Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KG 1/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 KG 4/12
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligen streiten über die Rechtmäßigkeit einer Zurückweisung der Klägerin als Bevollmächtigte in einem Kindergeldverfahren nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG).
Die beiden Gesellschafter der Klägerin sind Steuerberater. Ihr Mandant ist Herr J. D. (im Folgenden: J.D.). Dieser ist – wie seine (inzwischen geschiedene) Ehefrau und die gemeinsamen drei minderjährigen Kinder – niederländischer Staatsangehöriger. Alle Familienmitglieder wohnen in den Niederlanden. J.D. ist in Deutschland beschäftigt, nicht unbeschränkt nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) einkommensteuerpflichtig, jedoch versicherungspflichtig nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).
J.D. bezog für seine Kinder Familienleistungen nach niederländischem Recht und seit Juli 2008 (vgl. Bescheid vom 11.02.2009) von der Beklagten deutsches Kindergeld nach dem BKGG in Höhe des Unterschiedsbetrages zu den – ggf. niedrigeren – niederländischen Leistungen. Seit dem 25.03.2011 sind J.D. und seine Frau geschieden und leben voneinander getrennt. Die drei Kinder leben im Haushalt ihrer Mutter und sind unter deren Anschrift mit ihrem Wohnsitz gemeldet; sie halten sich tageweise bei J.D. auf. Durch bestandskräftigen Bescheid vom 16.05.2011 hob die Beklagte die Kindergeldbewilligungsentscheidung gegenüber J.D. ab April 2011 auf.
Am 11.07.2011 beantragte J.D. bei der Beklagten deutsches Kindergeld (Ausland). Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 10.08.2011 ab mit der Begründung, die Kindesmutter, in deren Haushalt die Kinder lebten, habe vorrangigen Anspruch, den sie bei der zuständigen Kindergeldkasse geltend machen könne. Hiergegen legte die Klägerin im Auftrag von J.D. am 05.09.2011 Widerspruch ein. Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit, dass sie in dieser Angelegenheit zur außergerichtlichen Rechtsdienstleistung nach dem Rechtdienstleistungsgesetz (RDG) nicht befugt sei; es sei deshalb eine Zurückweisung als Bevollmächtigte beabsichtigt. Darauf erwiderte die Klägerin, dass "Vorschriften zum Kindergeld im X. Abschnitt des EStG geregelt" seien, sodass sie als Steuerberater auch bei der Familienkasse Mandanten vertreten dürfe.
Durch Bescheid vom 16.11.2011, der gegenüber der Klägerin erging und zugleich J.D. mitgeteilt wurde, wies die Beklagte die Klägerin als Bevollmächtigte des J.D. im Kindergeldablehnungsverfahren zurück. Sie vertrat die Auffassung, Steuerberater seien gem. §§ 1, 3, 33 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) ausschließlich zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt; Geschäftsbesorgung in sozialrechtlichen Angelegenheiten – hier: nach dem BKGG – falle nicht darunter, sei Steuerberatern also nicht gestattet.
Dagegen erhob die Klägerin am 08.12.2011 Widerspruch. Sie wies daraufhin, dass das Kindergeld auch im X. Abschnitt des EStG geregelt sei; die Vorschriften zum Kindergeld in § 3 Abs. 2 BKGG und § 64 EStG seien wortwörtlich identisch. In § 77 EStG werde die Kostenerstattung im Vorverfahren geregelt. Danach habe die Familienkasse sogar die Kosten zu tragen, wenn der Einspruch erfolgreich sei. Im Abs. 2 des § 77 EStG heiße es wörtlich: "Die Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistandes, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind erstattungsfähig, wenn dessen Zuziehung notwendig ist."
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 29.12.2011 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 02.02.2012 Klage erhoben.
In der Zwischenzeit hatten J.D. den von der Klägerin eingelegten Widerspruch gegen den Kindergeldablehnungsbescheid vom 10.08.2011 begründet und die Beklagte diesen Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 18.01.2012 gegenüber J.D. unter Hinweis auf die EU-Verordnung 833/2004 und § 3 Abs. 2 BKGG zurückgewiesen.
