Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 U 56/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 80/10
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
I. Maßstab für die Beurteilung, ob eine Gesundheitsstörung Unfalfolge ist, ist die allgemeine wissenschaftliche Lehrmeinung.
II. Nach aktuellen wissenschaftlichen Erfahrungssätzen weisen selbst HWS-Distorsionen des Schweregrades I (Klassifikation nach Erdmann) kein symptomfreies Intervall von mehreren Tagen oder Wochen auf.
II. Nach aktuellen wissenschaftlichen Erfahrungssätzen weisen selbst HWS-Distorsionen des Schweregrades I (Klassifikation nach Erdmann) kein symptomfreies Intervall von mehreren Tagen oder Wochen auf.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 14. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Verletztenrente hat.
Der 1969 geborene Kläger war seit April 2001 als Prüfer bei der Firma D. in R. beschäftigt.
Am 16.11.2005 gegen 5.30 Uhr befuhr er auf dem Weg von seiner Wohnung zur Arbeit mit einer Geschwindigkeit zwischen 50 und 60 km die B 85 Richtung R., als ein entgegenkommendes Fahrzeug vor ihm nach links abbiegen wollte. Der Kläger konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und fuhr frontal in das abbiegende Fahrzeug. Er war angeschnallt. Das Auto verfügte über Nackenstützen, aber keinen Air-Bag.
Im Durchgangsarztbericht von Dr. E. des Krankenhauses (KKH) B-Stadt vom 22.11.2005 wurden beim Kläger eine distale Radiusfraktur links ohne wesentliche Dislokation, eine Sternumfraktur sowie multiple Prellungen der Brustwirbelsäule (BWS) und des linken Knies diagnostiziert. Es bestanden ein leichter Druckschmerz über dem Sternum und über der mittleren BWS, eine leichte Schwellung am linken Handgelenk sowie ziehende Schmerzen am linken distalen Oberschenkel, hingegen kein Thorax- oder Beckenkompressionsschmerz. Ausgewertet wurden Röntgenaufnahmen des linken Handgelenks, der BWS, Halswirbelsäule (HWS), linken Knie, der Lunge und des Sternums. Eine besondere stationäre Heilbehandlung wurde eingeleitet.
Laut Zwischenbericht vom 24.01.2006 ergab sich aus Röntgenbildern vom 12.01.2006 und vom 24.01.2006, dass der Bruch des linken Handgelenks regelrecht verheilt, das Sternum nahezu vollständig konsolidiert war und zudem eine verheilte Fraktur der 7. Rippe links bestand. Wegen ventralbetonter Thoraxschmerzen wurden am 22. bzw. 23.02.2006 MRT von HWS, BWS und LWS gefertigt. Der MRT-Befund der HWS vom 22.02.2006 ergab keine Hinweise für knöcherne Verletzungen, Prolaps oder Sequester. Das vordere und hintere Längsband sowie die paravertebralen Weichteile waren weitgehend unauffällig. Die Halswirbel (HW) 4 bis 7 wiesen diskrete Protrusionen auf, ohne Anhalt für Wurzel- oder Myelonbeeinträchtigung. Der MRT-Befund der BWS vom 23.02.2006 zeigte einen alten, leichten ventralen Flexionskeilbruch des 3. Brustwirbelkörpers (BWK) mit geringer Imprimierung der Deckplatte ohne Hinweise auf floride ossäre Prozesse, ohne Mitbeteiligung der dorsalen Säule und mit unauffälligen dorsalen Bändern sowie eine diskrete Protrusion im Bereich der BW 6/7.
Nachdem der Kläger am 07.03.2006 gegenüber der Beklagten über erhebliche Wirbelsäulenbeschwerden mit Einschränkung der Drehfähigkeit des Kopfes geklagt hatte, veranlasste diese eine Untersuchung in der A. Klinik L ... In deren Bericht vom 14.03.2006 wurde angesichts der Schmerzen im thorakocervikalen Übergang mit Ausstrahlung nach oben und unten eine Wirbelsäulendistorsion genannt; fassbare morphologische Veränderungen wurden verneint. Die leichten degenerativen Veränderungen seien sicher unfallunabhängig. Eine neurologisch-psychiatrische Untersuchung wurde empfohlen.
Vom 21.-23.03.2006 wurde der Kläger von Dr. G. - Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Chirotherapie und spezielle Schmerztherapie - in T. behandelt. Dieser diagnostizierte im Bericht vom 26.03.2006 ein posttraumatisches Zervikalsyndrom mit Funktionsstörung des Kopfgelenksbereichs und Nacken-Kopfschmerz sowie Skalenussyndrom links, eine posttraumatische Funktionsstörung der mittleren BWS mit Rippengelenksblockierungen, eine lumbale vertebragene Dysfunktion sowie Funktionsstörung des SIG (Sakroiliakalgelenk) im Sinne einer Kettensymptomatik. Dr. G. gab an, dass in Folge des Unfalls permanente zervikale Schmerzen sowie linksthorakale Schmerzen bestünden, ohne pathologischen Befund im MRT von HWS und BWS; der Unfallhergang, die Beschwerden und die Befunde sprächen zweifelsfrei für eine Unfallbedingtheit. Es bestünden Dysfunktionen der Wirbelsegmente C 2/3, C 3/4 und C 5/6 jeweils links, im Bereich der 1. Rippe rechts sowie der Kostotransversalgelenke (D 5, D 7 links; D 4 rechts). Die Mobilisation der Gelenke hätte die Beschwerden deutlich gelindert; allerdings sistierten die Schmerzen und die massive HWS-Rotationseinschränkung.
Die Neurologin und Psychiaterin Dr. K. führte nach Untersuchung des Klägers im Bericht vom 29.03.2006 aus, dass der erhobene somatisch-neurologische Befund regelrecht und der psychopathologische Befund unauffällig gewesen sei. Hinweise für eine neurologische Verletzung, eine wesentliche HWS-Beteiligung, ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine substanzielle Nervenschädigung ließen sich den Unterlagen nicht entnehmen. Der Kläger hatte bei der Untersuchung angegeben, dass das linke Handgelenk und Brustbein in Ordnung seien, nur in extremen Stellungen habe er dort Schmerzen. Die HWS-Beschwerden habe er von Anfang an gehabt, sie hätten sich aber erst bei Nachlassen der anderen Schmerzen herauskristallisiert. Dr. G. habe ihm drei Halswirbel und einen Brustwirbel wieder eingerenkt, so dass er jetzt zu 80% beschwerdefrei sei. Psychische Beschwerden verneinte der Kläger.
Laut Arztbrief der A. Klinik L. vom 06.04.2006 war der Kläger schmerzfrei bei etwas eingeschränkter HWS-Beweglichkeit ohne wesentliche druckschmerzhafte Verspannung. Als Diagnose wurde ein abgeklungenes posttraumatisches Wirbelsäulensyndrom nach Wirbelsäulendistorsion genannt. Im Arztbrief der A. Klinik Bad A. vom 11.04.2006 wurde eine freie HWS-Beweglichkeit ohne segmentale Funktionsstörungen geschildert bei segmentaler Funktionsstörung im BWS-Bereich bei BWK 4/5.
Der Chefarzt der orthopädischen Klinik L. Dr. E. nannte im Rentengutachten vom 01.08.2006 als Unfallfolgen eine subjektive Belastungsminderung im Bereich der linken oberen Extremität (Handgelenk), subjektiv retrosternale Schmerzen bei stärkerer Belastung und einen Druckschmerz über dem Sternum. Der Kläger schilderte einen retrosternalen Druck im Brustbereich bei starker Belastung wie Heben sowie die Notwendigkeit, das linke Handgelenk nach stärkerer Belastung zu schonen. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule war frei, die der linken Hand und Finger im Normalbereich. Dr. E. schätzte die MdE ab 28.07.2006 auf weniger als 10% und hielt den Kläger für voll arbeitsfähig.
Mit Bescheid vom 27.09.2006 lehnte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls ab, weil die Erwerbsfähigkeit über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls bzw. nach dem Ende des Verletztengeldanspruchs nicht um wenigsten 20% gemindert sei.
Der Arbeitsunfall habe zu folgenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt:
"Nach einem körperfernen Speichenbruch links ohne Verschiebung, einem unverschobenen Bruch des Brustbeines und der 7. Rippe, Prellungen am Brustkorb, Wirbelsäule und am linken Knie, bestehen bei ausgeheilten Brüchen lediglich noch vorgetragene belastungsabhängige Beschwerden am Brustbein und am linken Handgelenk bei stärkerer Belastung sowie ein Druckschmerz am Brustbein im Bereich des körpernahen Drittels." Zum Zeitpunkt der Untersuchung sei die MdE mit unter 10% zu bewerten.
Dagegen wurde am 13.10.2006 Widerspruch eingelegt.
Prof. B. führte in seiner Stellungnahme vom 16.10.2008 nach Untersuchung des Klägers aus, dass als Unfallfolgen eine verheilte BWK-3-Fraktur mit geringgradiger Deckplattenimpression und geringgradiger Kyphosebildung, eine verheilte Sternumfraktur, eine verheilte Rippenfraktur C 7 links, eine verheilte distale Radiusfraktur links und eine verheilte Knieprellung links bestünden. Unfallunabhängig sei das HWS-Syndrom mit diskreten Protrusionen in den Segmenten HWS 4 bis 7 sowie Retrospondylophyten im Sinne von degenerativen Veränderungen in den Segmenten HWK 5 und 6. Die HWS-Beweglichkeit war frei, mit Schmerzauslösung bei Seitneigung rechts und lokalem Muskelhartspann im Nacken- und Schulterbereich rechts. Prof. B. legte dar, dass bei der initialen Röntgenuntersuchung kein pathologischer Befund, keine Steilstellung der HWS oder radiologische Instabilitätszeichen vorhanden waren und keine Subluxation der Wirbelgelenke oder eine Abweichung des Alignment der Vorder- oder Hinterkanten beschrieben wurden. Das behandlungsbedürftige Zervikalsyndrom könne nicht auf das Unfallereignis vom 16.11.2005 zurückgeführt werden. Weitere Beschwerden im Bereich der unfallabhängigen Diagnosen bestanden nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf Verletztenrente bestünde nicht, weil keine Unfallfolgen mehr feststellbar seien, die eine messbare MdE rechtfertigen würden.
Zur Begründung der dagegen am 06.03.2006 beim Sozialgericht (SG) Regensburg erhobenen Klage hat der Kläger insbesondere darauf hingewiesen, dass er in seinem Beruf nicht mehr arbeiten könne und die therapieresistenten Beschwerden im HWS-Bereich nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.
Das SG hat Unterlagen der behandelnden Ärzte, insbesondere Röntgen-, CT- und MRT- Aufnahmen, einen Rehabilitationsentlassungsbericht des Orthopädiezentrums Bad F. über eine medizinischen Rehabilitation vom 20.01.-10.02.2009 sowie die Schwerbehindertenakte des Klägers beigezogen.
Anschließend hat das SG ein Gutachten des Orthopäden Dr. D. eingeholt, das dieser nach Untersuchung des Klägers am 29.10.2009 am 02.11.2009 erstellt hat.
Gegenüber Dr. D. hat der Kläger über Kopf- und Nackenschmerzen mit Ausstrahlung zur Schulter und bis zur mittleren BWS geklagt, ein gelegentliches Drücken und Ziehen im Brustbein, Schlafstörungen durch Schmerzen und flüchtige Parästhesien in der linken Hand.
Dr. D. hat ausgeführt, dass infolge des Unfalls Frakturen der linken Speiche, des Brustbeines, des 3. Brustwirbelkörpers und der 7. Rippe links abgelaufen seien, die ohne Stufenbildungen verheilt seien. Als Unfallfolgen zum Zeitpunkt der Untersuchung bestünden daher nur noch eine leichte Keilform des 3. Brustwirbelkörpers und eine kleine knöcherne Anlagerung an der Rückfläche der linken Speiche. Da kein Funktionsverlust des linken Handgelenks feststellbar gewesen ist, hat Dr. D. die MdE durch die komplikationslose Verletzung des 3. Brustwirbelkörpers nach der Segmentwerttabelle mit einer MdE von weniger als 10 v.H. geschätzt. Eine über Anfang April hinausgehende Arbeitsunfähigkeit lasse sich nicht begründen.
