L 9 R 4574/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3964/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4574/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. August 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung weiterer Beitragszeiten zu gewähren ist.

Der 1944 geborene Kläger ist kroatischer Staatsangehöriger und ist im April 1966 aus dem ehemaligen Jugoslawien in die Bundesrepublik Deutschland gekommen. Er war hier als Kfz-Mechaniker, Straßenbauarbeiter, Montagearbeiter und Betriebsschlosser, unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit, beschäftigt gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13.01.2006 bewilligte die Beklagte dem Antragsteller eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit, beginnend ab dem 01.05.2004. Dabei berücksichtigte die Beklagte rentenrechtliche Zeiten wie sie aus Anlage 2 zum Rentenbescheid vom 13.01.2006 (Versicherungsverlauf, rentenrechtlich relevante Zeiten beginnend ab 27.04.1966, vgl. Bl. 39 f. der Akten des Sozialgerichts) ersichtlich sind. Sie führte aus, die Anspruchsvoraussetzungen für eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen sei auch unter Berücksichtigung einer Zusammenrechnung der deutschen und kroatischen Versicherungszeiten nicht erfüllt, weil die erforderlichen 420 Kalendermonate an Wartezeiten nicht erreicht seien.

Der Kläger machte mit seinem Widerspruch vom 08.03.2006 unter Vorlage einer Übersetzung eines Auszuges aus seinem Arbeitsbuch geltend, eine im heutigen Kroatien vor dem "25.VII.62" absolvierte dreijährige Ausbildung zum Kfz-Mechaniker und (u.a.) die Zeit vom 01.01.1973 bis zum 08.03.1973 seien zusätzlich als Pflichtbeitragszeiten zu berücksichtigen.

Eine Neuberechnung der Rente erfolgte mit Wirkung ab 01.04.2005, weil ein anderer Beitragssatz zur Kranken- und zur Pflegeversicherung zu berücksichtigen war.

Die Beklagte stützte ihre den Widerspruch zurückweisende Entscheidung (Bescheid vom 05.11.2009) auf eine von ihr eingeholte Auskunft beim kroatischen Versicherungsträger vom 28.08.2006 (Vordruck HR-D 205), worin dieser - wie schon zuvor mit Bescheinigung vom 16.12.2004 - Zeiten der Pflichtversicherung vom 01.08.1962 bis 29.01.1964 bestätigte und auf nochmalige Anfrage unter dem 13.07.2007 mitteilte, dass nach kroatischen Rentenbestimmungen die Lehrzeit nicht als Versicherungszeit angerechnet werde. Der Vordruck HR-D 205 vom 28.08.2006 bleibe, so ausdrücklich, in Kraft. Hinsichtlich des Zeitraumes vom 01.01.1973 bis 08.03.1973 verwies die Beklagte auf die auszugsweise in Kopie in den Akten vorliegende bei der AOK Tuttlingen geführte Mitglieder- und Leistungskartei, wonach in diesem Zeitraum lediglich eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bestanden habe und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nachweislich nicht entrichtet worden seien.

Mit seiner hiergegen am 30.11.2009 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger an dem geltend gemachten Anspruch, ihm eine höhere Rente unter Berücksichtigung der vor 1962 in Kroatien zurückgelegten Lehrzeit sowie der Zeit vom 01.01.1973 bis 08.03.1973 als Beitragszeiten zu gewähren, festgehalten.

Mit Urteil vom 11.08.2010 hat das SG Reutlingen die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ergänzend zu den Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 05.11.2009 darauf hingewiesen, dass die erteilte Auskunft des kroatischen Versicherungsträgers bezüglich der Anrechenbarkeit der Lehrzeit für die Beklagte verbindlich sei und hat insoweit auf Artikel 25 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien über soziale Sicherheit vom 24.11.1997 (AbkSozSich Kroatien) verwiesen. Für den Zeitraum vom 01.01.1973 bis 08.03.1973 seien die Voraussetzungen ebenfalls nicht erfüllt, weil der Beklagten für diesen Zeitraum kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gemeldet sei und auch nicht glaubhaft gemacht sei, dass ein solches vorgelegen habe und Beiträge an die Rentenversicherung entrichtet worden seien.

Am 27.09.2010 hat der Kläger Berufung eingelegt.

