L 2 U 163/10

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 7 U 109/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 163/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für eine Exkulpation nach § 28e Abs. 3b SGB IV ist in der Regel erforderlich, dass der in Anspruch genommene Unternehmer die Kalkulation des Nachunternehmers geprüft und eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Sozialversicherungsträgers eingeholt hat.
Eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG genügt nicht.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 08.07.2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Inanspruchnahme als Auftraggeber für ausstehende Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung eines von ihr beauftragten Subunternehmens. Die Klägerin erbringt als Unternehmen Bauleistungen. Die Klägerin beauftragte von 2003 bis 2005 die inzwischen insolvente Firma Sch Malermeister GmbH B mit der Erbringung von Bauleistungen als Subunternehmer für die Bauvorhaben Sanierung Wohnhäuser K L./B G/02, K L./T., K. 405/405a- , T. , S. , L und G./N./R. Das Bauvorhaben G./N./R umfasste nach Ermittlungen der Beklagten eine Gesamtbausumme von 19.802815,79 EUR. Beim Bauvorhaben Sanierung Wohnhäuser K L./B G/ , K L./T. betrug nach Ermittlungen der Beklagten die Bausumme allein für das Wärmedämmverbundsystem 220.000 EUR. Die Sch Malermeister GmbH B war der Bauberufsgenossenschaft H als Rechtsvorgängerin der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) in der Zeit vom 05.10.2000 bis 18.02.2005 zugehörig. Über das Vermögen der Sch Malermeister GmbH B wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 16.06.2005 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgelehnt. Das Beitragskonto der Sch Malermeister GmbH bei der Beklagten wies zum Zeitpunkt der Abweisung des Insolvenzantrages einen Rückstand in Höhe von 52.782,12 EUR aus ... Am 10.07.2006 hörte die BG Bau Bezirksverwaltung H die Klägerin zur beabsichtigten Inanspruchnahme aus Auftraggeberhaftung nach § 150 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i. V. m. § 28e Abs. 3a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) an. Die Inanspruchnahme der Klägerin für die auf die in den Nettorechnungssummen von 288.762,33 EUR in 2003, 618487,52 EUR in 2004 und 302.980,92 EUR in 2005 enthaltenen anteiligen, rückständigen Beiträge der Sch Malermeister GmbH gemäß § 150 Abs. 3 2. Halbsatz SGB VII erfolgte mit Bescheiden vom 05.09.2006 über 8.366,46 EUR für das Jahr 2003, 16.433,63 EUR für das Jahr 2004 und 8.186,27 EUR für das Jahr 2005, wobei die Beklagte 75% der Nettorechnungssummen als Lohnanteil der Berechnung zugrunde legte. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der streitgegenständlichen Bescheide verwiesen.

Die hiergegen eingelegten Widersprüche der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2007 als unbegründet zurückgewiesen. Am 01.08.2007 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Leipzig (SG), mit welcher sie ihr Ziel der Aufhebung der Haftungsbescheide weiter verfolgt. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 08.07.2010 abgewiesen. Zur Begründung führt das SG aus, dass die Inanspruchnahme gemäß § 150 Abs. 3 SGB VII i.V.m. § 28e Abs. 3d SGB IV zu Recht erfolgte. Der Gesamtwert aller für das Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen übersteige 500.000,00 EUR, sodass § 28e Abs. 3d SGB IV erfüllt und § 28e Abs. 3a SGB VII Anwendung finde. Nach dieser Vorschrift haftet ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne von § 175 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) beauftragt für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmens wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Diese Bürgenhaftung sei der Regelfall und könne nur unter den Voraussetzungen des § 28e Abs. 3b SGB IV ausgeschlossen werden und zwar der Unternehmer nachweise, dass er ohne eigenes Verschulden davon habe ausgehen können, dass der Nachunternehmer oder ein von ihm beauftragter Verleiher seine Zahlungspflicht erfülle. Hierfür trage der Unternehmer die objektive Beweislast. Eine solche Exkulpation sei der Klägerin nicht gelungen. Nicht ausreichend sei, dass das Angebot darauf überprüft werde, ob Sozialversicherungsbeiträge einkalkuliert seien. Ebenso wenig genüge es, wenn der Auftragnehmer vertraglich verpflichtet werde, Beitäge abzuführen. Vielmehr sei die Klägerin gehalten gewesen, bei der Beklagten eine Unbedenklichkeitsbescheinigung anzufordern. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung der Finanzbehörden nach § 48 EStG gebe keine Auskunft über abgeführte Sozialversicherungsbeiträge.

Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13.10.2010 zugestellt.

