Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 122 R 2144/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 345/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 06. Februar 2009 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 04. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2005 verurteilt, dem Kläger ab dem 01. Februar 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der im Jahre 1954 geborene Kläger erlernte zunächst den Beruf eines Druckers und später den Beruf eines Karosseriebauers. In beiden Berufen war er tätig. Anschließend folgten Beschäftigungen in unterschiedlichen Bereichen, so unter anderem als Informationselektroniker, Elektromechaniker, Montageschlosser und Paketzusteller. In der Zeit von Mai 2000 bis April 2002 erfolgte eine Umschulung zum Zweiradmechaniker. Seit Mai 2002 ist der Kläger arbeitssuchend gemeldet.
Im Januar 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Durchführung medizinischer Ermittlungen lehnte die Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 04. März 2005 und Widerspruchsbescheid vom 21. April 2005 mit der Begründung ab, der Kläger sei weder ganz noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig. Im anschließenden Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Berlin hat das Gericht zunächst ein medizinisches Sachverständigengutachten des Orthopäden F vom 23. August 2006 eingeholt, in dem dieser die vollschichtige Leistungsfähigkeit des Klägers bestätigte. Aufgrund weiterer richterlicher Beweisanordnung erstattete am 12. Juni 2007 der Facharzt für Psychiatrie Dr. H ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten. Darin stellte er fest, es bestehe bei dem Kläger eine kombinierte Persönlichkeitsstörung. Aufgrund der psychiatrischen Erkrankung ergäben sich keine Einschränkungen bezüglich der körperlichen Leistungsfähigkeit. Der Kläger sei vollschichtig einsatzfähig.
Nach vorangegangener Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 06. Februar 2009 die Klage abgewiesen: gesundheitlich sei der Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten vollschichtig auszuüben. Dies gelte sowohl vor dem Hintergrund der orthopädischen Einschränkungen als auch in psychiatrischer Hinsicht. Hier liebe eine Persönlichkeitsstörung vor, die aber keine quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit bewirke.
Mit seiner fristgemäß eingelegten Berufung gegen den vorgenannten Gerichtsbescheid verfolgt der Kläger sein Ziel weiter, eine Rente wegen Erwerbsminderung zu erhalten. Er macht geltend, er sei aufgrund seiner psychischen Erkrankungen an einer Tätigkeit gehindert.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 3. April 2012 hat die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 1. Februar 2011 anerkannt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 06. Februar 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 04. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2005 zu verurteilen, ihm ab dem 01. Februar 2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, gegebenenfalls bei Berufungsunfähigkeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit der Anspruch nicht anerkannt worden ist.
Sie macht geltend, der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung sei erst ab Februar 2011 zuzuerkennen, weil erst ab der Erstattung des Gutachtens des Dr. M vom 1. Februar 2011 die Voraussetzungen der vollen Erwerbsminderung nachweisbar seien.
Aufgrund richterlicher Beweisanordnung hat am 01. Februar 2011 der Arzt für Psychiatrie Dr. M ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Darin ist er zunächst zu der Einschätzung gelangt, der Kläger leide an einer schweren paranoiden Persönlichkeitsstörung (ICD ) und einer emotionalen instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD ). Eine depressive Störung liege nicht mehr vor, auch keine bipolare Störung. Aufgrund dieser Einschränkung sei der Kläger jedenfalls sei dem Jahre 2005 nicht einmal bis zu 3 Stunden täglich in der Lage, eine Erwerbstätigkeit nachzugehen. Unter dem 10. August 2011 und dem 15. Dezember 2011 hat der Sachverständige auf Verlangen des Gerichts weitere Stellungnahmen abgegeben; hierbei waren ihm die Akten erneut vorgelegt worden, insbesondere Auskünfte der behandelnden Ärzte des Klägers, maßgeblich das Attest des behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie B vom 06. September 2011, der ausführte, die von dem Sachverständigen Dr. M festgestellten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit hätten auch schon zum Zeitpunkt des ersten Besuches des Klägers bei dem Arzt B am 07. Februar 2006 bestanden und bestünden auch weiterhin. In seinen Stellungnahmen hat der Sachverständige Dr. M im Kern ausgeführt, er halte es für sehr wahrscheinlich, dass der Kläger seit Februar 2005 in der vom Sachverständigen festgestellten Weise durchgehend erwerbsgemindert gewesen sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie ist in der Sache auch begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid war aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen, weil dem Kläger ab dem 1. Februar 2005 der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung zusteht.