Die HWS-Beschwerden sind nach Ansicht von Dr. D. keine Unfallfolge. Der Sachverständige hat dargelegt, dass radiologisch und kernspintomographisch keine entsprechenden Veränderungen an der HWS (z.B. eine Steilstellung) festgestellt worden seien. Es hätten sich auch keine bei Bänderläsion inzwischen zu erwartende Randspornbildungen entwickelt. In den Berichten vom 22.11.2005, vom 06.12.2005 oder 22.02.2006 würden keine speziell die HWS betreffenden Schmerzen, Diagnosen oder - selbst bei leichter HWS-Distorsion zu erwartende - Bewegungseinschränkungen der HWS beschrieben. Ein symptomfreies Intervall von mehreren Tagen oder Wochen wiesen aber selbst HWS-Distorsionen des Schweregrades I nicht auf. Aus dem Attest von Dr. G. vom März 2006 lasse sich kein Bezug zum Unfall herstellen. Angesichts der radiomorphologischen Befunde und des dokumentierten Krankheitsverlaufes sei die Diagnose eines posttraumatischen Cervicalsyndroms bzw. einer Wirbelsäulendistorsion ohne Angabe des betroffenen Abschnitts im Arztbrief der Klinik L. vom 14.03.2006 nicht nachvollziehbar.
Nach den SG-Akten ist das Gutachten den Beteiligten mit Schreiben 16.11.2009 übersandt worden, an den Klägerbevollmächtigten zur Stellungnahme bis 15.12.2009. Mit Schreiben vom 21.12.2009, zur Post gegeben am 22.12.2009, hat der Vorsitzende den Beteiligten mitgeteilt, dass eine Klageabweisung mit Gerichtsbescheid gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beabsichtigt sei, soweit die Klage nicht zurückgenommen werde. Es ist Gelegenheit zur Stellungnahme bis 13.01.2010 gegeben worden. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 04.01.2010 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtbescheid erklärt.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 14.01.2010 die Klage als unbegründet abgewiesen und sich im Wesentlichen den Ausführungen von Dr. D., insbesondere hinsichtlich der Schätzung der MdE mit unter 10 v.H., angeschlossen.
Der Kläger hat telefonisch am 15.02.2010 und mit Schreiben vom selben Tag moniert, dass weder er noch sein Prozessbevollmächtigter das Gutachten von Dr. D. und das Anhörungsschreiben zum Gerichtsbescheid erhalten hätten.
Mit der am 24.02.2010 eingelegten Berufung hat der Klägerbevollmächtigte Rente aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 16.11.2005, hilfsweise die Zurückverweisung des Verfahrens zur erneuten Entscheidung an das SG Regensburg begehrt. Das Gutachten von Dr. D. sei ihm vor Erlass des Gerichtsbescheides nicht zugegangen. Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung hätte er Antrag nach § 109 SGG stellen können. Das Gutachten von Dr. D. sei unzutreffend; es fehle eine manualmedizinische Befunderhebung und Berichte von Dr. G. seien nicht bzw. unzureichend berücksichtigt worden.
Der Bevollmächtigte hat eine Stellungnahme von Prof. B., ärztlicher Direktor des Orthopädie-Zentrums Bad F., vom 24.03.2010 und einen Bericht von Dr. G. vom 22.08.2007 vorgelegt. Prof. B. hat in dem Schreiben ausgeführt, dass Dr. G. als ausgewiesener Kopfgelenksspezialist ein posttraumatisches Cervicalsyndrom festgestellt und keinen unauffälligen körperlichen Befund erhoben habe. Laut Bericht von Dr. G. vom 22.08.2007 über eine Vorstellung des Klägers am 07.08.2007 hat dieser über ein vollständiges Sistieren der Beschwerden nach der Behandlung im März 2006 berichtet. Vor einer Woche seien nach Heben und Tragen im Rahmen eines privaten Umzuges erneut die gleichen Beschwerden wie vor eineinhalb Jahren aufgetreten, besonders ein Nacken-Kopfschmerz sowie ein Schmerz des zervikothorakalen Übergangs mit Ausstrahlung in den Schulterbereich. Ferner seien erneut Gleichgewichtstörungen sporadischer Art bei längerem Stehen beklagt worden. Es hätten sich Dysfunktionen im Bereich der BWS und der Kostotransversalgelenke, wie im Befund vom März 2006 beschrieben, gefunden sowie Funktionsstörungen des Wirbelgelenkes C2/3 für Seitneigung und Rotation.
Dr. D. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30.04.2010 insbesondere ausgeführt, dass das lange schmerzfreie Intervall des Klägers mit einer entsprechenden Verletzung nicht vereinbar sei. Die Stellungnahme von Prof. B. scheine ohne Kenntnis über dieses Intervall, die fehlende Primärsymptomatik und den kernspintomographischen Befund vom 22.02.2006 ergangen zu sein. Aus dem Attest von Dr. G. vom 22.08.2007 ergäben sich keine weiteren Erkenntnisse.
Der Klägerbevollmächtigte hat eine Stellungnahme von Dr. G. vom 02.07.2010 vorgelegt und ausgeführt, der Kläger sei nie länger schmerzfrei gewesen. Er habe ständig starke Schmerzmittel eingenommen; nur nach Behandlungen durch Dr. G. sei es ihm besser gegangen, auch mit vorübergehender Schmerzfreiheit. Dr. G. hat auf die Befunde in seinem Bericht vom 26.03.2006 hingewiesen; er habe ausdrücklich vermerkt, dass es sich um ein posttraumatisch aufgetretenes Geschehen handele. Dr. D. habe eine manualmedizinische Untersuchung der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte unterlassen, mit der segmentale Funktionsstörungen gefunden werden könnten. Statische Aufnahmen seien zur Erklärung funktioneller Störungen ungeeignet. Offensichtlich seien die HWS-Beschwerden zunächst von anderen Gesundheitsschäden überlagert worden und erst nach deren Heilung klinisch relevant geworden.
Die Beklagte hat mit Stellungnahme vom 22.07.2010 entgegnet, dass Dr. G. lediglich aus der eigenen Bezeichnung "posttraumatisch" einen Unfallzusammenhang ableite, ohne gutachtliche Diskussion der Kausalitätsfrage unter Berücksichtigung von anerkannter Begutachtungsliteratur. Inwieweit manualmedizinische Befunde Rückschlüsse zur Kausalität geben, sei nicht ersichtlich.
Der Klägerbevollmächtigte hat dem Gericht Rehaberichte der A.-Klinik S. über einen Aufenthalt des Klägers vom 17.03. bis 08.04.2010 und einen Arztbrief des B. Krankenhaus T. vom 07.07.2010 übersandt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Der Rehabericht nennt als Diagnosen eine chronische Zervikozephalgie bei Bandscheibenprotrusionen C 4 bis C 6 ohne sensomotorisches Defizit und einen rezidiverenden peripheren Vestibularisschwindel. Bei Druckschmerz im HWS-Bereich und leicht verspannter Paravertebralmuskulatur ohne Myogelosen ist die HWS-Rotation beidseits bis 60°, die Seitneigung bis 30° möglich gewesen. Im KKH T. ist eine Schmerztherapie durchgeführt worden. Dort ist die HWS-Beweglichkeit bei Muskelhartspann eingeschränkt gewesen, mit Schmerzen bei Reklination und Seitbewegung.
Auf Antrag des Klägers hat das LSG gemäß § 109 SGG ein Gutachten des Orthopäden und Schmerztherapeuten Dr. W. vom 12.09.2011 als Hauptgutachter sowie Zusatzgutachten der Neurologin Dr. S. vom 18.04.2011 und des Diplom-Psychologen T. M. vom 07.04.2011 eingeholt. Beklagt hat der Kläger bei den Untersuchungen vom 07.04.2011 Dauerkopfschmerz, Schwindel, Seh- und Hörstörungen, "Wirbelgleiten" mit stechenden Schmerzen bei ungünstigen Bewegungen, pochenden Dauerschmerz von der HWS über Kopf und Schulter bis in die rechte Hand sowie Schwäche, Konzentrations- und Schlafstörungen, Unruhe und psychische Belastung bei familiären und finanziellen Sorgen.
Die Beschreibung der Unfallfolgen der Sachverständigen stimmt mit dem Gutachten von Dr. D. überein. Nicht durch den Unfall verursacht sind nach Ansicht der Sachverständigen der Nacken- und BWS-Schmerz mit Einstrahlung in den rechten Arm bei Störung der oberen BWS und des cervicothorakalen Übergangs bei teilfixierter Hyperkyphose der BWS mit statischer Mehrbelastung, der 2009 aufgetretene Schwindel bei möglicher Vestibularisuntererregbarkeit links, das leichtgradige Karpaltunnelsyndrom der rechten Hand, der Nacken-Kopfschmerz myofascialer Genese, die Anpassungsstörung (F 43.2 nach ICD 10) und die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F 45.41 nach ICD 10).
Dr. W. hat manualdiagnostisch auffällige Befunde im Bereich des 1. Rippengelenks rechts, bei C 7/Th 1 und Th 3/4 rechts beschrieben, während im HWS-Bereich von C 7 aufwärts keine manualdiagnostisch auffälligen Befunde oder Beschwerden bestanden. Zwar hat Dr. W. im Gegensatz zu Dr. D. die von Dr. G. im Bericht vom 26.03.2006 genannten Beschwerden bis März 2006 als posttraumatischen Befund gewertet. Denn die BWK-3-Fraktur könne wegen der engen funktionellen Koppelung - auch zeitlich verzögert - zu begleitenden Funktionsstörungen der HWS führen. Die im selben Gebiet aktuell bestehenden Beschwerden seien aber als unfallunabhängig zu werten, trotz gleicher Beschwerdebeschreibung in den Berichten von Dr. G. von März 2006 und August 2007. Angesichts des langen Intervalls von einem Jahr und 5 Monaten, in dem die Beschwerden in den medizinischen Unterlagen als gut gebessert dokumentiert seien, und wegen des Auftretens von Beschwerden im August 2007 im Zusammenhang mit einem Umzug, liege eine neue, unfallunabhängige Beschwerdesymptomatik vor. Auf neurologischem und psychologischem Fachgebiet sind von den Zusatzgutachtern keine unfallabhängigen Beschwerden festgestellt worden.
Vor diesem Hintergrund hat der Hauptgutachter Dr. W. eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nur bis Ende März bzw. Anfang April 2006 angenommen und die MdE mit unter 10% eingeschätzt, angesichts der komplikationslosen Verheilung des 3. BWK in leichter Keilform und der Referenzwerttabellen.
Der Klägerbevollmächtigte hat erklärt, der Kläger sei mit den Gutachten nicht einverstanden. Er sei vor dem Unfall gesund gewesen; eine andere Ursache seiner Gesundheitsstörungen, insbesondere der funktionellen Kopfgelenksstörung, hätten die Sachverständigen nicht genannt. Prof. F. vom B. KKH T. hat im Schreiben vom 22.11.2011 an der Kläger ausgeführt, dass er bei der Behandlung des Klägers davon ausgegangen sei, dass die HWS-Beschwerden auf den Verkehrsunfall zurückzuführen seien; ein schweres Schleudertrauma sei eine hinreichende Erklärung für das klinische Erkrankungsbild. Der Kläger habe bei der initialen Untersuchung im Hause angegeben, er habe direkt nach dem Unfall ähnliche Beschwerden empfunden und diese seien trotz leichtgradiger Besserung immer eine wesentliche Belastung gewesen. Laut Befund der Funktions-Computertomographie des cranio-cervicalen Übergangs vom 09.01.2012 von Prof. F. hat die Rotation des Kopf-/Halsverbandes insgesamt im Normbereich gelegen, bei verminderter Rotation rechts gegenüber links in den Atlato-Occipital- wie Atlanto-Axial-Gelenken, wobei dies durch eine bessere Rotationsmobilität in den weiter kaudal gelegenen HWS-Segmenten kompensiert werde. Diese Differenzen seien vermutlich Ausdruck einer funktionellen Kopfgelenksstörung, wobei solche funktionellen Kopfgelenksstörungen häufig mit einem cervicozephalem Syndrom einhergingen.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 16.01.2012 mitgeteilt, dass Verletztengeld nach Ablauf der Entgeltfortzahlung bis einschließlich 21.05.2006 gezahlt worden ist. Sie hält die Beurteilung durch Dr. D. für überzeugend.
In der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2012 sind insbesondere die Gutachten und die vom Kläger vorgelegten Befunde erörtert worden.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 14.01.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2009 zu verurteilen, dem Kläger Verletztenrente ab 22.05.2006 nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die beigezogenen Beklagten sowie die SG- und LSG-Akten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung erweist sich als unbegründet.
A) Der Senat kann offenlassen, ob dem Kläger bzw. seinem Bevollmächtigten tatsächlich, wie behauptet, weder das Gutachten von Dr. D. noch das Anhörungsschreiben zur Entscheidung mit Gerichtsbescheid zugegangen ist und damit ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt. Denn auch dann ist eine Aufhebung des Gerichtsbescheides und Zurückverweisung der Sache an das SG gemäß § 159 SGG nicht geboten.
