Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 5070/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1609/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10.03.2011 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 30.06.2010 und vom 15.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.09.2010 verurteilt, die für die Zeit vom 22.10.1979 bis 30.06.2010 nachgezahlte Witwenrente bereits ab dem 01.06.1988 mit vier vom Hundert zu verzinsen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte erstattet der Klägerin 2/3 ihrer außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die frühere Verzinsung der ihr für die Zeit vom 22.10.1979 bis 30.06.2010 nachgezahlte Witwenrente.
Die 1940 geborene Klägerin kam im Jahre 1969 aus dem ehemaligen J. nach Deutschland und heiratete am 01.07.1978 ihren am 22.10.1979 verstorbenen Ehemann. Am 22.03.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Witwenrente. Mit Bescheid vom 10.04.2007 gewährte die Beklagte der Klägerin rückwirkend ab 01.03.2006 Witwenrente in Höhe von 162,43 EUR monatlich. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, mit dem sie die Bewilligung der Witwenrente bereits ab dem 22.10.1979 begehrte. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück. Im darauf folgenden Klageverfahren (S 11 R 3374/07) stellte sich heraus, dass der am 02.01.1974 geborenen Tochter der Klägerin auf Antrag des Jugendamtes von der Beklagten mit Bescheid vom 05.11.1987 Waisenrente vom 01.01.1980 bis 30.09.1989 gewährt worden war. Daraufhin schlossen die Beteiligten einen Vergleich dahingehend, dass die Beklagte im Hinblick auf die für die Tochter bezahlte Waisenrente im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente erneut prüfen würde.
Nach erfolgter Prüfung gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 27.06.2008 aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs rückwirkend ab 01.01.2003 Witwenrente. Für die Zeit davor bestünde kein Anspruch, da § 44 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) analog anzuwenden sei, der die rückwirkende Änderung auf vier Jahre begrenze. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 04.07.2008 Widerspruch ein, mit dem sie Gewährung der Rente bereits ab dem 22.10.1979 begehrte. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.08.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auf die Klage der Klägerin beim Sozialgericht Freiburg (Az.: S 19 R 4358/08) wurde die Beklagte mit Urteil vom 04.11.2009 verurteilt, der Klägerin im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Witwenrente ab dem 22.10.1979 zu gewähren. In den Gründen wird u.a. ausgeführt, die Klägerin sei so zu stellen, als habe sie den Antrag auf Witwenrente zeitgleich mit dem Antrag auf Halbwaisenrente für ihre Tochter bereits im Jahr 1987 gestellt. § 44 Abs. 4 SGB X finde keine analoge Anwendung. Die Berufung gegen dieses Urteil wurde von der Beklagen mit Schriftsatz vom 04.05.2010 zurückgenommen.
In Ausführung dieses Urteils des Sozialgerichts gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 10.06.2010 Witwenrente für die Zeit vom 22.10.1979 bis 30.06.1992 und mit Bescheid vom 30.06.2010 Witwenrente ab 01.07.1992. In dem Bescheid vom 30.06.2010 wurde die nachzuzahlende Rente für die Zeit von Oktober 2007 bis Juni 2010 verzinst. Mit weiterem Bescheid vom 15.07.2010 wurde die für die Zeit vom 22.10.1979 bis 30.06.1992 zu zahlende Witwenrente von Oktober 2007 bis Juni 2010 verzinst.
Gegen die Bescheide vom 10.06.2010 und vom 30.06.2010 legte die Klägerin am 22.07.2010 Widerspruch ein, bezog mit Schreiben vom 18.08.2010 den Bescheid vom 15.07.2010 ein und machte einen Anspruch auf Zinsen auf die fällige Witwenrente für die Zeit ab 22.10.1979 bereits ab dem 22.10.1979 geltend.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.2010 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Bescheide vom 30.06.2010 und 15.07.2010 zurück. Sie führte zur Begründung aus, dass aus technischen Gründen die Umsetzung des Urteils in drei gesonderten Bescheiden vorzunehmen gewesen sei. Der Beginn der Verzinsung sei korrekt ermittelt worden. Ein Leistungsantrag sei vollständig, wenn der Antragsteller alle zur Entscheidung über die Leistung notwendigen Angaben gemacht und alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt habe. Am 22.03.2007 habe die Klägerin den vollständigen Antrag auf Witwenrente bei der Beklagten abgegeben. Zu verzinsen seien Ansprüche auf Geldleistung ab Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit, frühestens jedoch sechs Monate nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträgers. Damit sei eine Verzinsung ab dem 01.10.2007 vorzunehmen. Weitergehende Zinsansprüche seien auch aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht abzuleiten seien.