Mit Beschluss vom 16.09.2010 hat das SG den Tenor des Urteils vom 08.07.2010 gemäß § 140 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) um den Absatz "3. Die Klägerin trägt die Gerichtskosten" ergänzt. Der Beschluss vom 16.09.2010 wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 11.10.2010 zugestellt.

Gegen das Urteil des SG vom 08.07.2010 hat die Klägerin am 13.10.2010 Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht eingelegt.

Zur Begründung trägt die Klägerin vor, dass § 28e Abs. 3a, 3b SGB IV i.V.m. § 150 Abs. 3 SGB verfassungswidrig sei und führt dies näher aus. Zu den Erwägungen der Klägerin im Einzelnen wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 17.02.2011 verwiesen. Ferner entfalle gemäß § 28e Abs. 3b SGB VII die Haftung nach § 28e Abs. 3 SGB IV, wenn der Unternehmer nachweise, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer seine Zahlungspflicht erfüllt. Das Gesetz erlege dem Unternehmer für fehlendes Verschulden die Nachweispflicht auf. Dies entspreche dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach diejenige Partei, die sich auf für sie günstige Tatsachen beruft, hierfür beweispflichtig sei. Gesetzlich nicht geregelt sei, in welcher Form der Nachweis zu erfolgen habe. Demnach bleibe es bei dem allgemeinen Grundsatz, dass der Nachweis in jeder Form erbracht werden könne. Hieraus folge, dass die Klägerin den Nachweis in jeder erdenklichen Form erbringen könne. Sie sei nicht verpflichtet, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für die gesamte Bauzeit vorzulegen. Eine derartige Beschränkung der Nachweismöglichkeit entbehre bereits der gesetzlichen Grundlage. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass der Unternehmer bei der Auswahl der Nachunternehmer die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes aufgewandt habe. Die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes beschreibe den Sorgfaltsmaßstab, den ein Kaufmann im Rechtsverkehr zu beachten habe. Der für die Sorgfaltsforderung maßgebende Typ des Kaufmanns werde grundsätzlich durch die Art des Rechtsgeschäftes spezialisiert. Hierzu gehöre beispielsweise, ob bei den Lohnkosten Sozialversicherungsbeiträge zutreffend einkalkuliert seien. Einfluss auf den Umfang der Prüfung könne auch haben, ob der Nachunternehmer seine Freistellungsbescheinigung der Finanzbehörden über die Erfüllung seiner Steuerpflicht nach dem Gesetz der Eindämmung der illegalen Bestätigung im Baugewerbe oder Bescheinigung der Einzugstellen für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag über die Erfüllung seiner Zahlungspflicht vorlege. Die Klägerin habe daher nach der Gesetzesbegründung lediglich zu prüfen, ob in den Lohnkosten die Sozialversicherungsbeiträge zutreffend einkalkuliert seien. Dies sei erfolgt. Ferner habe eine Freistellungsbescheinigung gemäß § 48b Einkommenssteuergesetz vorgelegen. Mithin habe die Klägerin als Hauptunternehmer nachweisbar alle Sorgfaltspflichten erfüllt, welche die Gesetzesbegründung an eine Exkulpation stelle. Ferner habe die Klägerin ihre Mitarbeiter, insbesondere die mit der Auftragsvergabe befassten Projektleiter, im Rahmen eines 2003 durchgeführten Seminars zur Problematik der unternehmerischen Haftung des Hauptunternehmers geschult. Die von der Beklagten angegebenen Gesamtbaukosten des Bauvorhabens von 19.802.815,79 EUR können seitens der Klägerin nicht widerlegt werden, werden deshalb vorsorglich mit Nichtwissen bestritten.

Die Klägerin beantragt,

die Haftungsbescheide der BG Bau Bezirksverwaltung H vom 05.09.2006, zugegangen am 13.09.2006, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2007, zugestellt am 12.07.2007, aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Ferner führt die Beklagte aus, dass es sich bei der Inanspruchnahme nicht um eine Sonderabgabe, sondern um Sozialversicherungsbeiträge handelt. Die Klägerin übersehe den Grundgedanken der Solidargemeinschaft. Durch die Solidargemeinschaft sei es gerade nicht so, dass ein Arbeitgeber die Beiträge konkret für die Versicherung seiner Arbeitnehmer bezahlt und diese dann auch nur Leistung aufgrund dieser Zahlung in Anspruch nehmen könnten. Dieser Zusammenhang bestehe zwar auch. Hiervon getrennt sei jedoch zu betrachten, dass der grundsätzliche Versicherungsschutz der Versicherten von der Solidargemeinschaft getragen werde unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Zahlungspflichten nachgekommen sei.