Bereits nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der bis 31.12.2011 geltenden Fassung stand es im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es bei wesentlichen Mängeln des erstinstanzlichen Verfahrens die Sache an das SG zurückverweist oder in der Sache selbst entscheidet (vgl. BSG Beschluss vom 16.12.2003 - B 13 RJ 194/03 B m.w.N. veröffentlicht bei Juris). Da das LSG in vollem Umfang als zweite Tatsacheninstanz ausgestaltet ist, Präklusionsvorschriften nicht eingreifen und bei der Ermessensausübung prozessökonomischen Gesichtspunkten eine erhebliche Bedeutung zukommt, war nach der BSG-Rechtsprechung im Zweifel die Entscheidung des LSG, den Rechtsstreit selbst zu entscheiden, im Interesse einer zügigen Verfahrenserledigung vorzugswürdig (vgl. BSG Beschluss vom 19.01.2011 - B 13 R 211/10 B, Juris RdNr. 19; BSG Beschluss vom 14.02.2006 - B 9a SB 22/05 B, Juris RdNr. 7; BSG Beschluss vom 16.12.2003 - B 13 RJ 194/03 a.a.O.). Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der ab 01.01.2012 geltenden Fassung ist bei wesentlichen Verfahrensfehlern zudem eine Aufhebung und Zurückverweisung an das SG nur möglich, wenn auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.
Vor diesem Hintergrund ist eine Aufhebung des Gerichtsbescheides und Zurückverweisung der Sache an das SG im Fall des Klägers nicht geboten. Im Rahmen des Berufungsverfahrens konnte sich der Kläger zum Gutachten von Dr. D. äußern, die weiteren von ihm vorgelegten Unterlagen wie der Bericht von Dr. G. vom August 2007 wurden Dr. D. zur Stellungnahme übersandt und auf Antrag des Klägers wurden Gutachten gemäß § 109 SGG eingeholt. Daher hält es der Senat aus prozessökonomischen Gründen unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK für geboten, in der Sache selbst zu entscheiden. Eine umfangreiche Beweisaufnahme ist zur Entscheidungsfindung nicht erforderlich.
B) Die Berufung ist unbegründet, denn der klageabweisende Gerichtsbescheid erweist sich als rechtmäßig.
Die form- und fristgerecht erhobenen Klagen in Form der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 4 SGG sind unbegründet, soweit die Beklagte im Bescheid vom 27.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2009 einen Anspruch des Klägers auf Verletztenrente abgelehnt hat.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Mindern die Folgen des Versicherungsfalles die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H., besteht für den Versicherungsfall gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII Anspruch auf Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert ist und die Vomhundersätze zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen. Nach § 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VII wird bei einer MdE Teilrente in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente geleistet, der dem Grad der MdE entspricht.
Der Kläger hat unstreitig am 16.11.2005 einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII als Versicherungsfall (§ 7 SGB VII) erlitten, da er als abhängig Beschäftigter im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII auf dem Weg von seiner Wohnung zur Arbeit durch ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis Gesundheits- (erst)schäden wie die im Bescheid genannten Frakturen und Prellungen erlitten hat.
Die Folgen dieses Arbeitsunfalls verursachen aber nach Überzeugung des Senats keine MdE in rentenberechtigender Höhe. Folgen des Arbeitsunfalls sind Gesundheitserst- oder -folgeschäden des Unfallereignisses, also Gesundheitsstörungen, die durch das Unfallereignis bzw. durch einen Gesundheitserstschaden infolge des Unfallereignisses wesentlich verursacht worden sind.
Für die erforderliche Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheits(erst)schaden sowie für die Kausalität zwischen Gesundheits(erst)schaden und weiteren Gesundheitsschäden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - Juris RdNr. 12), die auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht. Danach ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Als rechtserheblich werden aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (vgl. BSG vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - Juris RdNr. 12) sowie auf Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten (vgl. BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - Juris RdNr. 17). Gesichtspunkte für die Beurteilung sind neben der versicherten Ursache als solcher, einschließlich Art und Ausmaß der Einwirkung, u.a. die konkurrierende Ursache (nach Art und Ausmaß), der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte (vgl. BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - Juris RdNr. 16).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes ist zu beachten, dass das Vorliegen eines Gesundheits(erst)schadens bzw. eines Gesundheitsfolgeschaden (Unfallfolgen) im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen muss, während für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitserst- bzw. - folgeschaden die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit genügt (vgl. BSG vom 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R - Juris RdNr. 16).
Nach Überzeugung des Senat war der Unfall vom 16.11.2005 wesentliche Ursache für einen körperfernen Speichenbruch links ohne Verschiebung, für einen unverschobenen Bruch des Brustbeines und der 7. Rippe sowie für einen ventralen Flexionsbruch des 3. Brustwirbelkörper mit geringer Imprimierung der Deckplatte sowie für Prellungen am Brustkorb, der Wirbelsäule und am linken Knie.
Verblieben ist eine leichte Keilform des 3. Brustwirbelkörpers. Die Prellungen sind bereits seit Ende des Verletztengeldbezugs folgenlos ausgeheilt und die Frakturen sind ohne Gelenkstufen knöchern verheilt.
Hingegen vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass weitere Unfallfolgen aufgrund einer Distorsion der HWS beim Kläger vorliegen oder dass nach April 2006 bestehende Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch den Unfall vom 16.11.2005 wesentlich verursacht worden sind.
Nach Überzeugung des Senats ist schon nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass - neben der anerkannten Prellung der Wirbelsäule - auch eine Zerrung bzw. Distorsion der HWS durch das Unfallereignis wesentlich verursacht worden ist. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen von Prof. B. und Dr. D. an, nicht hingegen den Ausführungen des behandelnden Arztes Dr. G ...
Dr. D. hat überzeugend dargelegt, dass in den ärztlichen Unterlagen zumindest bis März 2006 weder klinische noch radiomorphologische Befunde im HWS-Bereich dokumentiert wurden. Die Unfallaufnahmen zeigten, wie auch Prof. B. dargelegt hat, keine Steilstellung der HWS, keine radiologische Anzeichen einer Instabilität, keine Subluxation der Wirbelgelenke und keine Abweichung des Alignment der Vorder- oder Hinterkanten der Wirbelkörper. Auch später erhobene Röntgenaufnahmen, Computertomographien oder Kernspintomographien lassen keine entsprechenden Verletzungen im Bereich der HWS, z.B. eine Steilstellung, erkennen. In der MRT-Aufnahme der HWS vom 22.02.2006 wurde eine Verletzung der Bänder verneint. Hingegen finden sich in den Aufnahmen degenerative Veränderungen, die die HWS-Beschwerden nach Aussage von Prof. B. und Dr. D. erklären können. Den fehlenden pathologischen Befund im MRT von BWS und HWS hat Dr. G. in seinem Attest vom 26.03.2006 bestätigt. Ferner bestanden laut Rehabericht der Klinik Bad F. auch im CT vom 14.11.2008 keine Hinweise auf eine Gefügestörung oder auf eine durchgemachte knöcherne Traumafolge.
Zudem wurden bis einschließlich Februar 2006 trotz regelmäßiger Betreuung durch den Durchgangsarzt keine spezifischen, die HWS betreffende Beschwerden oder Bewegungseinschränkungen des Klägers dokumentiert. Weder im D-Arztbericht vom 22.11.2005 noch im Zwischenbericht vom 06.12.2005, im vom Kläger selbst ausgefüllten Fragebogen vom 06.12.2005, im Verlaufsbericht vom 22.02.2006 oder im Arztbrief der Uniklinik R. vom 16.02.2006 wurden Beschwerden oder Bewegungseinschränkungen des Klägers im Bereich der HWS genannt; vielmehr klagte er über Schmerzen im Brustkorb- bzw. Brustbeinbereich, insbesondere beim Husten, Schmerzen in der Hand sowie Herzschmerzen. Erstmals ausdrücklich erwähnt werden Beschwerden im HWS-Bereich im März 2006, als der Kläger der Beklagten am 07.03.2006 über einen Arztbesuch in M. wegen starker HWS-Beschwerden berichtete. Zuvor hatte er nach Gesprächsnotiz der Beklagten vom 01.03.2006 bereits Kontakt mit Dr. G. aufgenommen, der ihm mitgeteilt hatte, es könnte sich bei den Beschwerden um Lähmungserscheinungen handeln. Wie auch Dr. W. dargelegt hat, werden in Arztbriefen vom 06.03.2006 (BG-Klinik M.) Beschwerden der oberen BWS und - erst - im Arztbrief vom 14.03.2006 der A. Klinik L. sowie dem Bericht von Dr. G. über die Behandlung vom 21.-23.03.2006 Beschwerden im BWS- und HWS-Bereich geschildert
Dr. D. hat überzeugend darauf hingewiesen, dass selbst HWS-Distorsionen des Schweregrades I keinesfalls ein symptomfreies Intervall von mehreren Tagen oder Wochen nach sich ziehen und sich beim Kläger ausweislich der Unterlagen zudem zeitnah zum Unfall keine Bewegungseinschränkungen gefunden haben. Diese Ausführungen sind nicht zu beanstanden; insbesondere entsprechen sie den Aussagen in Standardwerken zu aktuellen herrschenden wissenschaftlichen Erfahrungssätzen über die Beurteilung von HWS-Distorsionen wie Schönberger, Mehrtens, Valentin, "Arbeitsunfall und Berufskrankheiten", 8. Auflage (SMV) und den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zum Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule (4. Auflage 2008, veröffentlicht unter www.awmf.org). Darin wird ausgeführt, dass die klinische und morphologische Klassifikation von Störungen bei HWS-Distorsionen, modifziert nach Erdmann, selbst bei lediglich leichten Schädigungen nach Grad I ein symptomfreies Intervall von maximal 48 Stunden kennt (vgl. SMV, S. 464). Eine progrediente Beschwerdesymptomatik mit Crescendo-Charakter ist allenfalls noch innerhalb der ersten 48 Stunden möglich, danach spricht sie gegen eine organische Verursachung (vgl. auch Lang u.a., Leitlinie zur Begutachtung der Halswirbelsäulendistorsion, 2008, a.a.O.).
Maßstab für die Beurteilung ist insoweit die herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung; vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, dass in der medizinischen Wissenschaft einerseits Zweifel an der Existenz von HWS-Distorsionen ohne morphologisch fassbares Korrelat bzw. ohne in Kernspintomographien sichtbare Strukturverletzungen geäußert werden und andererseits zum Teil weitergehende Erklärungsmodelle proklamiert werden (vgl. zur Problematik mit weiteren Nachweisen z.B. Schröter, MedSach 2010, S.231).
Soweit der Kläger geltend macht, die HWS-Beschwerden hätten bereits seit dem Unfall bestanden, sich aber erst später "herauskristallisiert", ist dies nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu begründen. Es ist schon nicht ersichtlich, worauf der Kläger die Annahme stützt, die HWS-Beschwerden hätten bereits seit dem Unfall vorgelegen, wenn er sie erst später - bewusst - wahrgenommen hat. Ob dies wegen Überlagerung durch andere Schmerzen erfolgt ist oder deswegen, weil die HWS-Beschwerden erst später hinzugetreten sind, lässt sich dann gerade nicht sicher feststellen, sondern allenfalls vermuten. Pathologische Befunde in technischen Aufnahmen oder zeitnah aufgetretene entsprechende klinischen Befunde, die solche Rückschlüsse zuließen, liegen - wie ausgeführt - gerade nicht vor. Gegen das Auftreten wesentlicher HWS-Beschwerden bis einschließlich Februar 2006 spricht hingegen, dass trotz wiederholter Vorstellung in diesem Zeitraum auch beim Durchgangsarzt und Unfallchirurgen weder entsprechende Beschwerden noch Funktionseinschränkungen aufgenommen worden sind, obwohl diese Ärzte sowohl mit möglichen Unfallverletzungsfolgen als auch mit der Notwendigkeit der Dokumentation im Rahmen ihrer Berichte an die BG besonders vertraut sind. Vor diesem Hintergrund vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger bereits innerhalb von maximal 2 Tagen nach dem Unfall unter HWS-Beschwerden gelitten hat.
Vor diesem Hintergrund hält der Senat in Übereinstimmung mit Dr. D. die erstmals in der Klinik L. am 14.03.2006 gestellte Diagnose der Distorsion eines - nicht näher bezeichneten- Wirbelsäulenabschnitts nicht für überzeugend, zumal Befunde oder Ausführungen zur Unfallursächlichkeit darin fehlen.
Auch aus den Berichten von Dr. G. vom 26.03.2006 und vom 22.08.2007 sowie seiner Stellungnahme vom 02.07.2010 lässt sich nicht schlüssig ableiten, dass der Unfall wesentliche Ursache der dort erhobenen Befunde war. Insoweit folgt der Senat der Beurteilung durch Dr. D ...
