Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 209 P 410/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 P 30/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin, mit der er sinngemäß begehrt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen der Pflegestufe II (Pflegegeld) zu gewähren,
ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht eine entsprechende Verpflichtung der Antragsgegnerin abgelehnt. Denn auch zur Überzeugung des Senats sind die Voraussetzungen des § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG für die begehrte einstweilige Anordnung nicht glaubhaft gemacht.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Dies ist der Fall, wenn die Rechtsverfolgung in der Sache erhebliche Erfolgsaussicht hat (Anordnungsanspruch) und bei Abwägung der Interessen der Beteiligten die Interessen des Antragstellers an der vorläufigen Regelung diejenigen der anderen Beteiligten überwiegen und für ihre Realisierung ohne die Regelung erhebliche Gefahren oder wesentliche Nachteile drohen (Anordnungsgrund).
Vorliegend ist bereits zweifelhaft, ob dem Antragsteller ein Anordnungsanspruch, d.h. der geltend gemachte Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II, zusteht. Die Zuordnung zur Pflegestufe II setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XI voraus, dass der Betroffene bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, hat hierbei wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 180 Minuten zu betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als 120 Minuten entfallen müssen.
Anhand der vorliegenden Unterlagen lässt sich nicht feststellen, dass der Grundpflegebedarf des Antragstellers wöchentlich im Tagesdurchschnitt mehr als 120 Minuten beträgt. Nach dem von der Antragsgegnerin eingeholten Gutachten der Pflegefachkraft W vom 12. Januar 2012 besteht eine erhebliche Pflegebedürftigkeit sowie eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz des Antragstellers, jedoch keine Schwerpflegebedürftigkeit, weil im Bereich der Grundpflege der erforderliche Pflegeaufwand wöchentlich im Tagesdurchschnitt 73 Minuten betrage und damit der Mindestpflegebedarf von mehr als 120 Minuten nicht erreicht werde. Soweit von dem Antragsteller vorgetragen worden ist, dass aus dem Krankenhausentlassungsbericht vom 25. November 2011 eine erhebliche Verschlechterung hervorgehe, ist diese bei der Gutachtenerstellung am 12. Januar 2012 bereits berücksichtigt worden. Ggf. werden unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers, er sei schwer krank, weswegen ihm Leistungen der Pflegestufe II zu gewähren seien, im Widerspruchs- /Hauptsacheverfahren zwar noch weitere medizinische Ermittlungen zur abschließenden Beurteilung der Pflegebedürftigkeit des Antragstellers erforderlich sein.
Der insoweit nach Einschätzung des Senats gegenwärtig allenfalls als offen zu bezeichnende Ausgang des Hauptsacheverfahrens rechtfertigt indes auch nicht im Wege der Folgenabwägung eine stattgebende Entscheidung. Eine solche verlangt, die Folgen, die einträten, wenn die begehrte Anordnung nicht erginge, der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren aber obsiegen würde, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die Anordnung erlassen würde, der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren indes keinen Erfolg hätte.