Für die Zeit ab dem 1. Februar 2011 beruht die Verurteilung auf § 202 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 307 Absatz 1 Zivilprozessordnung, weil der Beklagte ab diesem Zeitpunkt den Anspruch des Klägers anerkannt hat und insoweit ein Anerkenntnisurteil auszusprechen war.
Indessen besteht der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich jedenfalls ab dem 1. Februar 2005, wie es der Kläger vorliegend prozessual geltend gemacht hat. Die Rente hat ab diesem Zeitpunkt zu beginnen, weil die Voraussetzungen des § 99 Absatz 1 Sätze 1 und 2 Sozialgesetzbuch/Sechstes Buch (SGB VI) jedenfalls ab dem 1. Februar 2005 erfüllt waren. Denn der Kläger hatte die Rentenleistung beantragt, er erfüllte die allgemeinen und besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und er war jedenfalls ab diesem Zeitpunkt auch voll erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Absatz 2 Satz 2 SGB VI. Er konnte jedenfalls ab diesem Zeitpunkt nicht mindestens drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.
Dies ergibt sich zur freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats (§ 128 Absatz 1 Satz 1 SGG). Besondere Bedeutung kommt insoweit dem medizinischen Sachverständigengutachten des nebst den beiden ergänzenden Stellungnahmen dieses Sachverständigen zu. Der Sachverständige hat im Einzelnen überzeugend ausgeführt, dass der Kläger aufgrund seiner psychischen Erkrankung in seiner Persönlichkeit so geformt ist, dass er in jeder Arbeitssituation und an jedem üblichen Arbeitsplatz innerhalb sehr kurzer Zeit in derart starke Konflikte mit Arbeitskollegen und Vorgesetzten geraten wird, dass die Aufrechterhaltung normaler Arbeitsabläufe nicht mehr möglich sein wird. Der Sachverständige hat zugleich ausgeführt, dass dieses Verhalten vollumfänglich Krankheitswert besitzt und von dem Kläger oder seiner Arbeitsumgebung nicht beeinflusst, verändert oder gar verhindert werden kann.
Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit und uneingeschränkten Überzeugungskraft der Darlegungen des Sachverständigen; auch die Beklagte teilt für die Zeit ab Februar 2011 diese Einschätzung. Der Senat ist darüber hinaus im selben Maße auch zu der Überzeugung gelangt, dass diese krankheitsbedingten Funktionsbeeinträchtigungen, die die volle Erwerbsminderung des Klägers bedingen, jedenfalls bereits im Februar 2005 vorgelegen haben. Diese Einschätzung hat der Sachverständige bereits in seinem ursprünglichen Gutachten begründet, er hat an ihr auch in seinen beiden weiteren Äußerungen festgehalten. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Sachverständige sich auf die Nachfrage des damals zuständigen Senats dahingehend geäußert hat, er könne nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, ohne dass ver-nünftige Zweifel verblieben, diese Feststellungen treffen. Denn der Sachverständige ist hierbei ersichtlich von einem naturwissenschaftlich-mathematischen Wahrscheinlichkeitsbegriff aus-gegangen, der indessen nicht dem rechtlich maßgeblichen Beweisgrad der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit und auch nicht dem Erfordernis der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen richterlichen Überzeugung gemäß § 128 Absatz 1 Satz 1 SGG entspricht. Darüber hinaus ist es nicht tunlich, die Formulierung einer derartigen, den vorgenannten rechtlichen Maßstäben entsprechenden Überzeugung auf einen Sachverständigen abzuwälzen. Vielmehr hat allein das Gericht selbst – unter verständiger Auswertung des gesamten Verfahrensergebnisses und unter besonderer Berücksichtigung der Äußerungen der Sach-verständigen – eine Überzeugung entsprechend den Maßstäben des Vollbeweises in freier richterlicher Beweiswürdigung vorzunehmen.
