L 6 VG 1362/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 1362/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts K. vom 23. Februar 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ein monatlicher Pauschbetrag für außergewöhnlichen Verschleiß an Kleidung oder Wäsche zusteht.

Die 1953 geborene Klägerin beantragte am 14.04.1996 die Gewährung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Sie trug zur Begründung vor, sie leide an schweren Persönlichkeitsstörungen in Folge einer im Juni 1979 durch ihren ehemaligen Ehegatten und dessen Freund erfolgten Vergewaltigung. Nachdem es ihr zunächst gelungen sei, das Erlebte zu verdrängen, habe die am 31.10.1991 erfolgte Operation einer Nasenbeinstückfraktur zu einer psychischen Veränderung geführt. Nachdem das Versorgungsamt München I den Antrag zunächst abgelehnt hatte, holte das Sozialgericht K. (S 3 VG 344/97) unter anderem das Gutachten des Dr. B., Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Städtischen Klinikums K., vom 06.11.1998 mit Stellungnahme vom 13.04.1999 (posttR.matische Belastungsstörung; Stuhlgang und Miktio ohne Befund) ein, woR.fhin das Versorgungsamt nach erfolgter Verurteilung als Folge einer Schädigung nach dem OEG ab 01.04.1996 eine posttR.matische Belastungsstörung feststellte und Versorgungsrente nach einer MdE um 30 vom Hundert (v. H.) bewilligte. Seit 2002 bezieht sie eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Klägerin beantragte am 03.03.2001 die Gewährung einer Kleiderverschleißpauschale. Sie führte zunächst zur Begründung aus, sie habe aus beruflichen Gründen einen erhöhten Bekleidungsaufwand.

Im Rahmen eines weiteren Klageverfahrens (S 4 VG 495/01) holte das Sozialgericht das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 08.02.2002 (chronische posttR.matische Belastungsstörung; die Klägerin neige insbesondere bei Stress und Aufregung zu Durchfällen, sonst sei der Stuhlgang normal, keine Inkontinenz) ein, woR.fhin das Versorgungsamt in Ausführung eines Vergleichsangebots mit Bescheid vom 11.11.2002 als Schädigungsfolge eine posttR.matische Belastungsstörung ab 01.04.1996 und eine MdE um 50 v. H. feststellte, mit Bescheid vom 09.12.2002 Versorgungsrente nach einer MdE um 50 v. H. seit 01.04.1996 bewilligte sowie mit Bescheid vom 26.05.2003 wegen besonderer beruflicher Betroffenheit die MdE auf 60 v. H. ab 01.04.1996 erhöhte und dementsprechend die Versorgungsbezüge neu berechnete.

Im Rahmen eines Berufungsverfahren holte das Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 11 VG 4364/02) das Gutachten des Prof. Dr. F., Leiter der Sektion Forensische Psychiatrie und Psychotherapie an der U. für Psychiatrie und Psychotherapie T., vom 14.12.2005 mit Stellungnahme vom 22.03.2006 (adipöser Ernährungszustand [90 kg bei 162 cm], Verdacht auf eine schädigungsunabhängige schizophrene Psychose oder schizotype Persönlichkeitsstörung; Darmgeräusche regelrecht, keine vermehrte Schweißsekretion) und das Gutachten der Prof. Dr. K., Leiterin der Sektion Forensische Psychiatrie und Psychotherapie am U. F., vom 01.03.2007 (schädigungsbedingte mittelschwere bis schwere rezidivierende depressive Störung; differentialdiagnostisch sei eine chronische posttR.matische Belastungsstörung nicht auszuschließen; rezidivierende Durchfälle seit 10/2005 bei konstantem Gewicht, Magen-Darm-Trakt und Miktio ansonsten ohne Beschwerden) ein.