Gemessen an diesen Maßstäben kommt die von dem Antragsteller begehrte Anordnung nicht in Betracht. Dabei berücksichtigt der Senat das besondere grundrechtliche Gewicht des mit dem Antrag verfolgten Begehrens mit Blick auf die durch das Pflegegeld geschützten Grundrechte auf Leben und Gesundheit sowie eine menschenwürdige Existenz. Dem Antragsteller drohen keine Nachteile, die er nicht auch bei Erfolglosigkeit ihrer Rechtsverfolgung in der Hauptsache hinzunehmen hätte. Seine genannten Grundrechte sind dadurch gesichert, dass nach den aus dem Gutachten vom 12. Januar 2012 zu entnehmenden Mitteilungen des Antragstellers und seiner Ehefrau der Pflegebedarf für die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung derzeit durch die erfolgenden Pflegeleistungen der Ehefrau gedeckt ist. Auch der Gutachter W hat dabei die aktuelle Sicherstellung der Pflege ausdrücklich bejaht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Antragstellers, dass sich seine gesundheitliche Situation verschlechtert habe. Denn die Verschlechterung soll bereits im November 2011 eingetreten sein, lag also bei der Begutachtung am 12. Januar 2012 schon seit mehreren Wochen vor. Es ist auch nicht ersichtlich und auch im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen worden, dass infolge des Ausbleibens des hier allein begehrten Pflegegeldes die Pflege des Antragstellers bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr gewährleistet wäre oder ihm sonstige unzumutbare Nachteile insbesondere finanzieller Art drohen. Eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigt sich daher nicht. Der Fall des Antragstellers ist bei dieser Sachlage nicht anders zu beurteilen als der derjenigen Antragsteller, die bei einem Streit mit der Pflegekasse über die Pflegebedürftigkeit ihre Rechte auf dem Klageweg weiterverfolgen müssen. Ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache ist dem Antragsteller zumutbar. Das Interesse des Antragstellers überwiegt daher nicht das Interesse der Antragsgegnerin, die Folgen einer Anordnung bei späterer Erfolglosigkeit der Antragstellerin zu vermeiden. Etwas anderes ergibt sich schließlich nicht aus dem Schriftsatz des Betreuers des Klägers vom 21. März 2012 und der Beschwerdebegründung, mit der er rügt, dass dieser Schriftsatz durch das erstinstanzliche Gericht im Beschluss vom 22. März 2012 nicht mehr berücksichtigt worden sei. Eine Gehörsverletzung ist darin nicht zu erkennen. Zudem ergibt sich auch aus dem Inhalt des Schriftsatzes vom 21. März 2012, der im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist, keine andere Einschätzung. Mit diesem ist lediglich um Fristverlängerung gebeten worden, inhaltlich jedoch kein weiterer Vortrag erfolgt. Vielmehr ist weiterer Vortrag lediglich angekündigt, aber auch bis zum jetztigen Zeitpunkt trotz der inzwischen verstrichenen Zeit nicht vorgelegt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in analoger Anwendung.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin, mit der er sinngemäß begehrt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen der Pflegestufe II (Pflegegeld) zu gewähren,
ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht eine entsprechende Verpflichtung der Antragsgegnerin abgelehnt. Denn auch zur Überzeugung des Senats sind die Voraussetzungen des § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG für die begehrte einstweilige Anordnung nicht glaubhaft gemacht.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Dies ist der Fall, wenn die Rechtsverfolgung in der Sache erhebliche Erfolgsaussicht hat (Anordnungsanspruch) und bei Abwägung der Interessen der Beteiligten die Interessen des Antragstellers an der vorläufigen Regelung diejenigen der anderen Beteiligten überwiegen und für ihre Realisierung ohne die Regelung erhebliche Gefahren oder wesentliche Nachteile drohen (Anordnungsgrund).
Vorliegend ist bereits zweifelhaft, ob dem Antragsteller ein Anordnungsanspruch, d.h. der geltend gemachte Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II, zusteht. Die Zuordnung zur Pflegestufe II setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XI voraus, dass der Betroffene bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, hat hierbei wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 180 Minuten zu betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als 120 Minuten entfallen müssen.
Anhand der vorliegenden Unterlagen lässt sich nicht feststellen, dass der Grundpflegebedarf des Antragstellers wöchentlich im Tagesdurchschnitt mehr als 120 Minuten beträgt. Nach dem von der Antragsgegnerin eingeholten Gutachten der Pflegefachkraft W vom 12. Januar 2012 besteht eine erhebliche Pflegebedürftigkeit sowie eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz des Antragstellers, jedoch keine Schwerpflegebedürftigkeit, weil im Bereich der Grundpflege der erforderliche Pflegeaufwand wöchentlich im Tagesdurchschnitt 73 Minuten betrage und damit der Mindestpflegebedarf von mehr als 120 Minuten nicht erreicht werde. Soweit von dem Antragsteller vorgetragen worden ist, dass aus dem Krankenhausentlassungsbericht vom 25. November 2011 eine erhebliche Verschlechterung hervorgehe, ist diese bei der Gutachtenerstellung am 12. Januar 2012 bereits berücksichtigt worden. Ggf. werden unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers, er sei schwer krank, weswegen ihm Leistungen der Pflegestufe II zu gewähren seien, im Widerspruchs- /Hauptsacheverfahren zwar noch weitere medizinische Ermittlungen zur abschließenden Beurteilung der Pflegebedürftigkeit des Antragstellers erforderlich sein.
