L 9 U 4086/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 4117/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4086/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Juni 2005 wird zurückgewiesen und die Klage gegen den Bescheid vom 25. Juni 2008 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Gonarthrose des Klägers wie eine Berufskrankheit (BK) als Versicherungsfall nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) - Wie-BK - anzuerkennen ist.

Die S., jetzt B. (Beklagte), leitete, nachdem sie auf Grund eines Schreibens von Prof. Dr. H. von dessen Verdacht einer beruflich verursachten Gonarthrose (Diagnose [D]: Gonarthrose links mit medialer und femoropatellarer Betonung; Befund: Genu varum mit medialer Druckempfindlichkeit und hochgradiger Femoropatellararthrose mit Reibegeräusch, Empfehlung eines totalprothetischen Ersatzes) im Juli 2003 Kenntnis erlangte, ein Feststellungsverfahren ein.

Der 1940 geborene Kläger war gemäß seinen Angaben bei seiner beruflichen Tätigkeit im Zeitraum von 1960 bis 2004, bei der er sowohl als abhängig Beschäftigter als auch als Selbstständiger unfallversichert (u.a. Bestätigung der B. vom 15. Januar 2008 für 31. Mai 1969 bis 31. Mai 1989) war, zeitweilig Kniebelastungen ausgesetzt. Wie er angegeben hat, arbeitete er von Juni 1960 bis März 1961 im Modegeschäft V. als Verkäufer (ohne nennenswerte Kniebelastung), von April bis Dezember 1961 im "K." als Schaufensterdekorateur (ein Drittel der Arbeitszeit in kniender Haltung, Wochenarbeitszeit 48 Stunden), von Januar bis Juli 1962 im Kaufhaus S. als Schaufensterdekorateur und Verkäufer (25% der Arbeitszeit in kniender Haltung, wöchentliche Arbeitszeit 48 Stunden), von Juli bis September 1962 als Verkäufer im Textilfachmarkt H. (ohne nennenswerte Kniebelastung), von Oktober 1962 bis März 1963 im Textilfachgeschäft L. als Schaufensterdekorateur und Verkäufer (25% der Arbeitszeit in kniender Haltung, wöchentliche Arbeitszeit 48 Stunden), von April bis Dezember 1963 im Textilfachgeschäft R. als Schaufensterdekorateur und Verkäufer (25% der Arbeitszeit in kniender Haltung, wöchentliche Arbeitszeit 48 Stunden), von Januar 1965 bis Dezember 1967 wieder im Kaufhaus S. als Schaufensterdekorateur und Verkäufer (25% der Arbeitszeit in kniender Haltung, wöchentliche Arbeitszeit 48 Stunden), von Januar bis Juni 1968 als Verkäufer im Kaufhaus H. (ohne nennenswerte Kniebelastung), von Juli 1968 bis September 1969 als Schaufensterdekorateur und Verkäufer im Textilfachgeschäft K. (15% der Arbeitszeit in kniender Haltung, wöchentliche Arbeitszeit 45 Stunden), von Oktober 1969 bis Mai 1989 als selbstständiger Inhaber eines Bekleidungsgeschäfts (betrieben mit Ehefrau) und daneben halbtags als Dekorateur (wobei er bis 1979 auch während etwa drei Tagen pro Monat Zementestriche für eine Firma S. verlegt habe und von September 1976 bis September 1978 auch beim Modegeschäft D. als Schaufensterdekorateur und Verkäufer angestellt gewesen sei [15% der Arbeit in kniender Haltung, wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden]) und ab September 1989 weiter als selbstständiger Dekorateur (Dekoration von Böden, Wänden und Schaufenstern in Verkaufsräumen, 35% der Arbeitszeit in kniender Haltung und wöchentlicher Arbeitszeit ohne Fahrzeit von 35 Stunden). Arbeiten in kniender Haltung bestanden etwa gleichermaßen aus Arbeiten mit beiden Knien am Boden, ein Knie am Boden und das zweite aufgestellt sowie Arbeiten im Fersensitz (Angaben gemäß Protokoll vom 19. November 2007).

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens legte der Kläger ärztliche Unterlagen vor und gab u.a. an, er sei bis zum Bezug der Versichertenrente im Jahr 2004 noch als selbstständiger Schaufensterdekorateur tätig gewesen. Seit 1979 hätten sich erstmals Beschwerden im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit, ständigem Knien und Bücken beim Dekorieren, bemerkbar gemacht, die im Bereich der Knie, des Rückens und der Hände (Finger) aufgetreten seien (Erklärung vom 3. März 2004).

