L 9 AS 789/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 371/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 789/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung für die Zeit vom 1.1.2005 bis 24.2.2008.

Der 1967 in Algerien geborene Kläger bezieht seit dem 1.1.2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Am 12.7.2006 beantragte er die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Zur Begründung trug er unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen des Internisten Dr. Neef vom 1.9.1997 und Januar 1999 sowie von Dr. Seidel, Gesundheitsamt Konstanz, vom 16.7.1999 vor, seit 1997 leide er an einer chronischen Nierenerkrankung. Deswegen habe er im Durchschnitt monatlich 50,- EUR mehr ausgegeben. Während des Bezugs von Sozialhilfeleistungen zwischen 1999 und 2001 habe er einen zusätzlichen Betrag von DM 50,- erhalten, der nunmehr 38,33 EUR entsprechen dürfte.

Mit Schreiben vom 12.7.2006 teilte der Beklagte dem Kläger mit, bezüglich der Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung müsse die medizinische Notwendigkeit durch eine Bescheinigung (Vordruck sei ihm ausgehändigt worden) des behandelnden Arztes belegt werden.

Eine aktuelle ärztliche Bescheinigung legte der Kläger nicht vor.

Am 13.3.2008 legte der Kläger eine von dem Internisten Dr. C. ausgestellte Bescheinigung vom 25.2.2008 vor, in der angegeben wurde, beim Kläger bestünden eine Niereninsuffizienz und ein Reflux, weswegen fettarme, zuckerarme und reizarme Ernährung vom 25.2.2008 bis 24.2.2009 erforderlich sei. Es handele sich um eine chronische Erkrankung.

Mit zwei Änderungsbescheiden vom 19.3.2008 gewährte der Beklagte dem Kläger für Februar 2008 (anteilig ab 25.2.2008) und für März 2008 sowie für die Zeit von April bis September 2008 Leistungen in Höhe von monatlich 726,63 EUR (Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. 377,68 EUR monatlich inklusive des Mehrbedarfs für Ernährung – Krankenkost bei Niereninsuffizienz i.H.v. monatlich 30,68 EUR – und Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 348,95 EUR monatlich).

Gegen die Bescheide legte der Kläger Widerspruch ein und begehrte die Gewährung von Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung auch für die Zeit vom 1.1.2005 bis 30.1.2008. Bei ihm liege eine chronische Erkrankung vor, wie dem Beklagten bekannt sei. Sein früherer Arzt habe ihm kein ärztliches Attest ausstellen wollen, da er "von der Seite, die behauptet hat, dass seine Identität nicht geklärt ist, beeinflusst worden war".

Mit Widerspruchsbescheid vom 2.5.2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Da die ärztliche Bescheinigung vom 25.2.2008 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung vom 25.2.2008 bis 24.2.2009 attestiere, habe erst ab 25.2.2008 der Mehrbedarf bewilligt werden können.

Hiergegen erhob der Kläger am 9.5.2008 Klage zum Sozialgericht (SG) Konstanz (S 5 AS 1342/08) und begehrte die Gewährung von Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung für die Zeit von 2005 bis Januar 2008. Er legte Bescheinigungen von Dr. N. vom 25.8.2006 (Positive Proteinurie bei geringgradig mesangioproliferativer Glomerulonephritis – Histologie am 16.6.1997 – seitdem bei Mehrfachkontrollen keine Zunahme der Eiweißausscheidung im 24-Stunden-Urin, keine spezielle Therapie – erneute Kontrolle keine Niereninsuffizienz, eine diätetische Therapie ist nicht notwendig. Unter 11. sonstige Erkrankung ist Diagnose wie o. angegeben – ich kenne keine spezielle Kostform – eventuell mehr trinken zum guten Ausscheiden) und von Dr. C. vom 25.2.2008 vor.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 28.5.2009 schlossen der Kläger und der Beklagte folgenden Vergleich: 1. Der Kläger erhält das Recht, medizinische Nachweise bzw. ärztliche Atteste vorzulegen, aus denen sich ergibt, dass aufgrund der bei ihm bestehenden Erkrankungen bereits in der Vergangenheit ein Mehrbedarf bestanden hat. 2. Nach Vorlage der unter Ziffer 1 genannten Unterlagen wird die Beklagte nochmals überprüfen, inwieweit dem Kläger bereits vor dem 25.2.2008 ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zu gewähren ist und einen rechtsmittelfähigen Bescheid erteilen. 3. Die Beteiligten erklären das vorliegende Verfahren für erledigt.

Der Kläger hat am 29.5.2009 dem Gericht ein ärztliches Attest von Dr. C. vom 28.5.2009 überreicht, in dem ausgeführt ist, der Kläger leide seit vor 2005 an einer chronischen Nierenerkrankung mit sekundärer renaler Hypertonie (Mesangioproliferative Glomerulonephritis). Nach medizinischen Kriterien hätte für den gesamten Zeitraum eine Kostenzulage gewährt werden können.

