Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 75/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 34/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine auch nur mittelbare Schlechterstellung von Notfallleistungen im Krankenhaus gegenüber vergleichbaren Leistungen von Vertragsärzten ist durch Regelungen der Honorarverteilung nicht zu billigen. Die Vergütung darf über den 10-prozentigen Abschlag nach § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V nicht hinausgehen (vgl. BSG, Urt. v. 17.09.2008 - B 6 KA 46/07 R - SozR 4-2500 § 75 Nr. 8 = ZMGR 2009, 47, zitiert nach juris Rdnr. 26).
Nach dem ab dem Quartal II/05 geltenden HVV der KV Hessen werden die Leistungen des organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienstes (Notdienstes) der niedergelassenen Vertragsärzte mit einem Punktwert von 4,6 Cent bewertet. Notfallleistungen im Krankenhaus erhalten lediglich einen durchschnittlichen rechnerischen Punktwert einer Honorargruppe. Im Ergebnis kann diese Regelung dazu führen, dass der Punktwert für die Notfallleistungen der Krankenhäuser um mehr als 10 % von der Vergütung im Bereich des organisierten Notfalldienstes der niedergelassenen Ärzte abweicht. Im Quartal II/05 war dies der Fall mit einem Punktwert von 3,512 Ct. im Primär- und einem Punktwert von 3,526 Ct. im Ersatzkassenbereich (76,3 % bzw. 76,7 % von 4,6 Ct.). Dies ist rechtswidrig.
Nach dem ab dem Quartal II/05 geltenden HVV der KV Hessen werden die Leistungen des organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienstes (Notdienstes) der niedergelassenen Vertragsärzte mit einem Punktwert von 4,6 Cent bewertet. Notfallleistungen im Krankenhaus erhalten lediglich einen durchschnittlichen rechnerischen Punktwert einer Honorargruppe. Im Ergebnis kann diese Regelung dazu führen, dass der Punktwert für die Notfallleistungen der Krankenhäuser um mehr als 10 % von der Vergütung im Bereich des organisierten Notfalldienstes der niedergelassenen Ärzte abweicht. Im Quartal II/05 war dies der Fall mit einem Punktwert von 3,512 Ct. im Primär- und einem Punktwert von 3,526 Ct. im Ersatzkassenbereich (76,3 % bzw. 76,7 % von 4,6 Ct.). Dies ist rechtswidrig.
1. Unter Abänderung des Honorarbescheids für das Quartal II/05 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2008 wird die Beklagte verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 8.400,58 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch um die Höhe des Punktwerts für Notfallleistungen der Klägerin im Quartal II/05.
Die Klägerin betreibt ein Klinikum in A-Stadt.
Die Beklagte setzte mit Honorarbescheid vom 29.06.2006 das Nettohonorar für das Quartal II/05 in Höhe von 54.049,65 EUR fest. Für den Primär- und Ersatzkassenbereich betrug das Bruttohonorar 53.214,41 EUR bei 1.762 Behandlungsfällen.
Hiergegen legte die Klägerin unter Datum vom 12.09.2006 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, der für die Vergütung der ärztlichen Leistungen in Ansatz gebrachte Punktwert entspreche nicht dem Punktwert für die Leistungen im organisierten vertragsärztlichen Notdienst. Vielmehr erfolge die Honorierung des organisierten Notdienstes mit einem Punktwert von 4,6 Cent, die Vergütung ihrer als ermächtigte Einrichtung erbrachten Notfallleistungen dagegen mit einem Punktwert von 3,512 Cent der Primärkassen bzw. mit einem Punktwert von 3,526 Cent bei Ersatzkassen. Diese Ungleichbehandlung sei nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unzulässig und nicht gerechtfertigt. Ferner wandte sie sich gegen die schlechtere Bewertung der Ziffer 01218 EBM 2005 gegenüber den von den Vertragsärzten abrechenbare Leistung nach Ziffer 01210 EBM 2005.