Zu beachten sei auch, dass, wenn beispielsweise der Auftraggeber ebenfalls bei der den Haftungsanspruch erhebenden Berufsgenossenschaft zugehörig sei, was im Baugewerbe dem Regelfall entspreche, der von ihm entrichtete Haftungsbeitrag, wenn auch nicht in ausgeprägtem Maß, zum Gesamtergebnis des Umlagejahres beitrage und damit über die rentierende Wirkung auf den Beitragsfuß nach § 153 SGB VII auch mindernd der Beitragslast seines eigenen Unternehmens wieder zugute komme. Es dürfe auch nicht übersehen werden, dass die Beiträge aus der Auftraggeberhaftung nicht dazu geeignet seien, dauerhaft eine tragende monetäre Unterstützung der Sozialversicherung zu gewährleisten. Einerseits habe das Aufkommen nicht einen solchen summarischen Umfang, wie er offenbar seitens der Beklagten der Klägerin unterstellt werde, andererseits seien die Beitragszahlungen aus der Haftung auf Dauer rückläufig, da verstärkt bei Auftragsvergabe exkulpierende Maßnahmen ergriffen würden.

Wenn die Klägerin erkläre, dass der Gesetzgeber mit Erlass des § 28e Abs. 3a SGB VII in steuerlich relevanter Weise gehandelt habe als das mit der Norm versucht werde, die subsidäre Zuschusspflicht aus steuerlichen Mitteln im Sinne des Artikel 120 Abs. 1 Satz 4 GG den Auftraggebern anzuhängen, so sei diese Betrachtungsweise als zu weitgehend zu qualifizieren. Das unterstreiche auch das der Einführung der Rechtsgrundlage zugrunde liegende Bestreben des Gesetzgebers. Das Ziel sei die Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit sowie Leistungsmissbrauch. Ein Schwerpunkt der illegalen Beschäftigung liege im Baubereich. Der Einlassung der Klägerin, sie habe keine Gelegenheit gehabt, vor Auftragsvergabe exkulpierende Maßnahmen zu ergreifen, könne nicht gefolgt werden. Es sei in der Vergangenheit von anderen Auftraggebern derart praktiziert worden, dass vor Auftragsvergabe Informationen zum Zahlungsverhalten des in Betracht gezogenen Nachunternehmens, z. B. in Form einer aktuellen Unbedenklichkeitsbescheinigung, angefordert würden. Eine Aktualisierung erfolge dann fortlaufend während der Baumaßnahme, spätestens zur Fälligkeit von Abschlagszahlungen. Dies dürfte der Klägerin bekannt sein. Auch eine von der Klägerin vorgebrachte vermeintliche Unbegrenztheit des Haftungsanspruchs scheidet aus, da der Auftraggeber nur für die nicht gezahlten Beiträge des Nachunternehmers gesamtschuldnerisch hafte, welche auf die von ihm beauftrage Baumaßnahme entfallen.

Dem Senat lagen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten vor. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Haftungsbescheide vom 05.09.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2007 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage der angegriffenen Bescheide ist § 150 Abs. 3 Alt. 2 SGB VII (in der ab dem 01.08.2002 gültigen Fassung), welcher 28e Abs. 3a SGB IV für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrags im Baugewerbe für entsprechend anwendbar erklärt.

Zutreffend hat die Beklagte nach § 168 Abs. 1 SGB VII die Handlungsform des Verwaltungsakts gewählt (dazu BSG, Urteile vom 27.05.2008, Az.: B 2 U 11/07 R und B 2 U 21/07 R).

Nach § 28e Abs 3a SGB IV haftet ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 175 Abs 2 SGB III beauftragt, für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmers oder eines von diesem Unternehmer beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge.

Auf den Haftungsanspruch der Beklagten aus § 150 Abs 3 Alt 2 SGB VII a. F. gegenüber der Klägerin findet aber nicht nur der Absatz 3a, sondern finden auch die Absätze 3b bis 3f des § 28e SGB IV in der vom 01.10.2002 bis 30.09.2009 gültigen Fassung (a. F.) Anwendung (Bundessozialgericht, Urteil vom 27.05.2008, B 2 U 11/07 R).