Mit Bescheid vom 2.9.2009 lehnte der Beklagte die Gewährung von Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung für die Zeit vom 1.1.2005 bis 24.2.2008 ab. Zur Begründung führte er aus, zur Beurteilung, ob ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung im oben genannten Zeitraum wegen der geltend gemachten Nierenerkrankung zu gewähren sei, bedürfe es einer Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes. Der Kläger sei gebeten worden, seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, damit der Ärztliche Dienst eine Stellungnahme erarbeiten könne. Dies habe der Kläger mit Schreiben vom 23.8.2009 abgelehnt. Es könne seitens des Ärztlichen Dienstes nicht festgestellt werden, ob der Kläger aus medizinischer Sicht einer kostenaufwändigen Ernährung im genannten Zeitraum bedurft habe. Die Gewährung eines Mehrbedarfs sei daher abzulehnen.

Hiergegen legte der Kläger am 10.9.2009 Widerspruch ein und machte geltend, ab Februar 2008 habe der Beklagte den Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung ohne eine Stellungnahme seines Ärztlichen Dienstes gewährt. Er verweise auf die ärztliche Bescheinigung von Dr. C. vom 25.2.2008, die sich bei den Akten befinde. Das Sozialamt habe im Jahr 1999 den Mehrbedarf ebenfalls ohne eine Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes gewährt. Auf die ärztliche Bescheinigung von Dr. N. vom 20.1.1999 werde verwiesen. Er sei nicht verpflichtet, die Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden. Die Sache sei durch den gerichtlichen Vergleich vom 28.5.2009 geregelt. Eine ärztliche Bescheinigung, die seinen Anspruch bestätige, habe er vorgelegt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.1.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, der Kläger leide nach dem Attest vom 28.5.2009 an einer chronischen Nierenerkrankung mit sekundärer renaler Hypertonie. Nach dem Stand der Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen komme ein ernährungsbedingter Mehrbedarf nur noch bei verzehrenden Erkrankungen mit erheblichen Auswirkungen (u. a. bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz) in Betracht. Nach den Feststellungen der Widerspruchsstelle habe ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nicht bewilligt werden können.

Hiergegen hat der Kläger am 23.2.2010 Klage zum SG (S 5 AS 371/10) erhoben, mit der er die Gewährung von Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung für die Zeit vom 1.1.2005 bis 24.2.2008 weiter verfolgt.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört.

