L 4 P 872/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 P 4455/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 872/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 P 3/12 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Im Rahmen eines Verfahrens über Leistungen aus der privaten Pflegeversicherung gelten für die Einholung eines Gutachtens nach Maßgabe von § 109 SGG keine anderen Maßstäbe als für die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen. Die Einschränkung des Umfangs der gerichtlichen Kontrolle in Folge der Anwendung von § 84 VVG im Rahmen von Amts wegen durchzuführender Ermittlungen gilt daher entsprechend auch für die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Begutachtung nach § 109 SGG gegeben sind.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin ab 13. März 2006 Pflegegeld aus der privaten Pflegeversicherung nach Pflegestufe III statt Pflegestufe II beanspruchen kann.

Die am 1924 geborene Klägerin ist bei der Beklagten aufgrund eines Pflegeversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung, Bedingungsteil für die private Pflegepflichtversicherung (MB/PPV) zugrunde liegen, in der Tarifstufe PVN privat pflegeversichert. Ab 01. Juli 2004 zahlte ihr die Beklagten ein Pflegegeld nach Pflegestufe I (Schreiben der Beklagten vom 29. September 2004). Grundlage war das MEDICPROOF-Gutachten des Arztes Dr. B. vom 18. August 2004, der den Bedarf in der Grundpflege mit 112 Minuten schätzte. Als (wesentliche) pflegebegründende Diagnosen wurden eine Polyarthrose der unteren Extremitäten und eine Adipositas angegeben. In der pflegebegründenden Vorgeschichte ist ausgeführt, im Vordergrund der Beschwerden stehe bei der Klägerin die Einschränkung der Mobilität, bedingt durch eine beidseitige Gonarthrose und einen Zustand nach Schenkelhalsfraktur links 1995. Dadurch sei das Gehen erschwert, das Treppensteigen sehr schwierig und nur mit Hilfe möglich. Auch das Hinstellen sowie das Laufen auf Zimmerebene seien schwierig. Zudem bestehe ein Zustand nach Unterarmfraktur links. Dadurch sei die Greiffunktion bei persistierender Fehlstellung der Frakturen links eingeschränkt. Vorbeugen und Nackengriff seien schwierig wegen persistierender Arthrose auch in den Schultergelenken und im rechten Ellenbogengelenk. Es bestehe eine deutliche Adipositas, auch würden gelegentliche Rückenschmerzen geäußert. Das Langzeitgedächtnis sei mit Einschränkung vorhanden, das Kurzzeitgedächtnis etwas gemindert.

Gegen das Ergebnis dieses Gutachtens wandte sich die Klägerin mit Schriftsatz vom 05. Oktober 2004. Die Beklagte holte hierauf bei der MEDICPROOF-GmbH das Zweitgutachten des Allgemeinmediziners Dr. H. vom 27. November 2004 ein. Dieser gelangte zu der Beurteilung, dass das im Erstgutachten ermittelte Ergebnis zu bestätigen sei, es jedoch zwischenzeitlich zu einer weiteren gesundheitlichen Verschlechterung mit Zunahme des Hilfebedarfs bei der Grundpflege gekommen sei. Seit November 2004 bestehe daher Pflegebedürftigkeit entsprechend Pflegestufe II. Unter pflegebegründenden Diagnosen ist eine Polyarthrose aller Gelenke, ein chronisches Schmerzsyndrom, ein Zustand nach Plattenosteosynthese wegen Schenkelhalsfraktur links 1995, eine Gonarthrose beidseits, ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom, ein Zustand nach distaler Radiustrümmergelenksfraktur links am 06. Juli 2004, eine fortgeschrittene Osteoporose und eine altersbedingte Schwäche angegeben. Im Weiteren ist ausgeführt, bei der Polyarthrose handele es sich um ein chronisch-progredientes Leiden mit zunehmendem Verlust der Restfähigkeiten im Bereich der Mobilität. Durch den progredienten Krankheitsverlauf sei es nach der Vorbegutachtung zur weiteren Verschlechterung gekommen, die auch aus dem Vergleich der Mobilitätsbeschreibung zwischen dem Erstgutachten und der jetzt erfolgten Begutachtung zu ersehen sei. Nach den Angaben der Klägerin habe die Schmerzsymptomatik in den letzten Wochen deutlich zugenommen. Deshalb sei seit November 2004 von einem Beginn der Pflegebedürftigkeit entsprechend Pflegestufe II auszugehen. Die Klägerin bedürfe aufgrund der Bewegungseinschränkungen in vielen Bereichen der Grundpflege fremder Hilfe. Das Waschen oder Baden müssten vollständig übernommen werden. Ebenso die Zahnpflege und das Kämmen. Auch bei der Intim-Analhygiene bestehe ein vollständiger Übernahmebedarf. Im Bereich der Ernährung bestehe vollständiger Hilfebedarf beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung. Die Nahrungsaufnahme erfolge selbstständig, jedoch durch die schmerzhafte Greifunsicherheit zunehmend mit Unterstützung. Beim Aufstehen und Zubettgehen und beim Gehen zu Verrichtungen, teilweise beim Aufstehen aus dem Sitzen, beim wöchentlichen Wannentransfer sowie beim Treppensteigen sei die Klägerin wegen der Bewegungseinschränkungen und Unsicherheit auf Unterstützung angewiesen. Ebenso bestehe fast vollständiger Hilfebedarf beim An- und Auskleiden. Der Gutachter schätzte den Zeitbedarf für die Grundpflege auf nunmehr 128 Minuten. Gestützt hierauf zahlte die Beklagte ab 01. November 2004 ein Pflegegeld nach der Pflegestufe II (Schreiben vom 29. Dezember 2004).