In dem auf die Gewährung der beantragten Kleiderverschleißpauschale gerichteten Verfahren führte die Klägerin im weiteren Verlauf aus, sie sei nicht in der Lage, sich täglich an- und auszukleiden. Des Weiteren gab sie an, bei der Vergewaltigung sei alles wund geworden. Es sei zu starken Einrissen im Muttermund sowie Quetschungen im Vaginalbereich bis zum After gekommen. Sie wies ferner auf immer wieder auftretende Magen-Darm-Störungen hin. Wegen der anorektischen Situation komme es zu Auswirkungen auf den Darm, den Darmausgang und die Haut. Zur Begründung legte sie diverse ärztliche Unterlagen vor. DaR.s geht hervor, dass am 22.11.1991 der Gastroenterologe Dr. F. einen unauffälligen Colon-Befund und die Pathologen Prof. Dres. H. und Sch. eine leichte lymphatische Hyperplasie der Ileumschleimhaut bei ansonsten unauffälligem Befund beschrieben haben. Ferner ist es bei der Klägerin nach dem Arztbrief der Klinik Sch. vom 07.08.1997 im Rahmen einer stationären Behandlung zu einer schweren anorektischen Reaktion gekommen. Der Hautarzt und Allergologe Dr. F. diagnostizierte unter der Angabe, Allergietests seien negativ gewesen, erstmals mit Attest vom 11.03.2002 eine Urticaria. Dr. H., Oberarzt an der Psychosomatischen Klinik des U. H., beschrieb am 19.12.2002 eine somatoforme autonome Funktionsstörung des oberen und unteren Gastrointestinaltraktes. Die Internistin Dr. R. diagnostizierte mit Attest vom 08.01.2004 erstmals eine Urticaria sowie ein Colon irritable, in ihrem Attest vom 08.09.2005 eine Hautexantheme und in ihrem Attest vom 20.07.2007 Verdauungsstörungen infolge einer Mangelernährung. Der Pathologe Prof. Dr. F. beschrieb am 29.01.2008 eine geringgradige chronische Intermediärzonengastritis mit foveolärer Hyperplasie und am 31.01.2008 eine Dünndarmschleimhaut mit lymphfollikulärer Hyperplasie. In ihrem Attest vom 05.03.2008 berichtete Dr. R. von einer auch durch psychische Traumata induzierten Nahrungsmittelunverträglichkeit mit Auftreten von einem urticariellen Ekzem, Neurodermitis-Symptomen und Diarrhoe. Ferner beschrieb Dr. F. unter dem 15.03.2008 ein Colon irritable, ein Perianalekzem und eine Analsphinkterinsuffizienz.

Mit Bescheid vom 03.09.2008 lehnte das Versorgungsamt die Gewährung eines Ersatzes für Mehrverschleiß an Kleidung oder Wäsche ab. Es führte zur Begründung aus, unabhängig davon, ob die Magen-Darm-Störung überhaupt auf die Gewalttat zurückzuführen sei, könne eine Kleiderverschleißpauschale nur dann gewährt werden, wenn der Stuhl oder Urin unkontrolliert abgehe, was bei der Klägerin nicht der Fall sei.

Hiergegen legte die Klägerin am 08.09.2008 Widerspruch ein. Sie führte aus, es bestehe sehr oft beim Abgang teils mit Urin unkontrollierbarer Durchfall. Die Klägerin legte das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) vom 15.09.2008 (Schädigung der Ausscheidungsfunktion bei Colon irritable und Analsphinkterinsuffizienz, Teilinkontinenz bei häufigen Stuhlabgängen) vor.

Der Internist und Rheumatologe Dr. H. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24.11.2008 aus, die diagnostizierte Analinsuffizienz habe zu keinen weiteren Behandlungsmaßnahmen beziehungsweise diagnostischen Abklärungen geführt, so dass nicht von einer wesentlichen Symptomatik ausgegangen werden könne. Auch bei Berücksichtigung von Diarrhoen könne kein entsprechender Zustand objektiviert werden, der einem unkontrollierbaren Abgang von Stuhl oder Urin gleichzusetzen wäre. Dieser Einschätzung stimmte die Allgemeinmedizinerin Dr. N. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24.11.2008 zu. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2009 wies das Landesversorgungsamt den Widerspruch daraufhin zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 26.01.2009 Klage beim Sozialgericht K. erhoben und diverse ärztliche Unterlagen vorgelegt. Daraus geht hervor, dass Dr. R. am 05.12.2008 Tena Pants Plus (Unterwäsche für den sicheren Schutz bei mittlerer bis starker Blasenschwäche) und am 09.01.2009 Abri-San midi (Inkontinenz-Einlage) und Netzhosen verordnete sowie am 09.01.2009 ein Ekzem diagnostizierte.

Das Sozialgericht hat von Amts wegen das Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Prof. Dr. W. vom 16.07.2009 eingeholt. Die Sachverständige hat ausgeführt, es bestehe eine schwere posttraumatische Belastungsstörung mit depressiven und ausgeprägten vegetativen Symptomen, wie Schlafstörung, Schwitzen, Durchfälle und Juckreiz, und wahrscheinlich eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung. Die posttraumatische Belastungsstörung sei mit ausreichender Wahrscheinlichkeit durch die erlittene Vergewaltigung verursacht worden. Die bei der Klägerin vorliegenden gesundheitlichen Schädigungsfolgen seien als schwere Störungen mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten zu betrachten. Die Frage, ob auf Grund der Schädigungsfolgen ein Mehrbedarf an Kleidung und Wäsche in Folge von vermehrten nächtlichen Schweißausbrüchen und vermehrter Hautekzeme bestehe, hat die Sachverständige bejaht. Sie hat ausgeführt, zu den Traumafolgen seien auch die Durchfälle und das Ekzem mit Juckreiz zu zählen. Zum einen bestünden die Durchfälle nach den Angaben der Klägerin bereits kurz nach dem TR.ma. Zum anderen hätten eine Allergietestung und andere dermatologische und internistische Untersuchungen keinen Anhalt für eine andere Ursache ergeben. Andererseits träten bei der posttraumatischen Belastungsstörung häufig solche Symptome als Zeichen einer vegetativen Übererregbarkeit auf.