Dr. G. ging in seinen Berichten davon aus, dass bereits seit dem Unfall des Klägers durchgehend HWS-Beschwerden bestanden haben. Wie dargelegt, ist schon eine zeitnah nach dem Unfall auftretende Beschwerdesymptomatik im HWS-Bereich beim Kläger nicht dokumentiert und lässt sich nicht sicher feststellen. Auch ein "vollständiges Sistieren der Beschwerden nach der ( ...) Behandlung im März 2006", wie es im Befundbericht vom 22.07.2008 genannt ist, steht im Widerspruch zu den ärztlichen Befunden, wie insbesondere Dr. W. ausgeführt hat. So hatte der Kläger bei Untersuchungen nach der Behandlung durch Dr. G. im Jahr 2006 z.B. gegenüber Dr. K. am 29.03.2006 angegeben, dass die HWS-Beschwerden deutlich gebessert seien. In Arztbriefen der A.-Klinik L. vom 06.04.2006 und der A. Klinik Bad A. vom 11.04.2006 wurde eine gute Beweglichkeit der HWS ohne segmentale Funktionsstörungen im HWS-Bereich bei etwas Verspannung im oberen BWS-Bereich (so Arztbrief von Bad A.) dokumentiert und im Rentengutachten vom 01.08.2006 eine freie Wirbelsäulenbeweglichkeit. Zudem sind nach eigener Schilderung des Klägers laut Befundbericht von Dr. G. vom 22.08.2007 die Beschwerden im Zusammenhang mit einem privaten Umzug nach Heben und Tragen aufgetreten. Selbst im Schreiben des Bevollmächtigten vom 06.07.2010 wird nach den Behandlungen von Dr. G. eine vorübergehende Schmerzfreiheit bestätigt.
Vor diesem Hintergrund vermögen die Ausführungen von Dr. G. nicht zu überzeugen. Insbesondere lässt sich seinen Attesten nicht entnehmen, weshalb die von ihm erhobenen Befunde wie z.B. manualmedizinisch aufgespürte Funktionsstörungen von Wirbelsäulengelenken oder ein "hochpathologisches Ott´sches Zeichen" Rückschlüsse auf eine traumatische Ursache dieser Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule zulassen sollen. Dass er selbst die 4 Monate nach dem Unfall von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen als posttraumatisch bezeichnet, ist nicht geeignet, den Unfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als wesentliche Ursache dieser Gesundheitsstörungen nachzuweisen.
Die Stellungnahme von Prof. B. vom 24.03.2010 erschöpft sich im Wesentlichen darin, auf Unterschiede in den Befunden von Dr. D. und Dr. G. sowie die Tatsache hinzuweisen, dass Dr. G. als ausgewiesener Experte für HWS-Beschleunigungs-verletzungen die Gesundheitsschäden des Klägers als posttraumatisch bezeichnet habe. Weiterführende Kenntnisse sind daraus nicht zu entnehmen, zumal nicht ersichtlich ist, dass Prof. B. die ärztlichen Unterlagen vollständig vorlagen.
Dass Prof. F. vom B. KKH T. einen Zusammenhang der HWS-Beschwerden mit dem Unfall angenommen hat, vermag keine andere Bewertung zu begründen. Denn ihm gegenüber hatte der Kläger angegeben, dass er bereits direkt nach dem Unfall ähnliche Beschwerden empfunden habe und dass diese trotz leichtgradiger Besserung immer eine wesentliche Belastung gewesen seien. Damit weichen diese Angaben aber erheblich von der Dokumentation des Krankheitsverlaufes in den Akten einschließlich der zeitnahen Beschwerdeschilderung des Klägers ab.
Die Ausführungen im Arztbrief von Prof. F., dass in der Funktions-Computertomo-graphie vom November 2011 festgehaltene Rotationsdifferenzen zwischen Rechts- und Linksrotation trotz Gesamtrotation im Normbereich "vermutlich" Ausdruck einer funktionellen Kopfgelenksstörung sind und eine funktionelle Kopfgelenksstörung häufig - nicht immer - mit einem zervicozephalem Syndrom einhergeht, lässt schon keine sichere Diagnose der funktionellen Kopfgelenksstörung, im Sinne eines Vollbeweises, erkennen. Außerdem werden keine Anhaltpunkte dafür genannt, dass eine solche Gesundheitsstörung im konkreten Fall des Klägers hinreichend wahrscheinlich auf den Unfall vom November 2005 zurückzuführen ist.
Auch der Sachverständige Dr. W. hat nicht das Vorliegen einer HWS-Distorsion bestätigt, sondern ausgeführt, dass die BWK-3-Fraktur wegen der engen funktionellen Koppelung auch - ggf. zeitlich verzögert - zu begleitenden Funktionsstörungen der HWS führen könne, selbst wenn keine eigenständige Verletzung der HWS vorliegt. Ähnlich hatte Dr. D. unspezifische Wirbelsäulenbeschwerden im März 2006 noch in möglichem Zusammenhang mit der BWK-3-Fraktur gesehen. Aus diesem Grund hat Dr. W. die von Dr. G. dokumentierten Beschwerden bis März 2006 als unfallabhängig beurteilt.
Allerdings hat Dr. W. überzeugend und detailliert dargelegt, dass angesichts des zeitlichen Verlaufs mit einem in den ärztlichen Unterlagen dokumentierten symptomfreien Intervall ab April 2006 bis Juli 2007 die ab August 2007 aufgetretene Beschwerdesymptomatik im Nacken-, HWS- und BWS-Bereich nicht wesentlich durch den Unfall verursacht worden ist, obwohl Dr. G. im Befundbericht vom 22.07.2008 die Beschwerdekonstellation als gleich beschreibt.
Vor diesem Hintergrund kann der Senat offenlassen, ob die bis März 2006 bestehenden HWS-Beschwerden als Unfallfolgen anzusehen sind, obwohl keine Zerrung der HWS im Vollbeweis nachgewiesen ist. Denn der Senat stimmt mit Dr. D. und Dr. W. darin überein, dass jedenfalls die HWS-Beschwerden, die im Zeitraum nach März 2006 bzw. nach dem Ende des Verletztengeldbezugs beim Kläger aufgetreten sind, nicht mehr wesentlich durch das Unfallereignis oder die BWK-3-Fraktur verursacht worden sind. Es fehlt an der Dokumentation entsprechender durchgehender Befunde. Soweit der Kläger zwischenzeitlich vorträgt, dass es nie zu einer Besserung gekommen sei, steht dies im Widerspruch zu seinen zeitnahen Angaben in den Unterlagen z.B. gegenüber Dr. K ... Zudem hatte der Kläger selbst einen Umzug als ursächlich für das Auftreten von Beschwerden im August 2007 genannt. Außerdem war die BWK-3-Fraktur nach den Unterlagen bereits ab März 2006 ohne wesentliche Fehlstellung verheilt, so dass nicht ersichtlich ist, weshalb sie im August 2007 weitergehend HWS-Beschwerden hätte verursachen sollen.
Da die nach März 2006 bestehenden HWS-Schmerzen nicht als Unfallfolgen anzusehen sind, ist auch der nach Angaben des Klägers im Jahr 2009 wegen der HWS-Schmerzen aufgetretene Schwindel nicht als Unfallfolge auf den Unfall zurückzuführen.
Der Senat schließt sich zudem der Einschätzung der Sachverständigen im LSG-Verfahren an, dass das chronische Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren sowie die Anpassungsstörung nicht wesentlich durch den Unfall verursacht worden sind. Bei Untersuchung durch die Neurologin und Psychiaterin Dr. K. im März 2006 ist kein auffälliger neurologischer oder psychopathologischer Befund erhoben worden. Soweit nach März 2006 Wirbelsäulenbeschwerden aufgetreten sind, sind diese keine Unfallfolgen. Schon deswegen sind psychische Gesundheitsstörungen, selbst wenn sie wesentlich durch nach April 2006 bestehende Wirbelsäulenschmerzen des Klägers verursacht worden sein sollten, keine Unfallfolgen.
Der Senat folgt den überzeugenden und insoweit miteinander übereinstimmenden Ausführungen von Dr. E., Dr. D. und Dr. W., dass die seit April 2006 vorliegenden Unfallfolgen keine MdE von wenigstens 10 v.H. ergeben. Ferner liegt kein Stützrententatbestand vor.
Die MdE richtet sich gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Damit wird nicht auf die konkrete Beeinträchtigung im Beruf des Versicherten abgestellt, sondern eine abstrakte Berechnung vorgenommen (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 Rdnr.10.1). Die Bemessung des Grades der MdE ist eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. BSG vom 05.09.2006 - B 2 U 25/05 - Juris RdNr. 10; BSG vom 02.05.2001 - B 2 U 24/00 R - SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S. 36). Dabei sind ärztliche Meinungsäußerungen über die Auswirkung derartiger Beeinträchtigungen auf die Erwerbsfähigkeit eine wichtige Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE (vgl. BSG vom 05.09.2006 - B 2 U 25/05 R - Juris RdNr. 10). Erst aus der Anwendung (medizinischer) Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (vgl. dazu BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Bei der Beurteilung der MdE sind die von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten. Diese sind zwar nicht bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (vgl. BSG vom 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1 - Juris RdNr. 12).
Die Sachverständigen haben schlüssig dargelegt, dass die Fraktur der linken Speiche ohne Verschiebung, die unverschobene Fraktur des Brustbeines und der 7. Rippe links, die Prellungen am Brustkorb, der Wirbelsäule und am linken Knie bereits seit April 2006 ausgeheilt sind; insbesondere sind die Frakturen seitdem knöchern verheilt, ohne dass Gelenkstufen bestanden. Funktionseinschränkungen sind mit diesen Gesundheitsschäden nach den Gutachten nicht mehr verbunden. Insbesondere bestanden keine Einschränkungen in der Beweglichkeit, der Motorik, den Reflexen, der Sensibilität, Durchblutung oder groben Kraft des linken Handgelenks einschließlich der Finger oder Funktionseinschränkungen des linken Kniegelenks bei freier Beweglichkeit.
Auch der ventrale Flexionskeilbruch des BWK 3 mit geringer Imprimierung der Deckplatte ist knöchern verheilt mit verbliebener leichter Keilform des 3. BWK. In Übereinstimmung mit den Sachverständigen Dr. D. und Dr. W. ist die MdE des Klägers durch diese verbliebene Unfallfolge mit einer MdE von weniger 10 v.H. zu bewerten.
Nach Ausführungen in der Begutachtungsliteratur hängt die Funktionsbeeinträchtigung von Wirbelkörperbrüchen u.a. davon ab, ob Bandscheiben beteiligt sind, ob der Bruch stabil oder instabil verheilt ist, ob eine erhebliche Achsabweichung besteht sowie von der Lokalisation, vom Ausmaß der Beeinträchtigung auf die gesamte Wirbelsäule und von den Möglichkeiten der Kompensation der entstandenen Funktionsminderung durch körpereigene Kräfte (vgl. SMV, S. 429 und 442 f.).
So ist für einen isolierten Wirbelkörperbruch ohne Bandscheibenbeteiligung eine MdE von unter 10 v.H. vorgesehen, wobei nach der Stabilität zu differenzieren ist. Bei Achsenfehlstellung ist die Auswirkung um so höher je tiefer das betroffene Segment liegt, da weniger Bewegungssegmente dies kompensieren können (vgl. SMV S. 442). So gelten Achsenfehlstellungen im Bereich der BWS als leichter gegenüber solchen im Lendenabschnitt (vgl. SMV, S. 429; vgl. Rompe/Erlenkämper, 5. Auflage, S. 676). Bei statisch wirksamer Achsenabweichung oder Instabilität wird eine MdE von 20 v.H. vorgeschlagen (vgl. SMV, S. 429). Nach dem zur besseren Differenzierung entwickelten Bewegungssegmentprinzip ist das hier betroffene Segment BWK 3 mit einem einfachen Wert von 2,2% bewertet (vgl. Rompe/Erlenkämer/Schiltenwolf/Hollo, "Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane", 5. Auflage, S. 676 f.; SMV, S. 429), so dass selbst unter Berücksichtigung einer damit einhergehenden Verkrümmung keine MdE von 10 v.H. erreicht wird.
Vor diesem Hintergrund erscheint die gutachterliche Einschätzung der MdE infolge der BWK-3-Fraktur mit unter 10 v.H. nicht zu beanstanden. Es handelt sich nur um eine geringe Imprimierung der Deckplatte mit leichter Keilbildung, die stabil verheilt ist und sich im BWS-Bereich befindet. Eine Beteiligung der dorsalen Säule oder der dorsalen Bänder bestand nach Arztbrief der BG-Klinik M. vom 06.03.2006 nicht. Bereits im März 2006 lag nur noch eine leichte schmerzbedingte Bewegungseinschränkung vor, wobei die Behandlung von Dr. G. - wie dargelegt - eine Besserung erbracht hat. So zeigte sich die Wirbelsäule bei Untersuchung durch Dr. E. am 01.08.2006 frei beweglich.