Auf Veranlassung der Beklagten wurde bei der Klägerin im Dezember 2005 eine Wiederholungsbegutachtung durchgeführt. Allgemeinmediziner Dr. K. gelangte in seinem MEDICPROOF-Gutachten vom 09. Dezember 2005 zu der Einschätzung, dass der Zeitbedarf für die Grundpflege bei der Klägerin nunmehr 137 Minuten betrage. Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit, dass weiterhin Leistungen nach der Pflegestufe II bezahlt würden (Schreiben vom 28. Dezember 2005).

Mit Schriftsatz vom 13. März 2006, bei der Beklagten am 20. März 2006 eingegangen, beantragte die Klägerin Pflegegeld nach Pflegestufe III. Sie legte zur Begründung die Bescheinigung des Versorgungsamtes des Zentrums Bayern für Familie und Soziales vom 09. März 2006 über einen erreichten Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit dem Zusatz der ständigen Hilflosigkeit vor. Die Beklagte erhob das MEDICPROOF-Gutachten des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. K. vom 28. April 2006. Unter der pflegerelevanten Vorgeschichte ist ausgeführt, es lägen massive degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit motorischer und sensibler Wurzelreizsymptomatik bei Spinalkanalstenose, eine zunehmende Schwäche der unteren Extremitäten mit Entwicklung einer Harn- und gelegentlichen Stuhlinkontinenz sowie eine Adipositas permagna vor. Seit dem Vorgutachten habe sich keine relevante Veränderung ergeben, es bestehe weiterhin kein freies Stehvermögen, die Klägerin könne sich aber mit Mühe mit zwei Unterarmgehstützen fortbewegen. Ein geplanter neurochirurgischer Eingriff habe aufgrund zu stark fortgeschrittener Osteoporose nicht stattgefunden. Es bestehe eine deutliche Urininkontinenz und selten eine Stuhlinkontinenz. Zusätzlich seien ein rechtsseitiger Schmerz im Bereich des Unterarms mit Kraftverlust, ein Zustand nach Radiustrümmerfraktur links und Feinmotorikstörungen zu verzeichnen. Der Gutachter schätzte den Zeitbedarf für die Grundpflege auf 173 Minuten am Tag (Körperpflege 110 Minuten, Ernährung 21 Minuten, Mobilität 42 Minuten). Einen nächtlichen Pflegebedarf nannte er nicht. Mit Schreiben vom 15. Mai 2006 lehnte es die Beklagte ab, höheres Pflegegeld zu zahlen.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 21. Mai 2006 Einwendungen. Sie brauche rund um die Uhr Pflege, gehe an zwei Krücken, leide an einer absoluten Vertebrostenose L 4/5 mit Caudasymptomatik bei kompletter Einmauerung der absteigenden Nervenfasern, außerdem sei bei ihr ein GdB von 100 mit dem Zusatz der ständigen Hilflosigkeit anerkannt. Im Genital- und Analbereich sei sie taub und gelähmt, brauche jede Stunde Hilfe bei dem Wechseln der Windelhosen/Unterhose mit Windeleinlagen. Es handele sich um einen 24-Stunden-Einsatz. Dazu komme die totale Abnutzung beider Knie und der Hüftgelenke.

Die Beklagte erhob daraufhin das MEDICPROOF-Zweitgutachten durch Allgemeinmediziner Dr. H. vom 25. Juni 2006. Dieser schätzte den Zeitbedarf in der Grundpflege mit 200 Minuten täglich (Körperpflege 112 Minuten, Ernährung 24 Minuten, Mobilität 64 Minuten) ein. Durch die kontinuierliche Zunahme der Immobilität habe sich im Vergleich zum zuletzt durchgeführten Vorgutachten der Hilfebedarf noch weiter erhöht. Jedoch sei die Klägerin in einigen Bereichen der Grundpflege noch ausreichend selbstständig. Die Klägerin benötige beim Aufstehen aus dem Liegen und Sitzen der Unterstützung durch Untergreifen und Hochziehen. Gehen sei mit Unterarmstützen mit Begleitung möglich. Die Klägerin verwende opioidhaltige Schmerzpflaster; dadurch werde jedoch nur bedingt eine Schmerzminderung erreicht. Treppensteigen zwischen Erdgeschoss und erstem Obergeschoss sei derzeit nicht mehr möglich, weshalb auch nur noch Hausbesuche durch den Hausarzt stattfänden. Das Gangbild sei kleinschrittig, ataktisch, aber ausreichend sicher. Lagerungsbedarf bestehe derzeit nach Angaben der Klägerin und ihrer Tochter noch nicht. Es liege bei etwas reduzierter Feinmotorik eine deutliche Kraftminderung der rechten und eine mittelgradige Kraftminderung der linken Hand vor. Die Greifsicherheit sei eingeschränkt; der Pinzettengriff sei rechts bei unvollständigem Faustschluss deutlich eingeschränkt, bei mangelnder Mitarbeit wohl auch links. Nacken- und Schürzengriff seien nach Aufforderung beidseits nicht möglich, der linke Arm könne geringfügig höher gehalten werden als der rechte, Bücken sei unmöglich. Bemerkenswert seien jedoch zwei Beobachtungen während der Begutachtung. Zum einen sei zu deren Beginn der Fernseher gelaufen. Auf die Bitte, das Gerät auszuschalten, habe die Klägerin sitzend hinter sich gegriffen, die Fernsteuerung genommen und den Knopf mit der rechten Hand sicher gedrückt. Des Weiteren habe die Klägerin einen Stoß Papier mit der linken Hand problemlos mit den Fingern halten und mit der rechten Hand schreiben können. Auf Aufforderung bei der Begutachtung sei dies nicht mehr möglich gewesen. Insgesamt bedürfe die Klägerin aufgrund der Bewegungseinschränkungen in fast allen Bereichen der Grundpflege fremder Hilfe. So müssten das Waschen oder Duschen, die Zahnpflege und das Kämmen vollständig von einer Pflegeperson übernommen werden. Beim Windelwechseln, der Intim-Analhygiene sowie beim Richten der Bekleidung bestehe ebenso vollständiger Übernahmebedarf. Nicht nachvollziehbar sei, dass das Windelwechseln bis zu dreimal stündlich erfolgen müsse, wenn ausreichend saugfähige Windeln verwendet würden. Im Bereich der Ernährung bestehe vollständiger Hilfebedarf beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung. Die Nahrungsaufnahme erfolge weit gehend selbstständig mit teilweiser Unterstützung. Ein vollständiger Hilfebedarf bestehe auch beim An- und Auskleiden. Beim Aufstehen, Zubettgehen, Gehen zu Verrichtungen, Aufstehen aus dem Sitzen und Transfer zum Duschen sei die Klägerin auf Unterstützung angewiesen. Nächtlicher Pflegebedarf bestehe beim Wechsel von Windeln sowie beim Aufstehen und Zubettgehen. Der ermittelte Pflegebedarf sei insgesamt noch mit deutlich unter 240 Minuten täglich zu bestimmen. Mit Schreiben vom 03. August 2006 lehnte die Beklagte es endgültig ab, Pflegegeld der Pflegestufe III zu zahlen.