Hierzu hat Dr. K. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 19.11.2009 ausgeführt, die Klägerin gehöre nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis. Das Wechseln und Waschen von Wäsche, dessen Umfang aus den aktuellen Gutachten nicht konkret hervorgehe, begründe noch nicht einen außergewöhnlichen Verschleiß an Kleidung oder Wäsche.

Die Klägerin hat ein Attest der Dr. R. vom 10.11.2009 vorgelegt, in dem ein chronisches rezidivierendes Perianalekzem, eine Diarrhoe, und ein Analprolaps beschrieben worden sind. Ferner hat die Klägerin das Gutachten des MDK vom 01.02.2010 zu den Akten gereicht. Daraus geht hervor, dass die Klägerin aufgrund chronischer Durchfälle zu Hautrötungen und Wundsein im Analbereich neige. Die Klägerin benötige sechs bis acht Vorlagen täglich. Eine Blaseninkontinenz ist verneint worden.

Mit Urteil vom 23.02.2010 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 03.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2009 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin für die Zeit ab März 2001 eine monatliche Kleiderverschleißpauschale nach Maßgabe des § 15 BVG dem Grunde nach zu gewähren. Die Klägerin leide als Opfer einer Straftat an absondernden Hauterkrankungen und Fisteleiterungen geringerer Ausdehnung. Dies ergebe sich aus den Attesten des Dr. F. und den Feststellungen der Dr. R ... Diese Erkrankungen führten bei der Klägerin zu einer allgemeinen Schwächung ihres Körperzustandes. Mit der Sachverständigen Prof. Dr. W. seien die Hauterkrankungen ebenso wie die Durchfälle und nächtlichen Alpträume sowie Schweißausbrüche mit Wahrscheinlichkeit auf das erlittene schädigende Ereignis zurückzuführen. Die Durchfälle seien bereits kurz nach dem traumatischen Ereignis im Jahr 1979 aufgetreten. Des Weiteren habe eine Allergietestung durch Dr. F. im Jahr 2002 ergeben, dass die Hautekzeme und die Durchfälle weder auf eine Allergie noch auf eine chronisch entzündliche Darmerkrankung zurückgeführt werden könnten. Damit seien schädigungsferne Ursachen für die Ekzeme und Durchfälle weder erkennbar noch vorgetragen, zumal bei posttraumatischen Belastungsstörungen häufig entsprechende Symptome als Zeichen einer vegetativen Übererregbarkeit aufträten. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin gegenüber den Gutachtern glaubhaft über erlittene Schnitt- und Rissverletzungen im Vaginal- und Analbereich anlässlich des auf sie von ihrem ehemaligen Ehegatten und dessen Freund verübten tätlichen Angriffs im Sinne einer schweren Vergewaltigung berichtet habe. Hierzu passe der Untersuchungsbefund des Dr. F. vom 15.03.2008, in dem er ein Colon irritable und ein Perianalekzem bei Analsphinkterinsuffizienz und nicht schließendem Analsphinkter diagnostiziert habe. In diesem Zusammenhang sei zu würdigen, dass sämtliche die Klägerin behandelnden und begutachtenden Ärzte bei ihr einen reduzierten oder sogar deutlich reduzierten Allgemeinzustand festgestellt hätten. Dazu passten auch die Feststellungen im Gutachten des MDK vom 01.02.2010, in dem wiederum Hautrötungen und Wundsein im Analbereich auf Grund chronischer wässriger Durchfälle beschrieben worden seien. Auf Grund des Gesamtbildes entspreche die Klägerin damit einem Beschädigten im Sinne des § 15 BVG. Die vermehrten Hautekzeme, die chronischen Diarrhoen und die nächtlichen Schweißausbrüche führten auch zu einem außergewöhnlichen Verschleiß an Kleidung und Wäsche. Dies deshalb, weil die Klägerin an einer Vielzahl von schuppigen, rundlichen, trockenen Ekzemen am Rumpf und perianal im Unterschenkelbereich leide. Die Klägerin benötige nach den attestbezogenen Angaben des Dr. F. seit Antragstellung fortwährend Salben und Tabletten sowie verschiedene Hautlotionen. Diese führten zu deutlich erhöhtem Wäsche- und Kleidungsverschleiß. Darüber hinaus komme es bei der Klägerin zu unkontrollierten Darm- und Harnentleerungen, die den Einsatz von mehr als drei Binden pro Tag erforderlich machten. Da die Vielzahl der von der Klägerin benötigten Binden bis heute aus Mitteln der Krankenversicherung nicht finanziert würden, bestehe auch insoweit ein erhöhter Bedarf an Wäsche und Kleidung.