Am 04.10.2010 hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Sie ist der Auffassung, dass die Rentennachzahlung auch für die Zeit vom 01.12.1979 bis zum 30.09.2007 zu verzinsen sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.03.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Bescheide vom 10.06.2010, 30.06.2010 und 15.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 03.09.2010 seien rechtmäßig. Die Beklagte habe die Verzinsung zutreffend festgesetzt. Die Begründung des angefochtenen Bescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids sei zutreffend. Auf sie werde gemäß § 136 Abs. 3 SGG verwiesen. Ergänzend sei auszuführen: Die Klägerin besitze keinen Anspruch auf eine über § 44 SGB I hinausgehende Verzinsung. Die Vorschrift spreche ausdrücklich aus, dass Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 % zu verzinsen seien. Diese Regelung sei abschließend. Für einen weitergehenden Zinsanspruch bleibe kein Raum. Ein auf Verzinsung gerichteter Herstellungsanspruch werde durch die lex specialis § 44 SGB I verdrängt.
Gegen diesen ihr am 22.03.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26.04.2011 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt und im Wesentlichen vorgetragen, die Nachzahlung der Nominalrente aus der streitgegenständlichen Zeit vom 01.12.1979 bis zum 30.09.2007 stelle sie noch nicht so, wie sie gestanden hätte, wäre die Rente bereits bei Fälligkeit ausbezahlt worden, da im Lauf dieser langen Zeit ein erheblicher Kaufkraftverlust eingetreten sei. Beispielsweise entspreche die Kaufkraft von 100 DM im November 1979 der Kaufkraft von 181,70 DM im Dezember 2001. Den erlittenen Kaufkraftverlust habe die Klägerin anhand der Veröffentlichungen des statistischen Bundesamtes mit Schriftsatz vom 14.01.2011 detailliert vorgetragen und errechnet mit 14.551,27 EUR. Allein mit der erfolgten Nachzahlung der Nominal-Rente sei dieser Kaufkraftverlust noch nicht ausgeglichen und die gesetzeswidrige Beeinträchtigung noch nicht rückgängig gemacht. Hierzu sei die Beklagte bereits aufgrund des zwischen den Parteien bindenden Urteils des Sozialgerichts Freiburg verpflichtet. Die Gesetzesbindung i.S. von Art 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) gebiete dem Verwaltungsträger grundsätzlich, eine gesetzwidrige Beeinträchtigung eines gesetzlichen subjektiv-öffentlichen sozialen Rechts rückgängig zu machen, soweit dies zur Wiederherstellung der vom Gesetz eingeräumten Rechtsmacht notwendig sowie rechtlich und tatsächlich noch möglich sei. Hiergegen wende die Beklagte ein, ein Ausgleich des Kaufkraftverlustes sei rechtlich nicht möglich, da der analog anzuwendende § 44 SGB I einen abschließenden pauschalen Zinsausgleich regele. Dieser Einwand überzeuge nicht. Sie habe den durch Kaufkraftverlust entstandenen Schaden konkret beziffert. Insoweit mache sie keinen Zinsanspruch geltend, sondern einen Schadenersatzanspruch, der von dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ausweislich des angegriffenen Urteils des SG mitumfasst sei. Die Zinsregelung des § 44 SGB I sei in diesem Zusammenhang nicht analog anwendbar, da sie aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch keinen Zinsanspruch, sondern einen Schadenersatzanspruch herleite. Die zeitlich rückwirkende Begrenzung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei aufgrund des Urteils des Sozialgerichtes Freiburg S 19 R 4358/08 nicht möglich. Hierin sei die Beklagte rechtskräftig verurteilt worden, ihr Witwenrente aus sozialrechtlichem Herstellungsanspruch bereits ab dem 22.10.1979 zu gewähren. Bei rechtswidriger Beeinträchtigung eines sozialen Rechts durch den verpflichteten Leistungsträger folge hieraus daher grundsätzlich in allen Bereichen des SGB dessen Pflicht, alles rechtlich und tatsächlich Mögliche zu tun, damit das soziale Recht möglichst weitgehend verwirklicht werden könne. Sie habe daher einen Anspruch auf Ausgleich des Kaufkraftverlustes in tatsächlich erlittener Höhe, das seien wie dargelegt 14.551,27 EUR. Die Regelung des § 44 SGB I werde damit aus einen ganz anderen Aspekt relevant. Für alle gesetzlich geregelten Ansprüche rückwirkender Korrektur fehlerhaften Verwaltungshandelns habe der Gesetzgeber zur Vereinfachung pauschal eine Verzinsung von 4 % pa festgelegt, womit der Kaufkraftverlust ausgeglichen werde. Betrachte man die Geldentwertung der vergangenen Jahre bis 1979, so seien 4 % nur in zwei Monaten überschritten worden. Ansonsten habe die tatsächliche Geldentwertung unter 4 %, zeitweise sogar deutlich darunter gelegen. Werde jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers der Kaufkraftverlust in den gesetzlich geregelten Leistungsfällen generell mit 4 % pa entschädigt, so erhebe sich die Frage, warum ihr im Rahmen ihres sozialrechtlichen Herstellungsanspruches nur eine Entschädigungsleistung in Höhe des tatsächlich eingetretenen Kaufkraftverlustes zustehen solle. Art 3 GG gebiete, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln. Um dem zu genügen, sei auch im vorliegenden Fall eine Kaufkraftentschädigung mit pauschal 4 % pa zuzusprechen. Dies ergebe eine Entschädigung von 49.682,55 EUR. Das SG habe für die Parteien bindend entschieden, dass die Rente rückwirkend bis Oktober 1979 zu bezahlen und die Klägerin so zu stellen sei, wie sie bei pünktlicher Auszahlung der Rente gestanden hätte. Hiernach sei der seit Oktober 1979 eingetretene Kaufkraftverlust auszugleichen. Da die Höhe der Entschädigungsleistung wegen Kaufkraftverlust in Hinblick auf Art. 3 GG einheitlich zu behandeln sei, sei es im vorliegenden Fall nicht beim Ausgleich des tatsächlich eingetretenen Kaufkraftverlustes zu belassen, sondern die Rentennachzahlungen mit 4 % pa zu verzinsen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10.03.2011 aufzuheben und die Bescheide vom 30.06.2010 und vom 15.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.09.2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Rentennachzahlung für die Zeit vom 01.12.1979 bis zum 30.09.2007 in Höhe von 4 % p. a. zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend und ihre Bescheide für rechtmäßig.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gerichtsakten des SG und der Berufungsakten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Die Berufung ist auch sonst gem. § 151 SGG zulässig.