Am 12. Oktober 2006 erhob die Klägerin beim Sozialgericht München Klage, welches mit Beschluss vom 30. August 2007 den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Karlsruhe (SG) verwies. Neben den bereits vorgebrachten Einwendungen trug die Klägerin zur Begründung weiter vor, dass sie rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfe. Insbesondere müssten wegen Inkontinenz und Durchfall rund um die Uhr Windeleinlagen gewechselt werden. Es sei ihr nicht zumutbar, bei unwillkürlichem Harnabgang zu Beginn der Nacht in einer nassen Windeleinlage zu liegen, welche dann erst morgens gewechselt werde. Daher sei eine nächtliche Hilfeleistung zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr am nächsten Morgen objektiv erforderlich. Die Klägerin legte verschiedene ärztliche Unterlagen aus der Zeit von März 2005 bis April 2006 sowie erneut die Bescheinigung des Versorgungsamts vom 09. März 2006 über einen GdB von 100 vor.

Die Beklagte trat dem Klagevorbringen entgegen.

Das SG holte zunächst bei den behandelnden Ärzten (Internist Dr. G., Orthopäde Dr. Sc. sowie Praktischer Arzt Dr. R.) die ihnen über die Klägerin vorliegenden Befundunterlagen, Arztbriefe und Fremdarztberichte ein.

Im Anschluss daran erstattete die gerichtlich beeidigte Sachverständige für allgemeine Pflege und akademisch geprüfte Pflegedienstleiterin Frau P. auf Veranlassung des SG das Pflegesachverständigengutachten vom 30. April 2009. Die Sachverständige führte aufgrund ihrer Begutachtung der Klägerin in häuslichem Umfeld am 25. April 2009 als pflegebegründende Diagnosen eine Mobilitätsbeeinträchtigung infolge Polyarthrose sowie eine Harn- und zeitweise Stuhlinkontinenz und als weitere Diagnosen chronische Schmerzen infolge von Osteoporose an. Sie schätzte den Grundpflegebedarf auf täglich 225 Minuten, wobei als Zeitaufwand im Bereich der Körperpflege 113 Minuten, im Bereich der Ernährung 60 Minuten und im Bereich der Mobilität 52 Minuten angegeben wurden. Die Klägerin könne mit der linken Hand meist noch alleine essen, mithilfe ihrer Tochter die Treppen vom ersten Stock ins Erdgeschoss gehen und mit der linken Hand Gesicht und Hände waschen. Wegen nächtlichen Harndrangs sei ein vier- bis fünfmaliger Toilettengang mit der Tochter erforderlich. Insgesamt könne das Ergebnis des Vorgutachtens bestätigt werden. Die nun etwas höheren Zeitwerte bei den einzelnen Verrichtungen seien ausschließlich auf die stärkere Schmerzproblematik (u.a. des rechten Arms) zurückzuführen. Die Tochter habe über nicht nachvollziehbare Zeiten bei der Bemessung der Grundpflegezeiten berichtet. Ebenso wenig sei nachvollziehbar, dass die Klägerin zwei- bis dreimal in der Stunde auf die Toilette gehen müsse. Das Gleiche gelte für den Vortrag, dass bis zu dreimal stündlich der Einlagen- bzw. Windelwechsel zu erfolgen habe. Derzeit seien die Voraussetzungen für die Pflegestufe III noch nicht erfüllt.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. Januar 2010 wies das SG die Klage ab. Die Rechtsbeziehungen der Klägerin mit der Beklagten seien rein zivilrechtlich und bestimmten sich nach den MB-PPV 1996, die in den versicherungsvertraglichen Leistungsvoraussetzungen wörtlich mit den gesetzlichen Bestimmungen der sozialen Pflegeversicherung übereinstimmten. Danach stehe der Klägerin Pflegegeld nach Pflegestufe III nicht zu. Es (das SG) stütze sich hierbei insbesondere auf die Ausführungen im Gerichtsgutachten der Pflegesachverständigen P. vom 30. April 2009. Zusammenfassend sei die Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass aufgrund des krankheits- und immobilitätsbedingten, umfangreichen Hilfebedarfs bei der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung weiterhin die Voraussetzungen für die Pflegestufe II vorlägen. Damit sei insgesamt das Ergebnis des von der Beklagten eingeholten MEDICPROOF-Gutachtens zu bestätigen. Die jetzt etwas höheren Zeitwerte bei den einzelnen Verrichtungen seien ausschließlich auf die stärkere Schmerzproblematik zurückzuführen. Allerdings sei die Klägerin wieder in der Lage, mithilfe der Tochter die Treppe vom ersten Stock in das Erdgeschoss zu bewältigen. Da das Ergebnis dieses Gutachtens im Wesentlichen in Einklang stehe mit den MEDICPROOF-Gutachten der Beklagten, sehe es (das SG) keine Veranlassung, sich den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen P. nicht anzuschließen. Bescheinigung nach dem deutschen Schwerbehindertenrecht fänden bei der Ermittlung des Grundpflegebedarfs keine Berücksichtigung.