Die Beklagte verband dieses Widerspruchsverfahren mit den Widerspruchsverfahren bezüglich der Honorarbescheide für die Quartale III/05 bis III/06 sowie mit weiteren Widerspruchsverfahren bezüglich sachlich-rechnerischen Berichtigungen der Abrechnungen für die die Quartale II bis IV/06 und wies mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.2008 alle Widersprüche als unbegründet zurück. Hinsichtlich der Höhe der Punktwerte führte sie aus, dass keine grundsätzliche Vergütung der Leistungen des organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienstes zu einem Punktwert von 4,6 Cent erfolge. In Nr. 2.3 in Anlage 1 Ziffer 7.2 HVV sei festgelegt, dass ausschließlich Leistungen des organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienstes der niedergelassenen Vertragsärzte bei Kennzeichnung mit der Ziffer 98998 mit einem Punktwert von 4,6 Cent zu bewerten seien. Leistungen des organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienstes der niedergelassenen Vertragsärzte ohne Kennzeichnung, Leistungen im Notfall sowie Notdienstleistungen auf Abrechnung ermächtigter Krankenhausärzte und ärztlich geleiteter Einrichtungen erhielten den durchschnittlichen rechnerischen Punktwert der Honorargruppe A 2 und B 2, ermittelt vor Durchführung bzw. Bewertung der einzelnen Leistungen dieser Honorargruppen. Insoweit sei eine Ungleichbehandlung nicht festzustellen. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass auch der Punktwert von 4,6 Cent gem. dem letzten Absatz der Ziffer 2.3 Anlage 1 zu Ziffer 7.2 HVV durchaus weiter quotiert werden könne.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.06.2008 die Klage erhoben. Die Kammer hat mit Beschluss vom 06.06.2008 die Verfahren bezüglich der Honorarbescheide für die Quartale III/05 bis III/06 und bezüglich der sachlich-rechnerischen Berichtigung für die Quartale II bis IV/06 abgetrennt. Die Klagen bezüglich der sachlich-rechnerischen Berichtigung hat die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28.01.2011 zurückgenommen. Hinsichtlich der ursprünglich strittigen Umwandlungen der Ziffer 01210 in Nr. 01218 EBM 2005 haben sich die Beteiligten vergleichsweise darauf geeinigt, dass die Beklagte nach Neufassung des EBM durch den Bewertungsausschuss eine Neubescheidung vornehmen wird. Die Beteiligten haben auf Anregung der Kammer folgenden Teilvergleich geschlossen:
1. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass hinsichtlich der ursprünglich strittigen Umwandlungen der Ziffer 01210 in Nr. 01218 EBM 2005 die Beklagte eine Neubescheidung unter Berücksichtigung der Neufassung des EBM nach Maßgabe des Beschlusses des Bewertungsausschusses für die Quartale II/05 bis III/06 vornehmen wird.
2. Die Beteiligten sind sich ferner darüber einig, dass der Ausgang des Musterverfahrens unter Aktenzeichen S 12 KA 75/09 hinsichtlich der Punktwerthöhe für das Quartal II/05 entsprechend auf die Quartale III/05 bis III/06 zu übertragen ist.
3. Die Gerichtskosten trägt gegenüber der Gerichtskasse die Klägerin. Die Beklagte erstattet der Klägerin zunächst 68% der Gerichtskosten und der notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Verfahren S 12 KA 209/08 einschl. der verbundenen Verfahren zu Aktenzeichen S 12 KA 210 bis 213/08. Für die weiteren Verfahrenskosten werden die Beteiligten die Regelungen des Musterverfahrens zum Aktenzeichen S 12 KA 75/09 entsprechend übertragen.
4. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit für das Verfahren mit Aktenzeichen S 12 KA 209/08 einschließlich der verbundenen Verfahren zum Aktenzeichen S 12 KA 210 bis 213/08 für erledigt.
Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Klage, soweit sie noch streitgegenständlich ist, vor, die Notfallleistungen seien mit einem Punktwert zwischen 3 Cent und maximal 3,6 Cent pro Quartal in den ursprünglich streitbefangenen Quartalen II/05 bis III/06 vergütet worden. Hieraus resultiere eine zusätzliche Nachvergütung für alle Quartale in Höhe von ca. 68.500,00 EUR.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Honorarbescheids für das Quartal II/05 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2008 die Beklagte zu verurteilen, sie über ihren Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, sie halte an ihrem bisherigen Standpunkt fest, dass eine Ungleichbehandlung nicht vorliege. Im ärztlichen Bereitschaftsdienst, Honorarbereich C, habe sich für C 1 (mit Kennzeichnung der Nr. 98998) ein fester Punktwert von 4,60 Cent ergeben. Für C 2 (ohne Kennzeichnung der Nr. 98998) hätten sich folgende rechnerische Punktwerte ergeben:
Quartal - Punktwert, PK - Punktwert, EK
II/05 - 3,512 - 3,526
III/05 - 3,415 - 3,347
IV/05 - 3,561 - 3,560
I/06 - 3,207 - 3,288
II/06 - 3,053 - 3,607
III/06 - 3,455 - 3,455
Für diese unterschiedliche Vergütung bestehe ein sachlicher Grund. Die Vorhaltung des organisierten ärztlichen Bereitschaftdienstes führe zu einem entsprechend höheren Aufwand, den die übrigen Leistungserbringer und auch die Klägerin jedenfalls ohne Pflicht zur Vorhaltung einer solchen nicht betreiben müssten. Die daraus folgende unterschiedliche Vergütung sei daher zur Kompensation des unterschiedlichen Aufwandes gerechtfertigt. Auch das Bundessozialgericht führe im Urteil vom 17.09.2008 – B 6 KA 47/07 R – hierzu aus, dass das dort klagende Krankenhaus nicht automatisch die Zahlung einer höheren – für Leistungen im organisierten Notfalldienst ausgewiesenen und um den Abschlag von 10% nach § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V verminderten – Vergütung beanspruchen könne. Es habe sowohl das Anliegen der dortigen beklagten KV als auch des Bewertungsausschusses, die notfallmäßige Inanspruchnahme der Krankenhäuser auf Behandlungsfälle "zu den sprechstundenfreien Zeiten" i. S. des § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V zu schränken, für berechtigt angesehen. Die freie Arztwahl erstrecke sich auf Krankenhausambulanzen nur, soweit diese ausdrücklich zugelassen oder ermächtigt seien. Diese Zuordnungsregelungen dienten auch den Interessen der niedergelassenen Ärzte und dürften durch das Angebot einer stets verfügbaren Notfallambulanz im Krankenhaus nicht überspielt werden. In ihrem HVV sei auch eine normative Grundlage vorhanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der Beratungen gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Die Kammer konnte dies ohne mündliche Verhandlung tun, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Honorarbescheid für das Quartal II/05 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2008 ist, soweit er hier noch streitgegenständlich ist, rechtswidrig und war daher aufzuheben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Widerspruchs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
Strittig ist zwischen den Beteiligten nur noch die Höhe des Punktwertes für die Notfallleistungen der Klägerin.
Nach dem ab dem Quartal II/05 geltenden Honorarverteilungsvertrag werden die Leistungen des organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienstes (Notdienstes) der niedergelassenen Vertragsärzte bei Kennzeichnung mit Nr. 98998 mit einem Punktwert von 4,6 Cent bewertet. Leistungen des organisierten Bereitschaftsdienstes (Notdienstes) der niedergelassenen Vertragsärzte ohne Kennzeichnung, Leistungen im Notfall sowie Notdienstleistungen auf Abrechnungen ermächtigter Krankenhausärzte und ärztlich geleiteter Einrichtungen (einschließlich nachgeordneter ärztlicher Dienst) erhalten den durchschnittlichen rechnerischen Punktwert der Honorargruppen A2 und B2, ermittelt von Durchführung bzw. Bewertung der einzelnen Leistungen dieser Honorargruppen. Soweit das für den Honorarbereich C zur Verfügung stehende Honorarvolumen nicht ausreicht, erfolgt eine Quotierung, die im Einzelnen näher beschrieben wird (Nr. 2.3 der Anlagen 1 und 2 zur Ziffer 7.2 HVV). Im Ergebnis kann diese Regelung dazu führen, dass der Punktwert für die Notfallleistungen der Krankenhäuser, unter anderem auch der Klägerin, um mehr als 10 % von der Vergütung im Bereich des organisierten Notfalldienstes der niedergelassenen Ärzte abweicht. Im streitbefangenen Quartal war dies der Fall mit einem Punktwert von 3,512 Ct. im Primärkassen- und einem Punktwert von 3,526 Ct. im Ersatzkassenbereich gegen über einem Punktwert von 4,60 Ct. für den Bereich des organisierten Notfalldienstes der niedergelassenen Ärzte (76,3 % bzw. 76,7 %).