Daher schließt sich der Senat den Einschätzungen der Sachverständigen an, dass beim Kläger nach dem Ende des Verletztengeldbezugs keine MdE von wenigstens 20 v.H. bestand.
C) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
D) Gründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Verletztenrente hat.
Der 1969 geborene Kläger war seit April 2001 als Prüfer bei der Firma D. in R. beschäftigt.
Am 16.11.2005 gegen 5.30 Uhr befuhr er auf dem Weg von seiner Wohnung zur Arbeit mit einer Geschwindigkeit zwischen 50 und 60 km die B 85 Richtung R., als ein entgegenkommendes Fahrzeug vor ihm nach links abbiegen wollte. Der Kläger konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und fuhr frontal in das abbiegende Fahrzeug. Er war angeschnallt. Das Auto verfügte über Nackenstützen, aber keinen Air-Bag.
Im Durchgangsarztbericht von Dr. E. des Krankenhauses (KKH) B-Stadt vom 22.11.2005 wurden beim Kläger eine distale Radiusfraktur links ohne wesentliche Dislokation, eine Sternumfraktur sowie multiple Prellungen der Brustwirbelsäule (BWS) und des linken Knies diagnostiziert. Es bestanden ein leichter Druckschmerz über dem Sternum und über der mittleren BWS, eine leichte Schwellung am linken Handgelenk sowie ziehende Schmerzen am linken distalen Oberschenkel, hingegen kein Thorax- oder Beckenkompressionsschmerz. Ausgewertet wurden Röntgenaufnahmen des linken Handgelenks, der BWS, Halswirbelsäule (HWS), linken Knie, der Lunge und des Sternums. Eine besondere stationäre Heilbehandlung wurde eingeleitet.
Laut Zwischenbericht vom 24.01.2006 ergab sich aus Röntgenbildern vom 12.01.2006 und vom 24.01.2006, dass der Bruch des linken Handgelenks regelrecht verheilt, das Sternum nahezu vollständig konsolidiert war und zudem eine verheilte Fraktur der 7. Rippe links bestand. Wegen ventralbetonter Thoraxschmerzen wurden am 22. bzw. 23.02.2006 MRT von HWS, BWS und LWS gefertigt. Der MRT-Befund der HWS vom 22.02.2006 ergab keine Hinweise für knöcherne Verletzungen, Prolaps oder Sequester. Das vordere und hintere Längsband sowie die paravertebralen Weichteile waren weitgehend unauffällig. Die Halswirbel (HW) 4 bis 7 wiesen diskrete Protrusionen auf, ohne Anhalt für Wurzel- oder Myelonbeeinträchtigung. Der MRT-Befund der BWS vom 23.02.2006 zeigte einen alten, leichten ventralen Flexionskeilbruch des 3. Brustwirbelkörpers (BWK) mit geringer Imprimierung der Deckplatte ohne Hinweise auf floride ossäre Prozesse, ohne Mitbeteiligung der dorsalen Säule und mit unauffälligen dorsalen Bändern sowie eine diskrete Protrusion im Bereich der BW 6/7.
Nachdem der Kläger am 07.03.2006 gegenüber der Beklagten über erhebliche Wirbelsäulenbeschwerden mit Einschränkung der Drehfähigkeit des Kopfes geklagt hatte, veranlasste diese eine Untersuchung in der A. Klinik L ... In deren Bericht vom 14.03.2006 wurde angesichts der Schmerzen im thorakocervikalen Übergang mit Ausstrahlung nach oben und unten eine Wirbelsäulendistorsion genannt; fassbare morphologische Veränderungen wurden verneint. Die leichten degenerativen Veränderungen seien sicher unfallunabhängig. Eine neurologisch-psychiatrische Untersuchung wurde empfohlen.
Vom 21.-23.03.2006 wurde der Kläger von Dr. G. - Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Chirotherapie und spezielle Schmerztherapie - in T. behandelt. Dieser diagnostizierte im Bericht vom 26.03.2006 ein posttraumatisches Zervikalsyndrom mit Funktionsstörung des Kopfgelenksbereichs und Nacken-Kopfschmerz sowie Skalenussyndrom links, eine posttraumatische Funktionsstörung der mittleren BWS mit Rippengelenksblockierungen, eine lumbale vertebragene Dysfunktion sowie Funktionsstörung des SIG (Sakroiliakalgelenk) im Sinne einer Kettensymptomatik. Dr. G. gab an, dass in Folge des Unfalls permanente zervikale Schmerzen sowie linksthorakale Schmerzen bestünden, ohne pathologischen Befund im MRT von HWS und BWS; der Unfallhergang, die Beschwerden und die Befunde sprächen zweifelsfrei für eine Unfallbedingtheit. Es bestünden Dysfunktionen der Wirbelsegmente C 2/3, C 3/4 und C 5/6 jeweils links, im Bereich der 1. Rippe rechts sowie der Kostotransversalgelenke (D 5, D 7 links; D 4 rechts). Die Mobilisation der Gelenke hätte die Beschwerden deutlich gelindert; allerdings sistierten die Schmerzen und die massive HWS-Rotationseinschränkung.
Die Neurologin und Psychiaterin Dr. K. führte nach Untersuchung des Klägers im Bericht vom 29.03.2006 aus, dass der erhobene somatisch-neurologische Befund regelrecht und der psychopathologische Befund unauffällig gewesen sei. Hinweise für eine neurologische Verletzung, eine wesentliche HWS-Beteiligung, ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine substanzielle Nervenschädigung ließen sich den Unterlagen nicht entnehmen. Der Kläger hatte bei der Untersuchung angegeben, dass das linke Handgelenk und Brustbein in Ordnung seien, nur in extremen Stellungen habe er dort Schmerzen. Die HWS-Beschwerden habe er von Anfang an gehabt, sie hätten sich aber erst bei Nachlassen der anderen Schmerzen herauskristallisiert. Dr. G. habe ihm drei Halswirbel und einen Brustwirbel wieder eingerenkt, so dass er jetzt zu 80% beschwerdefrei sei. Psychische Beschwerden verneinte der Kläger.
Laut Arztbrief der A. Klinik L. vom 06.04.2006 war der Kläger schmerzfrei bei etwas eingeschränkter HWS-Beweglichkeit ohne wesentliche druckschmerzhafte Verspannung. Als Diagnose wurde ein abgeklungenes posttraumatisches Wirbelsäulensyndrom nach Wirbelsäulendistorsion genannt. Im Arztbrief der A. Klinik Bad A. vom 11.04.2006 wurde eine freie HWS-Beweglichkeit ohne segmentale Funktionsstörungen geschildert bei segmentaler Funktionsstörung im BWS-Bereich bei BWK 4/5.
Der Chefarzt der orthopädischen Klinik L. Dr. E. nannte im Rentengutachten vom 01.08.2006 als Unfallfolgen eine subjektive Belastungsminderung im Bereich der linken oberen Extremität (Handgelenk), subjektiv retrosternale Schmerzen bei stärkerer Belastung und einen Druckschmerz über dem Sternum. Der Kläger schilderte einen retrosternalen Druck im Brustbereich bei starker Belastung wie Heben sowie die Notwendigkeit, das linke Handgelenk nach stärkerer Belastung zu schonen. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule war frei, die der linken Hand und Finger im Normalbereich. Dr. E. schätzte die MdE ab 28.07.2006 auf weniger als 10% und hielt den Kläger für voll arbeitsfähig.
Mit Bescheid vom 27.09.2006 lehnte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls ab, weil die Erwerbsfähigkeit über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls bzw. nach dem Ende des Verletztengeldanspruchs nicht um wenigsten 20% gemindert sei.
Der Arbeitsunfall habe zu folgenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt:
"Nach einem körperfernen Speichenbruch links ohne Verschiebung, einem unverschobenen Bruch des Brustbeines und der 7. Rippe, Prellungen am Brustkorb, Wirbelsäule und am linken Knie, bestehen bei ausgeheilten Brüchen lediglich noch vorgetragene belastungsabhängige Beschwerden am Brustbein und am linken Handgelenk bei stärkerer Belastung sowie ein Druckschmerz am Brustbein im Bereich des körpernahen Drittels." Zum Zeitpunkt der Untersuchung sei die MdE mit unter 10% zu bewerten.
Dagegen wurde am 13.10.2006 Widerspruch eingelegt.
Prof. B. führte in seiner Stellungnahme vom 16.10.2008 nach Untersuchung des Klägers aus, dass als Unfallfolgen eine verheilte BWK-3-Fraktur mit geringgradiger Deckplattenimpression und geringgradiger Kyphosebildung, eine verheilte Sternumfraktur, eine verheilte Rippenfraktur C 7 links, eine verheilte distale Radiusfraktur links und eine verheilte Knieprellung links bestünden. Unfallunabhängig sei das HWS-Syndrom mit diskreten Protrusionen in den Segmenten HWS 4 bis 7 sowie Retrospondylophyten im Sinne von degenerativen Veränderungen in den Segmenten HWK 5 und 6. Die HWS-Beweglichkeit war frei, mit Schmerzauslösung bei Seitneigung rechts und lokalem Muskelhartspann im Nacken- und Schulterbereich rechts. Prof. B. legte dar, dass bei der initialen Röntgenuntersuchung kein pathologischer Befund, keine Steilstellung der HWS oder radiologische Instabilitätszeichen vorhanden waren und keine Subluxation der Wirbelgelenke oder eine Abweichung des Alignment der Vorder- oder Hinterkanten beschrieben wurden. Das behandlungsbedürftige Zervikalsyndrom könne nicht auf das Unfallereignis vom 16.11.2005 zurückgeführt werden. Weitere Beschwerden im Bereich der unfallabhängigen Diagnosen bestanden nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf Verletztenrente bestünde nicht, weil keine Unfallfolgen mehr feststellbar seien, die eine messbare MdE rechtfertigen würden.
Zur Begründung der dagegen am 06.03.2006 beim Sozialgericht (SG) Regensburg erhobenen Klage hat der Kläger insbesondere darauf hingewiesen, dass er in seinem Beruf nicht mehr arbeiten könne und die therapieresistenten Beschwerden im HWS-Bereich nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.
Das SG hat Unterlagen der behandelnden Ärzte, insbesondere Röntgen-, CT- und MRT- Aufnahmen, einen Rehabilitationsentlassungsbericht des Orthopädiezentrums Bad F. über eine medizinischen Rehabilitation vom 20.01.-10.02.2009 sowie die Schwerbehindertenakte des Klägers beigezogen.
Anschließend hat das SG ein Gutachten des Orthopäden Dr. D. eingeholt, das dieser nach Untersuchung des Klägers am 29.10.2009 am 02.11.2009 erstellt hat.
Gegenüber Dr. D. hat der Kläger über Kopf- und Nackenschmerzen mit Ausstrahlung zur Schulter und bis zur mittleren BWS geklagt, ein gelegentliches Drücken und Ziehen im Brustbein, Schlafstörungen durch Schmerzen und flüchtige Parästhesien in der linken Hand.
Dr. D. hat ausgeführt, dass infolge des Unfalls Frakturen der linken Speiche, des Brustbeines, des 3. Brustwirbelkörpers und der 7. Rippe links abgelaufen seien, die ohne Stufenbildungen verheilt seien. Als Unfallfolgen zum Zeitpunkt der Untersuchung bestünden daher nur noch eine leichte Keilform des 3. Brustwirbelkörpers und eine kleine knöcherne Anlagerung an der Rückfläche der linken Speiche. Da kein Funktionsverlust des linken Handgelenks feststellbar gewesen ist, hat Dr. D. die MdE durch die komplikationslose Verletzung des 3. Brustwirbelkörpers nach der Segmentwerttabelle mit einer MdE von weniger als 10 v.H. geschätzt. Eine über Anfang April hinausgehende Arbeitsunfähigkeit lasse sich nicht begründen.
Die HWS-Beschwerden sind nach Ansicht von Dr. D. keine Unfallfolge. Der Sachverständige hat dargelegt, dass radiologisch und kernspintomographisch keine entsprechenden Veränderungen an der HWS (z.B. eine Steilstellung) festgestellt worden seien. Es hätten sich auch keine bei Bänderläsion inzwischen zu erwartende Randspornbildungen entwickelt. In den Berichten vom 22.11.2005, vom 06.12.2005 oder 22.02.2006 würden keine speziell die HWS betreffenden Schmerzen, Diagnosen oder - selbst bei leichter HWS-Distorsion zu erwartende - Bewegungseinschränkungen der HWS beschrieben. Ein symptomfreies Intervall von mehreren Tagen oder Wochen wiesen aber selbst HWS-Distorsionen des Schweregrades I nicht auf. Aus dem Attest von Dr. G. vom März 2006 lasse sich kein Bezug zum Unfall herstellen. Angesichts der radiomorphologischen Befunde und des dokumentierten Krankheitsverlaufes sei die Diagnose eines posttraumatischen Cervicalsyndroms bzw. einer Wirbelsäulendistorsion ohne Angabe des betroffenen Abschnitts im Arztbrief der Klinik L. vom 14.03.2006 nicht nachvollziehbar.