Gegen diesen ihr am 25. Januar 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 22. Februar 2010 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der zuletzt erfolgten sachverständigen Feststellungen und Bewertungen, die eine neuerliche sozialgerichtliche Beauftragung eines Pflegesachverständigen erforderlich machten. Der Grundpflegebedarf sei insgesamt zu niedrig bemessen worden. Es bestehe ein weiterer Grundpflegebedarf von 85 Minuten. Es sei zu berücksichtigen, dass sie durchschnittlich wöchentlich einmal ihren Orthopäden Dr. Sc. und ihren Internisten Dr. G. sowie regelmäßig zweimal im Monat ihren Hausarzt Dr. Sp. aufsuche. Zeitweilig werde auch ein engmaschigerer Arztbesuch erforderlich. Überdies suche sie halbjährig ihren Augenarzt Dr. Bl. auf. Unter Berücksichtigung des zeitlichen Transferaufwands für Arztbesuche ergebe sich insgesamt ein zusätzlicher täglicher grundpflegerischer Unterstützungsbedarf von acht Minuten. Auch im Bereich der Darm- und Blasenentleerung sei insgesamt ein zu niedriger Pflegebedarf berücksichtigt worden. Sie pflege regelmäßig ihrem Harndrang auf der Toilette nachzugehen, nur bei unkontrollierbaren Spontanabgängen nässe sie Vorlagen ein. Regelmäßig müssten deshalb aber tagsüber und auch nachts Windeln angelegt werden. Widersprüchlich sei schon, dass die Sachverständige P. den insoweit bestehenden Bedarf auf lediglich 49 Minuten geschätzt habe, während Dr. H. hierzu von 56 Minuten ausgegangen sei. Schon dies ergebe einen zusätzlichen Betreuungsbedarf von sieben Minuten täglich. Das Gutachten der Pflegesachverständigen P. scheine überdies an einer Stelle vom Erfordernis eines vier- bis fünfmaligen nächtlichen Toilettengangs auszugehen, lege in der abschließenden Beurteilung jedoch nur einen täglich fünfmaligen Toilettengang zugrunde. Dabei sei nicht berücksichtigt worden, dass sie (die Klägerin) an einer Niereninsuffizienz leide, aufgrund derer sie gehalten sei, viel zu trinken. Andererseits leide sie auch zunehmend unter Wasser in den Beinen, sodass sie alle zwei Tage eine harntreibende Tablette nehmen müsse. Mit Blick auf die erheblichen krankheitsbedingten Gehbeeinträchtigungen und den zusätzlichen Aufwand in der Nacht, aufzustehen und danach wieder vernünftig gelagert zu werden, sei ein zusätzlicher Unterstützungsbedarf bei vorsichtiger Bewertung mit 20 Minuten in Ansatz zu bringen. Nicht berücksichtigt seien dabei die weiteren täglichen Toilettengänge. Diese seien vorsichtig mit 30 Minuten anzusetzen. Sie (die Klägerin) werde überdies nicht nur täglich zweimal über die Treppe begleitet, sondern mindestens drei- bis viermal. Üblicherweise stehe sie morgens auf, bewege sich vom ersten Stock ins Erdgeschoss, nach dem Mittagessen wieder in den ersten Stock zum Mittagschlaf, um nachmittags die Zeit wieder im Erdgeschoss zu verbringen. Hierfür seien weitere fünf Minuten Betreuungsaufwand bei der Mobilität zu berücksichtigen. Nicht nachvollziehbar sei schließlich auch der nicht für erforderlich gehaltene Unterstützungsaufwand hinsichtlich der Gebrauchsfähigkeit der linken Hand bei der Nahrungsaufnahme. Sie habe einen komplizierten Handgelenkstrümmerbruch anlässlich eines Sturzes im Garten erlitten und sei seither in der Gebrauchsfähigkeit der linken Hand stark beeinträchtigt. Zusätzlich seien daher 15 Minuten geschätzter Zeitaufwand aufgrund von Hilfebedarfs während der Mahlzeit und über deren gesamte Dauer anzusetzen. Die Voraussetzungen einer von Amts wegen erneut zu veranlassenden Begutachtung dürften daher vorliegend auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG - (Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R - SozR 4-7690 § 64 Nr. 1) gegeben sein. Gegen das im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens durch die Beklagte veranlasste weitere MEDICPROOF-Gutachten des Dr. Wü. vom 22. November 2011 (dazu sogleich) hat die Klägerin erneut Einwände erhoben. Die Begutachtung entspreche zur Körperpflege nicht Ziff. 4.1 der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI - (Begutachtungs-Richtlinien). Dem Gutachten sei insbesondere nicht zu entnehmen, welcher Zeitaufwand im Einzelnen im Bereich der Darm- und Blasenentleerung zugrundegelegt werde. In jedem Falle sei der mit 71 Minuten bemessene Hilfebedarf zu niedrig angesetzt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Januar 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Pflegegeld gemäß Pflegestufe III ab 13. März 2006 zu bezahlen, hilfsweise, ein Gutachten gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz bei Frau Birgitta Spindler-Vanzella, München, über den Umfang des Pflegebedarfs der Klägerin einzuholen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Sachverständige P. habe für die Nahrungsaufnahme bereits einen Hilfeaufwand von 45 Minuten sowie Zeiten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung berücksichtigt.