Mit der Berufung wird der Anspruch auf Verzinsung aus dem Verwaltungsverfahren und dem erstinstanzlichen Verfahren weiterverfolgt. Auch wenn mit der Berufungsbegründung die bezifferte Forderung mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe einer Verzinsung der Nachzahlung für den streitgegenständlichen Zeitraum in Höhe von 4 v.H. begründet wird, ist das Begehren in der Sache weiterhin darauf gerichtet, die im Bescheid vom 30.06.1992 und 15.07.2010 enthaltende Ablehnung, die nachgezahlte Witwenrente für die Zeit vom 22.10.1979 bis 30.06.2010 bereits ab einem früheren Zeitpunkt als Oktober 2007 zu verzinsen, aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von Zinsen auch für die Zeit vom 01.12.1979 bis zum 30.09.2007 zu verurteilen.
Die Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass die Witwenrente für die Zeit ab 22.10.1979 bereits von Juni 1988 an in Höhe des jeweils fälligen Betrags einschließlich der bis zum Juni 1988 aufgelaufenen Leistungen verzinst wird. Dementsprechend sind die Bescheide vom 30.06.2010 (für die Nachzahlung der Witwenrente vom 01.07.1992 bis 30.06.2010) und vom 15.07.2010 (für die Nachzahlung der Witwenrente vom 22.10.1979 bis 30.06.1992) insoweit rechtswidrig als sie die Verzinsung für die Zeit vom 01.06.1988 bis 30.09.2007 ablehnen und verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten.
Nach § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v.H. zu verzinsen. Ansprüche auf Sozialleistungen werden mit ihrem Entstehen fällig (§ 41 SGB I) und sie entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 40 Abs. 1 SGB I). Nach § 44 Abs. 2 SGB I beginnt die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung. Ein vollständiger Leistungsantrag ist ein Antrag, mit dem der Sachverhalt vollständig dargelegt wird, um die im Gesetz bestimmten Voraussetzungen für einen Anspruch auf Sozialleistungen überprüfen und sein Entstehen feststellen zu können. Mit der Sechsmonatsfrist wird der Verwaltung die Möglichkeit gegeben, nach Kenntnisnahme von den Anspruchsvoraussetzungen die Leistungen festzustellen und zu erbringen, um so nicht mit einer unüberschaubaren Zinsbelastung überzogen zu werden. Die Verwaltung hat es damit in der Hand, durch schnelle Bearbeitung der vollständigen Leistungsanträge in der Regel nicht mit Zinsen belastet zu werden (zum Zugunstenverfahren BSG, Urteil vom 17.11.1981 - 9 RV 26/81 -, veröffentlicht in juris).
Die Ansprüche der Klägerin auf monatliche Witwenrentenleistungen für die Zeit vom 22.10.1979 bis zum 30.06.2010 in der von den insoweit nicht angegriffenen Bescheiden vom 10. und 30.06.2010 festgestellten Höhe sind seit dem 22.10.1979 jeweils zu Beginn des neuen Monats entstanden und fällig geworden. Ihre im Gesetz bestimmten Voraussetzungen einschließlich des Leistungsantrags sind von der Beklagten in den genannten Bescheiden festgestellt worden.
