L 4 R 1218/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 4514/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1218/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Januar 2011 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit vom 01. Juni 2009 bis 31. Mai 2012.

Die am 1954 geborene Klägerin erlernte keinen Beruf. Sie war von 11. August 1969 bis 27. Oktober 2002 mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit bzw. Schwangerschaft/Mutterschutz als Löterin, Kontrolleurin, Heimarbeiterin, Verkäuferin und zuletzt als Reinigungskraft versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Beendigung der Lohnfortzahlung bezog sie vom 10. Dezember 2002 bis 07. April 2004 Krankengeld oder Übergangsgeld und sodann bis 02. Februar 2006 Arbeitslosengeld. Seither ist sie arbeitslos ohne Leistungsbezug. Einen von der Klägerin am 09. Januar 2004 wegen einer Gonarthrose, eines LWS-Syndroms und einer Arthrose im oberen Sprunggelenk rechts gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte u.a. gestützt auf das von der Chirurgin Dr. L. erstattete Gutachten vom 20. Februar 2004 mit Bescheid vom 09. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. August 2004 ab. Die hiergegen zum Sozialgericht Karlsruhe (SG - S 2 RJ 3931/04 -) erhobene Klage nahm die Klägerin nach schriftlicher Vernehmung der sie behandelnden Ärzte und Einholung von Gutachten des Orthopäden Dr. Thon vom 18. April 2005 (leichte Tätigkeiten mit Funktionseinschränkungen sechs Stunden und mehr pro Tag) sowie auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. La. vom 05. Dezember 2005 (Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich) und erneut von Amts wegen des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. vom 28. Januar 2006 (leichte Tätigkeiten mit Funktionseinschränkungen täglich sechs Stunden und mehr) am 07. März 2006 zurück.

In der Zeit vom 14. Juli bis 04. August 2008 befand sich die Klägerin zur medizinischen Rehabilitation in der Reha-Klinik S. in D ... Arzt für Orthopädie Dr. N. diagnostizierte in seinem Reha-Entlassungsbericht vom 14. August 2008 bei der Klägerin eine posttraumatische obere Sprunggelenk-Arthrose rechts, Zustand nach Arthrodese November 2003, eine Gonarthrose beidseits, ein chronifiziertes HWS- und LWS-Syndrom bei Fehlstellung und initialer degenerativer Wirbelsäulenerkrankung, ein metabolisches Syndrom mit Adipositas, labiler arterieller Hypertonie und Hypercholesterinämie sowie Depressionen. Das Leistungsvermögen für die zuletzt verrichtete Tätigkeit als Reinemachfrau liege unter drei Stunden täglich. In der sozialmedizinischen Beurteilung kreuzte Dr. N. an, leichte Arbeiten mit Funktionseinschränkungen seien der Klägerin noch drei bis unter sechs Stunden täglich möglich, in der sozialmedizinischen Beurteilung im Bericht selbst führte er aus, die Klägerin sei für solche Tätigkeiten noch drei bis sechs Stunden einsetzbar.