Die Berichterstatterin hat das Verfahren mit den Beteiligten unter Vernehmung der Tochter der Klägerin, Frau D. K. (D.K.), als Zeugin zum Pflegeaufwand ihrer Mutter in der nichtöffentlichen Sitzung vom 24. Oktober 2011 erörtert. Auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 24. Oktober 2011 wird ausdrücklich Bezug genommen.

Auf den im Termin vom 24. Oktober 2011 hin gestellten Antrag der Klägerin auf Einholung eines aktuellen Gutachtens durch die Beklagte, hat diese die Erstattung des MEDICPROOF-Gutachtens des Allgemeinmediziners Dr. Wü. vom 22. November 2011 veranlasst. Dr. Wü. hat den pflegerischen Grundbedarf mit 219 Minuten täglich geschätzt. Während zum Zeitpunkt der Vorbegutachtung das Treppensteigen nicht möglich gewesen sei, könne die Klägerin jetzt mithilfe der Pflegeperson das Obergeschoss wieder erreichen und mit Unterstützung auch das Haus verlassen. Unverändert müsse das Aufstehen aus dem Sitzen oder Liegen unterstützt werden. Das Gehen geschehe unter Verwendung von zwei Unterarmgehstützen und personeller Hilfe durch die Pflegeperson, das Gangbild stelle sich als verlangsamt, ataktisch, schrittlängen- sowie schritthöhenreduziert dar. Freies Stehen gelinge nur kurzzeitig, dann trete Unsicherheit auf, das Bücken im Stehen sei nicht möglich, und auch im Sitzen werde der Aufforderung zum Vorbeugen nicht nachgekommen, es würden Schmerzen angegeben. Die oberen Extremitäten zeigten links bei Spontanbewegungen einen ausreichend ausführbaren Nacken-/Schürzengriff. Rechts sei das Anheben des Arms über die Horizontale möglich, der Nackengriff werde aber nicht vollständig ausgeführt. Links liege ein kompletter, rechts ein endgradig unvollständiger Faustschluss und deutliche Kraftminderung gegenüber links vor. Der Pinzettengriff sei beidseits, rechts ebenfalls mit reduzierter Kraft möglich, auch ein Kugelschreiber könne rechts gehalten werden, es sei jedoch nur kurzzeitiges Schreiben möglich. Vor allem das Halten sei rechts behindert, links bestünden noch ausreichende Möglichkeiten, auch wenn auf dieser Seite Sensibilitätsstörungen angegeben würden. Gelegentlich fielen Unterschiede zwischen Spontanbewegungen und der Ausführung nach Aufforderung bzw. den Angaben über bestehende Einschränkungen auf. Im Gegensatz zum Vorgutachten liege jetzt der pflegeerschwerende Faktor eines Körpergewichts über 80 kg nicht mehr vor. Auch bei der jetzigen Begutachtung werde eine das Maß des Notwendigen übersteigende Häufigkeit des Windelwechselns bzw. der Anzahl der verbrauchten Windeln (bis 20 pro Tag) angegeben, welche bei den zusätzlichen häufigen Toilettengängen und der Voraussetzung der Verwendung ausreichend saugfähiger Inkontinenzprodukte, wie bereits im Vorgutachten angemerkt, nicht plausibel erscheine. Insgesamt sei der Hilfebedarf bei der Körperpflege mit 115 Minuten, bei der mundgerechten Ernährung mit 54 Minuten sowie bei der Mobilität mit 50 Minuten zu bemessen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Leistungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten in beiden Instanzenzügen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat ab 13. März 2006 keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe III statt II.

Zulässige Klageart ist die isolierte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG). Es reicht aus, dass die von der Versicherten beanspruchte Leistung zunächst bei der Beklagten geltend gemacht und von dieser endgültig abgelehnt worden ist, sodass Rechtsschutz nur noch durch Beschreitung des Klagewegs gewährt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R - a.a.O.).

Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin sind, da sie höhere Leistungen bereits ab 13. März 2006 begehrt, zunächst unmittelbar der zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossene Vertrag über die private Pflegeversicherung in Verbindung mit den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung in der vor den Änderungen zum 01. Juli 2008 geltenden Fassung (Bedingungsteil MB/PPV 1996 und Tarif PV mit den Tarifstufen PVN und PVB). Seit 01. Januar 2008 gilt § 192 Abs. 6 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in Verbindung mit dem zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Vertrag über eine private Pflegepflichtversicherung, bis 31. Dezember 2008 zu den diesem Vertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Bedingungsteil MB/PPV 1996) und ab 01. Januar 2009 dem Bedingungsteil MB/PPV 2009 in der ab 01. Januar 2009, ab 01. Januar 2010 dem Bedingungsteil MB/PPV 2010 in der ab 01. Januar 2010, sowie ab 01. Januar 2012 dem Bedingungsteil MB/PPV 2012 in der ab 01. Januar 2012 geltenden Fassung.

Versicherte Personen erhalten bei häuslicher Pflege Ersatz von Aufwendungen für Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung (häusliche Pflegehilfe) gemäß Nr. 1 des Tarifs PV (inhaltsgleich § 4 A Abs. 1 Satz 1 MB/PPV 1996, 2009, 2010 und 2012). Anstelle von Aufwendungsersatz für häusliche Pflegehilfe gemäß Abs. 1 können versicherte Personen ein Pflegegeld gemäß Nr. 2.1 des Tarifs PV beantragen (inhaltsgleich § 4 A Abs. 2 Satz 1 MB/PPV 1996, 2009, 2010 und 2012).