Entgegen der Ansicht der Klägerin bestehen gegen die so verstandene Beitragshaftung, welche ohne Zweifel in die die Berufsfreiheit der Klägerin nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eingreift, keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Entgegen den Ausführungen der Klägerin ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von Sonderabgaben (vgl. hierzu nur BVerfG, Urteil vom 27.01.1965, 1 BvR 213/58, 1 BvR 715/58, 1 BvR 66/60 "Marktordnung"; Urteil vom 10.12.1980, 2 BvF 03/77 "Berufsausbildungsabgabe"; Urteil vom 06.11.1984, 2 BvL 19/83, 2 BvL 20/83, 2 BvR 363/83, 2 BvR 491/83 "Investitionshilfeabgabegesetz") auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Nach gefestigter Rechtsprechung des BVerfG (a. a. O.) handelt es sich bei Sonderabgaben um öffentliche Abgaben, welche nicht Steuern, Gebühren oder Beiträge sind. Bei den von der Beklagten geltend gemachten Beträgen handelt es sich unzweifelhaft um sozialversicherungsrechtliche Beiträge und damit bereits dem Grunde nach nicht um eine Sonderabgabe. Der Austausch des Schuldners der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung bewirkt keine Änderung der Einordnung als Beiträge. Auf Sozialversicherungsbeiträge ist die Rechtsprechung des BVerfG zur Sonderabgabe aber ausdrücklich nicht anwendbar (BVerfG, Urteil vom 08.04.1987, 2 BvR 909/82 u. a. "Künstlersozialversicherung")

Im Übrigen ist der Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerin zur Überzeugung des Senats durch überragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt.

Das Bundessozialgericht (a. a. O.) führt hierzu unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wie folgt aus:

"Die Haftung stellt zwar eine Berufsausübungsregelung dar und greift damit in den Schutzbereich des Art 12 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) ein, dieser Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Haftung dient der Wiederherstellung der Ordnung auf dem Arbeitsmarkt und der finanziellen Stabilität der Versicherungsträger (vgl BT-Drucks 14/8221 S 12). Beide Ziele sind als Gemeinschaftsgüter von hoher Bedeutung anerkannt (vgl BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 1 BvR 1047/05 - NZA 2007, 609 mwN). Die Haftung ist ein geeignetes, erforderliches und unter Berücksichtigung der bestehenden Exkulpationsmöglichkeit verhältnismäßiges Mittel zur Durchsetzung der genannten Ziele (vgl auch Sehnert in Hauck/Haines, SGB IV, aaO, § 28e RdNr 13; Felix in Wannagat, SGB IV, aaO, § 28e RdNr 33; zu § 1a AEntG vgl BVerfG, aaO, NZA 2007, 609, 611).

Auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art 3 Abs 1 GG ist nicht ersichtlich. Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1998 - 1 BvR 1554/89 - BVerfGE 98, 365, 385). Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz kommt daher in Betracht, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG, vgl Beschluss vom 26. Juni 2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10 RdNr 32).

Die Beschränkung der Haftung nach § 150 Abs 3 Alt 2 SGB VII auf Unternehmer des Baugewerbes, die andere Unternehmer mit der Ausführung von Bauleistungen beauftragen, ist sachlich gerechtfertigt (vgl Sehnert in Hauck/Haines, SGB IV, aaO, § 28e RdNr 14). Nach den Erkenntnissen des Gesetzgebers ist für das Baugewerbe der Einsatz von Nachunternehmern typisch und die illegale Beschäftigung im Baugewerbe ausgeprägt (vgl BT-Drucks 14/8221 S 16). Dies rechtfertigt die Beschränkung der Haftung auf Unternehmer des Baugewerbes und verlangt nicht die Einbeziehung weiterer Branchen in die Haftung. Da Haftungsgrund die gewerbliche Beauftragung eines Nachunternehmers mit der Durchführung der Bauleistungen ist, ist es gerechtfertigt, die Haftung nach § 150 Abs 3 Alt 2 SGB VII auf gewerbliche Bauunternehmer zu beschränken und andere Unternehmer, die als Bauherrn auftreten, von der Haftung auszunehmen."

Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung vollumfänglich an und verweist zudem auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bürgenhaftung nach § 1a Arbeitnehmerentsendegesetz (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20.03.2007, 1 BvR 1047/05), welche auf § 28e Abs. 3a SGB IV a. F wegen der identischen Zielrichtung übertragbar ist.

Die Voraussetzungen der Beitragshaftung der Klägerin nach den §§ 168 Abs. 1, 150 Abs. 3 SGB VII i. V. m. § 28e Abs. 3a SGB IV liegen vor. Die Klägerin ist ein Unternehmen des Baugewerbes. Sie hat die "Sch -GmbH" mit der Erbringung von Bauleistungen nach § 175 Abs. 2 SGB III beauftragt. Die "Sch -GmbH" hat die während der Erbringung der Bauleistung fälligen Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung nicht erbracht.