Der insoweit nach Einschätzung des Senats gegenwärtig allenfalls als offen zu bezeichnende Ausgang des Hauptsacheverfahrens rechtfertigt indes auch nicht im Wege der Folgenabwägung eine stattgebende Entscheidung. Eine solche verlangt, die Folgen, die einträten, wenn die begehrte Anordnung nicht erginge, der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren aber obsiegen würde, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die Anordnung erlassen würde, der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren indes keinen Erfolg hätte.
Gemessen an diesen Maßstäben kommt die von dem Antragsteller begehrte Anordnung nicht in Betracht. Dabei berücksichtigt der Senat das besondere grundrechtliche Gewicht des mit dem Antrag verfolgten Begehrens mit Blick auf die durch das Pflegegeld geschützten Grundrechte auf Leben und Gesundheit sowie eine menschenwürdige Existenz. Dem Antragsteller drohen keine Nachteile, die er nicht auch bei Erfolglosigkeit ihrer Rechtsverfolgung in der Hauptsache hinzunehmen hätte. Seine genannten Grundrechte sind dadurch gesichert, dass nach den aus dem Gutachten vom 12. Januar 2012 zu entnehmenden Mitteilungen des Antragstellers und seiner Ehefrau der Pflegebedarf für die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung derzeit durch die erfolgenden Pflegeleistungen der Ehefrau gedeckt ist. Auch der Gutachter W hat dabei die aktuelle Sicherstellung der Pflege ausdrücklich bejaht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Antragstellers, dass sich seine gesundheitliche Situation verschlechtert habe. Denn die Verschlechterung soll bereits im November 2011 eingetreten sein, lag also bei der Begutachtung am 12. Januar 2012 schon seit mehreren Wochen vor. Es ist auch nicht ersichtlich und auch im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen worden, dass infolge des Ausbleibens des hier allein begehrten Pflegegeldes die Pflege des Antragstellers bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr gewährleistet wäre oder ihm sonstige unzumutbare Nachteile insbesondere finanzieller Art drohen. Eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigt sich daher nicht. Der Fall des Antragstellers ist bei dieser Sachlage nicht anders zu beurteilen als der derjenigen Antragsteller, die bei einem Streit mit der Pflegekasse über die Pflegebedürftigkeit ihre Rechte auf dem Klageweg weiterverfolgen müssen. Ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache ist dem Antragsteller zumutbar. Das Interesse des Antragstellers überwiegt daher nicht das Interesse der Antragsgegnerin, die Folgen einer Anordnung bei späterer Erfolglosigkeit der Antragstellerin zu vermeiden. Etwas anderes ergibt sich schließlich nicht aus dem Schriftsatz des Betreuers des Klägers vom 21. März 2012 und der Beschwerdebegründung, mit der er rügt, dass dieser Schriftsatz durch das erstinstanzliche Gericht im Beschluss vom 22. März 2012 nicht mehr berücksichtigt worden sei. Eine Gehörsverletzung ist darin nicht zu erkennen. Zudem ergibt sich auch aus dem Inhalt des Schriftsatzes vom 21. März 2012, der im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist, keine andere Einschätzung. Mit diesem ist lediglich um Fristverlängerung gebeten worden, inhaltlich jedoch kein weiterer Vortrag erfolgt. Vielmehr ist weiterer Vortrag lediglich angekündigt, aber auch bis zum jetztigen Zeitpunkt trotz der inzwischen verstrichenen Zeit nicht vorgelegt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in analoger Anwendung.
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