Pflegebedürftige der Pflegestufe I sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Buchst. a MB/PPV 1996 und den in der Sache inhaltsgleichen § 1 Abs. 1, Abs. 6 Buchst. a MB/PPV 2009, 2010 und 2012 Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Nach § 1 Abs. 8 Buchst. c) MB/PPV 1996 bzw. MB/PPV 2009, 2010 und 2012 muss der erforderliche Pflegeaufwand in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen. Diese versicherungsvertraglichen Leistungsvoraussetzungen stimmen wörtlich mit den gesetzlichen Bestimmungen der sozialen Pflegeversicherung (§§ 15, 37 Abs. 1 SGB XI) überein und entsprechen damit der gesetzlich normierten Garantie eines vergleichbaren Standards (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XI). Für ihre Auslegung gelten identische Grundsätze (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 3 P 6/03 R - a.a.O.). Gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Bereich der Körperpflege sind das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung sowie das Beheizen (§ 1 Abs. 5 Buchst. a) bis c) MB/PPV 1996, 2009, 2010 und 2012). Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven (abstrakten) Maßstab zu beurteilen, da § 1 Abs. 6 MB/PPV 1996, 2009, 2010 und 2012 wie § 14 SGB XI allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht die im Einzelfall tatsächlich erbrachte Pflege abstellt (vgl. BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 19 zu § 14 SGB XI). Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R -, in juris zu § 14 SGB XI).

Auf der Grundlage dieser vertraglichen Regelungen liegen bei der Klägerin seit dem 13. März 2006 bis jetzt die Voraussetzungen für die Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe III statt II nicht vor. Denn der tägliche Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege beträgt weniger als vier Stunden.

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage, welcher pflegerelevante Sachverhalt zugrundezulegen ist, sind jeweils § 1 Abs. 9 Satz 1 MB/PPV 1996 bzw. 2009, 2010 und 2012, wonach der Versicherungsfall mit der ärztlichen Feststellung der Pflegebedürftigkeit beginnt. Zu der hierzu erforderlichen ärztlichen Untersuchung enthalten § 6 Abs. 2 MB/PPV 1996, 2009, 2010 und 2012 die näheren Einzelheiten. Dort heißt es u.a.: "Eintritt, Stufe und Fortdauer der Pflegebedürftigkeit sind durch einen vom Versicherer beauftragten Arzt festzustellen." In Erfüllung dieser versicherungsvertraglichen Vereinbarung hat die Beklagte zunächst das MEDICPROOF-Gutachten des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. K. vom 28. April 2006 und zur Abklärung von Einwendungen das weitere MEDICPROOF-Gutachten der Allgemeinmediziners Dr. H. vom 25. Juni 2006 eingeholt und der Bewertung des Sachverhalts zugrundegelegt. Im Verlaufe des Berufungsverfahrens hat die Beklagte überdies auf entsprechenden Antrag der Klägerin das weitere MEDICPROOF-Gutachten des Allgemeinmediziners Dr. Wü. vom 22. November 2011 erhoben und ihrer weiteren Bewertung zugrundegelegt. Alle genannten Gutachten kommen zu einem täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege von weniger als vier Stunden.

Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VVG in der seit 01. Januar 2008 geltenden Fassung bzw. bezogen auf den Zeitraum vom 13. März 2006 bis 31. Dezember 2007 nach § 64 Abs. 1 Satz 1 VVG in der damals geltenden Fassung vom 01. Januar 1964 (im Folgenden a.F.) sind Versicherer und Versicherungsnehmer an die Feststellungen des ärztlichen Sachverständigen zu den Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder zur Höhe des Schadens grundsätzlich gebunden, wenn dies - wie hier durch § 6 Abs. 2 MB/PPV 1996, 2009, 2010 und 2012 - vertraglich vereinbart worden ist. Dies hat das BSG zur Vorgängervorschrift § 64 VVG und § 6 Abs. 2 MB/PPV 1996 bereits am 22. August 2001 (B 3 P 21/00 R, SozR 3-3300 § 23 Nr. 5) entschieden und mit Urteil vom 22. Juli 2004 (B 3 P 6/03 - a.a.O.) bestätigt. Dem schließt sich der Senat an. Danach sind die Feststellungen des Sachverständigen nur dann nicht verbindlich, "wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen", wobei auf den Sachstand und die Erkenntnismittel zum Zeitpunkt der Begutachtung abzustellen ist. Daraus ergibt sich dann auch eine Einschränkung des Umfangs der gerichtlichen Kontrolle. Für eine gerichtliche Sachverhaltsaufklärung zur Frage des Umfangs des Pflegebedarfs, z.B. durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, besteht nur dann Veranlassung, wenn und soweit ein nach den Bestimmungen der MB/PPV 1996, 2009, 2010 bzw. 2012 eingeholtes Gutachten offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht (§ 84 Abs. 1 Satz 1 und 2 VVG bzw. § 64 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.) oder ein Sachverständiger die erforderlichen Feststellungen ausnahmsweise nicht treffen kann oder will oder sie verzögert (§ 84 Abs. 1 Satz 3 VVG bzw. § 64 Abs. 1 Satz 3 VVG a.F.). Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass Wertermittlungen und Schätzungen schon ihrer Natur nach mit Unklarheiten behaftet sind und die Möglichkeit eines gewissen Spielraums eröffnen. Deshalb wäre das Sachverständigengutachten von nur geringem Wert, wenn sein Ergebnis wegen jeder Unrichtigkeit in einem Einzelpunkt angegriffen werden könnte. Mit diesem Verfahren wird bezweckt, dass die Schadensregulierung möglichst rasch mit sachverständiger Hilfe erledigt und gerade kein Streit vor den staatlichen Gerichten um die oftmals komplizierte Schadensfeststellung ausgetragen wird. Dem dient auch das in § 84 Abs. 1 Satz 1 VVG bzw. § 64 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. genannte Erfordernis der "offenbaren" Diskrepanz sowie das Kriterium der "Erheblichkeit". Mit diesen Anforderungen soll die Anfechtungsmöglichkeit auf die wenigen Fälle "ganz offensichtlichen Unrechts" beschränkt, soll Abhilfe nur bei "offensichtlichen Fehlentscheidungen" ermöglicht werden (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 a.a.O. m.w.N. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). In prozessualer Hinsicht bewirkt die Vereinbarung eines Sachverständigenverfahrens insbesondere, dass das Gericht die durch den Sachverständigen getroffenen Feststellungen grundsätzlich zu übernehmen hat und im Umfang dieser Feststellungen dem Gericht prinzipiell Beweiserhebung und Beweiswürdigung entzogen sind.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil im Sozialgerichtsprozess ansonsten das Amtsermittlungsprinzip gilt. Denn der Umfang der Amtsermittlung richtet sich nach den materiell-rechtlichen Vorgaben. Dies ist hier § 84 VVG bzw. § 64 VVG a.F., dem sich die Beteiligten vertraglich unterworfen haben. Sowohl der Versicherer als auch der Versicherungsnehmer können im Prozess eine Überprüfung des Gutachtensergebnisses nur auf der Grundlage des § 84 VVG bzw. § 64 VVG verlangen (BSG, Urteil vom 22. August 2001, a.a.O. zu § 64 VVG). Damit liegt auch kein Verstoß gegen rechtliches Gehör vor, denn auch rechtliches Gehör wird nur im Rahmen dessen gewährt, was prozessual zugrundezulegen ist. Die Beteiligten haben durch den Abschluss des privaten Pflegeversicherungsvertrags die Anwendung zivilrechtlicher Grundsätze vereinbart.