Die Beklagte zog Röntgen- und MRT-Aufnahmen sowie Äußerungen behandelnder Ärzte bei (u.a. Berichte des Radiologen Dr. W. vom 8. Juli 1997 [MRT des linken Kniegelenks: schwere medianbetonte Gonarthrose links mit ulcerierender Chondromalazie, Innenmeniskopathie Grad IV mit multiplen Einrissen, Gelenkerguss; keine Bandläsion], der K. vom 20. Oktober 2003 [Heilverfahren-Entlassungsbericht (HV-EB), D: u.a. schwere Gonarthrose links; Anamnese: u.a. seit 1979 chronische Kniebeschwerden links und rechts], der T. Bad K. vom 14. November 2003 [HV-EB, D: u.a. Gonarthrose links], der Dr. M., T. Bad K., vom 23. Oktober 2003 [D: u. a. progrediente instabile Varusgonarthrose links mit chronischem Schmerzsyndrom, lokalisiert Stadium I bis II, rezidivierende Cervicodorsalgien bei sternosymphysärer Fehlhaltung; die Belastungs- und Bewegungsschmerzen des linken Kniegelenks, die in den letzten Jahren deutlich zugenommen hätten, stünden im Vordergrund; die Röntgenuntersuchungen hätten 1996 einen noch recht gut erhaltenen Gelenkspalt beidseits ohne Seitendifferenz, einen etwas verplumpten intercondylen Höcker und 1997 eine bereits deutliche Verschmälerung des medialen Gelenkspaltes, eine mäßige Verschmälerung des lateralen Gelenkspaltes, eine Verkalkung des lateralen Bandes oberhalb des Femurcondylus und eine initiale retropatellare Ausziehung ergeben], des Herzzentrums Bad K. vom 5. Mai 1999 [D: u. a. schwere Gonarthrose links], des Allgemeinmediziners Dr. L. vom 11. Juli 2003 [seit vielen Jahren schwere Gonarthrose links] sowie verschiedene Laborbefunde). Im Bescheid des Versorgungamtes F. vom 14. Januar 2004 mit Feststellung eines Grades der Behinderung von 60 sind als Funktionsbeeinträchtigungen u. a. "Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks" und "Metabolisches Syndrom" aufgeführt.

Gewerbearzt Dr. H. äußerte am 13. Mai 2004 (auf die Mitteilung der Beklagten, sie beabsichtige die Ablehnung der Anerkennung der Gonarthrose), eine BK werde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen, da die Diagnosen keiner BK der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) zugeordnet werden könnten.

Mit Bescheid vom 14. Juli 2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK ab, da die Gonarthrose keiner Listen-BK zugeordnet werden könne und auch die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Wie-BK nicht erfüllt seien.

Nach dem Widerspruch des Klägers, der u.a. geltend machte, zwischen seiner fortgeschrittenen Gonarthrose und den beruflichen Belastungen bestehe ein klarer Ursachenzusammenhang, führte Dr. F. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 29. Juli 2004 u. a., eine Meniskopathie sei bei offenbar schwerer Gonarthrose links nicht belegt, ein begründeter Verdacht einer BK Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV (Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten) - BK 2102 -bestehe nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2004 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück.

Die deswegen am 11. November 2004 (sinngemäß) erhobene Klage hat die Beklagte an das Sozialgericht Freiburg (SG) weitergeleitet.

Das SG hat die Klage (S 9 U 4117/04) mit Urteil vom 21. Juni 2005 abgewiesen. Eine Listenerkrankung im Sinne der Anlage 1 zur BKV liege mit der Gonarthrose nicht vor. Eine Anerkennung als Wie-BK nach § 9 Abs.2 SGB VII scheide ebenfalls aus, da der Verordnungsgeber aktuell mit der Frage befasst sei, ob die Gonarthrose auf Grund der vorliegenden Erkenntnisse in die BK-Liste aufgenommen werden solle. Für die Zeit des Entscheidungsprozesses könnten weder der Unfallversicherungsträger noch das Gericht die dem Beratungsgremium vorliegenden Erkenntnisse beurteilen und daraus eine Pflicht zur Anerkennung als Wie-BK ableiten.

Gegen das am 27. September 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Oktober 2005 Berufung eingelegt (Az L 9 U 5/06).

Im Hinblick auf die Prüfung des Sachverständigenbeirats hat der Senat mit Beschluss vom 5. Mai 2006 auf Antrag das Ruhen des Verfahrens angeordnet. In dem am 14. Juli 2008 wieder angerufenen Verfahren (Az jetzt L 9 U 3359/08) hat der Senat auf Antrag (weil die vom Sachverständigenbeirat empfohlene Aufnahme der Gonarthrose als BK in die Anlage 1 zur BKV noch nicht umgesetzt gewesen ist) mit Beschluss vom 25. September 2008 nochmals das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 4. September 2009 ist das Berufungsverfahren wieder angerufen worden.