Der Beklagte hat am 16.03.2010 gegen das Urteil des Sozialgerichts Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Ansicht, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Kleiderverschleißpauschale seien nicht erfüllt. Die von Dr. F. und Dr. R. erstellten Atteste bestätigten keine absondernden Hauterkrankungen oder Fisteleiterungen. Die nächtlichen Schweißausbrüche seien nur durch die Angaben der Klägerin im Rahmen der Begutachtung bei Prof. Dr. W. belegt. Inwieweit es tatsächlich zu einem konkreten Mehrbedarf an Kleidung und Wäsche komme, lasse sich diesem Gutachten nicht entnehmen. Angaben darüber, dass die zur Behandlung erforderlichen Salben und Hautlotionen einen Mehrbedarf an Wäsche oder Kleidung verursachten, habe die Klägerin nicht gemacht. Zudem lasse sich der Bestätigung des Dr. F. zur Verordnung der entsprechenden Mittel die Häufigkeit der Verordnungen nicht entnehmen. Ferner werde ein unkontrollierter Abgang von Stuhl mit den vorliegenden Attesten ab März 2001 nicht nachgewiesen. Für unkontrollierte Harnentleerungen fänden sich in den Akten überhaupt keine Anhaltspunkte. Des Weiteren hätten die am 22.11.1991 und 15.03.2008 durchgeführten Koloskopien keine pathologischen Befunde erbracht. Zwar sei eine Analinsuffizienz diagnostiziert worden. Diese habe aber zu keinen weiteren Behandlungsmaßnahmen und auch keinen weiteren diagnostischen Abklärungen geführt, so dass hier grundsätzlich nicht von einer wesentlichen Symptomatik ausgegangen werden könne. Erst im Gutachten des MDK vom 15.09.2008 werde eine Teilinkontinenz bei häufigen Stuhlabgängen und die Erforderlichkeit von Inkontinenzvorlagen erwähnt und durch die Verordnung der Dr. R. vom 09.01.2009 bestätigt. Den Akten lasse sich aber nicht entnehmen, dass die gesetzliche Krankenversicherung die Kostenübernahme für diese Leistungen abgelehnt habe. Außerdem sei von seiner orthopädischen Versorgungsstelle unter dem 07.06.2010 der Firma a. GmbH in A. ein Dauerauftrag zur vierteljährigen Versorgung mit Inkontinenzartikeln übersandt worden, so dass nunmehr auch aus diesem Grund kein Mehrbedarf mehr gegeben sei. Im Ergebnis sei nach den bisher vorliegenden Unterlagen ein außergewöhnlicher Verschleiß an Kleidung und Wäsche nicht nachgewiesen.

Der Beklagte hat mit Ausführungsbescheid vom 18.03.2010 der Klägerin ab 23.02.2010 vorläufig einen Ersatz für Mehrverschleiß an Kleidung oder Wäsche nach der Bewertungszahl 14 gewährt und den vorläufigen Anspruch auf eine Kleiderverschleißpauschale ab 23.02.2010 mit 5,57 Euro und ab 01.03.2010 mit 26,00 Euro festgestellt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts K. vom 23. Februar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt aus, ob und in welchem Umfang die jetzt in Auftrag gegebene vierteljährige Versorgung mit Inkontinenzartikeln einen nennenswerten Einfluss auf den Wäscheverschleiß habe, könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht verlässlich beurteilt werden. Die Klägerin hat diverse ärztliche Unterlagen vorgelegt. Danach hat die hautärztliche Gemeinschaftspraxis Dr. O./B. in ihren Attesten vom 19.03.2010, 19.08.2011 und 10.04.2012 ein durch häufige Diarrhoe bedingtes chronisch rezidivierendes Perianalekzem, rezidivierende Bauchekzeme, einen rezidivierenden submammären Intertrigo und großflächige Exsikkationsekzeme an beiden Unterschenkeln aufgrund der chronischen Durchfälle beschrieben. Dr. R. hat im Attest vom 02.08.2010 eine chronische Abdominalerkrankung beschrieben. Der Internist Dr. B. hat unter dem 01.09.2011 am ehesten funktionelle Diarrhoen mit dem Verlust der Kontinenzkontrolle bei psychosozialem Stress diagnostiziert und in seinem Arztbrief vom 28.03.2012 eine mikroskopische Colitis und eine Sprue ausgeschlossen, die Ileocoloskopie und Gastroskopie als unauffällig beschrieben sowie den Helicobacter-pylori-Status als negativ beurteilt und ist von einem wahrscheinlichen Reizdarmsyndrom vom Durchfalltyp ausgegangen. Die Psychiaterin Weisenburger hat unter dem 02.04.2012 eine posttraumatische Belastungsstörung mit depressiven und vegetativen Symptomen in Form von Schlafstörungen, Alpträumen, Schwitzen, Herzrasen, Durchfällen und Juckreiz beschrieben.