Dr. Neef hat am 15.2.2011 erklärt, er könne keine Auskünfte erteilen, da er seit Januar 2007 nicht mehr praktiziere. Dr. C. hat unter dem 15.2.2011 mitgeteilt, der Kläger stelle sich nur gelegentlich in ihrer Praxis vor. Neben akuten Bagatellinfekten und Impfungen seien ein Reflux von Magensäure in die Speiseröhre und phasenweise erhöhte Blutdruckwerte behandelt worden. Im Jahr 2006 (gemeint wohl: 1997) sei mittels Feinnadelpunktion eine Nierenentzündung (mesangioproliferative Glomerulonephritis) gesichert worden. Er legte den Arztbrief von Dr. N. vom 29.8.2006 ("Ein von ihm beabsichtigtes Gespräch wegen einer Kontroll-Nierenbiopsie nach zehn Jahren im Hinblick auf eine eventuell notwendige Therapie konnte ich nicht mehr durchführen. Herr B. legte mir vom Sozialamt ein Zettel vor, wo ich bestätigen sollte, dass er monatlich vom Sozialamt zusätzlich ein Kostgeld erhalten möchte wegen seiner Erkrankung. Dies habe ich deshalb abgelehnt, weil eine spezielle Diät nicht notwendig erscheint ich persönlich halte eine teuere Diät hier auch nicht für erforderlich, auch nirgends in Fachliteratur beschrieben") sowie den Arztbrief des Urologen Dr. A. vom 5.6.2007 vor. Dr. C. führte aus, bei einer Hochdruckerkrankung werde generell ein mäßiger Salzkonsum empfohlen, wobei die Auswirkung auf den Blutdruck jedoch als gering eingeschätzt werde. Bei renaler Niereninsuffizienz sei eine eiweißreduzierte Kost notwendig; Dialysepatienten müssten ebenfalls eine besondere Diät einhalten. Aus den vorliegenden Unterlagen lasse sich eine besondere Diät für die Niere nicht erschließen. Dr. N. habe bereits 2006 zu diesem Thema Stellung bezogen und auf fehlende Literaturstellen und Forschungsergebnisse hingewiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.1.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Gegenstand des Rechtsstreits sei der Bescheid vom 2.9.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29.1.2010, mit welchem der Beklagte es abgelehnt habe, dem Kläger unter Abänderung der ergangenen Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis 24.2.2008 höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung zu gewähren. Hierbei sei entsprechend dem Vorbringen des Klägers lediglich zu prüfen, inwieweit zusätzlich ein Mehrbedarf anzuerkennen sei. Der Streitgegenstand sei zulässig auf die Frage beschränkt worden, inwieweit ihm – unter Abänderung der entsprechenden Bewilligungsbescheide – für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis 24.2.2008 zusätzlich zur Regelleistung ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zu gewähren sei. Vorliegend sei nicht ersichtlich, dass der Kläger aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfe. Die beim Kläger bestehende Niereninsuffizienz gehöre zum einen nicht generell zu den Krankheitsbildern, bei denen nach den "Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulage in der Sozialhilfe" in der 3., völlig neu bearbeiteten Auflage vom 1.10.2008, in jedem Fall regelmäßig ein Mehrbedarf anzunehmen sei und zum anderen habe der behandelnde Arzt des Klägers auf gerichtliche Anfrage eine spezielle medizinisch bedingte Kostform nicht bestätigen können. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den am 20.1.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.2.2012 Berufung eingelegt und vorgetragen, er sei krank, was die Ärzte bescheinigt hätten. Der Beklagte wolle den Mehrbedarf für Ernährung aufwändige Ernährung nicht bewilligen, damit er Deutschland verlassen müsse.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Januar 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 2. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2010 aufzuheben und den Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 24. Februar 2008 zusätzlich zu den bisher gewährten Leistungen einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 27.8.2008 die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen (Bescheide vom 27.2.2008 und 17.5.2008) ab 8.9.2008 aufgehoben hatte, da dem Kläger lediglich eine Ortsabwesenheit bis zum 5.9.2008 genehmigt worden war, beantragte der Kläger mit einem am 8.9.2008 eingegangenen Antrag die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Beigefügt war eine ärztliche Bescheinigung von Dr. C. vom 13.8.2008, der ausführte, es lägen Erkrankungen nach Nr. 6 und Nr. 4 (Nr. 6: Leberinsuffizienz, Niereninsuffizienz; Nr. 4: Hypertonie/kardiale oder renale Ödeme) und eine Refluxösophagitis vor. Krankenkost sei für die Zeit vom 13.8.2008 bis 13.8.2009 erforderlich. Es handle sich um eine progrediente chronische Erkrankung.

Mit Bescheid vom 27.10.2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger vom 13.10.2008 (persönliche Meldung) bis 31.3.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 730,63 EUR (Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. monatlich 381,68 inklusive eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung i.H.v. 30, 68 EUR monatlich; Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 348,95 EUR monatlich).

Mit Bescheid vom 3.4.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1.5.2009 bis 31.10.2009 Leistungen in Höhe von 699,95 EUR monatlich (Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. monatlich 351,- EUR und Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. monatlich 348,95 EUR). Er führte aus, bisher habe der Kläger bzw. ein Mitglied seiner Bedarfsgemeinschaft einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung erhalten. Nach neueren medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen sei nicht mehr von einem erhöhten Ernährungsbedarf auszugehen. Bei seiner Entscheidung habe er sich an die neuen Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 orientiert.

Mit weiteren Bescheiden bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten des Beklagten, die Akten des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung für die Zeit vom 1.1.2005 bis 24.2.2008 hat.

Gegenstand des Verfahrens ist lediglich der Bescheid des Beklagten vom 2.9.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.1.2010, mit dem der Beklagte in Ausführung des gerichtlichen Vergleichs vom 28.5.2009 lediglich darüber zu entscheiden hatte, ob dem Kläger für die Zeit vom 1.1.2005 bis 24.2.2008 ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zu gewähren war. Insoweit unterscheidet sich dieser Rechtsstreit von dem vom Bundessozialgericht – BSG – (Urteil vom 9.6.2011 – B 8 SO 11/10 R – Rn 11 in Juris) entschiedenen Rechtsstreit, da aufgrund des Vergleichs eine ausdrückliche Beschränkung des Streitgegenstandes vorgenommen worden war.

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II für die Zeit vom 1.1.2005 bis 24.2.2008.

Nach § 21 Abs. 5 SGB II in der hier vom 1.1.2005 bis 31.12.2010 maßgeblichen Fassung erhalten Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe.

