L 8 U 3739/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 U 3533/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 3739/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob weitere Unfallfolgen vorliegen und dem Kläger wegen des anerkannten Arbeitsunfalles vom 28.09.2004 Verletztenrente zusteht.

Der 1951 geborene Kläger zog sich bei dem Arbeitsunfall am 28.09.2004 eine Wadenbeinfraktur rechts zu. Die in der Praxis Dr. H./Dr. S. röntgenologisch diagnostizierte Fibulafraktur (Fissur) wurde am Unfalltag mit elastischer Binde und Voltarensalbe versorgt. Arbeitsunfähigkeit wurde bis voraussichtlich 10.10.2004 bescheinigt (Durchgangsarztbericht (DAB) der Praxis Dr. H./Dr. S. vom 28.09.2004). Vom 02.10.2004 bis 08.10.2004 wurde der Kläger stationär im Krankenhaus M. behandelt (Entlassungsanzeige des Krankenhauses M. vom 15.10.2004). Im Zwischenbericht der Praxis Dr. H./Dr. S. vom 12.10.2004 wurde angegeben, dass bei Fortführung der ambulanten Behandlung ein Hinweis auf Beteiligung des oberen Sprunggelenks nicht bestanden habe. Es sei von einem direkten Trauma mit isolierter Schaftfraktur auszugehen. Am 05.11.2004 wurde der Kläger aus der ambulanten Behandlung entlassen. Arbeitsfähigkeit wurde für den Zeitraum ab 08.11.2004 mitgeteilt, die verbleibende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde auf 0 v.H. eingeschätzt (Mitteilung des D-Arztes Dr. H./Dr. S. vom 05.11.2004).

Mit Bescheid vom 27.11.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente wegen des Unfalls vom 28.09.2004 ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2009 zurückgewiesen.

Am 24.11.2004 erlitt der Kläger einen weiteren Arbeitsunfall, bei dem es sich eine offene Femurschaftfraktur links zuzog. Wegen der Folgen dieses Unfalls gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 10.10.2007 dem Kläger eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 40 v.H. ab dem 10.01.2007. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Kläger hiergegen Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart (S 9 U1714/08), in dessen Verlauf das Gutachten von Dr. D. vom 14.07.2008 eingeholt wurde. Darin schätzte Dr. D. die auf die Folgen des Unfalls vom 24.11.2004 bezogene unfallbedingte MdE auf 30 v.H. betreffend das linke Kniegelenk, die Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes als Folge des Unfalls vom September 2004 begründe eine MdE von 20 v.H., was eine unfallbedingte Gesamt-MdE um 50 v.H. ergebe. Mit Urteil vom 04.06.2009 wurde die Klage im Verfahren S 9 U 1714/08 abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers wurde mit Beschluss des Senats vom 23.10.2009 zurückgewiesen (L 8 U 3117/09).

Gegen den Bescheid vom 27.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2009 erhob der Kläger am 20.05.2009 Klage vor dem Sozialgericht mit dem Begehren, Gesundheitsstörungen im rechten Kniegelenk als Folgen des Arbeitsunfalls vom 28.09.2008 festzustellen und Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 v.H. zu gewähren.

Das Sozialgericht hörte schriftlich Dr. H. als sachverständigen Zeugen, der in seiner Aussage vom 21.09.2009 angab, bei der letzten Vorstellung des Klägers in ihrer Praxis am 05.11.2004 hätten nur noch minimale Beschwerden bei Belastung vorgelegen. Den Röntgenaufnahmen habe eine achsengerecht, knöchern konsolidiert verheilte Fibulafraktur, die am Übergang vom mittleren zum distalen Drittel des Wadenbeins gelegen habe, entnommen werden können. Diese habe zu keiner funktionellen Einschränkungen am rechten Bein geführt. Außerdem holte das Sozialgericht in Ergänzung des im Parallelverfahren erstatteten Gutachtens die gutachterlichen Stellungnahmen von Dr. D. vom 26.10.2009, vom 24.02.2010 und vom 27.10.2010 ein. Darin führte Dr. D. zusammenfassend zuletzt aus, es könne tatsächlich keine Addition der MdE-Werte aus den getrennt einzuschätzenden Versicherungsfällen vom 28.09.2004 und 24.11.2004 vorgenommen werden. Die Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks mit vollständiger Streckung und maximaler Beugung bis 90° rechtfertige nach der unfallmedizinischen Literatur eine MdE um 20 v.H. Die Beeinträchtigung am rechten Kniegelenk sei auf den Unfall vom 28.09.2004 zurückzuführen, denn es habe nicht nur eine isolierte Fibulaschaftfraktur am rechten Unterschenkel vorgelegen, sondern auch Weichteilverletzungen, wie sich aus der Entlassungsanzeige des Krankenhauses M. ergebe.

Mit Urteil vom 11.07.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte sich das Sozialgericht auf die Zeugenaussage von Dr. H., der eine folgenlos ausgeheilte Wadenbeinfraktur bestätigt habe. Eine Beeinträchtigung des Kniegelenks könne entgegen den Darlegungen von Dr. D. nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf diesen Unfall zurückgeführt werden.

Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 01.08.2011 mit Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.08.2011 beim Sozialgericht Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, das Sozialgericht habe sich ohne ein weiteres Gutachten über die Bewertung von Dr. D. hinweggesetzt. Das Sozialgericht habe nicht die erforderliche Sachkunde, um die gutachtlichen Äußerung von Dr. D. zu widerlegen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts vom 11.07.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2009 aufzuheben und festzustellen, dass die Gesundheitsstörung im rechten Kniegelenk Folge des Arbeitsunfalls vom 28.09.2004 ist sowie die Beklagte zu verurteilen, Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 v.H. zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen. Das Sozialgericht habe sich auf die Aussage der behandelnden Ärzte stützen können. Danach sei lediglich eine Verletzung am rechten Unterschenkel objektivierbar gewesen und könne als nachgewiesen angesehen werden. Damit fehle es bereits an dem erforderlichen Gesundheitserstschaden im Bereich des rechten Kniegelenkes.