Am 08. Dezember 2008 beantragte die Klägerin erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte erhob hierauf Gutachten des Internisten und Sozialmediziners Dr. M., des Orthopäden Dr. S. und des Arztes für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sc ... In seinem chirurgisch-orthopädischen Zusatzgutachten vom 19. März 2009 führte Dr. S. aus, bei der Klägerin bestehe ein hohlrunder Rücken, ein Lumbalsyndrom bei Osteochondrose L5/S1, eine Arthrose des rechten Kniegelenkes und Kniescheibengelenkes bei Deformierung der Kniescheibe nach (einer bei einem 1977 stattgefundenen Verkehrsunfall erlittenen) Fraktur, eine Arthrose des linken Kniegelenkes und eine Arthrose des rechten oberen und unteren Sprunggelenkes sowie eine Versteifung des rechten Sprungbein-/Kahnbeingelenkes. Die Klägerin könne noch leichte und teilweise mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Sitzen mit der Möglichkeit kurzer Bewegungsunterbrechungen oder im Wechsel zwischen überwiegendem Sitzen, Steh- und Gehbelastungen ohne längere Zwangshaltungen des Rumpfes, nicht verbunden mit Heben und Tragen von Lasten, die etwa zehn kg überschritten, ohne überwiegende und längere Steh- und Gehbelastungen sowie ohne Steigen auf Leitern und Gerüste verrichten. Unter diesen Voraussetzungen müsse die tägliche Arbeitszeit nicht auf weniger als sechs Stunden eingeschränkt werden. Für eine zu Fuß zurückzulegende Gehstrecke halte er eine Beschränkung auf etwa 1000 Meter für angebracht. Die Klägerin könne jedoch viermal täglich 500 Meter in etwa 15 Minuten zurücklegen. Dr. Sc. diagnostizierte in seinem nervenfachärztlichen Zusatzgutachten vom 06. März 2009 eine Dysthymia mit somatoformen Beschwerden. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht liege bei der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vor. Tätigkeiten mit vermehrt geistig-psychischen und insbesondere emotionalen Belastungen, mit vermehrten Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen und Tätigkeiten mit vermehrtem Publikumsverkehr, unter Zeitdruck oder in Nachtschicht könne die Klägerin jedoch nicht mehr ausführen. Dr. M., der in seinem mehrfachärztlichen Gutachten vom 03. April 2009 auf internistischem Fachgebiet keine weiteren Diagnosen stellte, gelangte unter Berücksichtigung der Zusatzgutachten zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass das Leistungsvermögen der Klägerin qualitativ, aber nicht quantitativ eingeschränkt sei. Nicht mehr möglich seien der Klägerin körperlich schwere und ausschließlich mittelschwere Tätigkeiten, Tätigkeiten in längeren Zwangshaltungen des Rumpfes, mit Heben und Tragen von Lasten über zehn kg, mit längerem Stehen und Gehen, Steigen auf Leitern und Gerüsten, auf unebenem Boden, mit vermehrt geistig-psychischen und emotionalen Belastungen, mit vermehrten Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, mit vermehrtem Publikumsverkehr, unter ständigem Zeitdruck und in Nachtschicht. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07. April 2009 die Rentengewährung ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege. Auf den von der Klägerin dagegen erhobenen Widerspruch, den sie insbesondere auf ihre Multimorbidität und ihre orthopädischen und psychiatrischen Erkrankungen stützte, holte die Beklagte eine Stellungnahme des Dr. M. ein, der sich unter dem 17. Juni 2009 dahingehend äußerte, dass kein Anlass bestehe, das nach ausführlicher mehrfachärztlicher Begutachtung festgestellte Leistungsbild zu revidieren. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2009 wies hierauf der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Die Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin durch den sozialmedizinischen Dienst sei für ihn, den Widerspruchsausschuss, schlüssig und nachvollziehbar, weshalb er sich ihr anschließe. Volle bzw. teilweise Erwerbsminderung liege daher nicht vor. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) bestehe bei der Klägerin ebenfalls nicht. Ihr bisheriger Beruf sei die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als Reinigungskraft. Diese sei dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen. Sie müsse sich deshalb auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verweisen lassen. Nach seiner, des Widerspruchsausschusses, Auffassung seien ihr derartige Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden täglich zumutbar.

Am 14. Oktober 2009 erhob die Klägerin Klage zum SG. Im Gegensatz zu Dr. Sc., der lediglich eine Dysthymia mit somatoformen Beschwerden festgestellt habe, habe ihre Hausärztin (Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. R.) ihr gegenüber eine seit Jahren bestehende massive posttraumatische Belastungsstörung und eine mittelschwere Depression mit chronischen Schmerzen bestätigt. Sie befinde sich deshalb in psychotherapeutischer Behandlung. Ihre orthopädischen Erkrankungen stünden einer im Gehen und Stehen zu verrichtenden Tätigkeit ebenso wie einer leichten, überwiegend im Sitzen zu verrichtenden manuellen Tätigkeit entgegen. Schon nach leichten körperlichen Anstrengungen komme es auch zu einem Anschwellen der Beine und ausgeprägtem Ruheschmerz. Deshalb habe die Leistungsbeurteilung des Dr. N. im Reha-Entlassungsbericht Bestand. Es bestehe bei ihr bei unter sechsstündigem Leistungsvermögen ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit. Die Beklagte legte Kopien von Schreiben des Arztes für Psychiatrie Ma. vom 05. November 2009 und der Psychologischen Psychotherapeutin Sa. vom 02. Oktober 2009 sowie eine sozialmedizinische Stellungnahme des Lungenarztes Dr. H. vom 10. Mai 2010 vor.