Unter Berücksichtigung dessen sind die von der Beklagten veranlassten genannten MEDICPROOF-Gutachten der Dres. K. (vom 28. April 2006), H. (vom 25. Juni 2006) und Wü. (vom 22. November 2011) verbindlich. Alle drei Gutachten sind nicht offenbar unrichtig. Sämtliche Gutachten gehen zunächst von identischen, langsam fortschreitenden pflegebegründenden Diagnosen aus. Als die Pflegesituation wesentlich bestimmende Diagnose wird eine Polyarthrose mit Bewegungseinschränkungen insbesondere im Bereich der Extremitäten beschrieben; zudem liegen bei der Klägerin ein chronisches Schmerzsyndrom, Wirbelsäulenbeschwerden, ein Zustand nach Radiustrümmerfraktur links, eine Harninkontinenz und eine Osteoporose vor. Sämtliche Gutachter sind zu dem übereinstimmenden Ergebnis gekommen, dass aufgrund dieser Gesundheitsstörungen eine vollständige Übernahme aller Bedarfe der Körperpflege sowie der mundgerechten Zubereitung der Ernährung erforderlich ist, sowie hinsichtlich der Nahrungsaufnahme und der Bedarfe im Bereich der Mobilität eine Unterstützung, Teilübernahme bzw. Beaufsichtigung der Klägerin erfordern. Die Einwendungen der Klägerin gegen diese Gutachten vermögen eine offenkundige Unrichtigkeit nicht zu begründen. Die Klägerin macht zunächst mit ihrer Berufungsbegründung geltend, zu Unrecht sei zusätzlicher Mobilitätsaufwand für Arztbesuche nicht berücksichtigt worden. Sie suche insbesondere den Orthopäden einmal wöchentlich auf. Diese Angaben hat die Klägerin jedoch weder gegenüber den MEDICPROOF-Gutachtern so bestätigt (gegenüber Dr. Wü. etwa hat sie angegeben, alle Ärzte würden nur etwa einmal bzw. im Falle des Hausarztes ein- bis zweimal monatlich aufgesucht). Noch hat die in der nichtöffentlichen Sitzung der Berichterstatterin vom 24. Oktober 2011 als Zeugin vernommene Tochter der Klägerin, die diese pflegt, auf ausdrückliches Befragen die schriftsätzlichen Häufigkeitsangaben in der Berufungsbegründung bestätigt; der Orthopäde wird danach sogar nur etwa jedes halbe Jahr aufgesucht. Mit Blick darauf ergeben sich dem Senat keine Anhaltspunkte für eine insoweit offenkundige Fehlerhaftigkeit.