Die Beklagte verweigert die Zinszahlung für den streitgegenständlichen Zeitraum mit dem Einwand, dass nach § 44 Abs. 2 SGB I die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger beginne. Die Klägerin habe erst am 22.03.2007 einen vollständigen Antrag gestellt
Dieser Rechtsauffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Zutreffend ist, dass maßgebend für die Sechsmonatsfrist nach § 44 Abs. 2 SGB I das Vorliegen eines vollständigen Leistungsantrags ist. Ein früherer Zinszeitpunkt ergibt sich hier aber aus dem maßgeblichen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (vgl. BSG, Urteil vom 31.01.2008 - B 13 R 17/07 R -, veröffentlicht in Juris). Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung (§ 14 SGB I) und Auskunft (§ 15 SGB I), verletzt hat. Weiter ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist somit nicht auf die Gewährung von Schadensersatz im Sinne einer Kompensation in Geld, sondern auf Naturalrestitution gerichtet, d.h. auf Vornahme einer Handlung zur Herstellung einer sozialrechtlichen Position im Sinne desjenigen Zustands, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Soweit die Klägerin den Ersatz eines Schadens wegen eines Fehlverhaltens der Beklagten geltend. Ein solcher Schadensersatzanspruch in Geld ist aber keine Rechtsfolge des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.2010 - B 13 R 15/10 R -, veröffentlicht in Juris m.w.N.).
Der Herstellungsanspruch zielt damit darauf ab, einen Versicherten im Falle des rechtswidrigen Verhaltens eines Sozialleistungsträgers so zu stellen, als ob sich der Leistungsträger von Anfang an rechtmäßig verhalten hätte (vgl. BSG, Urteil vom 31.01.2008 - B 13 R 17/07 R -, m.w.N. veröffentlicht in Juris). Er verpflichtet den zuständigen Sozialleistungsträger dazu, jenen Zustand herzustellen, der ohne die ihm zuzurechnende Pflichtverletzung bestehen würde (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.2003 - B 4 RA 38/02 R - veröffentlicht in Juris). Hat die Pflichtverletzung die Versäumung von Anträgen oder Antragsfristen zur Folge gehabt, darf sich der Sozialleistungsträger nicht auf die eingetretenen Rechtsfolgen berufen, sondern muss den Berechtigten so behandeln, als sei sein Antrag rechtzeitig und ordnungsgemäß gestellt worden (vgl. etwa BSG, Urteil vom 29.09.1987 - 7 RAr 23/86 - BSGE 62, 179 (182 ff.) m.w.N.). So verhält es sich hier.
Insoweit ist davon auszugehen, dass der Tochter der Klägerin mit Bescheid vom 05.11.1987 Waisenrente gewährt wurde. Der zugrunde liegende Antrag war vom Jugendamt gestellt worden. Infolge dieses Antrags hätte die Beklagte die Klägerin während des Waisenrentenverfahrens ihrer Tochter bezüglich ihres Witwenrentenanspruchs beraten müssen. Wäre die Beklagte der Verpflichtung nachgekommen, kann ohne Weiteres angenommen werden, dass die Klägerin den Antrag zeitnah auf den Weg gebracht hätte und nicht erst am 22.03.2007. Dementsprechend ist die Klägerin so zu stellen, als wäre der vollständige Antrag vom 22.03.2007 bereits im November 1987 gestellt worden. Damit hat sie Anspruch auf Verzinsung nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach dem dieser Antrag eingegangen wäre, mithin ab dem 01.06.1988.
Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht geklärt, ob der Umfang einer rückwirkenden Leistungserbringung im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nach dem Rechtsgedanken des § 44 Abs. 4 SGB X auf einen Zeitraum von längstens vier Kalenderjahren vor dem Begehren auf rückwirkende Gewährung einer Leistung einzuschränken ist (vgl. zum Meinungsstand BSG, Urteil vom 26.06.2007 - B 4 R 19/07 R - m.w.N. veröffentlicht in Juris). Dies bedarf im vorliegenden Fall jedoch bereits deswegen keiner weitergehenden Vertiefung, weil hier über akzessorische Nebenleistungen zu entscheiden ist und der Zeitraum der Hauptleistungsverpflichtung (Witwenrente) nicht streitig, sondern bereits rechtskräftig festgestellt ist. Ist die Hauptleistung dementsprechend ab dem 22.10.1979 zu zahlen, ist diese damit nach Ablauf von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs für das Vorliegen eines vollständigen Antrags maßgebend ist, zu verzinsen. Dies ist hier der 01.06.1988.
Im Übrigen ist die Klage jedoch unbegründet. Es gibt keine Grundlage für einen Anspruch auf Verzinsung bereits ab dem 01.12.1979. Grundsätzlich kann, wie dargelegt, aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kein Anspruch auf Schadensersatz in Geld abgeleitet werden kann. Zudem ist auch nicht erkennbar, an welchem Tun oder Unterlassen der Beklagten vor der Stellung des Antrags auf Waisenrente ein rechtswidriges Handeln der Beklagten gesehen werden könnte. Dass die Klägerin vor November 1988 keinen Antrag auf Witwenrente gestellt hat, lag allein in ihrer Sphäre, so dass sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt so zu stellen ist, als hätte sie diesen Antrag so rechtzeitig gestellt, dass ihr die Rente schon ab dem 01.12.1979 hätte ausgezahlt werden können.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte erstattet der Klägerin 2/3 ihrer außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die frühere Verzinsung der ihr für die Zeit vom 22.10.1979 bis 30.06.2010 nachgezahlte Witwenrente.