Zur weiteren Auskunft des Sachverhalts hat der Senat eine Auskunft bei der Krankenkasse über die Verordnungsfrequenz von Inkontinenzunterlagen eingeholt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.

Streitgegenstand im Sinne des § 153 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 95 SGG ist allein der Bescheid vom 03.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2009. Der Ausführungsbescheid vom 18.03.2010 wurde nicht gemäß § 153 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens. Denn als Ausführungsbescheide gekennzeichnete Bescheide, die ein angegriffenes Urteil ausführen, sind vielmehr lediglich vorläufig bis zum Abschluss des Verfahrens durch eine rechtskräftige Entscheidung getroffen. Mit dem das Verfahren abschließenden Urteil verlieren alle Ausführungsbescheide ihre Wirkung, so dass neue Bescheide für den gesamten streitbefangenen Zeitraum erlassen werden müssen (Senatsurteil vom 27.10.2011 - L 6 SB 5171/10; BSG, Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 20/06 R; BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a/7 AL 76/04 R).

Das Sozialgericht hat den Beklagten zu Unrecht verurteilt, der Klägerin einen monatlichen Pauschbetrag für außergewöhnlichen Verschleiß an Kleidung oder Wäsche zu gewähren. Der angefochtene Bescheid vom 03.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2009 erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 1 OEG sowie §§ 1 und 15 BVG in Verbindung mit der Verordnung zur Durchführung des § 15 BVG (DVO zu § 15 BVG).

Wer danach im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG).

Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BVG).

Verursachen die anerkannten Folgen der Schädigung einen außergewöhnlichen Verschleiß an Kleidung oder Wäsche, so sind die dadurch entstehenden Kosten mit einem monatlichen Pauschbetrag von 19,00 bis 121,00 Euro zu ersetzen (§ 15 Satz 1 BVG). Der Pauschbetrag ergibt sich aus der Multiplikation von 1,861 Euro mit der auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 24a Buchstabe d BVG für den jeweiligen Verschleißtatbestand festgesetzten Bewertungszahl (§ 15 Satz 2 BVG). Die sich ergebenden Beträge sind bis 0,49 Euro auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden (§ 15 Satz 3 BVG). Übersteigen in besonderen Fällen die tatsächlichen Aufwendungen die höchste Stufe des Pauschbetrags, so sind sie erstattungsfähig (§ 15 Satz 4 BVG).