Das SG hörte die die Klägerin behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Psychiater Ma. (Auskunft vom 17. Dezember 2009) gab an, das maßgebliche Leiden der Klägerin entstehe aus der Kombination von körperlichen Schmerzen, bedingt durch Unfallfolgen und Degeneration, sowie der psychischen Symptomatik mit einem Komplex, bestehend aus posttraumatischer Belastungsstörung, langjähriger Dysthymie, Angsterkrankung und letztendlich depressiver Dekompensation. Seines Erachtens sei die Klägerin stabil und zuverlässig nur unter drei Stunden belastbar. Orthopädin Dr. Ku. (Auskunft vom 12. Januar 2010), die einen Arztbrief des Prof. Dr. Z., Chefarzt der Abteilung Orthopädie und Unfallchirurgie des S.-Klinikums K. vom 09. Dezember 2009 beifügte (Diagnosen: Gonarthrose und Retropatellararthrose rechts, Empfehlung Knie-TEP), gab an, derzeit sei die Leistungsfähigkeit der Klägerin insbesondere wegen Beschwerden von Seiten des rechten Kniegelenkes mit Gehstreckeneinschränkung aufgehoben. Psychotherapeutin Sa. (Auskunft vom 12. Februar 2010) teilte mit, sie habe bei der Klägerin eine Dysthymia und eine posttraumatische Belastungsstörung nach einem Autounfall 1977 mit Kniescheibenzertrümmerung und Vorfußfraktur rechts diagnostiziert. Seit die Klägerin bei ihr in Behandlung sei (11. September 2008), beurteile sie ihre berufliche Leistungsfähigkeit dahingehend, dass sie absolut nicht mehr in der Lage sei, eine mehrstündige, konzentrierte Arbeit zu verrichten. Dr. R. teilte in ihrer Auskunft vom 20. April 2010 unter Beifügung von Arztbriefen und ihrer Patientenkarte mit, dass die Klägerin eine chronische Schmerzpatientin sei. Arbeiten seien ihr seit dem Frühsommer 2009 nur noch unter drei Stunden täglich zumutbar. Ihre maximale Gehstrecke ohne Stehenbleiben dürfe, je nach Tagesform, zwischen 300 und 500 Metern liegen.

Auf Veranlassung des SG erstattete Arzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapie Dr. Ni. das Gutachten vom 28. September 2010. Dr. Ni. führte aus, die Klägerin habe ihm gegenüber angegeben, sie stehe regelmäßig mit ihrem Ehemann um 5.15 Uhr auf und schlafe gegen 22.00 Uhr ein. Sie wache regelmäßig um 1.30 Uhr auf, laufe etwa eine dreiviertel Stunde und schlafe dann nach dem Wiederhinlegen wieder ein. Nach dem Aufstehen mache sie in Etappen die Hausarbeiten, bis 14.00 Uhr habe sie das Essen fertig. Nachmittags gehe sie auf den Friedhof und sitze ansonsten auf der Terrasse. Abends schaue sie fern. An den Wochenenden gehe sie gelegentlich in den Garten oder bekomme Besuch. An Hobbies löse sie gerne Kreuzworträtsel oder verziere Kerzen. Gelegentlich lese sie auch eine Zeitschrift oder ein Buch. Hierbei müsse sie aber jeweils immer wieder Pausen einlegen. Dr. Ni. führte weiter aus, in psychischer Hinsicht habe er bei der Klägerin als Befunde eine kognitive Funktionsstörung in Form von leichtgradigen Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Auffassungsstörungen, eine affektiv depressive Herabstimmung mit Antriebsstörung, Freudlosigkeit, teilweise auch eingeschränkter Mitschwingungsfähigkeit und Affektlabilität mit vermehrter Weinerlichkeit erhoben. Die Persönlichkeit habe ängstlich vermeidende und depressive Merkmale gezeigt. Er diagnostizierte eine mittelgradige depressive Episode, eine Dysthymia und eine chronische Schmerzstörung im Bereich des rechten Kniegelenkes und Fußes mit somatischen und psychischen Faktoren. Aufgrund der anhaltenden Schmerzsymptomatik im rechten Knie- und Sprunggelenk sowie der LWS-Beschwerden seien schwere und andauernd mittelschwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten von mehr als sieben kg, überwiegendes Stehen, Gehen und gleichförmige Körperhaltungen mit Zwangshaltungen im LWS-Bereich, hockende Haltung, häufiges Bücken, Treppensteigen und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, an laufenden Maschinen und in Kälte und Nässe zu vermeiden. Aufgrund der ausgeprägten depressiven Störung und der begleitenden Schmerzsymptomatik und der damit verbundenen eingeschränkten psychomentalen Belastbarkeit seien sämtliche Tätigkeiten unter Zeitdruck und Stressbelastung, Arbeiten bei Publikumsverkehr und mit besonderer geistiger Beanspruchung, die ein höheres Konzentrationsvermögen voraussetzten, sowie Arbeiten unter nervlicher Belastung zu vermeiden. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen könne die Klägerin noch vier Stunden pro Tag Tätigkeiten verrichten. Hierbei sei insbesondere der Schwergrad der depressiven Störung, die mit einem erheblichen Antriebsdefizit verbunden sei, ausschlaggebend. Durch die Schmerzsymptomatik in Verbindung mit der Antriebsstörung sei eine Einschränkung des Durchhaltevermögens gegeben. Zudem liege mittlerweile auch eine erhebliche Chronifizierung vor. Dieser von ihm festgestellte Gesundheitszustand bestehe seit Dezember 2008. Die Klägerin sei in der Lage, täglich viermal einen Fußweg von 500 Metern in jeweils unter 20 Minuten zurückzulegen. Eine Besserung der die Leistungsfähigkeit einschränkenden Befunde könne nicht mehr mit genügend hoher Wahrscheinlichkeit erwartet werden, da mittlerweile auch eine psychotherapeutische und psychiatrische Behandlung durchgeführt worden sei, ohne dass eine wesentliche Besserung habe erzielt werden können. Ob durch eine Endoprothese des rechten Kniegelenkes eine Besserung erzielt werden könne, sei von Seiten seines Fachgebiets nicht eindeutig zu beantworten.