Die 1940 geborene Klägerin kam im Jahre 1969 aus dem ehemaligen J. nach Deutschland und heiratete am 01.07.1978 ihren am 22.10.1979 verstorbenen Ehemann. Am 22.03.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Witwenrente. Mit Bescheid vom 10.04.2007 gewährte die Beklagte der Klägerin rückwirkend ab 01.03.2006 Witwenrente in Höhe von 162,43 EUR monatlich. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, mit dem sie die Bewilligung der Witwenrente bereits ab dem 22.10.1979 begehrte. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück. Im darauf folgenden Klageverfahren (S 11 R 3374/07) stellte sich heraus, dass der am 02.01.1974 geborenen Tochter der Klägerin auf Antrag des Jugendamtes von der Beklagten mit Bescheid vom 05.11.1987 Waisenrente vom 01.01.1980 bis 30.09.1989 gewährt worden war. Daraufhin schlossen die Beteiligten einen Vergleich dahingehend, dass die Beklagte im Hinblick auf die für die Tochter bezahlte Waisenrente im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente erneut prüfen würde.
Nach erfolgter Prüfung gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 27.06.2008 aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs rückwirkend ab 01.01.2003 Witwenrente. Für die Zeit davor bestünde kein Anspruch, da § 44 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) analog anzuwenden sei, der die rückwirkende Änderung auf vier Jahre begrenze. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 04.07.2008 Widerspruch ein, mit dem sie Gewährung der Rente bereits ab dem 22.10.1979 begehrte. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.08.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auf die Klage der Klägerin beim Sozialgericht Freiburg (Az.: S 19 R 4358/08) wurde die Beklagte mit Urteil vom 04.11.2009 verurteilt, der Klägerin im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Witwenrente ab dem 22.10.1979 zu gewähren. In den Gründen wird u.a. ausgeführt, die Klägerin sei so zu stellen, als habe sie den Antrag auf Witwenrente zeitgleich mit dem Antrag auf Halbwaisenrente für ihre Tochter bereits im Jahr 1987 gestellt. § 44 Abs. 4 SGB X finde keine analoge Anwendung. Die Berufung gegen dieses Urteil wurde von der Beklagen mit Schriftsatz vom 04.05.2010 zurückgenommen.
In Ausführung dieses Urteils des Sozialgerichts gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 10.06.2010 Witwenrente für die Zeit vom 22.10.1979 bis 30.06.1992 und mit Bescheid vom 30.06.2010 Witwenrente ab 01.07.1992. In dem Bescheid vom 30.06.2010 wurde die nachzuzahlende Rente für die Zeit von Oktober 2007 bis Juni 2010 verzinst. Mit weiterem Bescheid vom 15.07.2010 wurde die für die Zeit vom 22.10.1979 bis 30.06.1992 zu zahlende Witwenrente von Oktober 2007 bis Juni 2010 verzinst.
Gegen die Bescheide vom 10.06.2010 und vom 30.06.2010 legte die Klägerin am 22.07.2010 Widerspruch ein, bezog mit Schreiben vom 18.08.2010 den Bescheid vom 15.07.2010 ein und machte einen Anspruch auf Zinsen auf die fällige Witwenrente für die Zeit ab 22.10.1979 bereits ab dem 22.10.1979 geltend.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.2010 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Bescheide vom 30.06.2010 und 15.07.2010 zurück. Sie führte zur Begründung aus, dass aus technischen Gründen die Umsetzung des Urteils in drei gesonderten Bescheiden vorzunehmen gewesen sei. Der Beginn der Verzinsung sei korrekt ermittelt worden. Ein Leistungsantrag sei vollständig, wenn der Antragsteller alle zur Entscheidung über die Leistung notwendigen Angaben gemacht und alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt habe. Am 22.03.2007 habe die Klägerin den vollständigen Antrag auf Witwenrente bei der Beklagten abgegeben. Zu verzinsen seien Ansprüche auf Geldleistung ab Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit, frühestens jedoch sechs Monate nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträgers. Damit sei eine Verzinsung ab dem 01.10.2007 vorzunehmen. Weitergehende Zinsansprüche seien auch aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht abzuleiten seien.