Der durch die anerkannten Folgen der Schädigung verursachte außergewöhnliche Verschleiß an Kleidung oder Wäsche wird für die Bemessung des Pauschbetrags nach § 15 BVG neben anderen Beschädigtengruppen und Verschleißtatbeständen für Beschädigte mit ausgedehnten, stark absondernden Hauterkrankungen oder Fisteleiterungen, mit Kunstafterschließbandage, Urinfänger oder Afterschließbandage mit der Bewertungszahl 38 (§ 1 Nr. 17 DVO zu § 15 BVG), für Beschädigte mit absondernden Hauterkrankungen oder Fisteleiterungen geringerer Ausdehnung mit der Bewertungszahl 14 (§ 1 Nr. 18 DVO zu § 15 BVG) und für Beschädigte mit absondernden Hauterkrankungen oder Fisteleiterungen geringerer Ausdehnung, die dauernd auf den GebR.ch von zwei Krücken oder Stockstützen angewiesen sind, mit der Bewertungszahl 36 bewertet (§ 1 Nr. 61 DVO zu § 15 BVG). Ist für das Zusammentreffen von Tatbeständen, die in § 1 DVO zu § 15 BVG geregelt sind, keine Bewertungszahl vorgesehen, so ist unter Berücksichtigung der Bewertungszahlen für die einzelnen Tatbestände eine Gesamtbewertungszahl festzusetzen, die 65 nicht überschreiten darf (§ 2 DVO zu § 15 BVG). Verursachen die anerkannten Folgen der Schädigung in anderen als den in § 1 DVO zu § 15 BVG geregelten Fällen einen außergewöhnlichen Verschleiß an Kleidung oder Wäsche, so ist eine nach den Verhältnissen des Einzelfalls bemessene Bewertungszahl von 10 bis 65 festzusetzen (§ 3 Satz 1 DVO zu § 15 BVG). Entsprechend ist zu verfahren, wenn Tatbestände, die in § 1 DVO zu § 15 BVG geregelt sind, mit solchen Tatbeständen zusammentreffen (§ 3 Satz 2 DVO zu § 15 BVG). Dabei ist die Bewertung der in § 1 DVO zu § 15 BVG geregelten Tatbestände zu berücksichtigen (§ 3 Satz 3 DVO zu § 15 BVG). Soweit in Sonderfällen der außergewöhnliche Verschleiß an Kleidung oder Wäsche mit der Bewertungszahl 65 nicht angemessen berücksichtigt werden kann, sind die nachgewiesenen Mehraufwendungen zu erstatten (§ 4 Satz 1 DVO zu § 15 BVG). Sonderfälle in diesem Sinne sind gegeben bei Querschnittgelähmten mit Blasen- und Mastdarmlähmung, bei denen außerdem Blindheit oder Verlust eines Armes oder Beines oder Lähmung beider Arme vorliegt, Blinden mit Verlust von zwei oder mehr Gliedmaßen, Vierfachamputierten, Hirnbeschädigten mit Lähmungen und häufigen cerebralen Krampfanfällen mit Urin- und Stuhlabgang sowie Beschädigten mit gleichzuachtenden Schädigungsfolgen (§ 4 Satz 2 DVO zu § 15 BVG).

Der Senat orientiert sich bei der Prüfung, welche gesundheitlichen Schäden Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs sind, an der seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89; jeweils zitiert nach juris) "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP) 2008 getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV).

Danach wird als Schädigungsfolge im sozialen Entschädigungsrecht jede Gesundheitsstörung bezeichnet, die in ursächlichem Zusammenhang mit einer Schädigung steht, die nach dem entsprechenden Gesetz zu berücksichtigen ist (VG Teil A Nr. 1 a) und ist Ursache im Sinne der Versorgungsgesetze die Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat (VG Teil C Nr. 1 b Satz 1).

Zu den Fakten, die vor der Beurteilung eines ursächlichen Zusammenhangs geklärt ("voll bewiesen") sein müssen, gehören der schädigende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die zu beurteilende Gesundheitsstörung (VG Teil C Nr. 2 a). Der schädigende Vorgang ist das Ereignis, das zu einer Gesundheitsschädigung führt (VG Teil C Nr. 2 b Satz 1 Halbsatz 1). Die gesundheitliche Schädigung ist die primäre Beeinträchtigung der Gesundheit durch den schädigenden Vorgang (VG Teil C Nr. 2 c Halbsatz 1). Zwischen dem schädigenden Vorgang und der Gesundheitsstörung muss eine nicht unterbrochene Kausalkette bestehen, die mit den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft und den ärztlichen Erfahrungen im Einklang steht. Dabei sind Brückensymptome oft notwendige Bindeglieder. Fehlen Brückensymptome, so ist die Zusammenhangsfrage besonders sorgfältig zu prüfen und die Stellungnahme anhand eindeutiger objektiver Befunde überzeugend wissenschaftlich zu begründen (VG Teil C Nr. 2 d Sätze 1 bis 3).

Für die Annahme, dass eine Gesundheitsstörung Folge einer Schädigung ist, genügt versorgungsrechtlich die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Sie ist gegeben, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (VG Teil C Nr. 3 a Sätze 1 und 2). Grundlage für die medizinische Beurteilung sind die von der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung vertretenen Erkenntnisse über Ätiologie und Pathogenese (VG Teil C Nr. 3 b Satz 1). Aus dem Umstand, dass der Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang nach wissenschaftlicher Erkenntnis nicht ausgeschlossen werden kann, lässt sich nicht folgern, dass er darum wahrscheinlich sei. Ebenso wenig kann das Vorliegen einer Schädigungsfolge bejaht werden, wenn ein ursächlicher Zusammenhang nur möglich ist (VG Teil C Nr. 3 d Sätze 1 und 2).

Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Grundsätze hat die Berufung Erfolg.

Der Senat hat in Auswertung der medizinischen Unterlagen, insbesondere der Gutachten des Prof. Dr. F. und der Prof. Dr. K., bereits erhebliche Zweifel, ob die Durchfallerkrankung der Klägerin überhaupt schädigungsbedingt ist. Insofern vermochte das abweichende Gutachten von Prof. Dr. W., die den Anspruch der Klägerin schlicht ohne Begründung hierfür bejaht und sich in keiner Weise mit den abweichenden Befunden und Einschätzungen auseinandergesetzt hat, den Senat nicht überzeugen.