Die Klägerin ist der Auffassung, das Kindergeldrecht sei in den entscheidenden Bereichen im BKGG und im EStG identisch geregelt; somit sei davon auszugehen, dass das Kindergeldrecht sowohl eine sozialrechtliche als auch eine steuerrechtliche Angelegenheit sei. Die Klägerin meint, der vorliegende Fall werfe zahlreiche verfassungsrechtliche und europarechtliche Fragen auf; J.D. und sie würden durch die Auffassung der Beklagten unmittelbar in ihren unionsrechtlich verbürgten Freiheitsrechten verletzt. J.D. werde auch gegenüber deutschen Staatsangehörigen mit Sitz in Belgien oder den Niederlanden benachteiligt; denn ein deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in den Niederlanden könne sich dort an einen "Belastingadviseur" wenden. Desweiteren meint die Klägerin: orientiere man sich ausschließlich an der einfach gesetzlichen Differenzierung, so gebe es die "EStG-Eltern" und die "BKGG-Eltern". Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unterscheide aber nicht zwischen Eltern unterschiedlicher Kategorien, sodass die Unterscheidung zwischen "EStG-Eltern" und "BKGG-Eltern" auch vor diesem Hintergrund fragwürdig sei.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
festzustellen, dass der Bescheid der Familienkasse Aachen vom 16.11.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2011 rechtswidrig gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsauffassung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen, J.D. betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Obwohl für die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, konnte die Kammer (einseitig) verhandeln und entscheiden, weil der Bevollmächtigte der Klägerin in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG) zulässig. Durch den an J.D. bekannt gegebenen Widerspruchsbescheid vom 18.01.2012 ist das Widerspruchsverfahren gegen den Kindergeldablehnungsbescheid abgeschlossen worden. Dadurch hat sich die Zurückweisung der Klägerin mit Bescheid vom 16.11.2011 erledigt. Einer – insbesondere notwendigen – Beiladung des J.D. zu diesem Rechtsstreit hat es insofern nicht bedurft (vgl. in diesem Sinne auch: LSG Bayern, Urteil vom 27.07.2011 – L 10 AL 193/08).
Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, da eine Wiederholungsgefahr besteht. In weiteren Kindergeldverfahren nach dem BKGG wird sich erneut die Rechtsfrage stellen, ob sie als Steuerberaterkanzlei Bevollmächtigte in einem solchen Verfahren sein darf.
Die Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16.11.2011 und der Widerspruchsbescheid vom 29.12.2011 waren und sind rechtmäßig. Zu Recht hat die Beklagte die Klägerin als Bevollmächtigte des J.D. im Kindergeldverfahren nach dem BKGG zurückgewiesen.
Einschlägige Rechtsgrundlage der Zurückweisung ist § 13 Abs. 5 des Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Das SGB X findet in Kindergeldangelegenheiten nach dem BKGG Anwendung, wie sich aus § 18 BKGG ergibt. Nach dieser Vorschrift ist, da das BKGG keine andere ausdrückliche Regelung trifft, das Sozialgesetzbuch – hier: das SGB X – anzuwenden.
Gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann sich ein Beteiligter durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Bevollmächtigte und Beistände sind jedoch zurückzuweisen, wenn sie entgegen § 3 RDG Rechtsdienstleistungen erbringen (§ 13 Abs. 5 SGB X). Diese Voraussetzung liegt in der Person der Klägerin vor. Nach § 3 RDG ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das RDG oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert (§ 2 Abs. 1 RDG). Mit der Erhebung des Widerspruchs vom 02.09.2011 gegen den Kinderablehnungsbescheid vom 10.08.2011 hat die Klägerin – außergerichtlich – eine Rechtsdienstleistung erbracht, weil damit die rechtliche Prüfung eines Einzelfalls – hier: der Ablehnung des Kindergeldantrags nach dem BKGG – erforderlich war. Für diese Rechtsdienstleistung konnte sich die Klägerin auf keine Erlaubnis durch das RDG oder durch bzw. aufgrund anderer Gesetze berufen.
Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 RDG waren nicht erfüllt, weil die Erhebung des Widerspruchs gegen den Kindergeldablehnungsbescheid nicht als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild eines Steuerberaters gehört. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind (§ 5 Abs. 1 Satz 2 RDG). Entscheidend ist, "ob die Rechtsdienstleistung innerhalb der Gesamtleistung ein solches Gewicht hat, dass für sie die volle Kompetenz eines Rechtsanwalts oder die besondere Sachkunde einer registrierten Person erforderlich ist" (BT-Drucksache 16/3655, S. 52). Die Haupttätigkeit der Klägerin als Steuerberater ist die "Hilfeleistung in Steuersachen" (§§ 2, 3, 32, 33 StBerG). Auch wenn sich der Kreis der Anspruchsberechtigten nach § 1 Abs. 1 BKGG danach richtet, ob der Betreffende nach § 1 Abs. 1 und 2 EStG nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist und auch nicht nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird, ist dieses Tatbestandsmerkmal in den meisten Fällen eines Anspruchs nach dem BKGG und speziell auch im Fall des J.D. unproblematisch und bedarf keiner Prüfung durch Steuerberater. Von erheblicher größerer Relevanz sind dagegen die sozialrechtlichen Fragestellungen, wie sie in § 1 Abs. 1 unter den Ziffern 1 bis 4, in § 1 Abs. 2 und den weiteren Bestimmungen des BKGG aufgeworfen werden. Die Beantwortung dieser Fragestellungen erfordert eine besondere Sachkunde und vertiefte rechtliche Kenntnisse des materiellen Sozialrechts, die bei Steuerberatern nicht unterstellt werden kann. Exemplarisch sei in diesem Zusammenhang auch die Vorschrift des § 6a BKGG genannt, die den Anspruch auf Kinderzuschlag behandelt. Die dort geforderten Rechtskenntnisse sind weitgehend solche des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II), die in der Haupttätigkeit eines Steuerberaters nicht gefordert und vorausgesetzt werden. Sinn und Zweck von § 5 RDG ist es sicherzustellen, dass sich Rechtsunkundige einer besonderen Sachkunde ihrer Bevollmächtigten sicher sein können. Die Vorschrift soll den erforderlichen Schutz Rechtssuchender vor unqualifiziertem Rechtsrat gewährleisten (BT-Drucksache 16/3655, S. 51). Angesichts dieses Gesetzeszwecks hat eine Vertretungsbefugnis von Steuerberatern in Verfahren über das sozialrechtliche Kindergeld nach dem BKGG keine Berechtigung.
Auch außerhalb des RDG gibt es keine Erlaubnisnorm, aus dem die Klägerin ihre Befugnis zur außergerichtlichen Rechtsdienstleistung in Kindergeldangelegenheiten nach dem BKGG herleiten könnte. Gem. § 32 Abs. 1 StBerG leisten Steuerberater geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen. Der Inhalt der Steuerberatertätigkeit wird in § 33 StBerG näher beschrieben. Danach haben sie die Aufgabe, im Rahmen ihres Auftrags ihre Auftragsgeber in Steuersachen zu beraten, sie zu vertreten und ihnen bei der Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten und bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten Hilfe zu leisten. Dazu gehören auch die Hilfeleistung in Steuerstrafsachen und in Bußgeldsachen wegen einer Steuerordnungswidrigkeit sowie die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten, die aufgrund von Steuergesetzen bestehen, insbesondere die Aufstellung von Steuerbilanzen und deren steuerrechtliche Beurteilung. Daraus wird deutlich, dass es nicht zum Inhalt der Tätigkeit von Steuerberatern gehört, in sozialrechtlichen Angelegenheiten – hier: Kindergeldfragen nach dem BKGG – zu beraten und Hilfe zu leisten. Dazu sind sie nicht befugt.
Bereits das LSG Baden-Württemberg hat durch Urteil vom 04.03.1993 (L 1 Kg 1676/92) entschieden, dass weder ein einzelner Steuerberater noch eine Steuerberatungsgesellschaft zur geschäftsmäßigen Vertretung in Kindergeldangelegenheiten befugt sind. Das BSG hat durch Urteil vom 13.08.1996 (10 RKg 8/95) entschieden, dass ein Steuerberater auch dann keine Befugnis hat, als Verfahrensbevollmächtigter in einem Widerspruchsverfahren in einer Kindergeldsache aufzutreten, wenn er den Widerspruch allein zur Sicherung der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums der Kinder des Mandaten eingelegt hat. Das BSG hat zur Begründung auf die Aufgaben der Steuerberater nach dem StBerG abgestellt, die streng auf die Hilfeleistung in Steuersachen beschränkt seien. Die Kammer verkennt nicht, dass mit der Umgestaltung des Kindergeldrechts ab 01. Januar 1996 durch das Jahressteuergesetz vom 11.10.1995 (BGBl. I, S. 1250) eine neue Rechtslage eingetreten ist. Ein wesentlicher Teil des Kindergeldrechts ist als X. Abschnitt des EStG in das Einkommensteuerrecht eingefügt worden. In dessen Konsequenz hat der Gesetzgeber in § 77 Abs. 2 EStG bestimmt, dass die Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten und Beistandes, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, erstattungsfähig sind, wenn dessen Hinzuziehung notwendig war. Aus dieser Vorschrift kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass Steuerberater in Kindergeldangelegenheiten nach dem BKGG als Bevollmächtigte tätig sein können. Denn BKGG betrifft nur noch einen sehr kleinen Personenkreis und verlangt weniger Kenntnisse des Steuerrechts als solche des materiellen Sozialrechts. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass Steuerberater auch in Angelegenheiten nach dem BKGG als Bevollmächtigte tätig sein und ihre Hilfeleistungen abrechnen können, so hätte es nahe gelegen, eine dem § 77 EStG vergleichbare Vorschrift auch in das BKGG aufzunehmen; dies hat er jedoch – aus gutem Grund – nicht getan.