Am 04.10.2010 hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Sie ist der Auffassung, dass die Rentennachzahlung auch für die Zeit vom 01.12.1979 bis zum 30.09.2007 zu verzinsen sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.03.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Bescheide vom 10.06.2010, 30.06.2010 und 15.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 03.09.2010 seien rechtmäßig. Die Beklagte habe die Verzinsung zutreffend festgesetzt. Die Begründung des angefochtenen Bescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids sei zutreffend. Auf sie werde gemäß § 136 Abs. 3 SGG verwiesen. Ergänzend sei auszuführen: Die Klägerin besitze keinen Anspruch auf eine über § 44 SGB I hinausgehende Verzinsung. Die Vorschrift spreche ausdrücklich aus, dass Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 % zu verzinsen seien. Diese Regelung sei abschließend. Für einen weitergehenden Zinsanspruch bleibe kein Raum. Ein auf Verzinsung gerichteter Herstellungsanspruch werde durch die lex specialis § 44 SGB I verdrängt.
Gegen diesen ihr am 22.03.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26.04.2011 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt und im Wesentlichen vorgetragen, die Nachzahlung der Nominalrente aus der streitgegenständlichen Zeit vom 01.12.1979 bis zum 30.09.2007 stelle sie noch nicht so, wie sie gestanden hätte, wäre die Rente bereits bei Fälligkeit ausbezahlt worden, da im Lauf dieser langen Zeit ein erheblicher Kaufkraftverlust eingetreten sei. Beispielsweise entspreche die Kaufkraft von 100 DM im November 1979 der Kaufkraft von 181,70 DM im Dezember 2001. Den erlittenen Kaufkraftverlust habe die Klägerin anhand der Veröffentlichungen des statistischen Bundesamtes mit Schriftsatz vom 14.01.2011 detailliert vorgetragen und errechnet mit 14.551,27 EUR. Allein mit der erfolgten Nachzahlung der Nominal-Rente sei dieser Kaufkraftverlust noch nicht ausgeglichen und die gesetzeswidrige Beeinträchtigung noch nicht rückgängig gemacht. Hierzu sei die Beklagte bereits aufgrund des zwischen den Parteien bindenden Urteils des Sozialgerichts Freiburg verpflichtet. Die Gesetzesbindung i.S. von Art 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) gebiete dem Verwaltungsträger grundsätzlich, eine gesetzwidrige Beeinträchtigung eines gesetzlichen subjektiv-öffentlichen sozialen Rechts rückgängig zu machen, soweit dies zur Wiederherstellung der vom Gesetz eingeräumten Rechtsmacht notwendig sowie rechtlich und tatsächlich noch möglich sei. Hiergegen wende die Beklagte ein, ein Ausgleich des Kaufkraftverlustes sei rechtlich nicht möglich, da der analog anzuwendende § 44 SGB I einen abschließenden pauschalen Zinsausgleich regele. Dieser Einwand überzeuge nicht. Sie habe den durch Kaufkraftverlust entstandenen Schaden konkret beziffert. Insoweit mache sie keinen Zinsanspruch geltend, sondern einen Schadenersatzanspruch, der von dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ausweislich des angegriffenen Urteils des SG mitumfasst sei. Die Zinsregelung des § 44 SGB I sei in diesem Zusammenhang nicht analog anwendbar, da sie aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch keinen Zinsanspruch, sondern einen Schadenersatzanspruch herleite. Die zeitlich rückwirkende Begrenzung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei aufgrund des Urteils des Sozialgerichtes Freiburg S 19 R 4358/08 nicht möglich. Hierin sei die Beklagte rechtskräftig verurteilt worden, ihr Witwenrente aus sozialrechtlichem Herstellungsanspruch bereits ab dem 22.10.1979 zu gewähren. Bei rechtswidriger Beeinträchtigung eines sozialen Rechts durch den verpflichteten Leistungsträger folge hieraus daher grundsätzlich in allen Bereichen des SGB dessen Pflicht, alles rechtlich und tatsächlich Mögliche zu tun, damit das soziale Recht möglichst weitgehend verwirklicht werden könne. Sie habe daher einen Anspruch auf Ausgleich des Kaufkraftverlustes in tatsächlich erlittener Höhe, das seien wie dargelegt 14.551,27 EUR. Die Regelung des § 44 SGB I werde damit aus einen ganz anderen Aspekt relevant. Für alle gesetzlich geregelten Ansprüche rückwirkender Korrektur fehlerhaften Verwaltungshandelns habe der Gesetzgeber zur Vereinfachung pauschal eine Verzinsung von 4 % pa festgelegt, womit der Kaufkraftverlust ausgeglichen werde. Betrachte man die Geldentwertung der vergangenen Jahre bis 1979, so seien 4 % nur in zwei Monaten überschritten worden. Ansonsten habe die tatsächliche Geldentwertung unter 4 %, zeitweise sogar deutlich darunter gelegen. Werde jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers der Kaufkraftverlust in den gesetzlich geregelten Leistungsfällen generell mit 4 % pa entschädigt, so erhebe sich die Frage, warum ihr im Rahmen ihres sozialrechtlichen Herstellungsanspruches nur eine Entschädigungsleistung in Höhe des tatsächlich eingetretenen Kaufkraftverlustes zustehen solle. Art 3 GG gebiete, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln. Um dem zu genügen, sei auch im vorliegenden Fall eine Kaufkraftentschädigung mit pauschal 4 % pa zuzusprechen. Dies ergebe eine Entschädigung von 49.682,55 EUR. Das SG habe für die Parteien bindend entschieden, dass die Rente rückwirkend bis Oktober 1979 zu bezahlen und die Klägerin so zu stellen sei, wie sie bei pünktlicher Auszahlung der Rente gestanden hätte. Hiernach sei der seit Oktober 1979 eingetretene Kaufkraftverlust auszugleichen. Da die Höhe der Entschädigungsleistung wegen Kaufkraftverlust in Hinblick auf Art. 3 GG einheitlich zu behandeln sei, sei es im vorliegenden Fall nicht beim Ausgleich des tatsächlich eingetretenen Kaufkraftverlustes zu belassen, sondern die Rentennachzahlungen mit 4 % pa zu verzinsen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10.03.2011 aufzuheben und die Bescheide vom 30.06.2010 und vom 15.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.09.2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Rentennachzahlung für die Zeit vom 01.12.1979 bis zum 30.09.2007 in Höhe von 4 % p. a. zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend und ihre Bescheide für rechtmäßig.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gerichtsakten des SG und der Berufungsakten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Die Berufung ist auch sonst gem. § 151 SGG zulässig.