Nach den SG-Akten ist das Gutachten den Beteiligten mit Schreiben 16.11.2009 übersandt worden, an den Klägerbevollmächtigten zur Stellungnahme bis 15.12.2009. Mit Schreiben vom 21.12.2009, zur Post gegeben am 22.12.2009, hat der Vorsitzende den Beteiligten mitgeteilt, dass eine Klageabweisung mit Gerichtsbescheid gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beabsichtigt sei, soweit die Klage nicht zurückgenommen werde. Es ist Gelegenheit zur Stellungnahme bis 13.01.2010 gegeben worden. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 04.01.2010 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtbescheid erklärt.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 14.01.2010 die Klage als unbegründet abgewiesen und sich im Wesentlichen den Ausführungen von Dr. D., insbesondere hinsichtlich der Schätzung der MdE mit unter 10 v.H., angeschlossen.
Der Kläger hat telefonisch am 15.02.2010 und mit Schreiben vom selben Tag moniert, dass weder er noch sein Prozessbevollmächtigter das Gutachten von Dr. D. und das Anhörungsschreiben zum Gerichtsbescheid erhalten hätten.
Mit der am 24.02.2010 eingelegten Berufung hat der Klägerbevollmächtigte Rente aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 16.11.2005, hilfsweise die Zurückverweisung des Verfahrens zur erneuten Entscheidung an das SG Regensburg begehrt. Das Gutachten von Dr. D. sei ihm vor Erlass des Gerichtsbescheides nicht zugegangen. Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung hätte er Antrag nach § 109 SGG stellen können. Das Gutachten von Dr. D. sei unzutreffend; es fehle eine manualmedizinische Befunderhebung und Berichte von Dr. G. seien nicht bzw. unzureichend berücksichtigt worden.
Der Bevollmächtigte hat eine Stellungnahme von Prof. B., ärztlicher Direktor des Orthopädie-Zentrums Bad F., vom 24.03.2010 und einen Bericht von Dr. G. vom 22.08.2007 vorgelegt. Prof. B. hat in dem Schreiben ausgeführt, dass Dr. G. als ausgewiesener Kopfgelenksspezialist ein posttraumatisches Cervicalsyndrom festgestellt und keinen unauffälligen körperlichen Befund erhoben habe. Laut Bericht von Dr. G. vom 22.08.2007 über eine Vorstellung des Klägers am 07.08.2007 hat dieser über ein vollständiges Sistieren der Beschwerden nach der Behandlung im März 2006 berichtet. Vor einer Woche seien nach Heben und Tragen im Rahmen eines privaten Umzuges erneut die gleichen Beschwerden wie vor eineinhalb Jahren aufgetreten, besonders ein Nacken-Kopfschmerz sowie ein Schmerz des zervikothorakalen Übergangs mit Ausstrahlung in den Schulterbereich. Ferner seien erneut Gleichgewichtstörungen sporadischer Art bei längerem Stehen beklagt worden. Es hätten sich Dysfunktionen im Bereich der BWS und der Kostotransversalgelenke, wie im Befund vom März 2006 beschrieben, gefunden sowie Funktionsstörungen des Wirbelgelenkes C2/3 für Seitneigung und Rotation.
Dr. D. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30.04.2010 insbesondere ausgeführt, dass das lange schmerzfreie Intervall des Klägers mit einer entsprechenden Verletzung nicht vereinbar sei. Die Stellungnahme von Prof. B. scheine ohne Kenntnis über dieses Intervall, die fehlende Primärsymptomatik und den kernspintomographischen Befund vom 22.02.2006 ergangen zu sein. Aus dem Attest von Dr. G. vom 22.08.2007 ergäben sich keine weiteren Erkenntnisse.
Der Klägerbevollmächtigte hat eine Stellungnahme von Dr. G. vom 02.07.2010 vorgelegt und ausgeführt, der Kläger sei nie länger schmerzfrei gewesen. Er habe ständig starke Schmerzmittel eingenommen; nur nach Behandlungen durch Dr. G. sei es ihm besser gegangen, auch mit vorübergehender Schmerzfreiheit. Dr. G. hat auf die Befunde in seinem Bericht vom 26.03.2006 hingewiesen; er habe ausdrücklich vermerkt, dass es sich um ein posttraumatisch aufgetretenes Geschehen handele. Dr. D. habe eine manualmedizinische Untersuchung der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte unterlassen, mit der segmentale Funktionsstörungen gefunden werden könnten. Statische Aufnahmen seien zur Erklärung funktioneller Störungen ungeeignet. Offensichtlich seien die HWS-Beschwerden zunächst von anderen Gesundheitsschäden überlagert worden und erst nach deren Heilung klinisch relevant geworden.
Die Beklagte hat mit Stellungnahme vom 22.07.2010 entgegnet, dass Dr. G. lediglich aus der eigenen Bezeichnung "posttraumatisch" einen Unfallzusammenhang ableite, ohne gutachtliche Diskussion der Kausalitätsfrage unter Berücksichtigung von anerkannter Begutachtungsliteratur. Inwieweit manualmedizinische Befunde Rückschlüsse zur Kausalität geben, sei nicht ersichtlich.
Der Klägerbevollmächtigte hat dem Gericht Rehaberichte der A.-Klinik S. über einen Aufenthalt des Klägers vom 17.03. bis 08.04.2010 und einen Arztbrief des B. Krankenhaus T. vom 07.07.2010 übersandt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Der Rehabericht nennt als Diagnosen eine chronische Zervikozephalgie bei Bandscheibenprotrusionen C 4 bis C 6 ohne sensomotorisches Defizit und einen rezidiverenden peripheren Vestibularisschwindel. Bei Druckschmerz im HWS-Bereich und leicht verspannter Paravertebralmuskulatur ohne Myogelosen ist die HWS-Rotation beidseits bis 60°, die Seitneigung bis 30° möglich gewesen. Im KKH T. ist eine Schmerztherapie durchgeführt worden. Dort ist die HWS-Beweglichkeit bei Muskelhartspann eingeschränkt gewesen, mit Schmerzen bei Reklination und Seitbewegung.
Auf Antrag des Klägers hat das LSG gemäß § 109 SGG ein Gutachten des Orthopäden und Schmerztherapeuten Dr. W. vom 12.09.2011 als Hauptgutachter sowie Zusatzgutachten der Neurologin Dr. S. vom 18.04.2011 und des Diplom-Psychologen T. M. vom 07.04.2011 eingeholt. Beklagt hat der Kläger bei den Untersuchungen vom 07.04.2011 Dauerkopfschmerz, Schwindel, Seh- und Hörstörungen, "Wirbelgleiten" mit stechenden Schmerzen bei ungünstigen Bewegungen, pochenden Dauerschmerz von der HWS über Kopf und Schulter bis in die rechte Hand sowie Schwäche, Konzentrations- und Schlafstörungen, Unruhe und psychische Belastung bei familiären und finanziellen Sorgen.
Die Beschreibung der Unfallfolgen der Sachverständigen stimmt mit dem Gutachten von Dr. D. überein. Nicht durch den Unfall verursacht sind nach Ansicht der Sachverständigen der Nacken- und BWS-Schmerz mit Einstrahlung in den rechten Arm bei Störung der oberen BWS und des cervicothorakalen Übergangs bei teilfixierter Hyperkyphose der BWS mit statischer Mehrbelastung, der 2009 aufgetretene Schwindel bei möglicher Vestibularisuntererregbarkeit links, das leichtgradige Karpaltunnelsyndrom der rechten Hand, der Nacken-Kopfschmerz myofascialer Genese, die Anpassungsstörung (F 43.2 nach ICD 10) und die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F 45.41 nach ICD 10).
Dr. W. hat manualdiagnostisch auffällige Befunde im Bereich des 1. Rippengelenks rechts, bei C 7/Th 1 und Th 3/4 rechts beschrieben, während im HWS-Bereich von C 7 aufwärts keine manualdiagnostisch auffälligen Befunde oder Beschwerden bestanden. Zwar hat Dr. W. im Gegensatz zu Dr. D. die von Dr. G. im Bericht vom 26.03.2006 genannten Beschwerden bis März 2006 als posttraumatischen Befund gewertet. Denn die BWK-3-Fraktur könne wegen der engen funktionellen Koppelung - auch zeitlich verzögert - zu begleitenden Funktionsstörungen der HWS führen. Die im selben Gebiet aktuell bestehenden Beschwerden seien aber als unfallunabhängig zu werten, trotz gleicher Beschwerdebeschreibung in den Berichten von Dr. G. von März 2006 und August 2007. Angesichts des langen Intervalls von einem Jahr und 5 Monaten, in dem die Beschwerden in den medizinischen Unterlagen als gut gebessert dokumentiert seien, und wegen des Auftretens von Beschwerden im August 2007 im Zusammenhang mit einem Umzug, liege eine neue, unfallunabhängige Beschwerdesymptomatik vor. Auf neurologischem und psychologischem Fachgebiet sind von den Zusatzgutachtern keine unfallabhängigen Beschwerden festgestellt worden.
Vor diesem Hintergrund hat der Hauptgutachter Dr. W. eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nur bis Ende März bzw. Anfang April 2006 angenommen und die MdE mit unter 10% eingeschätzt, angesichts der komplikationslosen Verheilung des 3. BWK in leichter Keilform und der Referenzwerttabellen.
Der Klägerbevollmächtigte hat erklärt, der Kläger sei mit den Gutachten nicht einverstanden. Er sei vor dem Unfall gesund gewesen; eine andere Ursache seiner Gesundheitsstörungen, insbesondere der funktionellen Kopfgelenksstörung, hätten die Sachverständigen nicht genannt. Prof. F. vom B. KKH T. hat im Schreiben vom 22.11.2011 an der Kläger ausgeführt, dass er bei der Behandlung des Klägers davon ausgegangen sei, dass die HWS-Beschwerden auf den Verkehrsunfall zurückzuführen seien; ein schweres Schleudertrauma sei eine hinreichende Erklärung für das klinische Erkrankungsbild. Der Kläger habe bei der initialen Untersuchung im Hause angegeben, er habe direkt nach dem Unfall ähnliche Beschwerden empfunden und diese seien trotz leichtgradiger Besserung immer eine wesentliche Belastung gewesen. Laut Befund der Funktions-Computertomographie des cranio-cervicalen Übergangs vom 09.01.2012 von Prof. F. hat die Rotation des Kopf-/Halsverbandes insgesamt im Normbereich gelegen, bei verminderter Rotation rechts gegenüber links in den Atlato-Occipital- wie Atlanto-Axial-Gelenken, wobei dies durch eine bessere Rotationsmobilität in den weiter kaudal gelegenen HWS-Segmenten kompensiert werde. Diese Differenzen seien vermutlich Ausdruck einer funktionellen Kopfgelenksstörung, wobei solche funktionellen Kopfgelenksstörungen häufig mit einem cervicozephalem Syndrom einhergingen.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 16.01.2012 mitgeteilt, dass Verletztengeld nach Ablauf der Entgeltfortzahlung bis einschließlich 21.05.2006 gezahlt worden ist. Sie hält die Beurteilung durch Dr. D. für überzeugend.
In der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2012 sind insbesondere die Gutachten und die vom Kläger vorgelegten Befunde erörtert worden.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 14.01.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2009 zu verurteilen, dem Kläger Verletztenrente ab 22.05.2006 nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die beigezogenen Beklagten sowie die SG- und LSG-Akten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung erweist sich als unbegründet.
A) Der Senat kann offenlassen, ob dem Kläger bzw. seinem Bevollmächtigten tatsächlich, wie behauptet, weder das Gutachten von Dr. D. noch das Anhörungsschreiben zur Entscheidung mit Gerichtsbescheid zugegangen ist und damit ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt. Denn auch dann ist eine Aufhebung des Gerichtsbescheides und Zurückverweisung der Sache an das SG gemäß § 159 SGG nicht geboten.
