L 19 AS 951/12 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 53 AS 6616/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 AS 951/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 05. April 2012 aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 05. April 2012, mit dem er verpflichtet worden ist, den Antragstellern vorläufig ein Darlehen in Höhe von 800,- Euro zur Begleichung von festgesetzten Rechtsanwalts- und Gerichtskosten in dem zivilrechtlichen Rechtsstreit bei dem Amtsgericht Wedding – 12b C 146/10 – zu gewähren, ist zulässig und begründet.

Der geltend gemachte Anspruch der Antragsteller scheidet nicht schon deshalb aus, weil sie die Klage gegen den Bescheid vom 13. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. Juli 2011 am 27. Februar 2012 zurückgenommen haben und damit der Antrag auf Übernahme der Gerichts- und Anwaltskosten bindend abgelehnt worden ist. Die Ablehnung bezog sich, wie der Begründung der Bescheide zu entnehmen ist, sowohl auf die Anspruchsvoraussetzungen in § 24 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB II in der ab dem 01. Januar 2011 geltenden Fassung (n. F.) als auch auf die Frage der Darlehensgewährung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II n. F. § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) setzt ein streitiges Rechtsverhältnis voraus, das nicht mehr gegeben ist, wenn der ablehnende Bescheid bindend wird (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. A. 2012, § 86b RdNr. 26 d m. w. N.). Mit dem Schriftsatz vom 29. Februar 2012, den das Sozialgericht als Verwaltungsakt angesehen hat, hat der Antragsgegner indes in der irrtümlichen Annahme, über die Darlehensgewährung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II n. F. noch nicht entschieden zu haben, - erneut - zu erkennen gegeben, dass er die Übernahme der Gerichts- und Anwaltskosten in Form eines Darlehens nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II ablehnt. Ob es sich dabei um einen Verwaltungsakt und eine zulässige Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG handelt, wie das Sozialgericht meint, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geht der Senat zugunsten der Antragsteller davon aus, dass im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit der Sache die erkennbar ablehnende Haltung des Antragsgegners (vgl. dazu Keller, a. a. O., § 86b RdNr. 26b) ausreicht.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liegt jedoch kein Anordnungsanspruch vor.

Der von den Antragstellern geltend gemachte Anspruch auf Übernahme der Gerichts- und Anwaltskosten ist unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Eine Beschränkung der Prüfung des Anordnungsanspruchs allein auf der Grundlage von § 24 Abs. 3 SGB II in der ab dem 01. Januar 2011 anwendbaren Fassung (n. F.) ist durch die unvertretenen Antragsteller nicht erfolgt. Die in § 24 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 SGB II n. F. aufgeführten Sonderbedarfe sind vorliegend ersichtlich nicht gegeben. Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 SGB II sind ebenfalls nicht erfüllt. Kann danach im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Befriedigung von Erstattungsansprüchen Dritter – hier des Vermieters bzw. dessen Anwalt - bezüglich der Gerichts- und Rechtsanwaltskosten zum Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 Abs. 1 und 5 SGB II in der ab dem 01. April 2011 geltenden Fassung i. V. m. dem Regelbedarfs-Ermittlungs-Gesetz gehören, denn der Regelbedarf deckt nur die elementaren Grundbedürfnisse ab. Es ist nicht zu erkennen, dass die Übernahme von Prozesskosten Dritter in gleicher Weise der eigenen Existenzsicherung dient. Die Verschonung vor einer Schufa-Eintragung gehört jedenfalls nicht dazu. Darüber hinaus fehlt es an der Unabweisbarkeit, denn zugunsten der Antragsteller gilt der Pfändungsschutz nach § 53 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch i. V. m. §§ 850 ff. Zivilprozessordnung.

Eine darlehensweise Übernahme der Gerichts- und Anwaltskosten kann auch nicht auf § 22 Abs. 8 SGB II in der ab dem 01. April 2011 geltenden Fassung gestützt werden. Danach können, sofern – wie hier - Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden. Es droht vorliegend weder Wohnungslosigkeit noch dient die Übernahme der Gerichts- und Rechtsanwaltskosten der Sicherung der Unterkunft oder der Behebung einer vergleichbaren Notlage, die bestehen kann bei Energiekostenrückständen, die zur praktischen Unbewohnbarkeit der Wohnung führen (vgl. Berlit in SGB II, Lehr- und Praxiskommentar, 4. A. 2011, § 22 RdNr. 193). Die drohende Schufa- Eintragung steht zumindest aktuell nicht in Zusammenhang mit einem drohenden Verlust oder der Unbewohnbarkeit der derzeit bewohnten Wohnung. Die Mietschulden der Antragsteller sind zudem getilgt, die Räumungsklage ist abgewendet worden.

Der Beschluss des Sozialgerichts war daher aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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