Eingewandt werden von der Klägerin weiter deutlich höhere Minutenangaben im Bereich der Darm- und Blasenentleerung. Dr. K. und Dr. H. hatten insoweit den Bedarf mit jeweils 58 bzw. 56 Minuten bei sieben bis acht hilfebedürftigen Toilettengängen angegeben, Dr. Wü. hat zuletzt einen Bedarf von täglich zehnmaligem Wechsel von Inkontinenzprodukten berücksichtigt und den insoweit bestehenden Zeitbedarf mit 71 Minuten am Tag eingeschätzt. Die Klägerin macht einen zusätzlichen Bedarf von täglich 50 Minuten geltend, wobei 20 Minuten auf die Nachtzeit entfielen, 30 Minuten dagegen zusätzlich tagsüber benötigt würden. Nachdem die Tochter der Klägerin, Frau D.K., einen solchen zusätzlichen Bedarf auch schon im Rahmen der Begutachtungssituationen geltend gemacht hat, haben sich alle drei MEDICPROOF-Gutachter mit den vorgebrachten Erfordernissen auseinandergesetzt. Sie sind alle drei übereinstimmend zu der Auffassung gelangt, dass der einerseits vorgetragene Bedarf häufiger Toilettengänge, die die Klägerin noch selbstständig verrichten könne, nicht in Einklang zu bringen ist mit einem andererseits vorgetragenen täglichen Verbrauch von 20 Windeln. Sowohl Dr. H. in seinem Gutachten vom 25. Juni 2006 als auch Dr. Wü. in seinem Gutachten vom 22. November 2011 haben insoweit explizit darauf verwiesen, dass bei Gebrauch hinreichend saugfähiger Inkontinenzprodukte ein solcher Verbrauch nicht nachvollzogen werden kann. Die Bewertung der Gutachter, dass den Angaben der Klägerin insoweit nicht gefolgt werden kann, der Bedarf vielmehr anderweitig zu schätzen sei, ist für den Senat gut nachvollziehbar und steht einer offenkundigen Unrichtigkeit der gutachterlichen Ergebnisse deutlich entgegen. Zu beurteilen ist stets das objektive Ausmaß des Pflegebedarfs, der sich zwar an den individuellen Bedürfnissen der zu pflegenden Person zu richten hat, dies jedoch nur, soweit diese sachlich begründet sind. Zudem verlangt der Gleichbehandlungsgrundsatz eine gewisse Standardisierung des Pflegebedarfs, die am Maßstab des allgemein Üblichen auszurichten ist (vgl. zum Ganzen näher Udsching, SGB XI, 3. Aufl., § 15 Rn. 4 m.w.n.). Dem sind die drei Gutachter nachgekommen. Sie weichen daher eben nicht im Sinne der Rechtsprechung des BSG von der tatsächlichen Sachlage offenkundig ab, sondern haben unter Berücksichtigung des Vorgetragenen und des Bedarfs, wie er sich ihnen aus gutachterlicher Sicht tatsächlich darstellt, eine eigene Bedarfseinschätzung getroffen, die sich im Übrigen - ausgehend von dem tatsächlich zugrundezulegenden - Bedarf im Rahmen der Zeitorientierungswerte der Begutachtungs-Richtlinien (zuletzt vom 08. Juni 2009) halten.

Schließlich hat die Klägerin noch eingewandt, dass auch bei der Nahrungsaufnahme 15 Minuten mehr benötigt würden als tatsächlich berücksichtigt. Sie verweist insoweit darauf, dass die linke Hand aufgrund des Trümmerbruchs praktisch nicht mehr einsetzbar sei. Auch hiermit lässt sich indes eine erhebliche Fehleinschätzung in den drei MEDICPROOF-Gutachten nicht begründen. Zunächst ist hierzu anzumerken, dass sowohl Dr. H. in seinem Gutachten vom 25. Juni 2006 als auch Dr. Wü. in seinem Gutachten vom 22. November 2011 von Unterschieden zwischen den gezeigten Restressourcen bei unbemerkten Spontanbewegungen einerseits und den im Rahmen der Begutachtung ausdrücklich angefragten Bewegungen berichtet haben. Offenbar ist der Klägerin daher im Bereich der oberen Extremitäten noch mehr möglich als auf ausdrückliche Anfrage gezeigt. Zudem hat Dr. Wü. den Bedarf im Bereich der Nahrungsaufnahme selbst zuletzt auf insgesamt 45 Minuten geschätzt und folglich bereits einen Zeitwert berücksichtigt, der nach den Begutachtungs-Richtlinien schon als unterer Zeitkorridor für die vollständige Übernahme angegeben wird.

Insgesamt verfangen die Einwände der Klägerin daher nicht; sie vermögen eine wesentliche Unrichtigkeit aller drei MEDICPROOF-Gutachten nicht zu begründen. Vielmehr bewegen sich alle Gutachten noch im Rahmen der ihnen von Gesetzes wegen eingeräumten Einschätzungsspielräume. Der Senat sieht sich insoweit im Übrigen dadurch bestätigt, dass auch das - nach den dargelegten Grundsätzen bereits nicht erforderliche - Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen P. vom 30. April 2009 keine Abweichung erbracht hat. Auch sie hat den Pflegebedarf als solchen der Pflegestufe II eingeschätzt.

Weitere Ermittlungen von Amts wegen, insbesondere die Einholung eines gerichtlichen Gutachten, war nach allem nicht erforderlich. Nach Maßgabe der nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle waren alle drei MEDICPROOF-Gutachten nicht zu beanstanden.

Damit aber kam auch die Einholung eines Gutachtens auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG nicht in Betracht. Dabei lässt der Senat dahingestellt, ob die als Sachverständige benannte Person, die offenbar eine Pflegefachkraft ist, überhaupt als Sachverständige nach § 109 Abs. 1 SGG benannt werden kann, obwohl diese Vorschrift lediglich die Anhörung eines Arztes als Gutachter vorsieht. Denn ohnehin liegen die Voraussetzungen für die Anhörung eines Sachverständigen gemäß § 109 SGG nicht vor. Für die Einholung eines Gutachtens nach Maßgabe dieser Vorschrift können nach Auffassung des Senats keine anderen Maßstäbe gelten als für die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen. Die Einschränkung des Umfangs der gerichtlichen Kontrolle in Folge der Anwendung von § 84 VVG bzw. § 64 VVG a.F. im Rahmen von Amts wegen durchzuführender Ermittlungen gilt entsprechend auch für die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Begutachtung nach § 109 SGG gegeben sind. Anderenfalls würde die in § 84 VVG bzw. § 64 VVG a.F. angelegte Bindungswirkung unterlaufen. Dem Antrag der Klägerin auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG war demnach nicht stattzugeben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil das BSG über die Frage, ob und wann im Rahmen eines Verfahrens der privaten Pflegeversicherung ein Gutachten gem. § 109 SGG einzuholen ist, bis jetzt nicht entschieden hat.
Rechtskraft
Aus
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