Dass die Klägerin, wie sie stets behauptet hat, bei der Vergewaltigung eine Analverletzung erlitten hat, ist nicht nachgewiesen. Dagegen spricht bereits, dass sie 1979 keine ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat. Das ist angesichts der zu erwartenden Schwere der Verletzung, die zumindest 2008, also fast 30 Jahre danach, zu Durchfällen und Inkontinenz geführt haben soll, schlechterdings nicht vorstellbar. Analverletzungen mit entsprechenden Vernarbungen sind auch in den Folgejahren nicht dokumentiert worden. Vielmehr hat zuletzt der Internist Dr. B. einen insoweit regelrechten Befund erhoben und am Wahrscheinlichsten demzufolge ein Reizdarmsyndrom vom Durchfalltyp diagnostiziert (Bericht vom 28.03.2012). Das hat zur Folge, dass als Ursache nicht organische, sondern allenfalls vegetative Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung in Betracht kommen, von denen auch die gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. W. ausgegangen ist. Begründete Zweifel an dieser Einschätzung bestehen jedoch aus Sicht des Senats aufgrund der Einschätzung von Prof. Dr. F., der anlässlich seiner Begutachtung im Oktober 2005 keine Hinweise auf die beschriebenen Durchfälle bei adipösem Ernährungszustand der Klägerin fand. Dem entsprechend hat die Klägerin auch gegenüber Prof. Dr. K. angegeben, dass sie erst nach und in Folge dieser Begutachtung, also seit Oktober 2005, an solchen Durchfällen leidet. Wenn das zutrifft, so ist die Durchfallkrankung der Klägerin nicht schädigungsbedingt.

Der Senat kann dies letztlich aber dahingestellt sein lassen, da es an einem Nachweis dafür fehlt, dass die Klägerin tatsächlich inkontinent ist, dieser Inkontinenz nicht durch Tragen von Inkontinenzwindeln und Windelhosen bzw. den Hautekzemen durch Hygiene- und Hautpflegemaßnahmen ausreichend Rechnung getragen werden kann und es deswegen zu einer Verschmutzung von Kleidung oder Wäsche kommt, die einen außergewöhnlichen Verschleiß im Sinne des § 15 Satz 1 BVG begründet.

Der Senat stützt sich insoweit auf die Anamnese der Sachverständigen Prof. Dr. W. und die von der Krankenkasse Sch. vorgelegten Verordnungen von Inkontinenzvorlagen. Daraus ergibt sich keinerlei Hinweis auf eine Harninkontinenz, worauf der Beklagte mit seiner Berufung zu Recht hinweist, zumal die Klägerin keinerlei urologische Behandlung in Anspruch nimmt.

Dass und wodurch eine regelmäßige Stuhlinkontinenz der Klägerin organisch begründet sein soll, ist keinem der ärztlichen Befunde oder Gutachten zu entnehmen. Die Feststellung der Erkrankung beruht - wie zuletzt dem Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 01.02.2010 zu entnehmen ist - allein auf den Angaben der Klägerin. Diesen Angaben muss aber bereits deswegen mit Zweifeln begegnet werden, weil die Klägerin der Pflegegutachterin sechs- bis achtmal täglichen wässrigen Durchfall geschildert, der insoweit sachkundigere behandelnde Arzt Internist Dr. B. aber nur eine Stressinkontinenz beschrieben hat. Eine Stressinkontinenz wird aber, wie schon der Begriff besagt, nur durch Stress ausgelöst und kann deswegen schon begrifflich nicht mit großer Regelmäßigkeit sechs- bis achtmal täglich stattfinden. Weitere Ungereimtheiten ihrer Angaben im Pflegegutachten ergeben sich aus Folgendem: die Klägerin hat sich noch 2010 als appetitlos geschildert, leidet aber an einem adipösen Ernährungszustand. Sie macht Hilfebedarf beim Schneiden fester Nahrungsbestandteile geltend, kann aber - wovon sich auch der Senat überzeugen konnte - lange Schriftsätze allein am Computer verfassen. Sie soll antriebsgemindert sein, kann aber in einer Woche gleich mehrere Schriftsätze per Post schicken und faxen (so u.a. im Parallelverfahren L 6 VG 1162/10 am 11. und 16.04.2012). Den jeweiligen Eingang bei Gericht lässt sie sich dann selbst telefonisch von der Geschäftsstelle bestätigen. Sie will hilfebedürftig bei administrativen Angelegenheiten sein, kann aber selbständig und zielgerichtet mehrere Gerichtsverfahren unter Umgehung ihres klägerischen Bevollmächtigten betreiben. Hilfebedarf wird bei der Körperwäsche geltend gemacht, sie präsentiert sich aber bei der Untersuchung als sauber und gepflegt, obwohl ihre Pflegeperson - ihr Sohn - sich unter der Woche seines Studiums wegen in Frankfurt aufhält, deswegen die Pflege ihren Angaben zufolge gegenwärtig nicht sicher gestellt sein soll. Sie schildert, kaum über finanzielle Mittel zu verfügen, hat aber regelmäßige monatliche Einkünfte von 1700 EUR. Diese unauflösbaren Widersprüche führen dazu, dass der Senat sich nicht von der Richtigkeit ihrer entsprechenden Angaben überzeugen kann.

