L 5 AS 84/12 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 20 AS 2785/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 84/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren bei dem Sozialgericht Magdeburg (SG), in dem sie die grundsicherungsrechtliche Feststellung der Angemessenheit eines Mietangebots begehrt.

Die im Jahr 1965 geborene, geschiedene Klägerin stand bei dem Beklagten im laufenden Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie bewohnte zunächst ein Eigenheim, welches sie nach Verkauf räumen musste. Unter dem 7. Juli 2010 bescheinigte der Beklagte zu einem von ihr vorgelegten Mietangebot für eine Wohnung in der Breitscheidstraße 9 in M., dass die Notwendigkeit des Umzugs bestehe, die Wohnungsgröße von 56,0 m² jedoch unangemessen sei. Ebenso sei die Grundmiete iHv 270,00 EUR unangemessen und könne nur iHv 230,00 EUR übernommen werden. Auch die Betriebs- und Heizkosten, die sich nach dem Mietangebot auf 120,00 EUR beliefen, seien unangemessen. Eine evtl. Betriebskostennachzahlung werde nicht übernommen. Leistungen könnten in bisheriger Hv 115,00 EUR erbracht werden. Genossenschaftsanteile, Mietkaution und sonstige Kosten, die im Zusammenhang mit den Umzug stehen, würden nicht übernommen. Dies gelte auch für Umzugskosten. Mit dieser Bescheinigung werde eine verbindliche Zusicherung der Zahlung der Unterkunftskosten nicht erteilt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 23. Juli 2010 legte die Klägerin Widerspruch gegen die Bescheinigung ein und führte aus, sie werde ab dem 1. August 2010 die Wohnung in der Breitscheidstraße beziehen. Der Umzug sei notwendig und die Kosten seien angemessen. Darüber hinaus habe der Beklagte die Umzugskosten zu übernehmen. Sie werde diese verauslagen und Erstattung verlangen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. August 2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück. Bei der angefochtenen Bescheinigung handele sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Information für die Klägerin. Dem Schreiben fehle eine unmittelbar nach außen gerichtete Rechtserheblichkeit. Es habe Aufklärungs- und Warnfunktion, damit Leistungsberechtigte Klarheit über die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Aufwendungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) erhielten.

Am 6. September 2010 hat die Klägerin Klage ausdrücklich gegen den Widerspruchsbescheid vom 2. August 2010 erhoben und die Bewilligung von PKH beantragt. Sie hat die Stellung folgenden Antrags angekündigt:

"Die Beklagte wird verpflichtet, den Widerspruchsbescheid vom 02.08.2010 ... aufzuheben und festzustellen, dass die Höhe der Grundmiete in Höhe von EUR 270,00 angemessen ist und dass die Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von EUR 120,00 zu übernehmen sind."

Zum 1. August 2010 zog die Klägerin in die Wohnung in der Breitscheidstraße um. Unter Annahme einer Vereinbarung im Mietvertrag, nach der für den Monat August 2010 keine Grundmiete zu leisten sei, übernahm der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 23. Juli 2010 nur Betriebs- und Heizkosten iHv 115,00 EUR, die er um den Anteil der Warmwasserbereitung iHv 6,47 EUR bereinigte. In der Folge berücksichtigte der Beklagte als KdU die als angemessen erachtete Grundmiete iHv 230,00 EUR sowie die angemessenen Betriebs- und Heizkosten. Hinsichtlich der Höhe der Leistungsbewilligung für die Zeit ab September 2010 ist bei dem SG unter dem Aktenzeichen S 20 AS 2995/10 eine Anfechtungsklage- und Leistungsklage anhängig.

Zur weiteren Begründung der Klage hat die Klägerin ausgeführt, der Beklagte habe mit dem angegriffenen Widerspruchsbescheid bestätigt, dass er den Umzug als nicht erforderlich erachte und die Übernahme von Umzugskosten nicht notwendig sei.

Unter dem 14. Dezember 2011 hat das SG Zweifel an den Erfolgsaussichten der Klage geäußert. Soweit es um die Gewährung von Umzugskosten gehen solle, seien diese mit Bescheid vom 22. Juli 2010 übernommen worden. Soweit es um die Bemessung der angemessenen Höhe der KdU gehe, fehle das Feststellungsinteresse, da die Klägerin ihr Rechtsschutzziel durch die bereits anhängige Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erreichen könne. Daraufhin hat die Klägerin angeregt, beide Klageverfahren zu verbinden.