Die Zurückweisung der Klägerin als Bevollmächtigte in Kindergeldangelegenheiten nach dem BKGG begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Soweit die Klägerin auf Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz von Ehe und Familie) verweist, ist nicht erkennbar, inwieweit sich durch die Zurückweisung ein Verfassungsverstoß ergeben könnte. Dies gilt auch in Bezug auf die von der Klägerin verwandte Terminologie "EStG-Eltern" und "BKGG-Eltern". Das EStG und das BKGG bestimmen jeweils die Voraussetzungen, unter denen Personen Kindergeld nach dem einem oder nach dem anderen Gesetz beanspruchen können. Dies ist aber entgegen der Auffassung der Klägerin auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG nicht fragwürdig.
Durch die Zurückweisung der Klägerin als Bevollmächtigte in Kindergeldangelegenheiten nach dem BKGG wird auch ihre durch Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit nicht in verfassungswidriger Weise verletzt. Die Anforderungen, die an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs zu stellen sind, sind nach der Intensität des Eingriffs zu bemessen. Je intensiver in eine grundrechtliche geschützte Rechtsposition eingegriffen wird, desto höher sind die Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung (st. Rspr. des BVerfG; vgl. Beschluss vom 05.05.1987 – 1 BvR 981/81). Vorliegend handelt es sich um einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin. Betroffen ist lediglich ein kleiner Bereich der Ausübung ihres Berufs "Steuerberater". Die Anforderungen, die an die Rechtfertigung des Eingriffs zu stellen sind, sind deshalb vergleichsweise gering; diesen Anforderungen wird § 13 Abs. 5 SGB X in Verbindung mit dem RDG gerecht (vgl. hierzu auch: SG Aachen, Urteil vom 27.11.2009 – S 6 R 217/08 – m.w.N. auf die verfassungsrechtliche Rechtsprechung).
Zuletzt teilt die Kammer auch die europarechtlichen Bedenken der Klägerin nicht. Ihre Zurückweisung als Bevollmächtigte in der Kindergeldangelegenheit des J.D. nach dem BKGG beinhaltet weder einen europarechtswidrigen Verstoß gegen das Freizügigkeitsgebot nach Art. 39 EG-Vertrag, noch wird hierdurch in europarechtswidriger Weise die Dienstleistungsfreiheit (vgl. Art. 49 ff. EG-Vertrag) der Klägerin beeinträchtigt. Selbst wenn es zuträfe, dass sich ein deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in den Niederlanden dort an einen "Belastingadviseur" wenden könnte, ohne dass dies "kindergeldrechtlichen Restriktionen" unterläge, begründet dies keinen gemeinschaftsrechtlichen Anspruch der Klägerin, als Steuerberater in einer sozialrechtlichen Kindergeldangelegenheit nach dem BKGG als Bevollmächtigter außergerichtlich auftreten zu können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Kostenentscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Die für die Streitwertbestimmung maßgebende Bedeutung der Sache für die Klägerin ist jedoch nicht mit dem Gebührenanspruch des Bevollmächtigten für das Vorverfahren zu beziffern (so aber: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.01.2007 – L 13 AL 4889/05 W-B). Die Bedeutung der Sache geht für die Klägerin über den (erledigten) Einzelfall hinaus. Mit ihrer Fortsetzungsfeststellungsklage will sie eine Wiederholung ihrer Zurückweisung als Bevollmächtigte in Kindergeldangelegenheiten nach dem BKGG verhindern. Dies kann eine unbestimmte Vielzahl von Fällen betreffen. Im Hinblick darauf bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, sodass als Streitwert der Auffangwert von 5.000,00 EUR gem. § 52 Abs. 2 GKG anzunehmen ist.