Warum die Erkrankung gar schädigungsbedingt sein soll, erschließt sich dem Senat nicht. Davon ist bislang auch allein Prof. Dr. W. ausgegangen, die aber - wie eingangs ausgeführt - ihre Beurteilung noch nicht einmal begründet hat.

Dessen ungeachtet ist nicht nachgewiesen, worauf es aber zur Feststellung des geltend gemachten Anspruchs wesentlich ankommt, dass der Inkontinenz der Klägerin nicht durch die verordneten Inkontinenzartikel ausreichend Rechnung getragen werden kann. Dafür sprechen bereits die von Prof. Dr. W. erhobenen Freizeit- und Tagesaktivitäten der Klägerin. So ist diese in der Lage, zweimal wöchentlich das 12 km entfernte Gartengrundstück aufzusuchen um dort Gartenarbeiten bis abends durchzuführen. Allein bei der dadurch bedingten Autofahrt muss die Klägerin immer wieder mit überraschenden Stresssituationen rechnen. Dass sie den Durchfall nicht halten konnte oder sich gar dabei verschmutzt hat, hat die Klägerin, die ansonsten ihre Beschwerden wortreich zu schildern vermag, aber nicht geltend gemacht, obwohl dies einen Kleidungswechsel spätestens auf dem Gartengrundstück nach sich hätte ziehen müssen, nachdem sie sich dort bis abends aufgehalten hat. Von solchen Freizeitaktivitäten, die sie bereits im Oktober 2005 dem Sachverständigen Prof. Dr. F. geschildert hat, hat die Klägerin auch zu keinem Zeitpunkt aufgrund von Inkontinenz Abstand genommen Sie sieht sich noch weiterhin in der Lage, selbstständig Auto zu fahren, dies auch zusätzlich zu allen Ärzten und einmal monatlich nach H ...

Gegen einen außergewöhnlichen Kleiderverschleiß spricht weiter, dass die Klägerin lediglich eine Verordnung für Inkontinenzunterlagen vom 09.01.2009 vorgelegt hat und die orthopädische Versorgungsstelle des Beklagten einen Dauerauftrag vom 07.06.2010 zur vierteljährlichen Versorgung mit Inkontinenzartikeln verfügt hat. Auch die der Krankenkasse eingereichten Verordnungen belegen, dass die Klägerin nur in einem Zeitraum zwischen 2008 und 2010 Inkontinenzartikel benötigt hat. Davor waren Inkontinenzartikel nicht erforderlich beziehungsweise wurde die Erforderlichkeit nicht nachgewiesen. Der geringe Bedarf an Inkontinenzartikeln dokumentiert aus Sicht des Senats jedenfalls, dass eine darüber hinausgehende Versorgung, erst recht seit März 2001, noch nicht einmal von den behandelnden Ärzten für erforderlich erachtet worden ist, zumal über eine Teilinkontinenz erstmals frühestens im MDK-Gutachten vom September 2008 berichtet wurde.

Ob und wenn ja in welchem Umfang es zu einem konkreten Mehrbedarf an Kleidung und Wäsche gekommen ist und kommt, hat schließlich die Klägerin überhaupt nicht vorgetragen oder nachgewiesen. Das hat auch die Sachverständige Prof. Dr. W. noch nicht einmal geprüft. Dieser Mehrbedarf setzt aber voraus, dass bei unkontrollierten Durchfällen die Inkontinenzartikel nicht ausreichen und es deswegen außergewöhnlich oft zu einer Verschmutzung der Kleidung der Klägerin kommt. Im Pflegegutachten vom 01.02.2010 wird darüber aber nichts berichtet.

Deswegen kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin überhaupt die Voraussetzungen des § 1 Nr. 17 oder 61 DVO zu § 15 BVG erfüllt. Denn jedenfalls fehlt es am Nachweis eines außergewöhnlichen schädigungsbedingten Verschleißes an Kleidung oder Wäsche.

Der Senat hat deswegen auf die Berufung des Beklagten das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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