Hierbei handelt es sich um einen Bedarf, der nicht durch die Regelleistung abgedeckt ist (§ 21 Abs. 1 SGB II). Voraussetzung für die Gewährung des Mehrbedarfs ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordert, deren Kosten aufwändiger sind, als dies für Personen ohne diese Einschränkung der Fall ist. Es muss also ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder drohenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen kostenaufwändigen Ernährung vorliegen. Mit "medizinischen Gründen" sind nur krankheitsbedingte Gründe gemeint, wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt (BSG, Urteil vom 10.5.2011 – B 4 AS 100/10 R – m.w.N.).

Nach den Feststellungen des Senats benötigte der Kläger in der streitigen Zeit aus medizinischen Gründen keine Krankenkost. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund des Arztbriefes von Dr. Neef vom 29.8.2006, der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. C. vom 15.2.2011 sowie der Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe vom 1.10.2008.

Beim Kläger wurde im Jahr 1997 aufgrund einer von Dr. N. veranlassten Feinnadel-Probe-exzision eine geringgradige mesangioproliferative Glomerulonephritis diagnostiziert. Im weiteren Verlauf (wohl schon ab 1998) wurde eine völlig normale Nierenfunktion festgestellt. Wegen der Nierenerkrankung fand bei Dr. N. von 2002 bis 2006 keine Behandlung des Klägers statt. Angesichts dessen sowie der völlig normalen Nierenfunktion hat Dr. N. im Arztbrief vom 29.8.2006 für den Senat nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass er wegen der Nierenerkrankung eine spezielle Diät nicht für erforderlich halte und sich die Notwendigkeit einer solchen auch nicht aus der Fachliteratur ergebe. Aufgrund dessen hat er es auch abgelehnt, die Notwendigkeit eines Mehrbedarfs für eine kostenaufwändige Ernährung zu bescheinigen, wie aus seinem Arztbrief vom 29.8.2006 zu entnehmen ist. In der sachverständigen Zeugenaussage vom 15.2.2011 nennt Dr. C., der auf Vordrucken zwar die Notwendigkeit eines Mehrbedarfs für eine kostenaufwändige Ernährung bescheinigt hat, keinerlei Erkrankungen, deretwegen ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bestehen könnte. Vielmehr gibt er an, dass er den Kläger, abgesehen von Bagatellinfekten und Impfungen, lediglich wegen eines Reflux und eines phasenweise erhöhten Bluthochdrucks behandelt hat, wobei der Kläger jedoch nicht die vorgeschriebene Dosis des Blutdruck senkenden Medikaments eingenommen habe. Wegen des Bluthochdrucks ist eine kostenaufwändige Ernährung nicht erforderlich. Vielmehr hat Dr. C. ausgeführt, dass allenfalls ein mäßiger Salzkonsum empfohlen werde, wobei die Auswirkungen auf den Blutdruck jedoch als gering eingeschätzt würden. Wegen des Reflux hat er keine spezielle Krankenkost genannt; in der Bescheinigung vom 25.2.2008 hat er eine reizarme Kost angegeben. Wegen der Nierenentzündung, deretwegen er auf die Feststellungen von Dr. N. verweist und die offensichtlich nicht von ihm behandelt wurde, hat er ausgeführt, dass sich aus seinen Unterlagen keine Hinweise für die Notwendigkeit einer besonderen Diät ergeben. Erläuternd hat er hinzugefügt, dass eine solche bei finaler Niereninsuffizienz und bei Dialysepatienten erforderlich sei. Eine finale Niereninsuffizienz liegt beim Kläger nicht vor, vielmehr war seine Nierenfunktion in der streitigen Zeit ordnungsgemäß; auch ist der Kläger nicht dialysepflichtig. Auf urologischem Gebiet liegt keine chronische Erkrankung vor, wie Dr. C. unter Auswertung des Arztbriefes des Urologen Dr. A. mitgeteilt hat.

Die Ausführungen der behandelnden Ärzte stehen auch im Einklang mit den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe vom 1.10.2008. Danach ist von einem Mehrbedarf bei Niereninsuffizienz, die eine eiweißdefinierte Kost erfordert, auszugehen. Beim Kläger liegt jedoch weder eine Niereninsuffizienz noch die Notwendigkeit einer eiweißdefinierten Kost deswegen vor, wie der Senat den Angaben von Dr. N. im Arztbrief vom 29.8.2006 und der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. C. vom 15.2.2011 entnimmt. Vielmehr war – laut Dr. Neef – die Nierenfunktion beim Kläger völlig normal.

Der Umstand, dass dem Kläger aufgrund der Bescheinigungen von Dr. C.n vom 25.2.2008 und 13.10.2008 für die Zeit vom 25.2.2008 bis 30.9.2008 und vom 13.10.2008 bis 31.3.2009 Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung gewährt worden ist, begründet keinen Anspruch auf Gewährung von Mehrbedarf für die streitige Zeit. Maßgebend ist allein, ob der Kläger aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedurfte. Dies war – wie oben dargelegt – nicht der Fall.

Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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