Er ist der Auffassung, die Voraussetzungen für die Gewährung von Altersrente für schwerbehinderte Menschen, insbesondere die 35-jährige Wartefrist erfüllt zu haben. Dabei sei die vor 1962 in Kroatien zurückgelegte Lehrzeit zu berücksichtigen. Die Auskunft des kroatischen Versicherungsträgers, wonach diese nach kroatischen Rentenbestimmungen nicht als Versicherungszeit angerechnet werde, sei falsch. Darüber hinaus seien die angefallenen Beitragszeiten für die Kindererziehung (31.03.1993 bis 31.12.1994) nicht angerechnet worden. In dieser Zeit sei die Ehefrau berufstätig gewesen. Ihm sei hinsichtlich einer erfüllten Wartezeit auch eine entsprechende Auskunft der LVA Niederbayern-Oberpfalz vom 09.05.2003 erteilt worden. Ferner habe die Beklagte im Rentenbescheid Entgeltpunkte lediglich in Höhe von 23,9762 der Rentenberechnung zugrunde gelegt, wohingegen die LVA Niederbayern-Oberpfalz in ihrer übersandten Auskunft von 28,8428 erworbenen Entgeltpunkten ausgegangen sei. Schließlich sei der Rentenabschlag mit 18 % nicht gerechtfertigt, richtig sei der Ansatz von 10,8 %. Mit Schreiben vom 16.08.2011 hat der Kläger weitere Unterlagen, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wie auch seinen Gesundheitszustand betreffend, vorgelegt. Unter 3. c) seines Schreibens hat er "die 3 Monate von 1973 als nicht einbezahlt" anerkannt. Es fehlten jedoch 6 Monate ABM-Maßnahme im Sommer 1986.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. August 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 13. Januar 2006 und 05. April 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. November 2009 zu verurteilen, die vor 1962 in Kroatien zurückgelegte Lehrzeit sowie weitere Zeiten als Beitragszeiten zu berücksichtigen und ihm eine entsprechend höhere Rente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden sowie auf die des SG im angefochtenen Urteil.

Anträge des Klägers, ihm für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren, hat der Senat mit den Beschlüssen vom 06.10.2011 und 29.12.2011 abgelehnt.

Mit Verfügung des Berichterstatters vom 04.07.2011 bzw. 18.07.2011 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht gezogen werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 04.07.2011 bzw. 18.07.2011 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Der Senat sieht keinen Grund das erstinstanzliche Urteil zu beanstanden. Streitgegenstand ist - nachdem der Kläger seine Einwendungen gegen den von der Beklagten nicht als Beitragszeit berücksichtigten Zeitraum vom 01.01.1973 bis 08.03.1973 nicht mehr aufrecht erhält (vgl. Schreiben des Klägers vom 16.08.2011) - allein, ob die Beklagte unter Berücksichtigung von vor 1962 angeblich zurückgelegter Ausbildungszeiten im heutigen Kroatien weitere rentenrechtlich relevante Zeiten zu berücksichtigen hat und ob deshalb eine höhere Altersrente zu gewähren ist.

Die Berücksichtigung von in Kroatien zurückgelegter Zeiten richtet sich nach dem AbkSozSich Kroatien, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat. Das AbkSozSich Kroatien vom 24.11.1997 (BGBl. II 1998, S. 2034) ist am 01.12.1998 in Kraft getreten. Mit ihm treten in Bezug auf Kroatien das deutsch-jugoslawische Sozialversicherungsabkommen vom 12.10.68 sowie dessen Änderungsabkommen vom 30.09.74 und die Durchführungsvereinbarung vom 09.11.69 außer Kraft (Art. 42 AbkSozSich Kroatien). Dieses Abkommen ist auf den Kläger, der kroatischer Staatsangehöriger ist, nach Art 3 AbkSozSich Kroatien auch anwendbar.

Nach den Regelungen dieses Abkommens führen in Kroatien zurückgelegten Beitragszeiten nicht zu einer höheren in der Bundesrepublik Deutschland bezogenen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit. Denn gemäß Art. 26 Abs. 1 AbkSozSich Kroatien werden persönliche Entgeltpunkte nur aus den rentenrechtlichen Zeiten ermittelt, die nach den deutschen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen sind. Damit sind die in Kroatien zurückgelegten Beitragszeiten bei der Ermittlung der Entgeltpunkte nicht einzustellen und wirken sich daher auch nicht rentenerhöhend aus. Ein Anspruch auf eine höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit ergibt sich - worauf die Beklagte und das SG zudem zutreffend hingewiesen haben - auch nicht aus den Vorschriften des Fremdrentengesetzes, weil der Kläger nicht als Vertriebener im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes anerkannt ist.