Das Bundessozialgericht hat insofern in dem den Beteiligten bekannten Urteil vom 17.09.2008 - B 6 KA 46/07 R - SozR 4-2500 § 75 Nr. 8 = ZMGR 2009, 47 seine ständige Rechtsprechung bestätigt, dass eine auch nur mittelbare Schlechterstellung von Notfallleistungen im Krankenhaus gegenüber vergleichbaren Leistungen von Vertragsärzten durch Regelungen der Honorarverteilung nicht zu billigen sei (zitiert nach juris Rdnr. 26). Es hat eine Regelung beanstandet, wonach für Ärzte im organisierten Notfalldienst ein Punktwert von 4,6 Cent gegenüber einem garantierten Punktwert von 3,3 Cent bzw. 4,0 Cent für die Vergütung der Notfallleistungen in Krankenhäusern erfolgt, weil dies über den 10-prozentigen Abschlag nach § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V hinausgehe. Sachlich tragfähige Gründe, die eine solch unterschiedliche Honorierung der im Wesentlichen gleichgelagerten Sachverhalte bei ambulanten Notfallbehandlungen im organisierten Notfalldienst einerseits und im Krankenhaus andererseits rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar.
Unter Nichtbeachtung der auch schon vor der genannten Entscheidung bestehenden langjährigen Rechtsprechung verweist die Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid lapidar darauf, eine Ungleichbehandlung liege nicht vor, weil keine grundsätzliche Vergütung der Leistungen des organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienstes zu einem Punktwert von 4,6 Cent erfolge. Damit wird nicht begründet, weshalb überhaupt eine unterschiedliche Regelungssystematik getroffen wird, welche Auswirkungen diese Regelungssystematik in den einzelnen streitbefangenen Quartalen gerade im Hinblick auf den tatsächlich gezahlten Punktwert hat und dass nach der genannten Bestimmungen im HVV zunächst eine Quotierung des Punktwerts außerhalb des organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienstes erfolgt. Dabei darf dieser zunächst bis 15 % unterhalb des rechnerischen Durchschnittspunktwerts der Honorargruppe A2 und B2 rutschen. Erst wenn dieser Punktwertabstand überschritten wird, erfolgt eine Quotierung des festen Punktwerts von 4,6 Cent solange, bis der Punktwertabstand von 15 % erreicht wird. Die 10-%-Quote dürfte damit in keinem Fall eingehalten werden. Dies zeigen auch die von der Beklagten angegebenen Punktwerte für die Folgequartale III/05 bis III/06, die fast durchweg noch unter den hier streitgegenständlichen Punktwerten liegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Streitwertfestsetzung erfolgte auf Beschluss des Vorsitzenden. Anzusetzen war der Betrag, den die Klägerin als höhere Vergütung für das streitbefangene Quartal geltend macht.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 8.400,58 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch um die Höhe des Punktwerts für Notfallleistungen der Klägerin im Quartal II/05.
Die Klägerin betreibt ein Klinikum in A-Stadt.
Die Beklagte setzte mit Honorarbescheid vom 29.06.2006 das Nettohonorar für das Quartal II/05 in Höhe von 54.049,65 EUR fest. Für den Primär- und Ersatzkassenbereich betrug das Bruttohonorar 53.214,41 EUR bei 1.762 Behandlungsfällen.