Während des Berufungsverfahrens hat Dr. F. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 18. November 2005 (zum Feststellungsverfahren wegen einer BK 2102) u. a. ausgeführt, es bestehe eine progrediente Varusgonarthrose am linken Kniegelenk bei Vollbild des metabolischen Syndroms und beginnender allgemeiner Polyarthrose. Bei Arthritisschüben und Harnsäureerhöhung im Gelenkspalt sei am ehesten von einer Arthritis urica auszugehen. Ferner hat die Beklagte weitere Ermittlungen durchgeführt (Beiziehung ärztlicher Unterlagen und des Vorerkrankungsverzeichnisses der Deutschen Angestelltenkrankenkasse). Der Kläger hat ärztliche Äußerungen (Dr. B. vom 25. Januar 2005, Dr. L. vom 18. Mai 2005, Dr. B. vom 25. Januar 2006, Dr. H. vom 19. Oktober 2006, Dr. F. vom 23. November 2006 und Dr. B. vom 11. Dezember 2006) vorgelegt. In seiner Stellungnahme vom 2. April 2007 hat Dr. F. nach Auswertung der Unterlagen ausgeführt, beim Kläger finde sich eine schwere Gonarthrose der linken Seite. Klinische Befunde zu degenerativen Schäden rechts fänden sich nicht. Die Röntgenaufnahmen des linken Knies zeigten eine progrediente, medial betonte Gonarthrose mit Chondromalazie und Innenmeniskusschaden. Nach den MRTen des linken Knies vom Juli 1997, Januar 2005 und Oktober 2006 handle es sich um einen operationswürdigen Befund. Die Operation sei aber aus internistischen Gründen nicht erfolgt. Das Röntgenbild des linken Knies in zwei Ebenen ergebe eine mediale Gonarthrose, eine Osteophytose, eine Retropatellararthrose, eine subchondrale Kondensation und eine deutliche Vasosklerose in allen Abschnitten. Das MRT des linken Knies vom 24. Januar 2005 zeige - soweit erkennbar - eine schwere mediale Chondromalazie tibial und femural in der Hauptbelastungszone im Stehen. Der Innenmeniskus sei nur noch in Resten vorhanden. Zusammengefasst bestünden das Vollbild des metabolischen Syndroms, eine allgemeine Polyarthrose sowie eine hohe orthopädische und internistische Komorbidität. Es handle sich um eine einseitige mediale Gonarthrose unter dem Vollbild der Volkskrankheit und ohne abgrenzbaren und wesentlichen beruflichen Schaden sowie ohne Belege für eine BK Gonarthrose. Die Arbeitsmedizinerin Dr. G. hat in der gewerbeärztlichen Feststellung vom 11. Juli 2007 ausgeführt, eine BK im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII werde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen. Der Stellungnahme von Dr. F. vom 2. April 2007 sei zuzustimmen. Die vom Kläger geschilderten Beschwerden und objektivierten Veränderungen im Bereich der beiden Kniegelenke, besonders links, hingen nicht mit der beruflichen Tätigkeit zusammen. Die Gonarthrose allein erfülle nicht die Voraussetzungen einer Wie-BK. Zum einen habe sicher keine relevante Exposition bestanden und zum anderen hänge die Gonarthrose mit schicksalhaften Erkrankungen und Veränderungen zusammen, worauf Dr. F. eindeutig hingewiesen habe.

In Auswertung des vom Kläger genehmigten Protokolls über dessen Angaben vom 19. November 2007 (s. o.) ist die Technische Aufsichtsperson (TAP) K. vom Präventionsdienst der Beklagten am 20. November 2007 zum Ergebnis gelangt, während des bisherigen gesamten Berufslebens habe der Kläger unter Zugrundelegung seiner Angaben 14894 Stunden kniebelastend gearbeitet. Die Jahre 1969 bis 1989 seien noch nicht berücksichtigt, da (damaliger Stand) unklar sei, ob der Kläger in dieser Zeit unfallversichert gewesen sei. Die letzte Belastung sei während der Selbstständigkeit seit 1. September 1989 anzunehmen (jährlich 588 Stunden).

Dr. F. hat in seiner Stellungnahme vom 13. Dezember 2007 ausgeführt, der Kläger weise eine progrediente Varusgonarthrose links bei erheblichen internistischen Risikofaktoren auf. Die Gonarthrose finde sich in der Hauptbelastungszone. Am rechten Knie bestehe offenbar eine beginnende Gonarthrose. Bei erheblicher beruflicher Kniebelastung als Schaufensterdekorateur sei im vorliegenden Fall ein berufliches Schadensbild der Innenmeniskopathie bzw. am medial bedingten Knorpelschaden nicht abgrenzbar. In der Vorgeschichte gebe es auch eine rezidivierende Gonarthritis bei harnsaurer Diathese. Eine BK Gonarthrose sei unverändert nicht zu begründen.