Dies führt vorliegend dazu, dass der Senat zu der Überzeugung gelangt ist, dass der vom Sachverständigen beschriebene Gesundheitszustand des Klägers mit den darauf beruhenden Funk-tionsbeeinträchtigungen und Leistungseinschränkungen sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht nicht erst im Jahre 2011 eingetreten ist, wie die Beklagte meint, sondern vielmehr bereits im Wesentlichen unverändert jedenfalls seit Februar 2005 bestanden hat. Dies entspricht nicht nur der überzeugend begründeten Einschätzung des Sachverständigen, sondern folgt auch aus sämtlichen sonstigen im Verfahren beigezogenen medizinischen Erkenntnisquellen einschließlich der vorangegangenen medizinischen Sachverständigengutachten. Keine der dem Senat zur Verfügung stehenden medizinischen Unterlagen lässt einen ernsthaften Rück-schluss auf eine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustandes des Klägers in der Zeit zwischen Februar 2005 und Februar 2011 zu. Hingegen hat zuletzt nochmals der behandelnde Arzt für Neurologie und Psychiatrie in seiner schriftlichen Äußerung vom 6. September 2011 in Kenntnis des Gutachtens des Dr. M dargelegt, dass der Gesundheitszustand des Klägers seit Behandlungsbeginn im Jahre 2006 unverändert geblieben sei. Dies lässt zugleich zwingend den Rückschluss zu, dass auch bereits im Februar 2005 derselbe Gesundheitszustand bestanden hat.
Die Rente war bereits ab dem 1. Februar 2005 auf Dauer und ohne verzögerten Rentenbeginn nach § 101 Absatz 1 SGB VI zuzuerkennen, weil gemäß § 102 Absatz 2 Satz 5 SGB VI vorlie-gend eine Befristung der Rente zu unterbleiben hatte. Denn es war und ist unwahrscheinlich, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit innerhalb von 9 Jahren ab dem 1. Februar 2005 behoben werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht bestehen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der im Jahre 1954 geborene Kläger erlernte zunächst den Beruf eines Druckers und später den Beruf eines Karosseriebauers. In beiden Berufen war er tätig. Anschließend folgten Beschäftigungen in unterschiedlichen Bereichen, so unter anderem als Informationselektroniker, Elektromechaniker, Montageschlosser und Paketzusteller. In der Zeit von Mai 2000 bis April 2002 erfolgte eine Umschulung zum Zweiradmechaniker. Seit Mai 2002 ist der Kläger arbeitssuchend gemeldet.
Im Januar 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Durchführung medizinischer Ermittlungen lehnte die Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 04. März 2005 und Widerspruchsbescheid vom 21. April 2005 mit der Begründung ab, der Kläger sei weder ganz noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig. Im anschließenden Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Berlin hat das Gericht zunächst ein medizinisches Sachverständigengutachten des Orthopäden F vom 23. August 2006 eingeholt, in dem dieser die vollschichtige Leistungsfähigkeit des Klägers bestätigte. Aufgrund weiterer richterlicher Beweisanordnung erstattete am 12. Juni 2007 der Facharzt für Psychiatrie Dr. H ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten. Darin stellte er fest, es bestehe bei dem Kläger eine kombinierte Persönlichkeitsstörung. Aufgrund der psychiatrischen Erkrankung ergäben sich keine Einschränkungen bezüglich der körperlichen Leistungsfähigkeit. Der Kläger sei vollschichtig einsatzfähig.
Nach vorangegangener Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 06. Februar 2009 die Klage abgewiesen: gesundheitlich sei der Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten vollschichtig auszuüben. Dies gelte sowohl vor dem Hintergrund der orthopädischen Einschränkungen als auch in psychiatrischer Hinsicht. Hier liebe eine Persönlichkeitsstörung vor, die aber keine quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit bewirke.