Hiergegen legte die Klägerin unter Datum vom 12.09.2006 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, der für die Vergütung der ärztlichen Leistungen in Ansatz gebrachte Punktwert entspreche nicht dem Punktwert für die Leistungen im organisierten vertragsärztlichen Notdienst. Vielmehr erfolge die Honorierung des organisierten Notdienstes mit einem Punktwert von 4,6 Cent, die Vergütung ihrer als ermächtigte Einrichtung erbrachten Notfallleistungen dagegen mit einem Punktwert von 3,512 Cent der Primärkassen bzw. mit einem Punktwert von 3,526 Cent bei Ersatzkassen. Diese Ungleichbehandlung sei nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unzulässig und nicht gerechtfertigt. Ferner wandte sie sich gegen die schlechtere Bewertung der Ziffer 01218 EBM 2005 gegenüber den von den Vertragsärzten abrechenbare Leistung nach Ziffer 01210 EBM 2005.
Die Beklagte verband dieses Widerspruchsverfahren mit den Widerspruchsverfahren bezüglich der Honorarbescheide für die Quartale III/05 bis III/06 sowie mit weiteren Widerspruchsverfahren bezüglich sachlich-rechnerischen Berichtigungen der Abrechnungen für die die Quartale II bis IV/06 und wies mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.2008 alle Widersprüche als unbegründet zurück. Hinsichtlich der Höhe der Punktwerte führte sie aus, dass keine grundsätzliche Vergütung der Leistungen des organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienstes zu einem Punktwert von 4,6 Cent erfolge. In Nr. 2.3 in Anlage 1 Ziffer 7.2 HVV sei festgelegt, dass ausschließlich Leistungen des organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienstes der niedergelassenen Vertragsärzte bei Kennzeichnung mit der Ziffer 98998 mit einem Punktwert von 4,6 Cent zu bewerten seien. Leistungen des organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienstes der niedergelassenen Vertragsärzte ohne Kennzeichnung, Leistungen im Notfall sowie Notdienstleistungen auf Abrechnung ermächtigter Krankenhausärzte und ärztlich geleiteter Einrichtungen erhielten den durchschnittlichen rechnerischen Punktwert der Honorargruppe A 2 und B 2, ermittelt vor Durchführung bzw. Bewertung der einzelnen Leistungen dieser Honorargruppen. Insoweit sei eine Ungleichbehandlung nicht festzustellen. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass auch der Punktwert von 4,6 Cent gem. dem letzten Absatz der Ziffer 2.3 Anlage 1 zu Ziffer 7.2 HVV durchaus weiter quotiert werden könne.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.06.2008 die Klage erhoben. Die Kammer hat mit Beschluss vom 06.06.2008 die Verfahren bezüglich der Honorarbescheide für die Quartale III/05 bis III/06 und bezüglich der sachlich-rechnerischen Berichtigung für die Quartale II bis IV/06 abgetrennt. Die Klagen bezüglich der sachlich-rechnerischen Berichtigung hat die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28.01.2011 zurückgenommen. Hinsichtlich der ursprünglich strittigen Umwandlungen der Ziffer 01210 in Nr. 01218 EBM 2005 haben sich die Beteiligten vergleichsweise darauf geeinigt, dass die Beklagte nach Neufassung des EBM durch den Bewertungsausschuss eine Neubescheidung vornehmen wird. Die Beteiligten haben auf Anregung der Kammer folgenden Teilvergleich geschlossen:
1. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass hinsichtlich der ursprünglich strittigen Umwandlungen der Ziffer 01210 in Nr. 01218 EBM 2005 die Beklagte eine Neubescheidung unter Berücksichtigung der Neufassung des EBM nach Maßgabe des Beschlusses des Bewertungsausschusses für die Quartale II/05 bis III/06 vornehmen wird.
2. Die Beteiligten sind sich ferner darüber einig, dass der Ausgang des Musterverfahrens unter Aktenzeichen S 12 KA 75/09 hinsichtlich der Punktwerthöhe für das Quartal II/05 entsprechend auf die Quartale III/05 bis III/06 zu übertragen ist.
3. Die Gerichtskosten trägt gegenüber der Gerichtskasse die Klägerin. Die Beklagte erstattet der Klägerin zunächst 68% der Gerichtskosten und der notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Verfahren S 12 KA 209/08 einschl. der verbundenen Verfahren zu Aktenzeichen S 12 KA 210 bis 213/08. Für die weiteren Verfahrenskosten werden die Beteiligten die Regelungen des Musterverfahrens zum Aktenzeichen S 12 KA 75/09 entsprechend übertragen.
4. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit für das Verfahren mit Aktenzeichen S 12 KA 209/08 einschließlich der verbundenen Verfahren zum Aktenzeichen S 12 KA 210 bis 213/08 für erledigt.
Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Klage, soweit sie noch streitgegenständlich ist, vor, die Notfallleistungen seien mit einem Punktwert zwischen 3 Cent und maximal 3,6 Cent pro Quartal in den ursprünglich streitbefangenen Quartalen II/05 bis III/06 vergütet worden. Hieraus resultiere eine zusätzliche Nachvergütung für alle Quartale in Höhe von ca. 68.500,00 EUR.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Honorarbescheids für das Quartal II/05 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2008 die Beklagte zu verurteilen, sie über ihren Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, sie halte an ihrem bisherigen Standpunkt fest, dass eine Ungleichbehandlung nicht vorliege. Im ärztlichen Bereitschaftsdienst, Honorarbereich C, habe sich für C 1 (mit Kennzeichnung der Nr. 98998) ein fester Punktwert von 4,60 Cent ergeben. Für C 2 (ohne Kennzeichnung der Nr. 98998) hätten sich folgende rechnerische Punktwerte ergeben:
Quartal - Punktwert, PK - Punktwert, EK
II/05 - 3,512 - 3,526
III/05 - 3,415 - 3,347
IV/05 - 3,561 - 3,560
I/06 - 3,207 - 3,288
II/06 - 3,053 - 3,607
III/06 - 3,455 - 3,455
Für diese unterschiedliche Vergütung bestehe ein sachlicher Grund. Die Vorhaltung des organisierten ärztlichen Bereitschaftdienstes führe zu einem entsprechend höheren Aufwand, den die übrigen Leistungserbringer und auch die Klägerin jedenfalls ohne Pflicht zur Vorhaltung einer solchen nicht betreiben müssten. Die daraus folgende unterschiedliche Vergütung sei daher zur Kompensation des unterschiedlichen Aufwandes gerechtfertigt. Auch das Bundessozialgericht führe im Urteil vom 17.09.2008 – B 6 KA 47/07 R – hierzu aus, dass das dort klagende Krankenhaus nicht automatisch die Zahlung einer höheren – für Leistungen im organisierten Notfalldienst ausgewiesenen und um den Abschlag von 10% nach § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V verminderten – Vergütung beanspruchen könne. Es habe sowohl das Anliegen der dortigen beklagten KV als auch des Bewertungsausschusses, die notfallmäßige Inanspruchnahme der Krankenhäuser auf Behandlungsfälle "zu den sprechstundenfreien Zeiten" i. S. des § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V zu schränken, für berechtigt angesehen. Die freie Arztwahl erstrecke sich auf Krankenhausambulanzen nur, soweit diese ausdrücklich zugelassen oder ermächtigt seien. Diese Zuordnungsregelungen dienten auch den Interessen der niedergelassenen Ärzte und dürften durch das Angebot einer stets verfügbaren Notfallambulanz im Krankenhaus nicht überspielt werden. In ihrem HVV sei auch eine normative Grundlage vorhanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der Beratungen gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Die Kammer konnte dies ohne mündliche Verhandlung tun, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Honorarbescheid für das Quartal II/05 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2008 ist, soweit er hier noch streitgegenständlich ist, rechtswidrig und war daher aufzuheben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Widerspruchs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
Strittig ist zwischen den Beteiligten nur noch die Höhe des Punktwertes für die Notfallleistungen der Klägerin.