Mit der Berufung wird der Anspruch auf Verzinsung aus dem Verwaltungsverfahren und dem erstinstanzlichen Verfahren weiterverfolgt. Auch wenn mit der Berufungsbegründung die bezifferte Forderung mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe einer Verzinsung der Nachzahlung für den streitgegenständlichen Zeitraum in Höhe von 4 v.H. begründet wird, ist das Begehren in der Sache weiterhin darauf gerichtet, die im Bescheid vom 30.06.1992 und 15.07.2010 enthaltende Ablehnung, die nachgezahlte Witwenrente für die Zeit vom 22.10.1979 bis 30.06.2010 bereits ab einem früheren Zeitpunkt als Oktober 2007 zu verzinsen, aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von Zinsen auch für die Zeit vom 01.12.1979 bis zum 30.09.2007 zu verurteilen.
Die Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass die Witwenrente für die Zeit ab 22.10.1979 bereits von Juni 1988 an in Höhe des jeweils fälligen Betrags einschließlich der bis zum Juni 1988 aufgelaufenen Leistungen verzinst wird. Dementsprechend sind die Bescheide vom 30.06.2010 (für die Nachzahlung der Witwenrente vom 01.07.1992 bis 30.06.2010) und vom 15.07.2010 (für die Nachzahlung der Witwenrente vom 22.10.1979 bis 30.06.1992) insoweit rechtswidrig als sie die Verzinsung für die Zeit vom 01.06.1988 bis 30.09.2007 ablehnen und verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten.
Nach § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v.H. zu verzinsen. Ansprüche auf Sozialleistungen werden mit ihrem Entstehen fällig (§ 41 SGB I) und sie entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 40 Abs. 1 SGB I). Nach § 44 Abs. 2 SGB I beginnt die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung. Ein vollständiger Leistungsantrag ist ein Antrag, mit dem der Sachverhalt vollständig dargelegt wird, um die im Gesetz bestimmten Voraussetzungen für einen Anspruch auf Sozialleistungen überprüfen und sein Entstehen feststellen zu können. Mit der Sechsmonatsfrist wird der Verwaltung die Möglichkeit gegeben, nach Kenntnisnahme von den Anspruchsvoraussetzungen die Leistungen festzustellen und zu erbringen, um so nicht mit einer unüberschaubaren Zinsbelastung überzogen zu werden. Die Verwaltung hat es damit in der Hand, durch schnelle Bearbeitung der vollständigen Leistungsanträge in der Regel nicht mit Zinsen belastet zu werden (zum Zugunstenverfahren BSG, Urteil vom 17.11.1981 - 9 RV 26/81 -, veröffentlicht in juris).
Die Ansprüche der Klägerin auf monatliche Witwenrentenleistungen für die Zeit vom 22.10.1979 bis zum 30.06.2010 in der von den insoweit nicht angegriffenen Bescheiden vom 10. und 30.06.2010 festgestellten Höhe sind seit dem 22.10.1979 jeweils zu Beginn des neuen Monats entstanden und fällig geworden. Ihre im Gesetz bestimmten Voraussetzungen einschließlich des Leistungsantrags sind von der Beklagten in den genannten Bescheiden festgestellt worden.