Mit Bescheid vom 25. Juni 2008 hat die Beklagte erneut die Anerkennung der Gonarthrose als Listen-BK sowie als Wie-BK abgelehnt. Der ärztliche Sachverständigenbeirat beim Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung, Sektion Berufskrankheiten, habe empfohlen, in die Anlage zur BKV als neue BK "Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbarer Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht" aufzunehmen und eine wissenschaftliche Begründung hierzu vorgelegt. Beim Kläger habe indes eine Gesamtbelastungsdosis von mindestens 13000 Kniestunden zum Zeitpunkt des Beginns der Kniebeschwerden im Jahr 1979 noch nicht vorgelegen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Kläger in seinem Berufsleben überdurchschnittlich kniebelastend tätig gewesen sei, müssten sich dazu passende Knorpelveränderungen an beiden Kniegelenken finden, was aber nicht der Fall sei. Trotz beidseitiger, also nicht linksbetonter Kniebelastung weise das linke Kniegelenk hochgradige arthrotische Veränderungen auf, wohingegen am rechten Kniegelenk kaum arthrotische Veränderungen zu erkennen seien. Das einseitige Betroffensein des linken Kniegelenks im Vergleich zum rechten spreche für eine schicksalhafte Entstehung. Grund dafür könnten aus dem privaten Lebensbereich stammende Risikofaktoren für einen vorzeitigen Verschleiß nicht nur am linken Kniegelenk, sondern am Stütz- und Bewegungsapparat insgesamt liegen, nämlich Fettstoffwechselstörung, Bluthochdruck, Diabetes mellitus sowie erhöhte Harnsäurewerte. Die Gonarthrose könne daher weder als Listen-BK noch als Wie-BK anerkannt werden. Der Bescheid werde Gegenstand des anhängigen gerichtlichen Verfahrens.

Mit der 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 11. Juni 2009 (BGBl. I 1273) ist die Nr. 2112 in die Anlage 1 zur BKV - "Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbarer Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht", im Weiteren BK 2112 - aufgenommen worden, wobei diese BK auf Antrag auch anzuerkennen ist, wenn der Versicherte am 1. Juli 2009 an der Erkrankung leidet und der Versicherungsfall nach dem 30. September 2002 eingetreten ist (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BKV).

Der Kläger trägt im fortgesetzten Berufungsverfahren vor, die erhobenen Befunde, wonach das linke Knie stärker betroffen sei als das rechte, stünden mit den Angaben zu den belastenden Tätigkeiten nicht im Widerspruch, denn er habe auch - wie angegeben - teilweise ein Knie am Boden und das zweite aufgestellt gehabt, wobei das am Boden befindliche Knie in stärkerem Maße als das aufgestellte belastet gewesen sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien beide Knie nicht in allen drei geschilderten Körperhaltungen gleichermaßen belastet gewesen. Er habe sich beim Dekorieren ständig hingekniet, um "hier oder da" das eine oder andere zu dekorieren. Soweit er angegeben habe, er habe in etwa gleichermaßen beide Knie am Boden, ein Knie am Boden und das zweite Knie aufgestellt sowie im Fersensitz gearbeitet, folge daraus im Zusammenhang mit dem ständigen Hinknien und Wiederaufstehen, dass denknotwendig ein Bein stärker belastet werde als das andere. Ein Erheben aus dem Fersensitz beispielsweise erfordere, dass ein Bein nach vorne geschoben, der Fuß aufgesetzt und das gesamte Körpergewicht mittels dieses Beines nach oben gedrückt werde. Dies sei bei ihm immer über das linke Knie erfolgt. Ein Wechsel hin zum rechten Knie sei erst erfolgt, als die Schmerzen links zu stark geworden seien. Deswegen seien die Abnutzungserscheinungen am linken Knie stärker als rechts. Zudem habe er, wie sich aus dem von ihm vorgelegten Gutachten von Dr. B. (erstellt am 3. Oktober 2007 im Klageverfahren vor dem SG wegen der Anerkennung einer Druckschädigung der Nerven im Sinne einer BK nach Nr. 2106 der Anlage 1 zur BKV) ergebe, teilweise in extrem engen Räumen arbeiten müssen. Ferner hat der Kläger noch eine Äußerung des Internisten und Facharztes für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Sozialmedizin, Betriebsmedizin, Dr. F. vom 14. April 2010 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, der Kläger habe sich 1979 eine Stecknadel ins linke Knie gespießt, worauf eine längere ärztliche Behandlung notwendig gewesen sei. Dieser Arbeitsunfall könne nicht als Beginn einer BK angenommen werden. Anfang der Neunziger Jahre seien dann allmählich belastungsabhängige Knieschmerzen linksbetont aufgetreten. Nach dem Gutachten von Dr. B. "vom 30.08.2007" bestünden erst seit 1997 heftigere Knieschmerzen, weshalb erstmals in diesem Jahr Röntgenaufnahmen angefertigt worden seien, die eine Gonarthrose links gezeigt hätten. Ferner hat der Kläger noch einen Operationsbericht des Dr. C. vom 4. Dezember 2008 (Implantation einer vollzementierten Knie-TEP) vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Juni 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2004 sowie den Bescheid vom 25. Juni 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Gonarthrose wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 25. Juni 2008 abzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, ein Anspruch auf Anerkennung der Gonarthrose als Wie-BK komme nicht in Betracht. Die Erkrankung im Bereich des linken Kniegelenks sei bereits 1979 aufgetreten. Zu diesem Zeitpunkt seien die nach der wissenschaftlichen Begründung für die BK 2112 geforderten 13000 Arbeitsstunden bei Weitem noch nicht erreicht gewesen. Hierzu verweist sie auf die Angaben des Klägers zum Krankheitsbeginn vom 3. März 2004, anlässlich der Rehabilitationsbehandlung in der K. im Jahr 2003 sowie die Auswertung der Angaben des Klägers beim Gespräch vom 19. November 2007 in der Stellungnahme der TAP K. vom 20. November 2007. Nach dieser Stellungnahme habe der Kläger bis zur Betriebsaufgabe insgesamt knapp 15000 Kniestunden über sein gesamtes Arbeitsleben erreicht. Zwar lasse dieser Bericht ausdrücklich die Zeit der Selbstständigkeit als Führer eines Bekleidungsgeschäftes zwischen 1969 und 1989 unberücksichtigt. Seinen Angaben im Gesprächsprotokoll zufolge habe der Kläger aber zwischen 1969 und 1989 etwa die Hälfte seiner Arbeitszeit als selbstständiger Dekorateur gearbeitet. Setze man diese bei den Ermittlungen des TAD damals nicht berechnete Kniebelastung in Relation zur vergleichbaren und auch berechneten Kniebelastung während der anschließenden selbstständigen Tätigkeit ab 1989 ergäben sich für die Zeit von 1969 bis 1979 damit 2940 Kniestunden. Unter Mitberücksichtigung der bis 1969 aufgelaufenen 4310 Kniestunden ergäben sich 7250 Kniestunden. Damit seien rund 56% der kumulativen Mindestbelastungsdosis von 13000 Kniestunden erreicht. Selbst bei Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne der wissenschaftlichen Begründung zur Gonarthrose sei der ursächliche Zusammenhang zwischen Erkrankung und beruflicher Tätigkeit nicht hinreichend wahrscheinlich. Die Asymmetrie der arthrotischen Veränderungen zu Ungunsten der linken Seite, eine Varusfehlstellung, eine Arthritis urica und polyarthrotische Veränderungen sprächen gegen eine beruflich bedingte Kniegelenksarthrose. Die arthrotischen Veränderungen fänden sich ferner in der Hauptbelastungszone, also in dem Bereich, der üblicherweise - also ohne Belastung durch Knien - betroffen sei. Ein belastungskonformes Schadensbild liege auch gemäß den Stellungnahmen von Dr. F. nicht vor. In Anbetracht der einseitig bereits seit vielen Jahren ausgeprägten Gonarthrose links ohne annähernd vergleichbaren Sachverhalt am rechten Knie trotz - wie vom Kläger angegeben - wechselnd gleichmäßiger Belastung beider Knie fehle es an der biomechanischen Plausibilität für einen wesentlichen Ursachenbeitrag durch Knien. Die Erkrankung sei nicht wesentlich durch die berufliche Kniebelastung verursacht oder verschlimmert worden.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Klägers und die Klage gegen den Bescheid vom 25. Juni 2008 sind unbegründet.

