L 5 AS 43/12 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 21 AS 2947/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 43/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Dezember 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit ab dem 29. August 2011.

Am 4. April 2011 stellten sie bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 27. Juni 2011 bat der Antragsgegner die Antragstellerin zu 1. um Übersendung berechnungsrelevanter Unterlagen, unter anderem im Hinblick auf die eingezahlten Beiträge und die Rückkaufswerte von kapitalbildenden Versicherungen sowie im Hinblick auf ihre selbstständige Tätigkeit. Hierzu teilten die Antragstellerinnen u. a. mit, von der Lebensversicherung seien entsprechende Unterlagen für die Beitragszahlungen bereits abgefordert worden. Diese würden nachgereicht. Sie legten eine Bescheinigung der Rückkaufswerte vom 13. Juli 2011 vor. Aus den bereits vorliegenden Versicherungsscheinen, aus der Laufzeit und den monatlichen Beiträgen könne der Antragsgegner den eingezahlten Beitrag selbst ermitteln. Da die Antragstellerin zu 1. selbstständig sei, seien die Versicherungen allerdings nicht verwertbar. Die Verwertung sei für die Rente der Antragstellerin zu 1. gedacht. Es sei den Antragstellerinnen nicht zumutbar, weitere Unterlagen vom Versicherer abzufordern. Unklar erscheine, warum die geforderten Unterlagen berechnungsrelevant sein sollten. Bezüglich der Betriebsausgaben sei die Abforderung von Unterlagen ein "anvisierter Eingriff in das unternehmerische Selbstbestimmungsrecht", den die Antragstellerinnen nicht unterstützen würden. Andere Unterlagen würden jedoch eingereicht. Der Antragsgegner hat den Antragstellerinnen mitgeteilt, die Ausführungen im Hinblick auf das "unternehmerische Selbstbestimmungsrecht" seien in Bezug auf die Ermittlung der Einkommensverhältnisse für Selbstständige nicht tragbar.

Die Antragstellerinnen haben am 29. August 2011 beim Sozialgericht Magdeburg (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und vorgetragen, ihr Existenzminimum sei seit Monaten deutlich unterschritten, ohne dass der Antragsgegner ein Handeln für notwendig erachte. Es könne ihnen nicht zugemutet werden, ständig weitere Unterlagen einzureichen. Die notwendigen Informationen lägen dem Antragsgegner bereits vor und würden eine Bewilligung von Leistungen ermöglichen. Als Anlage haben die Antragstellerinnen einzelne Kontoauszüge des von der Antragstellerin zu 1. bei der Harzsparkasse geführten Geschäftsgirokontos eingereicht. Desweiteren haben sie eine Kopie des Mietvertrags sowie des Darlehensvertrags in Höhe von 17.361,00 EUR für einen Autokauf vorgelegt. Zudem ist eine Übersicht "Vorschau 2011" für den Ertrag aus Selbstständigkeit vorgelegt worden. Der Antragsgegner hat darauf hingewiesen, die Antragstellerinnen hätten trotz wiederholter Aufforderung nicht die eingezahlten Beiträge aus den kapitalbildenden Versicherungen der Antragstellerin zu 1. belegt. Desweiteren würden betriebswirtschaftliche Auswertungen bzw. Einnahme-Überschussrechnungen für 2010 und den Beginn von 2011 sowie weitere Unterlagen fehlen, unter anderem zu den notwendigen Betriebsausgaben. Die Antragstellerinnen haben hierzu mitgeteilt, dass Kopien der eingezahlten Beiträge bei der Gothaer Versicherung vorgelegt worden seien und insoweit ein Schreiben der Versicherung vom 28. Juli 2011 überreicht, wonach insgesamt 11.191,45 EUR eingezahlt worden seien. Eine Ertragsvorschau 2011 sei von ihnen bereits übersandt worden. Sie hätten einen Anspruch, dass nicht nur ihr "nacktes Überleben" gesichert, sondern auch ihre soziale Ausgrenzung infolge Mittellosigkeit verhindert werde.

Das SG hat mit Beschluss vom 19. Dezember 2011 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Antragstellerinnen hätten ihre Hilfebedürftigkeit nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Nach der Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit hätten sich die Betriebseinnahmen von April 2011 bis September 2011 auf monatlich 3.267,68 EUR belaufen. Die Antragstellerin zu 1. habe demgegenüber Betriebsausgaben in Höhe von monatlich 1.858,84 EUR abgesetzt. Trotz konkreter Anforderungen im Verwaltungsverfahren habe sie diese Beträge nicht als notwendige tatsächliche Ausgaben glaubhaft gemacht. Diese Angaben würden allein in ihre Sphäre fallen. Ebenso obliege es den Antragstellerinnen, im vorliegenden Eilverfahren eindeutig nachvollziehbar zu ihrer Einkommenssituation vorzutragen und zur Glaubhaftmachung Nachweise beizubringen. Auch diese Obliegenheit hätten die Antragstellerinnen nicht erfüllt. So blieben beispielsweise die geltend gemachten Kfz-Kosten schon deshalb außen vor, weil die Antragstellerinnen keine substantiierten Angaben zum Umfang der betrieblichen Nutzung des Kfz gemacht hätten. Das Fahrzeug werde, wie sich aus dem Versicherungsschein ergebe, auch von einem männlichen Familienangehörigen benutzt. Soweit die Antragstellerin zu 1. Personalkosten ansetze, fehle jegliche Einlassung dahingehend, welches Personal sie für welche Tätigkeiten beschäftigen wolle. Soweit sie betriebsbedingte Raumkosten sowie betriebliche Versicherungen ansetze, sei nicht erkennbar, welche Kosten tatsächlich anfallen würden. Nachweise hierzu lägen nicht vor. Bezüglich der angesetzten Kosten für Werbung sei unklar, in welcher Form überhaupt geworben werde. Der Ansatz von Betriebsausgaben für Büromaterial, Telefon, Beratung und Fortbildung sowie sonstige Ausgaben sei nicht nachvollziehbar. Soweit die Antragstellerinnen sich bezüglich ihres Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit auf die mit der Antragsschrift eingereichte "Vorschau 2011" beriefen, sei dies nicht geeignet, die Hilfebedürftigkeit glaubhaft zu machen. Auch insoweit hätten die Antragstellerinnen weder eine Erläuterung abgegeben, noch konkrete Belege vorgelegt. Die Antragstellerinnen seien gehalten, auf der Grundlage einer Gewinn- und Verlustrechnung im Einzelnen betriebliche Ausgaben geordnet zu belegen und die Notwendigkeit dieser Ausgaben darzustellen, wenn diese bei der Leistungsbewilligung berücksichtigt werden sollten.

