an das Gericht im Ergebnis im durchschnittlichen Umfang eines Beschwerdeverfahrens und stellt keinen "umfangreichen Schriftverkehr" dar. Auf Tätigkeiten nach der Erledigungserklärung kommt es nicht an. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist allenfalls dem Durchschnittsbereich zuzuordnen. Das Argument des Beschwerdeführers, Beschwerdeverfahren in einstweiligen Rechtsschutzverfahren seien immer die schwierigsten Verfahren der Nr. 3501 VV-RVG verkennt, dass eine generelle Zuordnung nicht in Betracht kommt sondern immer auf den Einzelfall abzustellen ist. Die Bedeutung der Angelegenheit ist überdurchschnittlich, wird aber durch die niedrigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragsteller kompensiert. Die Gebühr ist - wie geschehen - nach Nr. 1008 VV RVG für drei weitere Personen (Auftraggebermehrheit) um 90 v.H. zu erhöhen.

Nachdem der Beschwerdegegner sich nicht gegen die Festsetzung der Vorinstanz gewandt hat und damit eine weitere Kürzung der Vergütung nicht in Betracht kommt (Verschlechterungsverbot), kommt es nicht darauf an, dass die Voraussetzungen der Erledigungsgebühr Nr. 1007 VV-RV mangels qualifizierter anwaltlicher Mitwirkung bei der Erledigung am 20. August 2008 durch Annahme des Anerkenntnisses nicht ersichtlich sind. Zweifel bestehen zudem gegen die Anwendung der Nr. 1007 VV-RVG bei Beschwerden in einstweiligen Rechtschutzverfahren. In Betracht kommt Nr. 1006 VV-RVG (vgl. SG Berlin, Beschluss vom 6. Dezember 2010 - Az.: S 180 SF 1755/09 E, nach juris) mit einer Mittelgebühr von 190,00 Euro; weder der Wortlaut der Nr. 1007 VV-RVG noch die Gesetzessystematik sprechen hier für die Anwendung der Nr. 1007 VV-RVG.

Keine Bedenken bestehen gegen die Pauschale für Post- und Telekommunikation und MWSt.

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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