Der Senat hat den Entlassungsbericht des Krankenhauses M. über die stationäre Behandlung des Klägers vom 02.10.2004 bis 08.10.2004 eingeholt.

Mit richterlicher Verfügung vom 21.03.2012 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten.

Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts sowie die Berufungsakte des Senats im abgeschlossenen Berufungsverfahren L 8 U 3117/09 beigezogen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte verwiesen.

II.

Gem. § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen mit richterlicher Verfügung vom 21.03.2012 hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 12.04.2012 hat dem Senat keinen Anlass gegeben, von der in Aussicht genommenen Verfahrensweise Abstand zu nehmen, denn darin wird lediglich das bisherige Vorbringen wiederholt und vertieft. Auf den Eindruck des Senats im Rahmen einer mündlichen Verhandlung über das Ausmaß der körperlichen Beschwerden des Klägers kommt es ohnehin nicht an.

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und insgesamt zulässig.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer Gesundheitsstörung am rechten Kniegelenk als Unfallfolge und auf Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit wegen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 28.04.2004. Die Klage ist als Feststellungsklage hinsichtlich der begehrten Feststellung von Unfallfolgen nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG und als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage hinsichtlich der begehrten Verletztenrente nach § 54 Abs. 4 SGG zulässig. Insbesondere liegen die Voraussetzungen einer Feststellungsklage vor, da im angefochtenen Bescheid die vom Kläger beantragte Feststellung der Unfallfolge konkludent abgelehnt wurde und der Kläger ein offensichtliches Interesse an der baldigen Feststellung hat. Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die für die Entscheidung des Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsvorschriften für die Verletztenrente und Rechtsgrundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Es hat ausführlich und zutreffend begründet, dass die Klage unbegründet ist, weil eine unfallbedingte Kniegelenksverletzung und eine unfallbedingte MdE nicht vorliegen. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Er nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die ausführlichen und zutreffenden Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend zum Berufungsvorbringen ist auszuführen, dass auch zur Überzeugung des Senats ein kausaler Zusammenhang der beim Kläger vorliegenden Kniegelenkserkrankung rechts mit dem streitbefangenen Arbeitsunfall vom 28.09.2004 nicht vorliegt. Der Kläger zog sich ausweislich des DAB vom 28.09.2004 eine Fibulafraktur rechts in Form einer Fissur zu. Eine Verletzung des Kniegelenks oder geltend gemachte Beschwerden im Kniegelenk sind im DAB vom 28.09.2004 nicht vermerkt. Eine Kniegelenksverletzung ist auch nicht aus nachgewiesenen Anknüpfungstatsachen zu folgern. In der vom SG eingeholten sachverständigen Zeugenaussage des Durchgangsarztes Dr. H. vom 21.09.2009 wird der Röntgenbefund einer unverschobenen Fraktur des Wadenbeins am Übergang vom mittleren zum distalen (vom Körperrumpf entfernten) Drittel beschrieben. Weder Art (nur eine Knochenfissur) noch Lage der Fraktur (weit entfernt vom Kniegelenk) erlauben eine Schlussfolgerung über eine Auswirkung der Fraktur auf das rechte Kniegelenk. Art und Ausmaß einer Weichteilverletzung (Zerquetschung sonstiger und nicht näher bezeichneter Teile des Unterschenkels), die im Entlassungsbericht des Belegarztes Dr. S. - aus der Durchgangsarztpraxis Dr. H. und Dr. S. - über die stationäre Behandlung des Klägers im Oktober 2004 aufgeführt ist, waren im Nachhinein nicht näher aufzuklären. Inwieweit hierüber Schlussfolgerungen auf eine Kniegelenksbeteiligung gezogen werden können, ist nicht ersichtlich und hat der Kläger selbst auch nicht vorgetragen. Relevante funktionelle Auswirkungen werden hierüber auch nicht von den untersuchenden Ärzten berichtet. Vielmehr beschreibt selbst Dr. D. in seinem Gutachten vom 14.07.2008 bei der vergleichenden Inspektion der unteren Gliedmaßen eine unauffällige Beinmuskulatur, die lediglich am linken Bein schwächer ausgeprägt war als rechts, bei seitengleicher Hautbehaarung, Hautfältelung, Hauttemperatur und Hautfarbe. Hinweise auf funktionelle Beeinträchtigungen des rechten Beins durch Narben oder sonstige fortbestehende Beeinträchtigungen der Muskulatur am rechten Unterschenkel ergeben sich weder aus dem von Dr. D. erhobenen Befund noch wurden solche von Dr. H./Dr. S. mitgeteilt. Soweit der Kläger weitere Beschwerden am Kniegelenk bzw. zuletzt am rechten Sprunggelenk beklagt, sind diese mangels Anknüpfungstatsachen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen. Ob solche funktionellen Beschwerden überhaupt vorliegen, ist daher nicht entscheidungserheblich. Eine Augenscheinnahme des Senats im Rahmen einer mündlichen Verhandlung war daher auch nicht erforderlich.

Abgesehen davon, dass eine Stützrente nach einer MdE um 10 v.H. nicht beantragt ist, ist die MdE-Einschätzung von Dr. H./Dr. S. mit 0 v.H. für die verbliebenen Folgen des Unfalls vom 28.09.2004 für den Senat auch überzeugend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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