Zu diesem Gutachten legte die Beklagte die ärztliche Stellungnahme der Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie Dr. J. vom 02. November 2010 vor. Die von Dr. Ni. gestellten Diagnosen könnten anhand der anamnestischen Angaben und des psychiatrischen Befundes nicht nachvollzogen werden. Die Angaben im psychischen Befund seien als äußerst vage und wenig aussagekräftig zu werten. Dr. Ni. beschreibe eine depressive Herabstimmung, gebe jedoch an, dass die Mitschwingungsfähigkeit nur zeitweise eingeschränkt sei. Er beschreibe im Wesentlichen eine erhöhte Klagsamkeit und Weinerlichkeit. Hinzu komme, dass von der Klägerin ein insgesamt strukturierter Tagesablauf mit erhaltenen Interessen beschrieben werde. Die von der Klägerin geklagten Einschränkungen schienen eher in den Knieschmerzen begründet zu sein. Bei der Klägerin seien auch nach wie vor Hobbies und Interessen vorhanden. All diese Befunde sprächen gegen eine höhergradige depressive Störung. Die verordnete antidepressive Medikation sei auch insgesamt niedrig dosiert. Anhand der auch im Gutachten Dr. Ni. erhobenen anamnestischen Angaben und Befunde sei die 2009 von Dr. Sc. festgestellte diagnostische und sozialmedizinische Einschätzung sicherlich zutreffender. In der hierzu abgegebenen ergänzenden Stellungnahme vom 09. Dezember 2010 hielt Dr. Ni. die Einwände für nicht stichhaltig. Die Tagesschilderung der Klägerin drücke zwar Aktivitäten aus, diese sprächen aber gegen ein erhaltenes Durchhaltevermögen. Die Dosissteigerung einer antidepressiven Medikation mit einem SSRI Präparat (z. B. Sertralin) zeige in der Regel keine Wirkungsverstärkung. Hinzuweisen sei auch auf die vorliegende Komorbidität, weshalb er insgesamt bei seiner Leistungsbeurteilung verbleibe. Dr. J. blieb in einer weiteren von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme vom 10. Januar 2011 bei ihrer Auffassung, dass aus sozialmedizinischer Sicht nach wie vor von einem quantitativ uneingeschränkten Leistungsvermögen auszugehen sei.

Mit Urteil vom 17. Januar 2011 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 07. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2009, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01. Juni 2009 bis 31. Mai 2012 zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, da sie nur noch in einem Umfang von drei bis unter sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Dieses Ergebnis leite die Kammer aus dem bei Dr. Ni. eingeholten neurologisch-psychiatrischen Fachgutachten in Zusammenschau mit den sachverständigen Zeugenauskünften der behandelnden Ärzte der Klägerin und dem Reha-Entlassungsbericht vom 14. August 2008 her. Den Einwänden der Beklagten gegen das Gutachten von Dr. Ni. vermöge die Kammer nicht zu folgen. Die von Dr. Ni. aufgrund eigener Untersuchung gewonnenen Befunde sprächen hinreichend für eine nicht nur unerhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin. Seine Einschätzung decke sich auch mit der Einschätzung der die Klägerin im Reha-Verfahren vom 14. Juli bis 04. August 2008 behandelnden Ärzte. Die daraufhin begonnene Psychotherapie habe bisher keine Besserung erbracht. Der Ansicht der behandelnden Ärzte der Klägerin, wonach diese lediglich unter drei Stunden täglich erwerbstätig sein könne, vermöge sich die Kammer hingegen aufgrund der Tatsache, dass es der Klägerin gelinge, leichtere Hausarbeiten zu erledigen, ihren Tagesablauf zu strukturieren und gelegentlich ihren Hobbies nachzugehen, nicht anzuschließen. Im Falle der Klägerin schlage die teilweise Erwerbsminderung in eine volle Erwerbsminderung durch. Diese Rente sei ihr jedoch lediglich befristet vom 01. Juni 2009 bis zum 31. Mai 2012 zu gewähren. Es sei nicht unwahrscheinlich, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit durch eine Medikamentenanpassung bzw. einen operativen Eingriff am rechten Knie behoben werden könne.