Die Antragstellerinnen haben im Nachgang zu dem Beschluss dem SG mit Schreiben vom 21. Dezember 2011 erneut die "Vorschau 2011" sowie eine "Kurzfristige Erfolgsrechnung Quartalswerte - vorläufig - per Dezember 2010 (13)" vom 13. April 2011 übersandt. Sie haben zudem unvollständige Kontoauszüge des Privatgirokontos sowie des Geschäftsgirokontos in ungeordneter Reihenfolge übersandt, wobei die Kopien so gefertigt worden sind, dass nicht alle Beträge erkennbar sind.

Die Antragstellerinnen haben gegen den ihnen am 29. Dezember 2011 zugestellten Beschluss am 19. Januar 2012 Beschwerde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und am 7. Februar 2012 ausgeführt: Nach ihrer Berechnung ergebe sich eine Unterdeckung von monatlich 437,16 EUR. Die Beteiligten seien sich über die Höhe des einzusetzenden Einkommens einig gewesen. Gemäß Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) habe das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes die Aufgabe, in denjenigen Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht in der Lage wäre.

Die Antragstellerinnen beantragen sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Dezember 2011 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Dezember 2011 zurückzuweisen.

Der Antragsgegner hat ausgeführt, die dem SG im Nachgang vorgelegten Unterlagen seien nicht geeignet, den Hilfebedarf festzustellen. Daher seien weitere, bereits angeforderte Unterlagen notwendig.

Der Senat hat mit Schreiben vom 6. März 2012 die Antragstellerinnen darum gebeten, zum 2. April 2012 mitzuteilen, ob Anträge auf Kinderzuschlag und Wohngeld gestellt worden seien. Zudem seien unter anderem lückenlose, chronologisch geordnete und leserlich Kontoauszüge in für beide Konten, Kopien der Steuerbescheide für 2010 und, soweit möglich, für 2011, betriebswirtschaftliche Auswertungen und Belege zur Nutzung des Kfz und zu den kapitalbildenden Versicherungen vorzulegen. Im Einzelnen wird auf das Schreiben des Senats vom 6. März 2012 verwiesen. Mit Schreiben vom 5. April 2012, das den Antragstellerinnen per Fax übersandt worden ist, hat der Senat an das Schreiben vom 6. März 2012 erinnert und um Erledigung bis zum 11. April 2012 gebeten. Eine Reaktion ist nicht erfolgt.

II.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz – SGG –), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht begründet. Das SG hat ihn daher zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) den Anspruch auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) sowie die Dringlichkeit der Entscheidung des Gerichts (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.

Hier fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen des SG in dem Beschluss vom 19. Dezember 2011 und macht sie sich zu eigen, § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG.

Ergänzend ist anzumerken: Auch aus den nachträglich im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten Kopien von Kontoauszügen ergibt sich keine andere Bewertung. Die Kontoauszüge sind ungeordnet, unvollständig und teilweise unleserlich übersandt worden. Die Antragstellerinnen haben auch im Beschwerdeverfahren keine Belege beigebracht, die geeignet sind, die Angaben zu den Betriebsausgaben glaubhaft zu machen. Sie haben zudem keine hinreichenden Belege zu den Rückkaufwerten der kapitalbildenden Versicherungen abgegeben. Trotz Aufforderung haben sie auch im Beschwerdeverfahren keine geordneten und leserlichen Kontoauszüge für das Geschäfts- und das Privatgirokonto der Antragstellerin zu 1. vorgelegt. Sie haben nicht dargelegt, inwieweit das Kfz betrieblich genutzt wird und inwieweit privat. Im Einzelnen wird auf das Schreiben des Senats vom 6. März 2012 verwiesen, das unbeantwortet geblieben ist. Auch auf die per Fax übersandte Erinnerung des Senats vom 5. April 2012 haben die Antragstellerinnen nicht geantwortet. Entgegen der Behauptung der Antragstellerinnen besteht auch keine Einigkeit zwischen den Beteiligten hinsichtlich der Höhe des anzurechnenden Einkommens. Der Antragsgegner hält ebenso wie der Senat weitere Unterlagen und Angaben für notwendig. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, obliegt es den Antragstellerinnen, ihre Hilfebedürftigkeit im Eilverfahren glaubhaft zu machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist endgültig, § 177 SGG.

gez. Bücker gez. Schäfer gez. Dr. Peters
Rechtskraft
Aus
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