Nachdem die Beklagte über das Begehren des Klägers nach Abschluss des Klageverfahrens mit Bescheid vom 25. Juni 2008 (nochmals) entschieden hat, hat dieser Bescheid den Bescheid vom 14. Juli 2004 und den Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2004 teilweise (unter Berücksichtigung der neueren medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse) ersetzt und ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, sodass der Senat über ihn durch Klage entscheidet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist die Anerkennung einer Gonarthrose des Klägers als Wie-BK gem. § 9 Abs. 2 SGB VII. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob der Kläger an einer BK 2112 der Anlage 1 zur BKV leidet, denn insoweit wäre die Klage unzulässig, weil die BK 2112 erst mit der 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 11. Juni 2009 (BGBl. I 1273) und damit nach Erlass des Bescheides vom 25. Juni 2008 in die Anlage 1 zur BKV aufgenommen worden ist. Zur Frage des Vorliegens einer BK 2112 ist noch kein Verwaltungsverfahren durchgeführt worden und auch mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid wurde hierüber noch nicht entschieden. Bezüglich der Anerkennung einer Erkrankung als BK einerseits und als Wie-BK andererseits handelt es sich im Übrigen um nicht identische Streitgegenstände, da jeweils unterschiedliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen (BSG, Urteil vom 02. Dezember 2008, B 2 KN 3/07 U R, in Juris).

Mit der Einführung der BK Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV und ihrem Inkrafttreten am 01. Juli 2009 ist die Klage auch nicht unzulässig geworden. Denn der Anspruch auf Anerkennung als Wie-BK besteht fort, weil die Änderung der BKV zum 01. Juli 2009 erst ab diesem Tag Rechtswirkungen entfalten kann (vgl. hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 02. Dezember 2008, B 2 KN 1/08 U R, in Juris).

Gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Die sich aus dieser Vorschrift ergebenden Tatbestandsmerkmale für die Feststellung einer Wie-BK bei einem Versicherten sind das Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen für eine in der BKV bezeichneten Krankheit, das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als BK nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung dieser Krankheit als Wie-BK im Einzelfall bei dem Versicherten. Mit dieser Regelung soll nicht in der Art einer "Generalklausel" erreicht werden, dass jede Krankheit, deren ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit im Einzelfall zumindest hinreichend wahrscheinlich ist, wie eine BK zu entschädigen ist (BSG, Urteile vom 04. Juni 2002, B 2 U 20/01 R, und 27. April 2010 - B 2 U 13/09 R - in Juris). Vielmehr sollen dadurch Krankheiten zur Entschädigung gelangen, die nur deshalb nicht in die BK-Liste aufgenommen würden, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage 1 zur BKV noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Anerkennungsvoraussetzungen der geltend gemachten Gonarthrose als Wie-BK nicht erfüllt.

Zwar ist eine Gonarthrose auf Grund beruflicher Einwirkungen für die Zeit vor Inkrafttreten der neuen BKV zum 1. Juli 2009 (Art. 1 Nr. 3 Buchst. c vom 11. Juni 2009 BGBl. I 1273) noch nicht in der Anlage 1 zur BKV, in der die als BK durch Rechtsverordnung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII bezeichneten Krankheiten aufgeführt sind, aufgenommen gewesen und es lagen auch die Bezeichnungsvoraussetzungen einer Krankheit als BK vor. Denn nach neueren Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft besteht ein genereller Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen, denen eine bestimmte Personengruppe in erheblich höherem Maße ausgesetzt sein muss, und einer oder mehrerer Erkrankungen dieser Gruppe. Dass Berufe wie der des Fliesenlegers, Bodenlegers, Estrichlegers, Installateurs, Malers und weitere im Merkblatt zur BK Nr. 2112 (vgl. Bekanntmachung. des BMAS v. 30. Dezember 2009 - IVa 4-45222-21212 - GMBl. 5/6/2010, S. 98 ff.) genannte Berufe im Vergleich zur übrigen Bevölkerung durch eine erhöhte kniende Tätigkeit gekennzeichnet sind, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und steht nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft fest. Der naturwissenschaftliche Zusammenhang zwischen knieender Tätigkeit und Gonarthrose ab einer bestimmten Intensität bzw. Dauer einer Kniebelastung ist nunmehr auch in der 2009 vom Verordnungsgeber als BK 2112 der Anlage 1 zur BKV anerkannt worden.

Die Voraussetzungen der Anerkennung einer Gonarthrose als Wie-BK lagen auch schon mit der Veröffentlichung der wissenschaftlichen Begründung zur BK Nr. 2112 des Ärztlichen Sachverständigenbeirates Sektion Berufskrankheiten beim Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (Bek. des BMGS vom 01. Oktober 2005 - 414-45222-2112/1, BArbBl. 10/2005, Seiten 46ff) und seiner Empfehlung der Aufnahme einer "Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbarer Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht" in die Berufskrankheitenliste vor. Es handelte sich insoweit auch um neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft, die in der letzten Änderung der BKV noch nicht berücksichtigt wurden. Insoweit kommt der Meinung des Sachverständigenbeirates beim zuständigen Ministerium, Sektion Berufskrankheiten, besonders hohe Bedeutung zu. Dies gilt insbesondere dann, wenn dieser eine konkrete Anerkennungsempfehlung ausgesprochen hat (vgl. BSG, Urteil vom 04. Juni 2002 - B 2 U 20/01 R - in Juris; Koch in Lauterbach, UV, § 9 Rdnr. 288a und 290).

Gemessen an den vorstehenden Voraussetzungen besteht kein Anspruch auf Anerkennung der Gonarthrose des Klägers wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII. Die Anerkennung der geltend gemachten Erkrankung als Wie-BK scheidet aus, weil der Kläger die individuellen Voraussetzungen der Anerkennung nicht erfüllt.

