L 5 AS 189/12 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 18 AS 885/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 189/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf Antrag des Beschwerdeführers wird die Vollstreckbarkeit des Beschlusses des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 25. April 2012 (S 8 AS 885/f12 ER) bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens ausgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verpflichtung, im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes eine endgültige Zusicherung zu den Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für eine in Aussicht genommene Wohnung zu erteilen.

Die Antragsteller und Beschwerdegegner beziehen Leistungen nach dem SGB II. Nach einer Mieterhöhung waren die KdU für die bisher bewohnte Wohnung aus Sicht des Beschwerdeführers unangemessen geworden; die Kündigung der Wohnung ist zum 30. April 2012 erfolgt. Für eine in Aussicht genommene 4-Raum-Wohnung mit einer Gesamtmiete von 505 EUR/Monat, die nach dem Vermieterangebot 63 m² groß sein sollte, erteilte der Beschwerdeführer unter den 27. Dezember 2011 eine Zusicherung. Gleichzeitig lehnte er die Zusicherung u.a. für die jetzt angestrebte Wohnung ab.

Am 5. April 2012 beantragten die Beschwerdegegner erneut die Zusicherung für eine der bereits abgelehnten Wohnung mit 69,04 m² und einer Gesamtmiete von 571,68 EUR/Monat. Die zugesicherte Wohnung sei entgegen den Vermieterangaben nur 52 m² groß. Der Beschwerdeführer lehnte die Überprüfung der bestandskräftigen Zusicherung mit Bescheid vom 5. April 2012 ab.

Am 11. April 2012 haben die Beschwerdegegner einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Dessau-Roßlau gestellt. Am 18. April 2012 haben Sie mitgeteilt, den Mietvertrag noch nicht unterschrieben zu haben.

Das Sozialgericht hat den Beschwerdeführer mit Beschluss vom 25. April 2012 verpflichtet, den Beschwerdegegnern eine Zusicherung zur Übernahme der Aufwendungen für die KdU für die beanspruchte Wohnung zu erteilen. Die KdU für diese Wohnung seien angemessen, denn die Richtlinie erlaube nicht die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze. Unerheblich sei, dass eine Zusicherung für eine andere Wohnung bereits vorliege und dass eine Zusicherung für die vorliegende Wohnung bestandskräftig abgelehnt worden sei. Die Zusicherung sei erforderlich aus Gründen der Rechtssicherheit. Es sei unzumutbar, auf einen Umzug ohne vorherige Zusicherung zu verweisen. Hier müsse die Hauptsache vorweg genommen werden, um eine Rechtsvereitelung zu verhindern.

Dagegen hat der Beschwerdeführer am 27. April 2012 Beschwerde eingelegt und beantragt, die Vollstreckung des Beschlusses gemäß § 199 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszusetzen. Die Verpflichtung zur endgültigen Zustimmung nehme die Hauptsache vorweg. Die zugesicherte andere Wohnung sei noch verfügbar. Sein Außendienst habe mittels eines Entfernungsmessgeräts die Wohnung vermessen und eine Größe von 63,52 m² ermittelt. Außerdem klage der Beschwerdegegner zu 3. derzeit auf Erteilung einer Zustimmung zum Auszug. Für drei Personen wäre die in Aussicht genommene Wohnung auch nach der Wohngeldtabelle unangemessen.

Die Beschwerdegegner haben das Ergebnis der Vermessung der Wohnung "mit Nichtwissen bestritten". Für die begehrte Zusicherung sei unerheblich, dass der Beschwerdegegner zu 3. beabsichtige, auszuziehen.

II.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Aussetzung des sofortigen Vollzugs des Beschlusses des Sozialgerichts ist nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG zulässig. Die rechtzeitig erhobene, statthafte und zulässige Beschwerde gegen den im Eilverfahren erlassenen Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 25. April 2012 hat keine aufschiebende Wirkung (§ 175 Abs. 1 SGG).