Gegen das ihr nach ihrem Vortrag am 08. März 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22. März 2011 Berufung eingelegt. Eine rentenrelevante Leistungsminderung sehe sie unter Verweis auf die Beurteilungen im Verwaltungsverfahren durch die Dres. S., Sc. und M. sowie die bereits erstinstanzlich vorgelegten Stellungnahmen von Dr. J. nicht mit der erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit als bewiesen an. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG sei auch Orthopädin Dr. H. von ihrem sozialmedizinischen Dienst anwesend gewesen. Deren Stellungnahme vom 05. Mai 2011 und die auf ihre Empfehlung noch eingeholte nervenfachärztliche Äußerung der Ärztin für Psychiatrie Dr. Ho. vom 06. Mai 2011, wonach in der Zusammenschau aus psychiatrischer Sicht keine überdauernde quantitative Leistungsminderung begründet werden könne, bestärke sie, die Beklagte, darin, dass die angefochtene Entscheidung nicht sachgerecht sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Januar 2011 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das SG habe gestützt auf das nachvollziehbare und schlüssige Gutachten des Dr. Ni. und dessen ergänzende gutachterliche Stellungnahme zutreffend entschieden, dass ihr aufgrund eines Leistungsfalls vom November 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01. Juni 2009 bis 31. Mai 2012 zu gewähren sei. Die dagegen von der Beklagten vorgetragenen Einwände seien bezugnehmend auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nicht durchgreifend. Die ergänzende psychiatrische Stellungnahme vom 06. Mai 2011 enthalte keinerlei neuen Erkenntnisse. Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin mitgeteilt, dass eine Knie-TEP noch nicht indiziert sei. Die Schmerzmedikation werde, nachdem sie sich vom 13. November 2006 bis 05. Februar 2007 bei der Anästhesiologin Dr. Wi. in schmerztherapeutischer Behandlung befunden habe, nunmehr von Dr. R. verordnet, die sich, wie sich aus dem beigefügten "Attest" vom 07. Juli 2011 ergebe, öfter mit Dr. Wi. telefonisch ausgetauscht habe.

Der Senat hat Dr. R. schriftlich als sachverständige Zeugin gehört. Die Ärztin hat (Auskunft vom 28. September 2011) unter Beifügung ihres Krankenblattes mitgeteilt, dass sich insgesamt das Bild einer chronischen Schmerzpatientin auf dem Hintergrund ihrer unfallbedingten und unfallfolgebedingten orthopädischen Befunde, schweren posttraumatischen Belastungsstörungen und den massiven! (Ausrufezeichen im Original) schmerzbedingten Einschränkungen im Alltag ergebe. Sie könne nicht mehr sagen, wie oft sie sich seit 2007 wegen der Klägerin mit Dr. Wi. in Verbindung gesetzt habe. Sie erinnere sich sicher an ca. drei Mal. Die Klägerin sei mit Tramal 200 mg long 1-0-0, bei starker Belastung oder Wetterwechsel auch abends, und ansonsten mit Ibuprofen 600 mg 1×1, bis zu max. drei pro Tag versorgt. Nicht zu vergessen sei auch die Medikation des Psychiaters Ma. mit Amitryptilin, Amineurin und Sertralin, die auch schmerzlindernd wirke.

Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme des Neurologen Dr. Wa. vom 15. November 2011 vorgelegt. Gestützt hierauf hat sie weiterhin eine quantitative Leistungseinschränkung nicht als bewiesen angesehen, jedoch die Einholung eines neuropsychiatrischen Gutachtens empfohlen.