Die Haftung ist nicht nach § 28e Abs. 3d SGB IV in der bis 31.12.2007 gültigen Fassung (a. F.) ausgeschlossen. Danach gilt die Haftung nach Abs. 3a erst ab einem geschätzten Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen von 500.000,00 EUR. Dabei kommt es nach dem Wortlaut der Regelung nicht auf den Wert des für den konkreten Haftungsanspruch in Rede stehenden Auftrags, sondern auf den Gesamtwert aller für das Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen an, ohne dass es eine Rolle spielt, wer diese Aufträge erteilt hat (so BSG, Urteile vom 27.05.2008, Az.: B 2 U 11/07 R und B 2 U 21/07 R). Die Bausumme der einzelnen Bauvorhaben übersteigt jeweils 500.000,00 EUR. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den durchgeführten Ermittlungen der Beklagten. Diese hat im Zuge ihrer Ermittlungen substantiiert o. g. Werte ermittelt. Das bloße Bestreiten dieser Werte durch die Klägerin mit Nichtwissen ist nicht geeignet, die Ermittlungen der Beklagten in diesem Punkt zu erschüttern. Die Klägerin trifft zudem die objektive Beweislast. Die objektive Beweislast bedeutet, dass die Unerweislichkeit einer Tatsache im Zweifel zu Lasten des Beteiligten geht, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet (BSGE 6, 70; 43, 110, 112 = SozR 2200 § 548 Nr 27). Wer ein Recht in Anspruch nimmt, trägt danach im Zweifel die Beweislast für die rechtsbegründende Tatsache, wer ein Recht leugnet, die Beweislast für die rechtshindernden, rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Tatsachen (BSG aaO). Allein die Klägerin ist in der Lage und im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht auch in der Pflicht die konkrete Höhe der erbrachten Bauleistungen zu beziffern. Solange sie dies nicht tut, muss sie sich am Ermittlungsergebnis der Beklagten festhalten lassen, sofern dieses schlüssig begründet ist. Die Nichtermittelbarkeit der konkreten Kosten des Bauwerks geht hier zu Lasten der Klägerin, welche sich auf § 28e Abs. 3d SGB IV a. F. beruft.

Die Zahlungsverpflichtung der Klägerin ist auch nicht nach § 28e Abs. 3b SGB IV a. F. ausgeschlossen. Hiernach entfällt die Haftung, wenn der Unternehmer nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer seine Zahlungsverpflichtung erfüllt.

Ein solcher Nachweis der Exkulpation gelingt der Klägerin nicht.

Nach der Gesetzesbegründung muss sich der Nachweis fehlenden Verschuldens darauf erstrecken, dass der Unternehmer bei der Auswahl des Nachunternehmers die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns angewandt hat, er also eine kalkulatorische, kaufmännische Prüfung vorgenommen hat (BT-Drs. 14/8221, S. 15) Hierzu gehört nach dem Willen des Gesetzgebers auch eine gewissenhafte Nachprüfung, ob die angebotene Leistung die Lohnkosten mit den Sozialversicherungsbeiträgen zutreffend einkalkuliert hat. Ferner soll sich der Umfang der Prüfung auch danach bestimmen, ob der Nachunternehmer eine Freistellungsbescheinigung der Finanzbehörden über die Erfüllung seiner Steuerpflicht nach dem Gesetz zur Eindämmung der illegalen Betätigung im Baugewerbe oder Bescheinigungen der Einzugsstellen für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag über die Erfüllung seiner Zahlungspflichten vorlegt.

Die Kläger hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, dass sie eine Prüfung der Angebote der Sch -GmbH hinsichtlich der Lohnkostenkalkulation vorgenommen, eine Freistellungsbescheinigung des Finanzamts eingeholt und eine Schulung ihrer Mitarbeiter vorgenommen habe.

Diese Bemühungen reichen nach Auffassung des Senats nicht aus. Die Sorgfalt eine ordentlichen Kaufmannes, welche eine Exkulpation nach § 28e Abs. 3b SGB IV a. F. gebietet ist nur dann gewahrt, wenn der dem Grunde nach haftende Unternehmer diejenigen Nachforschungen tätigt, welche ihm einen Rückschluss auf die Zuverlässigkeit des Nachunternehmers in Beitragsangelegenheiten ermöglicht. Hierzu zählt neben der kaufmännischen Prüfung der dem Angebot des Nachunternehmers zugrundeliegenden Kalkulation in der Regel auch die Einholung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Sozialversicherungsträgers, hier der Beklagten. Eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b Einkommensteuergesetz genügt hierfür nicht, da diese keinerlei Rückschlüsse aus bisheriges Verhalten in Beitragssachen zulässt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür nicht vorliegen.

Schmidt Zimmer Czarnecki
Rechtskraft
Aus
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