Die Beklagte verweigert die Zinszahlung für den streitgegenständlichen Zeitraum mit dem Einwand, dass nach § 44 Abs. 2 SGB I die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger beginne. Die Klägerin habe erst am 22.03.2007 einen vollständigen Antrag gestellt
Dieser Rechtsauffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Zutreffend ist, dass maßgebend für die Sechsmonatsfrist nach § 44 Abs. 2 SGB I das Vorliegen eines vollständigen Leistungsantrags ist. Ein früherer Zinszeitpunkt ergibt sich hier aber aus dem maßgeblichen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (vgl. BSG, Urteil vom 31.01.2008 - B 13 R 17/07 R -, veröffentlicht in Juris). Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung (§ 14 SGB I) und Auskunft (§ 15 SGB I), verletzt hat. Weiter ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist somit nicht auf die Gewährung von Schadensersatz im Sinne einer Kompensation in Geld, sondern auf Naturalrestitution gerichtet, d.h. auf Vornahme einer Handlung zur Herstellung einer sozialrechtlichen Position im Sinne desjenigen Zustands, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Soweit die Klägerin den Ersatz eines Schadens wegen eines Fehlverhaltens der Beklagten geltend. Ein solcher Schadensersatzanspruch in Geld ist aber keine Rechtsfolge des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.2010 - B 13 R 15/10 R -, veröffentlicht in Juris m.w.N.).
Der Herstellungsanspruch zielt damit darauf ab, einen Versicherten im Falle des rechtswidrigen Verhaltens eines Sozialleistungsträgers so zu stellen, als ob sich der Leistungsträger von Anfang an rechtmäßig verhalten hätte (vgl. BSG, Urteil vom 31.01.2008 - B 13 R 17/07 R -, m.w.N. veröffentlicht in Juris). Er verpflichtet den zuständigen Sozialleistungsträger dazu, jenen Zustand herzustellen, der ohne die ihm zuzurechnende Pflichtverletzung bestehen würde (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.2003 - B 4 RA 38/02 R - veröffentlicht in Juris). Hat die Pflichtverletzung die Versäumung von Anträgen oder Antragsfristen zur Folge gehabt, darf sich der Sozialleistungsträger nicht auf die eingetretenen Rechtsfolgen berufen, sondern muss den Berechtigten so behandeln, als sei sein Antrag rechtzeitig und ordnungsgemäß gestellt worden (vgl. etwa BSG, Urteil vom 29.09.1987 - 7 RAr 23/86 - BSGE 62, 179 (182 ff.) m.w.N.). So verhält es sich hier.
Insoweit ist davon auszugehen, dass der Tochter der Klägerin mit Bescheid vom 05.11.1987 Waisenrente gewährt wurde. Der zugrunde liegende Antrag war vom Jugendamt gestellt worden. Infolge dieses Antrags hätte die Beklagte die Klägerin während des Waisenrentenverfahrens ihrer Tochter bezüglich ihres Witwenrentenanspruchs beraten müssen. Wäre die Beklagte der Verpflichtung nachgekommen, kann ohne Weiteres angenommen werden, dass die Klägerin den Antrag zeitnah auf den Weg gebracht hätte und nicht erst am 22.03.2007. Dementsprechend ist die Klägerin so zu stellen, als wäre der vollständige Antrag vom 22.03.2007 bereits im November 1987 gestellt worden. Damit hat sie Anspruch auf Verzinsung nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach dem dieser Antrag eingegangen wäre, mithin ab dem 01.06.1988.
Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht geklärt, ob der Umfang einer rückwirkenden Leistungserbringung im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nach dem Rechtsgedanken des § 44 Abs. 4 SGB X auf einen Zeitraum von längstens vier Kalenderjahren vor dem Begehren auf rückwirkende Gewährung einer Leistung einzuschränken ist (vgl. zum Meinungsstand BSG, Urteil vom 26.06.2007 - B 4 R 19/07 R - m.w.N. veröffentlicht in Juris). Dies bedarf im vorliegenden Fall jedoch bereits deswegen keiner weitergehenden Vertiefung, weil hier über akzessorische Nebenleistungen zu entscheiden ist und der Zeitraum der Hauptleistungsverpflichtung (Witwenrente) nicht streitig, sondern bereits rechtskräftig festgestellt ist. Ist die Hauptleistung dementsprechend ab dem 22.10.1979 zu zahlen, ist diese damit nach Ablauf von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs für das Vorliegen eines vollständigen Antrags maßgebend ist, zu verzinsen. Dies ist hier der 01.06.1988.
Im Übrigen ist die Klage jedoch unbegründet. Es gibt keine Grundlage für einen Anspruch auf Verzinsung bereits ab dem 01.12.1979. Grundsätzlich kann, wie dargelegt, aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kein Anspruch auf Schadensersatz in Geld abgeleitet werden kann. Zudem ist auch nicht erkennbar, an welchem Tun oder Unterlassen der Beklagten vor der Stellung des Antrags auf Waisenrente ein rechtswidriges Handeln der Beklagten gesehen werden könnte. Dass die Klägerin vor November 1988 keinen Antrag auf Witwenrente gestellt hat, lag allein in ihrer Sphäre, so dass sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt so zu stellen ist, als hätte sie diesen Antrag so rechtzeitig gestellt, dass ihr die Rente schon ab dem 01.12.1979 hätte ausgezahlt werden können.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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