Auf Veranlassung des Senats hat Dr. W. das Gutachten vom 08. Februar 2012 erstattet. Die Klägerin habe ihm gegenüber angegeben, um 4:30 Uhr aufzustehen, eine Tasse Kaffee zu trinken und in der Küche zu sitzen, bis gegen 6:00 Uhr ihr Ehemann ebenfalls aufstehe. Nachdem dieser gegen 6:30 Uhr zur Arbeit gegangen sei, mache sie ihrer Morgentoilette und zwinge sich, ein bisschen den Haushalt zu machen. Sie koche unter Einlegen von Pausen für den Abend. Nach dem Abendessen um ca. 17:30 Uhr sitze sie herum oder liege auf einem Sofa. Es laufe der Fernseher. Gegen 21:00 Uhr gebe sie ins Bett, schlafe schlecht ein und wache nachts mindestens drei- bis viermal auf. Bei der Klägerin finde sich auf neurologischem Fachgebiet eine leichte Einschränkung der rechten Vorfußbeweglichkeit als Folge eines alten Autounfalls mit Teilversteifung im rechten Vorfuß. Aufgrund der Vorfußversteifung sei das Gangbild leicht rechts hinkend, ansonsten aber frei und ohne Stockgehhilfe möglich. Psychisch-psychiatrisch biete die Klägerin das Bild einer chronifizierten weitgehend somatisierten depressiven Symptomatik leichteren Grades mit einer chronifizierten Schmerzsymptomatik und mit ängstlichen Anteilen. Hierbei handle es sich nicht um bloße Krankheitsvorstellungen, wenngleich eine gewisse Neigung zur subjektiven Überbewertung, wie sie z. B. in der Diskrepanz zwischen dem klinischen Eindruck und dem TSD-Depressionstest zum Ausdruck komme, nicht zu übersehen sei. Eine plumpe Simulation oder Aggravation liege aber nicht vor. Die Klägerin könne diese leichte Tendenz durchaus aus eigener Kraft bei Anspannung aller zumutbaren Willenskräfte selbst überwinden. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten ohne überwiegendem Publikumsverkehr, Schicht-, Akkord- und Nachtarbeitsbedingungen, Überkopfarbeiten und Wirbelsäulenzwangshaltungen sowie ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und ohne Arbeiten, die überwiegende gehende und stehende Tätigkeiten erforderten, sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche ausüben. Beschränkungen des Arbeitsweges ergäben sich nicht.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG, die Vorprozessakte S 2 RJ 3931/04 sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis beider Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig und begründet. Auf die Berufung der Beklagten hin war das Urteil des SG abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte für die Zeit vom 01. Juni 2009 bis 31. Mai 2012 weder Anspruch auf eine Rente wegen voller, noch wegen teilweiser Erwerbsminderung, denn sie ist noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.

Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung ist, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Da gegen das Urteil des SG allein die Beklagte Berufung eingelegt hat, ist im Berufungsverfahren nur darüber zu entscheiden, ob die Klägerin in der Zeit vom 01. Juni 2009 bis 31. Mai 2012 Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat. Für den davor und danach liegenden Zeitraum ist das die Klage insoweit abweisende Urteil des SG rechtskräftig geworden, weil die Klägerin keine (Anschluss-)Berufung eingelegt hat.

Die Klägerin war und ist in der streitigen Zeit nicht erwerbsgemindert, weil sie noch in der Lage war und ist, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts in einem Umfang von zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten.

Bei der Klägerin lagen und liegen in der Zeit vom 01. Juni 2009 bis 31. Mai 2012 vorrangig Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet vor.

Auf orthopädischem Fachgebiet leidet die Klägerin an einer Arthrose beider Kniegelenke, rechts zusätzlich auch des Kniescheibengelenks bei Deformierung der Kniescheibe nach früherer Fraktur, einer Arthrose des rechten oberen und unteren Sprunggelenkes sowie Versteifung des rechten Sprungbein-/Kahnbeingelenkes, einem Lumbalsyndrom und einem Hohlrundrücken. Der Senat stützt dies auf das Gutachten des Dr. S. vom 19. März 2009, der diese Gesundheitsstörungen unter Berücksichtigung insbesondere der in der Verwaltungsakte auch befindlichen orthopädischen Befundberichte, die Angaben der Klägerin, eine ambulante Untersuchung und die von der Klägerin mitgebrachten bildgebenden Befunde diagnostiziert hat.