Hierzu stellt der Senat zunächst fest, dass der Kläger im Ermittlungsverfahren wegen der "Erkrankung der Kniegelenke (Gonarthrose)" und der Prüfung einer beruflichen Ursache auf gezielte Frage zum Krankheitsbeginn, insbesondere im Fragebogen Arbeits-/Krankheitsanamnese vom 3. März 2004 angegeben hat, die Beschwerden im Bereich der Knie, wie auch solche im Bereich von Rücken und Händen, hätten sich "seit 1979" bemerkbar gemacht. Unabhängig davon und davor hat er bei der Rehabilitationsbehandlung in der K. im Jahr 2003 bei der Anamnese zur Frage nach chronischen Erkrankungen angegeben, er leide seit 1979 unter Kniebeschwerden links und rechts. Gemäß dem Bericht des Radiologen Dr. W. vom 8. Juli 1997 ergab das MRT des linken Kniegelenks: bereits eine schwere medianbetonte Gonarthrose links, eine ulcerierende Chondromalazie, eine Innenmeniskopathie Grad IV mit multiplen Einrissen und einen Gelenkerguss. Nach den in den Akten enthaltenen Befunden und deren Auswertung durch Dr. F. bestanden gemäß dessen den Senat überzeugenden beratungsärztlichen Stellungnahmen vom 18. November 2005 und 2. April 2007 eine schwere progrediente Varusgonarthrose am linken Kniegelenk mit Chondromalazie und Innenmeniskusschaden ohne klinische Befunde zu degenerativen Schäden rechts, ein Vollbild des metabolischen Syndroms, eine beginnende allgemeine Polyarthrose, eine Arthritis urica, eine mediale Gonarthrose, eine Osteophytose, eine Retropatellararthrose, eine subchondrale Kondensation und eine deutliche Vasosklerose in allen Abschnitten. In der Hauptbelastungszone im Stehen fand sich eine schwere mediale Chondromalazie tibial und femural. Der Innenmeniskus war nur noch in Resten vorhanden. Zusammengefasst ist - so Dr. F. - vom Vollbild des metabolischen Syndroms, einer allgemeinen Polyarthrose sowie einer hohen orthopädischen und internistischen Komorbidität auszugehen. Auf Grund der wiederholten eigenen Angaben des Klägers und auch der sich aus den Akten ergebenden Befundentwicklung geht der Senat davon aus, dass die Kniegelenksbeschwerden mit arthrotischen Veränderungen bereits im Jahr 1979 begannen und sich im Weiteren verstärkten. Hierauf hat sich die Beklagte mit Schriftsätzen vom 04. Mai 2010 und 16. März 2011 nochmals ausdrücklich gestützt, worauf der Kläger dem nicht entgegen getreten ist. Insbesondere hat er seine Angaben, dass er seit 1979 unter (chronischen) Kniebeschwerden leide, nicht geändert. Am 04. Dezember 2008 erfolgte schließlich die Implantation einer vollzementierten Knie-TEP links.

Die beim Kläger aufgetretene Gonarthrose links ist allerdings unter Berücksichtigung der beruflich bedingten Kniebelastungen zur Überzeugung des Senats nicht wesentlich und mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf berufliche Belastungen zurückzuführen.

Wie dargelegt ist die Erkrankung im Bereich insbesondere des linken Kniegelenks bereits im Jahr 1979 aufgetreten. Zu diesem Zeitpunkt waren die nach der wissenschaftlichen Begründung für die BK 2112 geforderten 13000 die Knie belastenden Arbeitsstunden bei Weitem noch nicht erreicht. Diese Belastungsdosis war unter für den Kläger günstigster Betrachtungsweise erst etwa im Mai 1994 erreicht, wobei dem allein und im Übrigen objektiv nicht bewiesen die Angaben des Klägers zu Grunde liegen.

Hierzu stellt der Senat unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers bei seiner Befragung am 19. November 2007 und der insoweit schlüssigen und überzeugenden Auswertung durch die Präventionsabteilung der Beklagten fest, dass der Kläger bis 30. September 1969 bei seinen beruflichen Tätigkeiten beim "K." 540 Stunden, beim Kaufhaus S. 2016 Stunden, im Modegeschäft L. 288 Stunden, im Modegeschäft R. 432 Stunden, im Modegeschäft K. 405 Stunden und im Modegeschäft D. 629 Stunden, mithin insgesamt 4310 Stunden kniebelastend im Sinne der inzwischen in die BKV aufgenommenen BK 2112 gearbeitet hat. Ab 1. Oktober 1969 war er halbtags als selbstständiger Dekorateur (neben dem halbtags mit der Ehefrau betriebenen eigenen Modegeschäft) tätig. Unter Annahme einer Belastung wie bei der selbstständigen Tätigkeit ab 1. September 1989 (588 Stunden pro Jahr und bei einer Halbtagstätigkeit als Dekorateur 294 Stunden) ergeben sich für die Zeit vom 01. Oktober bis 31. Dezember 1969 weitere 74 Stunden und für die Jahre 1970 bis 31. Dezember 1979 weitere 2940 Stunden mithin 3014 Stunden. Damit hat der Kläger bis zum Auftreten der ersten Kniebeschwerden im Jahr 1979 bis zum Ende dieses Jahres insgesamt maximal 7324 Stunden kniebelastend gearbeitet. In Fortsetzung der selbstständigen Tätigkeit arbeitete der Kläger dann weiter halbtags als selbstständiger Dekorateur bis 31. August 1989 jährlich 294 Stunden kniebelastend, so dass zu diesem Zeitpunkt 10166 Stunden erreicht waren. Danach arbeitete er als Dekorateur jährlich 588 Stunden kniebelastend, so dass an die Knie belastenden Arbeitsstunden Ende 1989 10362 Stunden, Ende 1990 10950 Stunden, Ende 1991 11538 Stunden, Ende 1992 12126 Stunden, Ende 1993 12714 Stunden und schließlich im Mai 1994 ca. 13000 Stunden erreicht waren. Eine weitergehende Kniebelastung durch berufliche Tätigkeiten des Klägers ist nicht nachgewiesen und nicht feststellbar.