Tatbestand:
Die Beteiligen streiten über die Rechtmäßigkeit einer Zurückweisung der Klägerin als Bevollmächtigte in einem Kindergeldverfahren nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG).
Die beiden Gesellschafter der Klägerin sind Steuerberater. Ihr Mandant ist Herr J. D. (im Folgenden: J.D.). Dieser ist – wie seine (inzwischen geschiedene) Ehefrau und die gemeinsamen drei minderjährigen Kinder – niederländischer Staatsangehöriger. Alle Familienmitglieder wohnen in den Niederlanden. J.D. ist in Deutschland beschäftigt, nicht unbeschränkt nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) einkommensteuerpflichtig, jedoch versicherungspflichtig nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).
J.D. bezog für seine Kinder Familienleistungen nach niederländischem Recht und seit Juli 2008 (vgl. Bescheid vom 11.02.2009) von der Beklagten deutsches Kindergeld nach dem BKGG in Höhe des Unterschiedsbetrages zu den – ggf. niedrigeren – niederländischen Leistungen. Seit dem 25.03.2011 sind J.D. und seine Frau geschieden und leben voneinander getrennt. Die drei Kinder leben im Haushalt ihrer Mutter und sind unter deren Anschrift mit ihrem Wohnsitz gemeldet; sie halten sich tageweise bei J.D. auf. Durch bestandskräftigen Bescheid vom 16.05.2011 hob die Beklagte die Kindergeldbewilligungsentscheidung gegenüber J.D. ab April 2011 auf.
Am 11.07.2011 beantragte J.D. bei der Beklagten deutsches Kindergeld (Ausland). Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 10.08.2011 ab mit der Begründung, die Kindesmutter, in deren Haushalt die Kinder lebten, habe vorrangigen Anspruch, den sie bei der zuständigen Kindergeldkasse geltend machen könne. Hiergegen legte die Klägerin im Auftrag von J.D. am 05.09.2011 Widerspruch ein. Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit, dass sie in dieser Angelegenheit zur außergerichtlichen Rechtsdienstleistung nach dem Rechtdienstleistungsgesetz (RDG) nicht befugt sei; es sei deshalb eine Zurückweisung als Bevollmächtigte beabsichtigt. Darauf erwiderte die Klägerin, dass "Vorschriften zum Kindergeld im X. Abschnitt des EStG geregelt" seien, sodass sie als Steuerberater auch bei der Familienkasse Mandanten vertreten dürfe.
Durch Bescheid vom 16.11.2011, der gegenüber der Klägerin erging und zugleich J.D. mitgeteilt wurde, wies die Beklagte die Klägerin als Bevollmächtigte des J.D. im Kindergeldablehnungsverfahren zurück. Sie vertrat die Auffassung, Steuerberater seien gem. §§ 1, 3, 33 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) ausschließlich zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt; Geschäftsbesorgung in sozialrechtlichen Angelegenheiten – hier: nach dem BKGG – falle nicht darunter, sei Steuerberatern also nicht gestattet.
Dagegen erhob die Klägerin am 08.12.2011 Widerspruch. Sie wies daraufhin, dass das Kindergeld auch im X. Abschnitt des EStG geregelt sei; die Vorschriften zum Kindergeld in § 3 Abs. 2 BKGG und § 64 EStG seien wortwörtlich identisch. In § 77 EStG werde die Kostenerstattung im Vorverfahren geregelt. Danach habe die Familienkasse sogar die Kosten zu tragen, wenn der Einspruch erfolgreich sei. Im Abs. 2 des § 77 EStG heiße es wörtlich: "Die Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistandes, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind erstattungsfähig, wenn dessen Zuziehung notwendig ist."
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 29.12.2011 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 02.02.2012 Klage erhoben.
In der Zwischenzeit hatten J.D. den von der Klägerin eingelegten Widerspruch gegen den Kindergeldablehnungsbescheid vom 10.08.2011 begründet und die Beklagte diesen Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 18.01.2012 gegenüber J.D. unter Hinweis auf die EU-Verordnung 833/2004 und § 3 Abs. 2 BKGG zurückgewiesen.