Auf psychiatrischem Gebiet leidet die Klägerin an einer chronifizierten Dysthymia mit somatoformen Beschwerden und einer chronifizierten Schmerzsymptomatik sowie mit ängstlichen Anteilen. Hierfür legt der Senat insbesondere das Gutachten des Sachverständigen Dr. W. vom 08. Februar 2012, aber auch das nervenärztliche Zusatzgutachten des Dr. Sc. vom 06. März 2009 zugrunde, die jeweils nach umfassender eigener Exploration der Klägerin und unter Auswertung der bei den Akten befindlichen nervenfachärztlichen Befundberichte, bei Dr. W. auch unter Auswertung des von Dr. Ni. erstatteten Gutachtens, für den Senat überzeugend diese Erkrankungen auf nervenfachärztlichem Fachgebiet befundet haben und eine mittelgradige depressive Episode ebenso wie eine posttraumatische Belastungsstörung nicht diagnostiziert haben. Dafür, dass entgegen den Angaben in den sachverständigen Zeugenauskünften des Psychiaters Ma. vom 17. Dezember 2009 und der Psychotherapeutin Sa. vom 12. Februar 2010 eine posttraumatische Belastungsstörung bei der Klägerin nicht vorliegt, spricht, dass die Gutachter und Sachverständigen jeweils nicht die für eine posttraumatische Belastungsstörung typischen Merkmale wie ein sich Aufdrängen von Bildern des Traumas, ein Vermeidungsverhalten oder eine vermehrte psychomotorische Unruhe beschrieben haben und solche auch weder aus den sachverständigen Zeugenauskünften des Psychiaters Ma. und der Psychotherapeutin Sa. noch aus dem Attest des Psychiaters Ma. vom 05. November 2009 hervorgehen. Auch eine mittelgradige depressive Episode neben der Dysthymia bestand und besteht bei der Klägerin in der streitgegenständlichen Zeit nicht. Dafür spricht schon der von der Klägerin den Gutachtern und Sachverständigen jeweils geschilderte insgesamt strukturierte Tagesablauf mit erhaltenen Interessen verbunden mit der Tatsache, dass die von der Klägerin auch nach dem von Dr. Ni. in seinem Gutachten vom 28. September 2010 erhobenen Befund verrichteten Hausarbeiten nicht deshalb, weil sie antriebslos ist, sondern schmerzbedingt unterbrochen werden. Die Mitschwingungsfähigkeit der Klägerin war bei der Untersuchung durch Dr. Ni. auch nur teilweise eingeschränkt, was der Diagnose einer mittelgradigen Depression ebenfalls entgegensteht. Die Tatsache, dass zumindest die leichten Hausarbeiten verrichtet werden und regelmäßig gekocht wird, belegt entgegen den Ausführungen von Dr. Ni. auch ein erhaltenes Durchhaltevermögen. Dafür, dass eine mittelgradige Depression im streitigen Zeitraum nicht bestand und besteht, spricht auch, dass die antidepressive Medikation nach wie vor niedrig dosiert und in der Dosierung sowohl nach den Stellungnahmen von Dr. J. als auch nach dem Gutachten von Dr. W. nicht ausgereizt ist, nicht erhöht wurde und auch nicht die Notwendigkeit einer stationären psychiatrischen Behandlung gesehen wurde. Bekräftigt wird die Annahme, dass keine mittelgradige Depression bestand und besteht auch dadurch, dass Dr. Ni. diesen von ihm erhobenen Befund maßgeblich auf die subjektiven Angaben der Klägerin stützte, insoweit jedoch nicht außer Acht gelassen werden darf, dass bei der Klägerin, wie sich aus dem von Dr. W. durchgeführten TSD-Depressionstest ergibt, eine gewisse Neigung zur Beschwerdeakzentuierung bzw. dem Bemühen, dem Untersucher die Schmerzsymptomatik zu verdeutlichen, zum Ausdruck kam, nachdem der Selbsteinschätzungsbogen mit einem Score von 114 das Bild einer schweren depressiven Symptomatik, was mit dem klinischen Eindruck nicht im Einklang steht, ergab. Soweit in den sachverständigen Zeugenauskünften des Psychiaters Ma. vom 17. Dezember 2009 und der Psychotherapeutin Sa. vom 12. Februar 2010 eine schwere depressive Verstimmung bzw. deutlich depressive Gesamtstimmung beschrieben wird, vermag auch dies das Vorliegen einer mittelgradigen Depression nicht zu stützen, nachdem insoweit jeweils im Wesentlichen allein auf die Angaben der Klägerin Bezug genommen wurde und insbesondere auch eine Schilderung des Tagesablaufs der Klägerin, die dies bestätigen würde, nicht erfolgte.

Aufgrund dieser Erkrankungen lässt sich eine zeitliche Leistungseinschränkung auf weniger als sechs Stunden nicht feststellen. Der Senat folgt hinsichtlich der zeitlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin auf orthopädischem Gebiet der Auffassung des Gutachters Dr. S., der insoweit im Einklang mit dem von Dr. T. bereits am 18. April 2005 im Verfahren S 2 RJ 3931/04 erstatteten Gutachten steht, und in seinem Gutachten vom 19. März 2009 nachvollziehbar dargelegt hat, dass aufgrund der orthopädischen Erkrankungen schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten, Arbeiten in längeren Zwangshaltungen des Rumpfes, verbunden mit Heben und Tragen von Lasten, die etwa zehn kg überschreiten, und mit überwiegenden und längeren Steh- und Gehbelastungen sowie mit Steigen auf Leitern und Gerüsten verbunden sind, nicht mehr durchführbar sind, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung dieser Leistungseinschränkungen der Klägerin jedoch noch mindestens sechs Stunden täglich möglich seien. Etwas anderes lässt sich insoweit insbesondere auch nicht auf die Beschwerdesymptomatik der Klägerin von Seiten des rechten Knies stützen. Zwar wurde die Beugefähigkeit des rechten Knies sowohl nach dem Arztbrief der Dr. Ku. vom 28. Oktober 2009 als auch ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 12. Januar 2010, die sich jedoch auf die Untersuchung am 28. Oktober 2010 bezieht, und ausweislich des von Dr. Ku. beigefügten Arztbriefes des Prof. Dr. Z. vom 09. Dezember 2009 im Gegensatz zu den von Dr. S. gemessenen 120 Grad nur noch mit 80 bzw. 85 Grad gemessen. Bereits bei der Untersuchung am 08. Dezember 2009 erschien der Bandapparat nach dem Arztbrief des Prof. Dr. Z. aber wieder stabil. Es bestand kein intraartikulärer Erguss und nur eine allenfalls minimal diffuse Schwellung des rechten Kniegelenks sowie ein leichter Druckschmerz im Bereich des Gelenkspaltes und der Patella. Auch Motorik und Sensibilität waren intakt. Eine Knie-TEP wurde bis heute nicht durchgeführt und ist nach den Angaben der Klägerin vom 13. Juli 2011 nicht indiziert. Von Belang ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Klägerin bei der durch Dr. W. am 02. Februar 2012 durchgeführten Untersuchung ein Gehen ohne Stockgehilfe möglich war. Das leicht rechts hinkende Gangbild ist nach den für den Senat nachvollziehbaren Ausführungen des Dr. W. auf die Vorfußversteifung rechts zurückzuführen. Der Einschränkung der Klägerin von Seiten des rechten Knies ist deshalb nach wie vor mit qualitativen Leistungseinschränkungen dergestalt, dass Tätigkeiten, die mit Bücken und Knien, Treppensteigen und ständigem Gehen verbunden sind, zu vermeiden sind, zu begegnen.