Bereits nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der bis 31.12.2011 geltenden Fassung stand es im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es bei wesentlichen Mängeln des erstinstanzlichen Verfahrens die Sache an das SG zurückverweist oder in der Sache selbst entscheidet (vgl. BSG Beschluss vom 16.12.2003 - B 13 RJ 194/03 B m.w.N. veröffentlicht bei Juris). Da das LSG in vollem Umfang als zweite Tatsacheninstanz ausgestaltet ist, Präklusionsvorschriften nicht eingreifen und bei der Ermessensausübung prozessökonomischen Gesichtspunkten eine erhebliche Bedeutung zukommt, war nach der BSG-Rechtsprechung im Zweifel die Entscheidung des LSG, den Rechtsstreit selbst zu entscheiden, im Interesse einer zügigen Verfahrenserledigung vorzugswürdig (vgl. BSG Beschluss vom 19.01.2011 - B 13 R 211/10 B, Juris RdNr. 19; BSG Beschluss vom 14.02.2006 - B 9a SB 22/05 B, Juris RdNr. 7; BSG Beschluss vom 16.12.2003 - B 13 RJ 194/03 a.a.O.). Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der ab 01.01.2012 geltenden Fassung ist bei wesentlichen Verfahrensfehlern zudem eine Aufhebung und Zurückverweisung an das SG nur möglich, wenn auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.
Vor diesem Hintergrund ist eine Aufhebung des Gerichtsbescheides und Zurückverweisung der Sache an das SG im Fall des Klägers nicht geboten. Im Rahmen des Berufungsverfahrens konnte sich der Kläger zum Gutachten von Dr. D. äußern, die weiteren von ihm vorgelegten Unterlagen wie der Bericht von Dr. G. vom August 2007 wurden Dr. D. zur Stellungnahme übersandt und auf Antrag des Klägers wurden Gutachten gemäß § 109 SGG eingeholt. Daher hält es der Senat aus prozessökonomischen Gründen unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK für geboten, in der Sache selbst zu entscheiden. Eine umfangreiche Beweisaufnahme ist zur Entscheidungsfindung nicht erforderlich.
B) Die Berufung ist unbegründet, denn der klageabweisende Gerichtsbescheid erweist sich als rechtmäßig.
Die form- und fristgerecht erhobenen Klagen in Form der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 4 SGG sind unbegründet, soweit die Beklagte im Bescheid vom 27.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2009 einen Anspruch des Klägers auf Verletztenrente abgelehnt hat.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Mindern die Folgen des Versicherungsfalles die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H., besteht für den Versicherungsfall gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII Anspruch auf Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert ist und die Vomhundersätze zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen. Nach § 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VII wird bei einer MdE Teilrente in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente geleistet, der dem Grad der MdE entspricht.
Der Kläger hat unstreitig am 16.11.2005 einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII als Versicherungsfall (§ 7 SGB VII) erlitten, da er als abhängig Beschäftigter im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII auf dem Weg von seiner Wohnung zur Arbeit durch ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis Gesundheits- (erst)schäden wie die im Bescheid genannten Frakturen und Prellungen erlitten hat.
Die Folgen dieses Arbeitsunfalls verursachen aber nach Überzeugung des Senats keine MdE in rentenberechtigender Höhe. Folgen des Arbeitsunfalls sind Gesundheitserst- oder -folgeschäden des Unfallereignisses, also Gesundheitsstörungen, die durch das Unfallereignis bzw. durch einen Gesundheitserstschaden infolge des Unfallereignisses wesentlich verursacht worden sind.
Für die erforderliche Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheits(erst)schaden sowie für die Kausalität zwischen Gesundheits(erst)schaden und weiteren Gesundheitsschäden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - Juris RdNr. 12), die auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht. Danach ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Als rechtserheblich werden aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (vgl. BSG vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - Juris RdNr. 12) sowie auf Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten (vgl. BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - Juris RdNr. 17). Gesichtspunkte für die Beurteilung sind neben der versicherten Ursache als solcher, einschließlich Art und Ausmaß der Einwirkung, u.a. die konkurrierende Ursache (nach Art und Ausmaß), der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte (vgl. BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - Juris RdNr. 16).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes ist zu beachten, dass das Vorliegen eines Gesundheits(erst)schadens bzw. eines Gesundheitsfolgeschaden (Unfallfolgen) im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen muss, während für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitserst- bzw. - folgeschaden die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit genügt (vgl. BSG vom 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R - Juris RdNr. 16).
Nach Überzeugung des Senat war der Unfall vom 16.11.2005 wesentliche Ursache für einen körperfernen Speichenbruch links ohne Verschiebung, für einen unverschobenen Bruch des Brustbeines und der 7. Rippe sowie für einen ventralen Flexionsbruch des 3. Brustwirbelkörper mit geringer Imprimierung der Deckplatte sowie für Prellungen am Brustkorb, der Wirbelsäule und am linken Knie.
Verblieben ist eine leichte Keilform des 3. Brustwirbelkörpers. Die Prellungen sind bereits seit Ende des Verletztengeldbezugs folgenlos ausgeheilt und die Frakturen sind ohne Gelenkstufen knöchern verheilt.
Hingegen vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass weitere Unfallfolgen aufgrund einer Distorsion der HWS beim Kläger vorliegen oder dass nach April 2006 bestehende Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch den Unfall vom 16.11.2005 wesentlich verursacht worden sind.
Nach Überzeugung des Senats ist schon nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass - neben der anerkannten Prellung der Wirbelsäule - auch eine Zerrung bzw. Distorsion der HWS durch das Unfallereignis wesentlich verursacht worden ist. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen von Prof. B. und Dr. D. an, nicht hingegen den Ausführungen des behandelnden Arztes Dr. G ...
Dr. D. hat überzeugend dargelegt, dass in den ärztlichen Unterlagen zumindest bis März 2006 weder klinische noch radiomorphologische Befunde im HWS-Bereich dokumentiert wurden. Die Unfallaufnahmen zeigten, wie auch Prof. B. dargelegt hat, keine Steilstellung der HWS, keine radiologische Anzeichen einer Instabilität, keine Subluxation der Wirbelgelenke und keine Abweichung des Alignment der Vorder- oder Hinterkanten der Wirbelkörper. Auch später erhobene Röntgenaufnahmen, Computertomographien oder Kernspintomographien lassen keine entsprechenden Verletzungen im Bereich der HWS, z.B. eine Steilstellung, erkennen. In der MRT-Aufnahme der HWS vom 22.02.2006 wurde eine Verletzung der Bänder verneint. Hingegen finden sich in den Aufnahmen degenerative Veränderungen, die die HWS-Beschwerden nach Aussage von Prof. B. und Dr. D. erklären können. Den fehlenden pathologischen Befund im MRT von BWS und HWS hat Dr. G. in seinem Attest vom 26.03.2006 bestätigt. Ferner bestanden laut Rehabericht der Klinik Bad F. auch im CT vom 14.11.2008 keine Hinweise auf eine Gefügestörung oder auf eine durchgemachte knöcherne Traumafolge.
Zudem wurden bis einschließlich Februar 2006 trotz regelmäßiger Betreuung durch den Durchgangsarzt keine spezifischen, die HWS betreffende Beschwerden oder Bewegungseinschränkungen des Klägers dokumentiert. Weder im D-Arztbericht vom 22.11.2005 noch im Zwischenbericht vom 06.12.2005, im vom Kläger selbst ausgefüllten Fragebogen vom 06.12.2005, im Verlaufsbericht vom 22.02.2006 oder im Arztbrief der Uniklinik R. vom 16.02.2006 wurden Beschwerden oder Bewegungseinschränkungen des Klägers im Bereich der HWS genannt; vielmehr klagte er über Schmerzen im Brustkorb- bzw. Brustbeinbereich, insbesondere beim Husten, Schmerzen in der Hand sowie Herzschmerzen. Erstmals ausdrücklich erwähnt werden Beschwerden im HWS-Bereich im März 2006, als der Kläger der Beklagten am 07.03.2006 über einen Arztbesuch in M. wegen starker HWS-Beschwerden berichtete. Zuvor hatte er nach Gesprächsnotiz der Beklagten vom 01.03.2006 bereits Kontakt mit Dr. G. aufgenommen, der ihm mitgeteilt hatte, es könnte sich bei den Beschwerden um Lähmungserscheinungen handeln. Wie auch Dr. W. dargelegt hat, werden in Arztbriefen vom 06.03.2006 (BG-Klinik M.) Beschwerden der oberen BWS und - erst - im Arztbrief vom 14.03.2006 der A. Klinik L. sowie dem Bericht von Dr. G. über die Behandlung vom 21.-23.03.2006 Beschwerden im BWS- und HWS-Bereich geschildert
Dr. D. hat überzeugend darauf hingewiesen, dass selbst HWS-Distorsionen des Schweregrades I keinesfalls ein symptomfreies Intervall von mehreren Tagen oder Wochen nach sich ziehen und sich beim Kläger ausweislich der Unterlagen zudem zeitnah zum Unfall keine Bewegungseinschränkungen gefunden haben. Diese Ausführungen sind nicht zu beanstanden; insbesondere entsprechen sie den Aussagen in Standardwerken zu aktuellen herrschenden wissenschaftlichen Erfahrungssätzen über die Beurteilung von HWS-Distorsionen wie Schönberger, Mehrtens, Valentin, "Arbeitsunfall und Berufskrankheiten", 8. Auflage (SMV) und den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zum Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule (4. Auflage 2008, veröffentlicht unter www.awmf.org). Darin wird ausgeführt, dass die klinische und morphologische Klassifikation von Störungen bei HWS-Distorsionen, modifziert nach Erdmann, selbst bei lediglich leichten Schädigungen nach Grad I ein symptomfreies Intervall von maximal 48 Stunden kennt (vgl. SMV, S. 464). Eine progrediente Beschwerdesymptomatik mit Crescendo-Charakter ist allenfalls noch innerhalb der ersten 48 Stunden möglich, danach spricht sie gegen eine organische Verursachung (vgl. auch Lang u.a., Leitlinie zur Begutachtung der Halswirbelsäulendistorsion, 2008, a.a.O.).
Maßstab für die Beurteilung ist insoweit die herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung; vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, dass in der medizinischen Wissenschaft einerseits Zweifel an der Existenz von HWS-Distorsionen ohne morphologisch fassbares Korrelat bzw. ohne in Kernspintomographien sichtbare Strukturverletzungen geäußert werden und andererseits zum Teil weitergehende Erklärungsmodelle proklamiert werden (vgl. zur Problematik mit weiteren Nachweisen z.B. Schröter, MedSach 2010, S.231).
Soweit der Kläger geltend macht, die HWS-Beschwerden hätten bereits seit dem Unfall bestanden, sich aber erst später "herauskristallisiert", ist dies nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu begründen. Es ist schon nicht ersichtlich, worauf der Kläger die Annahme stützt, die HWS-Beschwerden hätten bereits seit dem Unfall vorgelegen, wenn er sie erst später - bewusst - wahrgenommen hat. Ob dies wegen Überlagerung durch andere Schmerzen erfolgt ist oder deswegen, weil die HWS-Beschwerden erst später hinzugetreten sind, lässt sich dann gerade nicht sicher feststellen, sondern allenfalls vermuten. Pathologische Befunde in technischen Aufnahmen oder zeitnah aufgetretene entsprechende klinischen Befunde, die solche Rückschlüsse zuließen, liegen - wie ausgeführt - gerade nicht vor. Gegen das Auftreten wesentlicher HWS-Beschwerden bis einschließlich Februar 2006 spricht hingegen, dass trotz wiederholter Vorstellung in diesem Zeitraum auch beim Durchgangsarzt und Unfallchirurgen weder entsprechende Beschwerden noch Funktionseinschränkungen aufgenommen worden sind, obwohl diese Ärzte sowohl mit möglichen Unfallverletzungsfolgen als auch mit der Notwendigkeit der Dokumentation im Rahmen ihrer Berichte an die BG besonders vertraut sind. Vor diesem Hintergrund vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger bereits innerhalb von maximal 2 Tagen nach dem Unfall unter HWS-Beschwerden gelitten hat.
Vor diesem Hintergrund hält der Senat in Übereinstimmung mit Dr. D. die erstmals in der Klinik L. am 14.03.2006 gestellte Diagnose der Distorsion eines - nicht näher bezeichneten- Wirbelsäulenabschnitts nicht für überzeugend, zumal Befunde oder Ausführungen zur Unfallursächlichkeit darin fehlen.
Auch aus den Berichten von Dr. G. vom 26.03.2006 und vom 22.08.2007 sowie seiner Stellungnahme vom 02.07.2010 lässt sich nicht schlüssig ableiten, dass der Unfall wesentliche Ursache der dort erhobenen Befunde war. Insoweit folgt der Senat der Beurteilung durch Dr. D ...