Die Klägerin ist der Auffassung, das Kindergeldrecht sei in den entscheidenden Bereichen im BKGG und im EStG identisch geregelt; somit sei davon auszugehen, dass das Kindergeldrecht sowohl eine sozialrechtliche als auch eine steuerrechtliche Angelegenheit sei. Die Klägerin meint, der vorliegende Fall werfe zahlreiche verfassungsrechtliche und europarechtliche Fragen auf; J.D. und sie würden durch die Auffassung der Beklagten unmittelbar in ihren unionsrechtlich verbürgten Freiheitsrechten verletzt. J.D. werde auch gegenüber deutschen Staatsangehörigen mit Sitz in Belgien oder den Niederlanden benachteiligt; denn ein deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in den Niederlanden könne sich dort an einen "Belastingadviseur" wenden. Desweiteren meint die Klägerin: orientiere man sich ausschließlich an der einfach gesetzlichen Differenzierung, so gebe es die "EStG-Eltern" und die "BKGG-Eltern". Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unterscheide aber nicht zwischen Eltern unterschiedlicher Kategorien, sodass die Unterscheidung zwischen "EStG-Eltern" und "BKGG-Eltern" auch vor diesem Hintergrund fragwürdig sei.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
festzustellen, dass der Bescheid der Familienkasse Aachen vom 16.11.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2011 rechtswidrig gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsauffassung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen, J.D. betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Obwohl für die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, konnte die Kammer (einseitig) verhandeln und entscheiden, weil der Bevollmächtigte der Klägerin in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG) zulässig. Durch den an J.D. bekannt gegebenen Widerspruchsbescheid vom 18.01.2012 ist das Widerspruchsverfahren gegen den Kindergeldablehnungsbescheid abgeschlossen worden. Dadurch hat sich die Zurückweisung der Klägerin mit Bescheid vom 16.11.2011 erledigt. Einer – insbesondere notwendigen – Beiladung des J.D. zu diesem Rechtsstreit hat es insofern nicht bedurft (vgl. in diesem Sinne auch: LSG Bayern, Urteil vom 27.07.2011 – L 10 AL 193/08).
Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, da eine Wiederholungsgefahr besteht. In weiteren Kindergeldverfahren nach dem BKGG wird sich erneut die Rechtsfrage stellen, ob sie als Steuerberaterkanzlei Bevollmächtigte in einem solchen Verfahren sein darf.
Die Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16.11.2011 und der Widerspruchsbescheid vom 29.12.2011 waren und sind rechtmäßig. Zu Recht hat die Beklagte die Klägerin als Bevollmächtigte des J.D. im Kindergeldverfahren nach dem BKGG zurückgewiesen.
Einschlägige Rechtsgrundlage der Zurückweisung ist § 13 Abs. 5 des Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Das SGB X findet in Kindergeldangelegenheiten nach dem BKGG Anwendung, wie sich aus § 18 BKGG ergibt. Nach dieser Vorschrift ist, da das BKGG keine andere ausdrückliche Regelung trifft, das Sozialgesetzbuch – hier: das SGB X – anzuwenden.
Gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann sich ein Beteiligter durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Bevollmächtigte und Beistände sind jedoch zurückzuweisen, wenn sie entgegen § 3 RDG Rechtsdienstleistungen erbringen (§ 13 Abs. 5 SGB X). Diese Voraussetzung liegt in der Person der Klägerin vor. Nach § 3 RDG ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das RDG oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert (§ 2 Abs. 1 RDG). Mit der Erhebung des Widerspruchs vom 02.09.2011 gegen den Kinderablehnungsbescheid vom 10.08.2011 hat die Klägerin – außergerichtlich – eine Rechtsdienstleistung erbracht, weil damit die rechtliche Prüfung eines Einzelfalls – hier: der Ablehnung des Kindergeldantrags nach dem BKGG – erforderlich war. Für diese Rechtsdienstleistung konnte sich die Klägerin auf keine Erlaubnis durch das RDG oder durch bzw. aufgrund anderer Gesetze berufen.
Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 RDG waren nicht erfüllt, weil die Erhebung des Widerspruchs gegen den Kindergeldablehnungsbescheid nicht als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild eines Steuerberaters gehört. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind (§ 5 Abs. 1 Satz 2 RDG). Entscheidend ist, "ob die Rechtsdienstleistung innerhalb der Gesamtleistung ein solches Gewicht hat, dass für sie die volle Kompetenz eines Rechtsanwalts oder die besondere Sachkunde einer registrierten Person erforderlich ist" (BT-Drucksache 16/3655, S. 52). Die Haupttätigkeit der Klägerin als Steuerberater ist die "Hilfeleistung in Steuersachen" (§§ 2, 3, 32, 33 StBerG). Auch wenn sich der Kreis der Anspruchsberechtigten nach § 1 Abs. 1 BKGG danach richtet, ob der Betreffende nach § 1 Abs. 1 und 2 EStG nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist und auch nicht nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird, ist dieses Tatbestandsmerkmal in den meisten Fällen eines Anspruchs nach dem BKGG und speziell auch im Fall des J.D. unproblematisch und bedarf keiner Prüfung durch Steuerberater. Von erheblicher größerer Relevanz sind dagegen die sozialrechtlichen Fragestellungen, wie sie in § 1 Abs. 1 unter den Ziffern 1 bis 4, in § 1 Abs. 2 und den weiteren Bestimmungen des BKGG aufgeworfen werden. Die Beantwortung dieser Fragestellungen erfordert eine besondere Sachkunde und vertiefte rechtliche Kenntnisse des materiellen Sozialrechts, die bei Steuerberatern nicht unterstellt werden kann. Exemplarisch sei in diesem Zusammenhang auch die Vorschrift des § 6a BKGG genannt, die den Anspruch auf Kinderzuschlag behandelt. Die dort geforderten Rechtskenntnisse sind weitgehend solche des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II), die in der Haupttätigkeit eines Steuerberaters nicht gefordert und vorausgesetzt werden. Sinn und Zweck von § 5 RDG ist es sicherzustellen, dass sich Rechtsunkundige einer besonderen Sachkunde ihrer Bevollmächtigten sicher sein können. Die Vorschrift soll den erforderlichen Schutz Rechtssuchender vor unqualifiziertem Rechtsrat gewährleisten (BT-Drucksache 16/3655, S. 51). Angesichts dieses Gesetzeszwecks hat eine Vertretungsbefugnis von Steuerberatern in Verfahren über das sozialrechtliche Kindergeld nach dem BKGG keine Berechtigung.
Auch außerhalb des RDG gibt es keine Erlaubnisnorm, aus dem die Klägerin ihre Befugnis zur außergerichtlichen Rechtsdienstleistung in Kindergeldangelegenheiten nach dem BKGG herleiten könnte. Gem. § 32 Abs. 1 StBerG leisten Steuerberater geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen. Der Inhalt der Steuerberatertätigkeit wird in § 33 StBerG näher beschrieben. Danach haben sie die Aufgabe, im Rahmen ihres Auftrags ihre Auftragsgeber in Steuersachen zu beraten, sie zu vertreten und ihnen bei der Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten und bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten Hilfe zu leisten. Dazu gehören auch die Hilfeleistung in Steuerstrafsachen und in Bußgeldsachen wegen einer Steuerordnungswidrigkeit sowie die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten, die aufgrund von Steuergesetzen bestehen, insbesondere die Aufstellung von Steuerbilanzen und deren steuerrechtliche Beurteilung. Daraus wird deutlich, dass es nicht zum Inhalt der Tätigkeit von Steuerberatern gehört, in sozialrechtlichen Angelegenheiten – hier: Kindergeldfragen nach dem BKGG – zu beraten und Hilfe zu leisten. Dazu sind sie nicht befugt.
Bereits das LSG Baden-Württemberg hat durch Urteil vom 04.03.1993 (L 1 Kg 1676/92) entschieden, dass weder ein einzelner Steuerberater noch eine Steuerberatungsgesellschaft zur geschäftsmäßigen Vertretung in Kindergeldangelegenheiten befugt sind. Das BSG hat durch Urteil vom 13.08.1996 (10 RKg 8/95) entschieden, dass ein Steuerberater auch dann keine Befugnis hat, als Verfahrensbevollmächtigter in einem Widerspruchsverfahren in einer Kindergeldsache aufzutreten, wenn er den Widerspruch allein zur Sicherung der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums der Kinder des Mandaten eingelegt hat. Das BSG hat zur Begründung auf die Aufgaben der Steuerberater nach dem StBerG abgestellt, die streng auf die Hilfeleistung in Steuersachen beschränkt seien. Die Kammer verkennt nicht, dass mit der Umgestaltung des Kindergeldrechts ab 01. Januar 1996 durch das Jahressteuergesetz vom 11.10.1995 (BGBl. I, S. 1250) eine neue Rechtslage eingetreten ist. Ein wesentlicher Teil des Kindergeldrechts ist als X. Abschnitt des EStG in das Einkommensteuerrecht eingefügt worden. In dessen Konsequenz hat der Gesetzgeber in § 77 Abs. 2 EStG bestimmt, dass die Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten und Beistandes, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, erstattungsfähig sind, wenn dessen Hinzuziehung notwendig war. Aus dieser Vorschrift kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass Steuerberater in Kindergeldangelegenheiten nach dem BKGG als Bevollmächtigte tätig sein können. Denn BKGG betrifft nur noch einen sehr kleinen Personenkreis und verlangt weniger Kenntnisse des Steuerrechts als solche des materiellen Sozialrechts. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass Steuerberater auch in Angelegenheiten nach dem BKGG als Bevollmächtigte tätig sein und ihre Hilfeleistungen abrechnen können, so hätte es nahe gelegen, eine dem § 77 EStG vergleichbare Vorschrift auch in das BKGG aufzunehmen; dies hat er jedoch – aus gutem Grund – nicht getan.