Mit Beschluss vom 26. Januar 2012 hat das SG den Antrag auf PKH angelehnt. Die Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Klage sei insgesamt unzulässig. Soweit Umzugskosten geltend gemacht werden sollten, fehle es am Rechtsschutzbedürfnis, denn diese seien mit Bescheid vom 22. Juli 2010 antragsgemäß gewährt worden. Hinsichtlich des Feststellungsantrags fehle es am Feststellungsinteresse, da die Klägerin ihr Ziel durch die bereits anhängige Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erreichen könne. Ein darüber hinaus gehendes Feststellungsinteresse sei nicht ersichtlich.

Am 6. Februar 2012 hat die Klägerin Beschwerde gegen den Beschluss einlegt und zur Begründung nach Hinweis der Berichterstatterin auf Zweifel am Rechtsschutzinteresse ausgeführt, es gehe ihr auch um die Kosten der etwas höheren Miete. Die Notwendigkeit des Umzugs ergebe sich aus den geschilderten Umständen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 26. Januar 2012 aufzuheben und ihr für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt W. aus M. zu gewähren.

Die Beklagte hat sich zum Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und das Prozesskostenbeiheft Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung des Senats waren.

II.

Die PKH-Beschwerde der Klägerin gegen Beschluss des SG vom 26. Januar 2012 ist zulässig, aber unbegründet.

Sie ist nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft nach § 172 Abs. 2 Nr. 2 SGG. Das SGG hat die Bewilligung von PKH ausschließlich wegen der mangelnden Erfolgsaussicht verneint. Auf das Erreichen des grundsätzlich nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs. 2 Satz Zivilprozessordnung (ZPO) für die Zulässigkeit notwendigen Beschwerdewerts von 750,00 EUR kommt es vorliegend nicht an, denn die Klägerin hat nicht die Erteilung einer Zusicherung iSv § 22 Abs. 4 SGB II begehrt, sondern vielmehr eine Anfechtungs- und Feststellungsklage erhoben. Letztere zielt nicht iSv § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, sodass die gesetzliche Beschränkung der Berufung in § 144 Abs. 1 SGG nicht greift. Da die Zulässigkeit der Berufung nicht beschränkt ist, ist auch die PKH-Beschwerde ohne weiteres zulässig.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Nach § 73a Abs. 1 SGG iVm den § 114ff. ZPO ist auf Antrag PKH zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 115 ZPO für die Prozessführung sein Einkommen und sein Vermögen einzusetzen, soweit dies nicht aufgrund der dort genannten Tatbestände unzumutbar ist.

Als hinreichend die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990, Az.: 1 BvR 94/88, NJW 1991 Seite 413 ff.). Eine Gewährung von PKH kommt hingegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Februar 1998, Az.: B 13 RJ 83/97 R, SozR 3/150 § 62 Nr. 19).

Unter Anwendung dieser Maßstäbe hat die Rechtsverfolgung der Klägerin keine hinreichenden Erfolgsaussichten im vorgenannten Sinne. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angegriffenen PKH-Beschluss (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG) und sieht von einer erneuten Darstellung ab.

Ergänzend ist anzumerken: Die ausdrücklich erhobene Hauptsacheklage auf Feststellung (§ 55 SGG) der Angemessenheit der Kosten für die später bezogene Wohnung ist unzulässig, weil ein Fall der Subsidiarität (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 55 RN 3, 19) vorliegt. Die Klägerin kann ihr Rechtsschutzziel im Wege einer Gestaltungs- bzw. Leistungsklage gegen einen (insoweit teilweise ablehnenden) Bescheid des Beklagten über die begehrte Leistungsgewährung erreichen und damit die Verurteilung zur begehrten Leistungserbringung (Zahlung) gerichtlich geltend machen. Die entsprechende Leistungsklage für den Zeitraum ab September 2010 ist beim SG bereits anhängig.

Soweit jedoch das eigentliche Rechtsschutzziel – wie hier die Übernahme der vollen, tatsächlich entstehenden KdU – mittels Leistungsklage geltend gemacht werden kann, ist die Erhebung einer Feststellungsklage unzulässig, weil diese gegenüber den vorgenannten Klagearten zurücktritt, insbesondere wenn – wie vorliegend – ein weitergehendes Feststellungsinteresse nicht ersichtlich ist.

Für das Bestehen eines besonderen Feststellungsinteresses gibt es keine Anhaltspunkte. Ein solches ist nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin ausführt, es gehe ihr auch um die Umzugskosten, sind diese nach den in der Sache unwidersprochenen Ausführungen des SG im angegriffenen Beschluss bereits antragsgemäß gewährt worden, sodass ein schützenwertes, berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung iSv § 55 Abs. 1 SGG nicht festgestellt werden kann.

Soweit die erhobene Klage ausdrücklich auf die isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 2. August 2010 gerichtet ist, bestehen ebenfalls keine Erfolgsaussichten, da dieser rechtmäßig sein dürfte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

gez. Schäfer gez. Bücker gez. Exner
Rechtskraft
Aus
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