Der Vorsitzende des für die Entscheidung über die Berufung zuständigen Gerichts - hier der 5. Senat des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt - kann nach § 199 Abs. 2 SGG die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen. Dabei kann die Aussetzung der Vollstreckung ganz oder hinsichtlich einzelner abtrennbarer Teile erfolgen und jederzeit aufgehoben oder abgeändert werden.

Die Entscheidung ergeht als Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten. Dabei ist eine Interessen- und Folgenabwägung vorzunehmen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl, § 199, Rdnr 8). Es ist der in § 175 SGG enthaltene Grundatz zu beachten, dass Beschwerden i.d.R. keine aufschiebende Wirkung haben sollen. Eine Aussetzung kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rdnr 8a). Es ist das Interesse der Beschwerdegegner auf Vollzug der erstinstanzlichen Entscheidung gegenüber dem Interesse des Beschwerdeführers, nicht vor Abschluss des Berufungsverfahrens vorläufig Leistungen erbringen zu müssen, abzuwägen. Die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels sind dabei nur dann von Bedeutung, wenn diese offensichtlich fehlen oder bestehen (vgl. BSG, Beschluss vom 5. September 2001, B 3 KR 47/01 R). Eine Aussetzung kommt in diesen Fällen nur in Betracht, wenn das Rechtsmittel offensichtlich Erfolg hat (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rn. 8a; BSG, Beschluss vom 28. Oktober 2008, B 2 U 189/08 B; Beschluss vom 8. Dezember 2009, B 8 SO 17/09 R). Sind die Erfolgsaussichten jedoch nicht in dieser Weise eindeutig abschätzbar, ist im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, ob dem Rechtsmittelführer mit der vorläufigen Zahlungspflicht ein im Nachhinein nicht mehr zu ersetzender Schaden entstehen würde. Maßgeblich sind dabei die Umstände des Einzelfalls, die glaubhaft zu machen sind. Zudem darf ein überwiegendes Interesses des Vollstreckungsgläubigers nicht entgegen stehen (BSG, Beschluss vom 28. September 2007, B 4 R 25/07 R).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war hier die Aussetzung der Vollstreckung antragsgemäß anzuordnen.

Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit haben die Beschwerdegegner hinsichtlich der Wohnungsgröße der bereits zugesicherten Wohnung gegenüber dem Sozialgericht Falschangaben gemacht. Es besteht derzeit kein Grund zu Zweifeln an dem Messergebnis des Außendiensts des Beschwerdeführers. Das Bestreiten der Messergebnisse "mit Nichtwissen" ist als Beleg für die wahrheitsgemäßen Angaben der Beschwerdeführer einer Wohnungsgröße von nur 52 m² nicht geeignet.

Ferner kann für die umstrittene Zusicherung von Bedeutung sein, dass der Beschwerdegegner zu 3. derzeit im Klageweg die Zustimmung zum Auszug aus der elterlichen Wohnung durchzusetzen versucht. Dieser Umstand ist dem Sozialgericht offenkundig nicht bekannt gewesen. Die Anzahl der Personen in einem Haushalt ist aber für die Frage der Höhe der Angemessenheit der KdU von Bedeutung.

Für die Aussetzung bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens spricht ferner, dass anfallende Umzugskosten bei einem Obsiegen des Beschwerdeführers gemäß § 22 Abs. 6 SGB II nicht von diesem zu tragen wären. Das wirtschaftliche Risiko auf Seiten der Beschwerdegegner ist daher so hoch, dass ein Abwarten des Beschwerdeverfahrens zumutbar erscheint. Der Mietvertrag war am 18. April 2012 noch nicht unterschrieben; die Beschwerdegegner haben auch eine drohende Obdachlosigkeit oder eine Notlage nicht behauptet.

Der Beschluss ist gemäß § 199 Abs. 2 Satz 3 SGG unanfechtbar, er kann jederzeit aufgehoben werden.
Rechtskraft
Aus
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