Die Zurückweisung der Klägerin als Bevollmächtigte in Kindergeldangelegenheiten nach dem BKGG begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Soweit die Klägerin auf Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz von Ehe und Familie) verweist, ist nicht erkennbar, inwieweit sich durch die Zurückweisung ein Verfassungsverstoß ergeben könnte. Dies gilt auch in Bezug auf die von der Klägerin verwandte Terminologie "EStG-Eltern" und "BKGG-Eltern". Das EStG und das BKGG bestimmen jeweils die Voraussetzungen, unter denen Personen Kindergeld nach dem einem oder nach dem anderen Gesetz beanspruchen können. Dies ist aber entgegen der Auffassung der Klägerin auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG nicht fragwürdig.
Durch die Zurückweisung der Klägerin als Bevollmächtigte in Kindergeldangelegenheiten nach dem BKGG wird auch ihre durch Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit nicht in verfassungswidriger Weise verletzt. Die Anforderungen, die an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs zu stellen sind, sind nach der Intensität des Eingriffs zu bemessen. Je intensiver in eine grundrechtliche geschützte Rechtsposition eingegriffen wird, desto höher sind die Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung (st. Rspr. des BVerfG; vgl. Beschluss vom 05.05.1987 – 1 BvR 981/81). Vorliegend handelt es sich um einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin. Betroffen ist lediglich ein kleiner Bereich der Ausübung ihres Berufs "Steuerberater". Die Anforderungen, die an die Rechtfertigung des Eingriffs zu stellen sind, sind deshalb vergleichsweise gering; diesen Anforderungen wird § 13 Abs. 5 SGB X in Verbindung mit dem RDG gerecht (vgl. hierzu auch: SG Aachen, Urteil vom 27.11.2009 – S 6 R 217/08 – m.w.N. auf die verfassungsrechtliche Rechtsprechung).
Zuletzt teilt die Kammer auch die europarechtlichen Bedenken der Klägerin nicht. Ihre Zurückweisung als Bevollmächtigte in der Kindergeldangelegenheit des J.D. nach dem BKGG beinhaltet weder einen europarechtswidrigen Verstoß gegen das Freizügigkeitsgebot nach Art. 39 EG-Vertrag, noch wird hierdurch in europarechtswidriger Weise die Dienstleistungsfreiheit (vgl. Art. 49 ff. EG-Vertrag) der Klägerin beeinträchtigt. Selbst wenn es zuträfe, dass sich ein deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in den Niederlanden dort an einen "Belastingadviseur" wenden könnte, ohne dass dies "kindergeldrechtlichen Restriktionen" unterläge, begründet dies keinen gemeinschaftsrechtlichen Anspruch der Klägerin, als Steuerberater in einer sozialrechtlichen Kindergeldangelegenheit nach dem BKGG als Bevollmächtigter außergerichtlich auftreten zu können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Kostenentscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Die für die Streitwertbestimmung maßgebende Bedeutung der Sache für die Klägerin ist jedoch nicht mit dem Gebührenanspruch des Bevollmächtigten für das Vorverfahren zu beziffern (so aber: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.01.2007 – L 13 AL 4889/05 W-B). Die Bedeutung der Sache geht für die Klägerin über den (erledigten) Einzelfall hinaus. Mit ihrer Fortsetzungsfeststellungsklage will sie eine Wiederholung ihrer Zurückweisung als Bevollmächtigte in Kindergeldangelegenheiten nach dem BKGG verhindern. Dies kann eine unbestimmte Vielzahl von Fällen betreffen. Im Hinblick darauf bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, sodass als Streitwert der Auffangwert von 5.000,00 EUR gem. § 52 Abs. 2 GKG anzunehmen ist.
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