Dr. G. ging in seinen Berichten davon aus, dass bereits seit dem Unfall des Klägers durchgehend HWS-Beschwerden bestanden haben. Wie dargelegt, ist schon eine zeitnah nach dem Unfall auftretende Beschwerdesymptomatik im HWS-Bereich beim Kläger nicht dokumentiert und lässt sich nicht sicher feststellen. Auch ein "vollständiges Sistieren der Beschwerden nach der ( ...) Behandlung im März 2006", wie es im Befundbericht vom 22.07.2008 genannt ist, steht im Widerspruch zu den ärztlichen Befunden, wie insbesondere Dr. W. ausgeführt hat. So hatte der Kläger bei Untersuchungen nach der Behandlung durch Dr. G. im Jahr 2006 z.B. gegenüber Dr. K. am 29.03.2006 angegeben, dass die HWS-Beschwerden deutlich gebessert seien. In Arztbriefen der A.-Klinik L. vom 06.04.2006 und der A. Klinik Bad A. vom 11.04.2006 wurde eine gute Beweglichkeit der HWS ohne segmentale Funktionsstörungen im HWS-Bereich bei etwas Verspannung im oberen BWS-Bereich (so Arztbrief von Bad A.) dokumentiert und im Rentengutachten vom 01.08.2006 eine freie Wirbelsäulenbeweglichkeit. Zudem sind nach eigener Schilderung des Klägers laut Befundbericht von Dr. G. vom 22.08.2007 die Beschwerden im Zusammenhang mit einem privaten Umzug nach Heben und Tragen aufgetreten. Selbst im Schreiben des Bevollmächtigten vom 06.07.2010 wird nach den Behandlungen von Dr. G. eine vorübergehende Schmerzfreiheit bestätigt.
Vor diesem Hintergrund vermögen die Ausführungen von Dr. G. nicht zu überzeugen. Insbesondere lässt sich seinen Attesten nicht entnehmen, weshalb die von ihm erhobenen Befunde wie z.B. manualmedizinisch aufgespürte Funktionsstörungen von Wirbelsäulengelenken oder ein "hochpathologisches Ott´sches Zeichen" Rückschlüsse auf eine traumatische Ursache dieser Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule zulassen sollen. Dass er selbst die 4 Monate nach dem Unfall von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen als posttraumatisch bezeichnet, ist nicht geeignet, den Unfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als wesentliche Ursache dieser Gesundheitsstörungen nachzuweisen.
Die Stellungnahme von Prof. B. vom 24.03.2010 erschöpft sich im Wesentlichen darin, auf Unterschiede in den Befunden von Dr. D. und Dr. G. sowie die Tatsache hinzuweisen, dass Dr. G. als ausgewiesener Experte für HWS-Beschleunigungs-verletzungen die Gesundheitsschäden des Klägers als posttraumatisch bezeichnet habe. Weiterführende Kenntnisse sind daraus nicht zu entnehmen, zumal nicht ersichtlich ist, dass Prof. B. die ärztlichen Unterlagen vollständig vorlagen.
Dass Prof. F. vom B. KKH T. einen Zusammenhang der HWS-Beschwerden mit dem Unfall angenommen hat, vermag keine andere Bewertung zu begründen. Denn ihm gegenüber hatte der Kläger angegeben, dass er bereits direkt nach dem Unfall ähnliche Beschwerden empfunden habe und dass diese trotz leichtgradiger Besserung immer eine wesentliche Belastung gewesen seien. Damit weichen diese Angaben aber erheblich von der Dokumentation des Krankheitsverlaufes in den Akten einschließlich der zeitnahen Beschwerdeschilderung des Klägers ab.
Die Ausführungen im Arztbrief von Prof. F., dass in der Funktions-Computertomo-graphie vom November 2011 festgehaltene Rotationsdifferenzen zwischen Rechts- und Linksrotation trotz Gesamtrotation im Normbereich "vermutlich" Ausdruck einer funktionellen Kopfgelenksstörung sind und eine funktionelle Kopfgelenksstörung häufig - nicht immer - mit einem zervicozephalem Syndrom einhergeht, lässt schon keine sichere Diagnose der funktionellen Kopfgelenksstörung, im Sinne eines Vollbeweises, erkennen. Außerdem werden keine Anhaltpunkte dafür genannt, dass eine solche Gesundheitsstörung im konkreten Fall des Klägers hinreichend wahrscheinlich auf den Unfall vom November 2005 zurückzuführen ist.
Auch der Sachverständige Dr. W. hat nicht das Vorliegen einer HWS-Distorsion bestätigt, sondern ausgeführt, dass die BWK-3-Fraktur wegen der engen funktionellen Koppelung auch - ggf. zeitlich verzögert - zu begleitenden Funktionsstörungen der HWS führen könne, selbst wenn keine eigenständige Verletzung der HWS vorliegt. Ähnlich hatte Dr. D. unspezifische Wirbelsäulenbeschwerden im März 2006 noch in möglichem Zusammenhang mit der BWK-3-Fraktur gesehen. Aus diesem Grund hat Dr. W. die von Dr. G. dokumentierten Beschwerden bis März 2006 als unfallabhängig beurteilt.
Allerdings hat Dr. W. überzeugend und detailliert dargelegt, dass angesichts des zeitlichen Verlaufs mit einem in den ärztlichen Unterlagen dokumentierten symptomfreien Intervall ab April 2006 bis Juli 2007 die ab August 2007 aufgetretene Beschwerdesymptomatik im Nacken-, HWS- und BWS-Bereich nicht wesentlich durch den Unfall verursacht worden ist, obwohl Dr. G. im Befundbericht vom 22.07.2008 die Beschwerdekonstellation als gleich beschreibt.
Vor diesem Hintergrund kann der Senat offenlassen, ob die bis März 2006 bestehenden HWS-Beschwerden als Unfallfolgen anzusehen sind, obwohl keine Zerrung der HWS im Vollbeweis nachgewiesen ist. Denn der Senat stimmt mit Dr. D. und Dr. W. darin überein, dass jedenfalls die HWS-Beschwerden, die im Zeitraum nach März 2006 bzw. nach dem Ende des Verletztengeldbezugs beim Kläger aufgetreten sind, nicht mehr wesentlich durch das Unfallereignis oder die BWK-3-Fraktur verursacht worden sind. Es fehlt an der Dokumentation entsprechender durchgehender Befunde. Soweit der Kläger zwischenzeitlich vorträgt, dass es nie zu einer Besserung gekommen sei, steht dies im Widerspruch zu seinen zeitnahen Angaben in den Unterlagen z.B. gegenüber Dr. K ... Zudem hatte der Kläger selbst einen Umzug als ursächlich für das Auftreten von Beschwerden im August 2007 genannt. Außerdem war die BWK-3-Fraktur nach den Unterlagen bereits ab März 2006 ohne wesentliche Fehlstellung verheilt, so dass nicht ersichtlich ist, weshalb sie im August 2007 weitergehend HWS-Beschwerden hätte verursachen sollen.
Da die nach März 2006 bestehenden HWS-Schmerzen nicht als Unfallfolgen anzusehen sind, ist auch der nach Angaben des Klägers im Jahr 2009 wegen der HWS-Schmerzen aufgetretene Schwindel nicht als Unfallfolge auf den Unfall zurückzuführen.
Der Senat schließt sich zudem der Einschätzung der Sachverständigen im LSG-Verfahren an, dass das chronische Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren sowie die Anpassungsstörung nicht wesentlich durch den Unfall verursacht worden sind. Bei Untersuchung durch die Neurologin und Psychiaterin Dr. K. im März 2006 ist kein auffälliger neurologischer oder psychopathologischer Befund erhoben worden. Soweit nach März 2006 Wirbelsäulenbeschwerden aufgetreten sind, sind diese keine Unfallfolgen. Schon deswegen sind psychische Gesundheitsstörungen, selbst wenn sie wesentlich durch nach April 2006 bestehende Wirbelsäulenschmerzen des Klägers verursacht worden sein sollten, keine Unfallfolgen.
Der Senat folgt den überzeugenden und insoweit miteinander übereinstimmenden Ausführungen von Dr. E., Dr. D. und Dr. W., dass die seit April 2006 vorliegenden Unfallfolgen keine MdE von wenigstens 10 v.H. ergeben. Ferner liegt kein Stützrententatbestand vor.
Die MdE richtet sich gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Damit wird nicht auf die konkrete Beeinträchtigung im Beruf des Versicherten abgestellt, sondern eine abstrakte Berechnung vorgenommen (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 Rdnr.10.1). Die Bemessung des Grades der MdE ist eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. BSG vom 05.09.2006 - B 2 U 25/05 - Juris RdNr. 10; BSG vom 02.05.2001 - B 2 U 24/00 R - SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S. 36). Dabei sind ärztliche Meinungsäußerungen über die Auswirkung derartiger Beeinträchtigungen auf die Erwerbsfähigkeit eine wichtige Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE (vgl. BSG vom 05.09.2006 - B 2 U 25/05 R - Juris RdNr. 10). Erst aus der Anwendung (medizinischer) Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (vgl. dazu BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Bei der Beurteilung der MdE sind die von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten. Diese sind zwar nicht bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (vgl. BSG vom 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1 - Juris RdNr. 12).
Die Sachverständigen haben schlüssig dargelegt, dass die Fraktur der linken Speiche ohne Verschiebung, die unverschobene Fraktur des Brustbeines und der 7. Rippe links, die Prellungen am Brustkorb, der Wirbelsäule und am linken Knie bereits seit April 2006 ausgeheilt sind; insbesondere sind die Frakturen seitdem knöchern verheilt, ohne dass Gelenkstufen bestanden. Funktionseinschränkungen sind mit diesen Gesundheitsschäden nach den Gutachten nicht mehr verbunden. Insbesondere bestanden keine Einschränkungen in der Beweglichkeit, der Motorik, den Reflexen, der Sensibilität, Durchblutung oder groben Kraft des linken Handgelenks einschließlich der Finger oder Funktionseinschränkungen des linken Kniegelenks bei freier Beweglichkeit.
Auch der ventrale Flexionskeilbruch des BWK 3 mit geringer Imprimierung der Deckplatte ist knöchern verheilt mit verbliebener leichter Keilform des 3. BWK. In Übereinstimmung mit den Sachverständigen Dr. D. und Dr. W. ist die MdE des Klägers durch diese verbliebene Unfallfolge mit einer MdE von weniger 10 v.H. zu bewerten.
Nach Ausführungen in der Begutachtungsliteratur hängt die Funktionsbeeinträchtigung von Wirbelkörperbrüchen u.a. davon ab, ob Bandscheiben beteiligt sind, ob der Bruch stabil oder instabil verheilt ist, ob eine erhebliche Achsabweichung besteht sowie von der Lokalisation, vom Ausmaß der Beeinträchtigung auf die gesamte Wirbelsäule und von den Möglichkeiten der Kompensation der entstandenen Funktionsminderung durch körpereigene Kräfte (vgl. SMV, S. 429 und 442 f.).
So ist für einen isolierten Wirbelkörperbruch ohne Bandscheibenbeteiligung eine MdE von unter 10 v.H. vorgesehen, wobei nach der Stabilität zu differenzieren ist. Bei Achsenfehlstellung ist die Auswirkung um so höher je tiefer das betroffene Segment liegt, da weniger Bewegungssegmente dies kompensieren können (vgl. SMV S. 442). So gelten Achsenfehlstellungen im Bereich der BWS als leichter gegenüber solchen im Lendenabschnitt (vgl. SMV, S. 429; vgl. Rompe/Erlenkämper, 5. Auflage, S. 676). Bei statisch wirksamer Achsenabweichung oder Instabilität wird eine MdE von 20 v.H. vorgeschlagen (vgl. SMV, S. 429). Nach dem zur besseren Differenzierung entwickelten Bewegungssegmentprinzip ist das hier betroffene Segment BWK 3 mit einem einfachen Wert von 2,2% bewertet (vgl. Rompe/Erlenkämer/Schiltenwolf/Hollo, "Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane", 5. Auflage, S. 676 f.; SMV, S. 429), so dass selbst unter Berücksichtigung einer damit einhergehenden Verkrümmung keine MdE von 10 v.H. erreicht wird.
Vor diesem Hintergrund erscheint die gutachterliche Einschätzung der MdE infolge der BWK-3-Fraktur mit unter 10 v.H. nicht zu beanstanden. Es handelt sich nur um eine geringe Imprimierung der Deckplatte mit leichter Keilbildung, die stabil verheilt ist und sich im BWS-Bereich befindet. Eine Beteiligung der dorsalen Säule oder der dorsalen Bänder bestand nach Arztbrief der BG-Klinik M. vom 06.03.2006 nicht. Bereits im März 2006 lag nur noch eine leichte schmerzbedingte Bewegungseinschränkung vor, wobei die Behandlung von Dr. G. - wie dargelegt - eine Besserung erbracht hat. So zeigte sich die Wirbelsäule bei Untersuchung durch Dr. E. am 01.08.2006 frei beweglich.
Daher schließt sich der Senat den Einschätzungen der Sachverständigen an, dass beim Kläger nach dem Ende des Verletztengeldbezugs keine MdE von wenigstens 20 v.H. bestand.
C) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
D) Gründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
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