Nach dem ab dem Quartal II/05 geltenden Honorarverteilungsvertrag werden die Leistungen des organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienstes (Notdienstes) der niedergelassenen Vertragsärzte bei Kennzeichnung mit Nr. 98998 mit einem Punktwert von 4,6 Cent bewertet. Leistungen des organisierten Bereitschaftsdienstes (Notdienstes) der niedergelassenen Vertragsärzte ohne Kennzeichnung, Leistungen im Notfall sowie Notdienstleistungen auf Abrechnungen ermächtigter Krankenhausärzte und ärztlich geleiteter Einrichtungen (einschließlich nachgeordneter ärztlicher Dienst) erhalten den durchschnittlichen rechnerischen Punktwert der Honorargruppen A2 und B2, ermittelt von Durchführung bzw. Bewertung der einzelnen Leistungen dieser Honorargruppen. Soweit das für den Honorarbereich C zur Verfügung stehende Honorarvolumen nicht ausreicht, erfolgt eine Quotierung, die im Einzelnen näher beschrieben wird (Nr. 2.3 der Anlagen 1 und 2 zur Ziffer 7.2 HVV). Im Ergebnis kann diese Regelung dazu führen, dass der Punktwert für die Notfallleistungen der Krankenhäuser, unter anderem auch der Klägerin, um mehr als 10 % von der Vergütung im Bereich des organisierten Notfalldienstes der niedergelassenen Ärzte abweicht. Im streitbefangenen Quartal war dies der Fall mit einem Punktwert von 3,512 Ct. im Primärkassen- und einem Punktwert von 3,526 Ct. im Ersatzkassenbereich gegen über einem Punktwert von 4,60 Ct. für den Bereich des organisierten Notfalldienstes der niedergelassenen Ärzte (76,3 % bzw. 76,7 %).
Das Bundessozialgericht hat insofern in dem den Beteiligten bekannten Urteil vom 17.09.2008 - B 6 KA 46/07 R - SozR 4-2500 § 75 Nr. 8 = ZMGR 2009, 47 seine ständige Rechtsprechung bestätigt, dass eine auch nur mittelbare Schlechterstellung von Notfallleistungen im Krankenhaus gegenüber vergleichbaren Leistungen von Vertragsärzten durch Regelungen der Honorarverteilung nicht zu billigen sei (zitiert nach juris Rdnr. 26). Es hat eine Regelung beanstandet, wonach für Ärzte im organisierten Notfalldienst ein Punktwert von 4,6 Cent gegenüber einem garantierten Punktwert von 3,3 Cent bzw. 4,0 Cent für die Vergütung der Notfallleistungen in Krankenhäusern erfolgt, weil dies über den 10-prozentigen Abschlag nach § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V hinausgehe. Sachlich tragfähige Gründe, die eine solch unterschiedliche Honorierung der im Wesentlichen gleichgelagerten Sachverhalte bei ambulanten Notfallbehandlungen im organisierten Notfalldienst einerseits und im Krankenhaus andererseits rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar.
Unter Nichtbeachtung der auch schon vor der genannten Entscheidung bestehenden langjährigen Rechtsprechung verweist die Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid lapidar darauf, eine Ungleichbehandlung liege nicht vor, weil keine grundsätzliche Vergütung der Leistungen des organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienstes zu einem Punktwert von 4,6 Cent erfolge. Damit wird nicht begründet, weshalb überhaupt eine unterschiedliche Regelungssystematik getroffen wird, welche Auswirkungen diese Regelungssystematik in den einzelnen streitbefangenen Quartalen gerade im Hinblick auf den tatsächlich gezahlten Punktwert hat und dass nach der genannten Bestimmungen im HVV zunächst eine Quotierung des Punktwerts außerhalb des organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienstes erfolgt. Dabei darf dieser zunächst bis 15 % unterhalb des rechnerischen Durchschnittspunktwerts der Honorargruppe A2 und B2 rutschen. Erst wenn dieser Punktwertabstand überschritten wird, erfolgt eine Quotierung des festen Punktwerts von 4,6 Cent solange, bis der Punktwertabstand von 15 % erreicht wird. Die 10-%-Quote dürfte damit in keinem Fall eingehalten werden. Dies zeigen auch die von der Beklagten angegebenen Punktwerte für die Folgequartale III/05 bis III/06, die fast durchweg noch unter den hier streitgegenständlichen Punktwerten liegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Streitwertfestsetzung erfolgte auf Beschluss des Vorsitzenden. Anzusetzen war der Betrag, den die Klägerin als höhere Vergütung für das streitbefangene Quartal geltend macht.
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