Da der Kläger aber bereits ab 1979 bereits unter Kniebeschwerden litt, die sich auch durch schwerste in den Jahren 1996/1997 dokumentierte arthrotische Veränderungen im linken Knie erklärten und 2008 eine prothetische Versorgung erforderlich machten, waren die beruflichen Belastungen bei Erstmanifestation der Gonarthrose noch nicht ausreichend, um sie als wahrscheinliche und wesentliche Ursache dieser Erkrankung zu werten. Es kann nach Auswertung der ärztlichen Äußerungen angesichts des Ausmaßes der arthrotischen Veränderung, wie sie 1996/1997 dokumentiert sind, auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Arthrose erst nach 1993 entstanden ist, als schließlich 13000 die Knie belastende Arbeitsstunden erreicht waren.

Im Übrigen sprechen die Asymmetrie der arthrotischen Veränderungen zu Ungunsten der linken Seite, eine Varusfehlstellung, eine Arthritis urica und polyarthrotische Veränderungen gegen eine durch die beruflichen Belastungen bedingte Kniegelenksarthrose. Auch die Adipositas des Klägers (Körpergewicht im Herzzentrum Bad K. im Mai 1999 86 kg bei 1,65 m Körpergröße = BMI 31,58 = Adipositas Grad I, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 2011, Seite 295f) stellt nach der wissenschaftlichen Begründung zur BK 2112 (a.a.O., Nr.7) ein konkurrierendes Risiko dar (um Faktor 8,1 signifikant erhöhtes Gonarthroserisiko). Die arthrotischen Veränderungen finden sich ferner in der Hauptbelastungszone, also in dem Bereich, der üblicherweise - also ohne Belastung durch Knien - betroffen ist. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der beruflichen Tätigkeit ist damit nicht wahrscheinlich. Aus Gründen biomechanischer Plausibilität sollten bei Tätigkeiten im Hocken und im Fersensitz die Knorpelschäden im hinteren Anteil des Kniehauptgelenkes medial und lateral sowie im Patellofemoralgelenk betont sein, letzteres auch bei Tätigkeiten im Aufrechtkriechen. Bei knienden Tätigkeiten mit deutlicher Überschreitung des rechten Winkels durch den Kniebeugewinkel kann eine Knorpelschädigung auch im hinteren Anteil des Kniehauptgelenkes in Betracht kommen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 650). Ein belastungskonformes Schadensbild liegt nicht vor, was sich auch aus den im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Stellungnahmen von Dr. F. vom 2. April 2007 und 13. Dezember 2007 ergibt. Die Ausführungen des Dr. F. überzeugen nicht. Er geht von einer weit höheren Zahl an kniebelastenden Arbeitsstunden aus (1000 bis 1200 jährlich und 40000 während des gesamten Arbeitslebens), was nicht einmal mit den eigenen Angaben des Klägers vereinbar ist. Auch soweit er auf eine Verletzung des linken Knie im Jahr 1979 verweist, die eine längere Behandlung erforderlich gemacht habe, auf welche der Kläger dann viele Jahre beschwerdefrei dekoriert habe, stützt dies das Begehren im Hinblick darauf, dass der Kläger den Beginn der Beschwerden im Jahr 1979 angegeben hat, nicht. Selbst bei Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne der wissenschaftlichen Begründung zur Gonarthrose ist deshalb der ursächliche Zusammenhang zwischen Erkrankung und beruflicher Tätigkeit nicht hinreichend wahrscheinlich.

In Anbetracht der einseitig bereits seit vielen Jahren ausgeprägten Gonarthrose links ohne annähernd vergleichbaren - weder nach Ausprägung noch nach Befundkonstellation im Zeitverlauf - Sachverhalt am rechten Knie trotz - wie vom Kläger angegeben - wechselnd gleichmäßiger Belastung beider Knie fehlt es an der biomechanischen Plausibilität für einen wesentlichen Ursachenbeitrag durch Knien (vgl. wissenschaftliche Begründung aus 2005 unter 6. Krankheitsbild, vorletzter Absatz). Dies umso mehr, als in Anbetracht des frühzeitig einseitigen linkslastigen Knieleidens ernsthaft in Betracht gezogen werden muss, dass der Kläger sein linkes Knie zunehmend geschont hat, zu Lasten des rechten Knies. Die streitgegenständliche Erkrankung ist nicht wesentlich durch die berufliche Kniebelastung verursacht oder verschlimmert worden.

Damit ist nicht feststellbar, dass die beim Kläger vorliegende Gonarthrose, vornehmlich links, mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf berufliche Einwirkungen zurückzuführen ist. Der Kläger hat damit keinen Anspruch auf Anerkennung dieser Erkrankung wie eine BK gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII.

Da das Begehren des Klägers keinen Erfolg hat, weist der Senat die Berufung gegen das Urteil vom 21. Juni 2005 zurück und die Klage gegen den Bescheid vom 25. Juni 2008 ab. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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