Auch aufgrund der auf psychiatrischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen lässt sich eine zeitliche Leistungseinschränkung auf weniger als sechs Stunden nicht feststellen. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. W. vom 08. Februar 2012, dem Gutachten von Dr. Sc. vom 06. März 2009 aber auch den sozialmedizinischen Stellungnahmen von Dr. J., Dr. Ho. sowie Dr. Wa ... Von diesen Ärzten wurde jeweils nachvollziehbar dargelegt, dass die bei der Klägerin nach wie vor vorliegende Strukturierung ihres Tages und die von ihr verrichtete Hausarbeit, die Einschränkungen aufgrund der sich aus den orthopädischen Erkrankungen ergebenden Schmerzen, nicht jedoch wegen der psychischen Erkrankungen erfährt, ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen der Klägerin täglich bestätigen. Zu Recht haben die Sachverständigen und Gutachter sowie die Berater der Beklagten auch auf die Tatsache, dass die Klägerin nicht vollständig zurückgezogen lebt, abgehoben. Etwas anderes lässt sich auch nicht der Tatsache entnehmen, dass die Klägerin unter einer chronifizierten Schmerzsymptomatik leidet. Der sich aus der von Dr. R. vorgelegten Patientenkartei aufgrund der erfolgten Verordnungen ergebende Schmerzmittelbedarf belegt, dass dieser nicht besonders hoch ist. Dies lässt den Schluss darauf zu, dass auch die bei der Klägerin vorliegenden Schmerzen, die - wie bereits ausgeführt - auch der - wenn auch mit Pausen durchgeführten - Hausarbeit nicht entgegenstehen, nicht zu einer quantitativen Leistungseinschränkung bei der Klägerin führen. Daraus ergibt sich dann, dass der Senat der zeitlichen Leistungsbeurteilung des Dr. Ni., die Klägerin könne nur noch leichte Tätigkeiten vier Stunden täglich verrichten, nicht zu folgen vermag. Sie ist für den Senat insbesondere auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil Dr. Ni. sich maßgeblich auf die subjektiven Angaben der Klägerin gestützt hat und diese Leistungseinschätzung insbesondere mit dem schon mehrfach erwähnten Tagesablauf der Klägerin nicht im Einklang steht. Widerlegt wird diese Leistungseinschätzung schließlich auch nicht durch den Reha-Entlassungsbericht des Dr. N. vom 14. August 2008. Zwar hat dieser in der Leistungsbeurteilung angekreuzt, dass die Kläger auch leichte Tätigkeiten mit Funktionseinschränkungen nur noch drei bis unter sechs Stunden verrichten könne. Dies steht jedoch im Widerspruch zu den Ausführungen im Bericht selbst, wonach die Klägerin noch drei bis sechs Stunden für leichte Tätigkeiten einsetzbar sei. Auch der bei der Abschlussuntersuchung erhobene Befund (keine nennenswerte Einschränkung der Beweglichkeit im HWS-Bereich; Finger-Boden-Abstand: 0 cm; beide Kniegelenke: 0-0-100; deutlich eingeschränkte Beweglichkeit im rechten oberen Sprunggelenk) und die Tatsache, dass die Klägerin die komplexe physiotherapeutische Heilbehandlung korrekt absolviert und gut vertragen hat, spricht dafür, dass die Klägerin leichte Tätigkeiten mit Funktionseinschränkungen noch sechs Stunden und nicht unter sechs Stunden täglich verrichten kann.

Angesichts dessen war und ist die Klägerin zwischen dem 01. Juni 2009 und 31. Mai 2012 weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Ihr stand und steht kein Rentenanspruch gegen die Beklagte wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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