Soweit der Kläger den Rentenbescheid auch insoweit anfechten will, ihm statt der bewilligten Altersrente eine Rente für schwerbehinderte Menschen zu gewähren, ergibt sich nichts anderes. Der Kläger hat sich zwar mit einem entsprechenden Begehren bereits im Widerspruchsverfahren an die Beklagte gewandt und vorgetragen, die Wartezeit von 420 Monaten sei entgegen der Auffassung der Beklagten erfüllt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Kläger mit dem Geltend machen einer höheren Rente zumindest auch die Gewährung einer Rente für schwerbehinderte Menschen statt der bewilligten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit begehrt, auch wenn er dies so nicht ausdrücklich beantragt hat. Dass die Mindestversicherungszeit von 35 Jahren für die "formlos beantragte Altersrente für schwerbehinderte Menschen" gemäß § 236a Abs. 1 Satz 1 Nr.3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht erfüllt sind, hat die Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid auch festgestellt. Ausgehend von den nach dem angefochtenen Rentenbescheid auf die Wartezeit anzurechnenden 388 Monaten aus der deutschen Rentenversicherung sind weitere vom kroatischen Rentenversicherungsträger bescheinigte 18 Monate (1 Jahr, 5 Monate und 29 Tage vom 01.08.1962 bis 29.01.1964 - vgl. Original des Formblattes HR-D 205 vom 16.12.2004; Bl. 99 der Akten) hinzuzurechnen. Mit diesen 406 Monaten ist die für eine Rente für schwerbehinderte Menschen erforderliche Wartezeit von 420 Monaten jedoch nicht erfüllt. Rechtsgrundlage für die Zusammenrechnung rentenrechtlicher Zeiten bei der Prüfung der Wartezeiten ist Art. 25 AbkSozSich Kroatien. Nach dessen Absatz 1 werden für den Leistungsanspruch - soweit erforderlich - auch die Versicherungszeiten berücksichtigt, die für einen Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaats anrechenbar sind und nicht auf dieselbe Zeit entfallen. Das Ausmaß der zu berücksichtigenden Versicherungszeiten richtet sich nach den Rechtsvorschriften des Vertragsstaats, nach denen sie zurückgelegt worden sind (Art. 25 Abs. 3 AbkSozSich Kroatien). Der kroatischen Rentenversicherungsträger hat weitere Versicherungszeiten des Klägers jedoch auch auf Nachfrage hin nicht bestätigen können. Der Kläger hat darüber hinaus weder Beginn noch Dauer der Ausbildung belegen können. Im Arbeitsbuch ist diese nicht explizit aufgeführt. Dort wird lediglich ein Ausstellungsdatum "25.VII.62", der Beruf "KFZ-Mechaniker", ein Beschäftigungsbeginn am 1.VIII.1962 und ein Beschäftigungsende bei der Firma M. am 29.01.1964 genannt. Eine Ausbildungszeit ist damit nicht nachgewiesen, zumal die Bewertung rentenrechtlicher Zeiten gem. Art. 25 AbkSozSich Kroatien den Rechtsvorschriften des Vertragsstaates unterliegt, dessen Träger der Rentenversicherung weitere Zeiten gerade nicht hat bestätigen können.

Soweit der Kläger - unabhängig von dem von seinen damaligen Bevollmächtigten gestellten Antrag (Schriftsatz vom 27.06.2011) - nunmehr im Berufungsverfahren weitere Zeiten berücksichtigt haben will, ist dies unzulässig, worauf der Senat bereits in seinem Beschluss vom 06.10.2011 hingewiesen hatte. Denn weder die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden noch das SG haben über Beitragszeiten für die Kindererziehung (03/93-12/94) oder über die rentenrechtliche Bewertung einer "ABM-Maßnahme im Sommer 1986" entschieden, noch hat der Kläger die Höhe der Entgeltpunkte oder des Abschlages gerügt. Unabhängig hiervon weist der Senat darauf hin, dass nach Aktenlage Rechtsfehler auch insoweit nicht zu erkennen sind. Nachweise für die geltend gemachten Umstände hat er ohnehin nicht vorgelegt. Gleiches gilt für die Unterlagen, die sich auf eine Erwerbsminderungsrente beziehen dürften. Gesundheitliche Einschränkungen sind - bis auf den Nachweis der Schwerbehinderung - für die hier im Streit stehenden Altersrenten ohne Belang. Gleiches gilt für die Ausführungen, welche sich auf Abschläge beziehen, welcher bei einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit für Geburtsjahrgänge zwischen 1942 und 1945 bei einer vorzeitigen Inanspruchnahme um 60 Monate regelmäßig 18 % beträgt (§ 237 Abs. 3 iVm. Anlage 19 zum SGB VI und § 77 SGB VI).

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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