Mit seiner fristgemäß eingelegten Berufung gegen den vorgenannten Gerichtsbescheid verfolgt der Kläger sein Ziel weiter, eine Rente wegen Erwerbsminderung zu erhalten. Er macht geltend, er sei aufgrund seiner psychischen Erkrankungen an einer Tätigkeit gehindert.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 3. April 2012 hat die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 1. Februar 2011 anerkannt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 06. Februar 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 04. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2005 zu verurteilen, ihm ab dem 01. Februar 2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, gegebenenfalls bei Berufungsunfähigkeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit der Anspruch nicht anerkannt worden ist.
Sie macht geltend, der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung sei erst ab Februar 2011 zuzuerkennen, weil erst ab der Erstattung des Gutachtens des Dr. M vom 1. Februar 2011 die Voraussetzungen der vollen Erwerbsminderung nachweisbar seien.
Aufgrund richterlicher Beweisanordnung hat am 01. Februar 2011 der Arzt für Psychiatrie Dr. M ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Darin ist er zunächst zu der Einschätzung gelangt, der Kläger leide an einer schweren paranoiden Persönlichkeitsstörung (ICD ) und einer emotionalen instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD ). Eine depressive Störung liege nicht mehr vor, auch keine bipolare Störung. Aufgrund dieser Einschränkung sei der Kläger jedenfalls sei dem Jahre 2005 nicht einmal bis zu 3 Stunden täglich in der Lage, eine Erwerbstätigkeit nachzugehen. Unter dem 10. August 2011 und dem 15. Dezember 2011 hat der Sachverständige auf Verlangen des Gerichts weitere Stellungnahmen abgegeben; hierbei waren ihm die Akten erneut vorgelegt worden, insbesondere Auskünfte der behandelnden Ärzte des Klägers, maßgeblich das Attest des behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie B vom 06. September 2011, der ausführte, die von dem Sachverständigen Dr. M festgestellten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit hätten auch schon zum Zeitpunkt des ersten Besuches des Klägers bei dem Arzt B am 07. Februar 2006 bestanden und bestünden auch weiterhin. In seinen Stellungnahmen hat der Sachverständige Dr. M im Kern ausgeführt, er halte es für sehr wahrscheinlich, dass der Kläger seit Februar 2005 in der vom Sachverständigen festgestellten Weise durchgehend erwerbsgemindert gewesen sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie ist in der Sache auch begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid war aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen, weil dem Kläger ab dem 1. Februar 2005 der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung zusteht.
Für die Zeit ab dem 1. Februar 2011 beruht die Verurteilung auf § 202 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 307 Absatz 1 Zivilprozessordnung, weil der Beklagte ab diesem Zeitpunkt den Anspruch des Klägers anerkannt hat und insoweit ein Anerkenntnisurteil auszusprechen war.
Indessen besteht der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich jedenfalls ab dem 1. Februar 2005, wie es der Kläger vorliegend prozessual geltend gemacht hat. Die Rente hat ab diesem Zeitpunkt zu beginnen, weil die Voraussetzungen des § 99 Absatz 1 Sätze 1 und 2 Sozialgesetzbuch/Sechstes Buch (SGB VI) jedenfalls ab dem 1. Februar 2005 erfüllt waren. Denn der Kläger hatte die Rentenleistung beantragt, er erfüllte die allgemeinen und besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und er war jedenfalls ab diesem Zeitpunkt auch voll erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Absatz 2 Satz 2 SGB VI. Er konnte jedenfalls ab diesem Zeitpunkt nicht mindestens drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.
Dies ergibt sich zur freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats (§ 128 Absatz 1 Satz 1 SGG). Besondere Bedeutung kommt insoweit dem medizinischen Sachverständigengutachten des nebst den beiden ergänzenden Stellungnahmen dieses Sachverständigen zu. Der Sachverständige hat im Einzelnen überzeugend ausgeführt, dass der Kläger aufgrund seiner psychischen Erkrankung in seiner Persönlichkeit so geformt ist, dass er in jeder Arbeitssituation und an jedem üblichen Arbeitsplatz innerhalb sehr kurzer Zeit in derart starke Konflikte mit Arbeitskollegen und Vorgesetzten geraten wird, dass die Aufrechterhaltung normaler Arbeitsabläufe nicht mehr möglich sein wird. Der Sachverständige hat zugleich ausgeführt, dass dieses Verhalten vollumfänglich Krankheitswert besitzt und von dem Kläger oder seiner Arbeitsumgebung nicht beeinflusst, verändert oder gar verhindert werden kann.
Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit und uneingeschränkten Überzeugungskraft der Darlegungen des Sachverständigen; auch die Beklagte teilt für die Zeit ab Februar 2011 diese Einschätzung. Der Senat ist darüber hinaus im selben Maße auch zu der Überzeugung gelangt, dass diese krankheitsbedingten Funktionsbeeinträchtigungen, die die volle Erwerbsminderung des Klägers bedingen, jedenfalls bereits im Februar 2005 vorgelegen haben. Diese Einschätzung hat der Sachverständige bereits in seinem ursprünglichen Gutachten begründet, er hat an ihr auch in seinen beiden weiteren Äußerungen festgehalten. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Sachverständige sich auf die Nachfrage des damals zuständigen Senats dahingehend geäußert hat, er könne nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, ohne dass ver-nünftige Zweifel verblieben, diese Feststellungen treffen. Denn der Sachverständige ist hierbei ersichtlich von einem naturwissenschaftlich-mathematischen Wahrscheinlichkeitsbegriff aus-gegangen, der indessen nicht dem rechtlich maßgeblichen Beweisgrad der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit und auch nicht dem Erfordernis der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen richterlichen Überzeugung gemäß § 128 Absatz 1 Satz 1 SGG entspricht. Darüber hinaus ist es nicht tunlich, die Formulierung einer derartigen, den vorgenannten rechtlichen Maßstäben entsprechenden Überzeugung auf einen Sachverständigen abzuwälzen. Vielmehr hat allein das Gericht selbst – unter verständiger Auswertung des gesamten Verfahrensergebnisses und unter besonderer Berücksichtigung der Äußerungen der Sach-verständigen – eine Überzeugung entsprechend den Maßstäben des Vollbeweises in freier richterlicher Beweiswürdigung vorzunehmen.
Dies führt vorliegend dazu, dass der Senat zu der Überzeugung gelangt ist, dass der vom Sachverständigen beschriebene Gesundheitszustand des Klägers mit den darauf beruhenden Funk-tionsbeeinträchtigungen und Leistungseinschränkungen sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht nicht erst im Jahre 2011 eingetreten ist, wie die Beklagte meint, sondern vielmehr bereits im Wesentlichen unverändert jedenfalls seit Februar 2005 bestanden hat. Dies entspricht nicht nur der überzeugend begründeten Einschätzung des Sachverständigen, sondern folgt auch aus sämtlichen sonstigen im Verfahren beigezogenen medizinischen Erkenntnisquellen einschließlich der vorangegangenen medizinischen Sachverständigengutachten. Keine der dem Senat zur Verfügung stehenden medizinischen Unterlagen lässt einen ernsthaften Rück-schluss auf eine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustandes des Klägers in der Zeit zwischen Februar 2005 und Februar 2011 zu. Hingegen hat zuletzt nochmals der behandelnde Arzt für Neurologie und Psychiatrie in seiner schriftlichen Äußerung vom 6. September 2011 in Kenntnis des Gutachtens des Dr. M dargelegt, dass der Gesundheitszustand des Klägers seit Behandlungsbeginn im Jahre 2006 unverändert geblieben sei. Dies lässt zugleich zwingend den Rückschluss zu, dass auch bereits im Februar 2005 derselbe Gesundheitszustand bestanden hat.
Die Rente war bereits ab dem 1. Februar 2005 auf Dauer und ohne verzögerten Rentenbeginn nach § 101 Absatz 1 SGB VI zuzuerkennen, weil gemäß § 102 Absatz 2 Satz 5 SGB VI vorlie-gend eine Befristung der Rente zu unterbleiben hatte. Denn es war und ist unwahrscheinlich, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit innerhalb von 9 Jahren ab dem 1. Februar 2005 behoben werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht bestehen.
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