Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 3778/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 1311/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2006 sowie der Bescheid vom 23. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2005 werden aufgehoben.
Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung einer Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie deren Rückforderung.
Die am 28.05.1943 geborene Klägerin beantragte am 05.01.2005 die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), nachdem sie bereits zuvor Hilfe zum Lebensunterhalt des Landkreises L. bezogen hatte. Für eine von ihr allein bewohnte Wohnung in L. entrichtete die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum einen Mietzins in Höhe von 359,92 EUR (inklusive Vorauszahlung für Betriebskosten und Wärmeversorgung). Im Zusatzblatt 1 zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gab die Klägerin an, Eigentümerin einer Eigentumswohnung zu sein, die zu "75 % verschuldet" sei. Am unteren Rand des Formulars war vermerkt, dass Belege erst im Februar 2005 durch den Steuerberater eingereicht werden könnten. Auf Seite 5 des Antragsformulars gab sie im Rahmen der Fragen zu ihren Vermögensverhältnissen an, dass hierzu eine Wohnung, die auf ihren Namen eingetragen aber verschuldet sei, gehöre. Eine Aufstellung der Verschuldung erfolge im Februar 2005 durch den Steuerberater. Am 19.01.2005 ist unter dem Briefkopf der Steuerberater und Rechtsanwaltes + S. eine nicht handschriftlich unterzeichnete Bestätigung eingegangen mit folgendem Wortlaut:
"Hiermit wird Frau H. bestätigt, dass sie noch über ca. drei Jahre Schulden insgesamt über 40.000,- EUR abzutragen hat. Und zwar wurde sich hier geeinigt, diese monatlich mit der Miete von 355,00 EUR abzutragen. Dazu kommen die Verbindlichkeiten für diese Wohnung. Dafür bleibt für Frau H. die Möglichkeit, danach diese Wohnung selber zu beziehen. Ansonsten hätte die ganze Summe an den Gläubiger ausbezahlt werden müssen und es wäre keine Vorsorge für das Alter getroffen."
Mit Bescheid vom 21.01.2005 bewilligte die Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.01.2005 in Höhe von 680,32 EUR. Die Gewährung der Leistungen sei vorerst bis zum 31.01.2005 befristet worden, weil man noch einige Unterlagen und Informationen benötige, die bereits mit Schreiben vom 05.01.2005 angefordert worden seien. Die Weiterbewilligung ab 01.02.2005 sei von der Mitwirkung der Klägerin abhängig. Mit Schreiben vom 15.02.2005 teilte die Beklagte mit, dass sie inzwischen auch Leistungen für Februar überwiesen und damit diese bis zum 28.02.2005 gewährt habe. Dem zwischenzeitlich eingelegten Widerspruch sei damit in vollem Umfang abgeholfen. Eine weitere Hilfe sowie eine mögliche Änderung ab 01.01.2005 sei jedoch erst möglich, wenn im Folgenden näher bezeichnete Nachweise und Unterlagen vorlägen.
Obwohl trotz Fristsetzung bis 28.02.2005 und dem Hinweis auf Mitwirkungspflichten keine weiteren Unterlagen eingegangen waren (Aufforderungen der Beklagten mit Schreiben vom 05.01. und 15.02.2005), bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 01.03.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 in Höhe von monatlich 680,32 EUR.
Die Klägerin machte geltend (Fax vom 20.02.2005), kein Geld für den vom Beklagten geforderten Grundbuchauszug zu haben. Sie fügte eine Bestätigung des Grundbuchamtes Freiburg bei, in der ihr mitgeteilt wurde, dass die Grundbuchauszüge zur Abholung bereit lägen und gegen eine Bezahlung von 20 EUR ausgehändigt würden. Sie führte aus, durch einen Schuldschein sei die Wohnung noch zu drei Viertel belastet. Bei einer persönlichen Vorsprache am 21.04.2005 legte sie Kontoauszüge über ein Girokonto bei der Sparkasse Freiburg - Nördliches Breisgau vor sowie, wohl unbeabsichtigt, ein an einen Herrn Zafrilla gerichtetes Schreiben vom 14.04.2005, worin sie ganz dringend um eine Adresse bat, wie sie auf Grand Canaria ihr Lokal verkaufen könne. Am 19.04.2005 wurde der Beklagten ein vom Landratsamt L. beim Grundbuchamt Freiburg i.Br. beigezogener Grundbuchauszug sowie eine Fotokopie des Kaufvertrages vom 08.10.2002 über den Erwerb einer in der M. Straße 32 in Freiburg gelegenen Eigentumswohnung, welche die Klägerin zu einem Kaufpreis von insgesamt 56.000 EUR erworben hat, vorgelegt. Aus dem Grundbuchauszug ergibt sich, dass keine Grundpfandrechte zur Kaufpreisfinanzierung eingetragen sind und das Eigentum unbelastet ist.
Mit Schreiben vom 10.05.2005 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten Rücknahme der Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 und zu einer Rückforderung der gewährten Leistungen in Höhe von insgesamt 2.889,57 EUR an.
Die Klägerin legte einen von ihr unterzeichneten "Schuldschein" mit folgendem Inhalt vor:
"Zur Rückzahlung eines Kredites zu einer Existenzgründung stehen Herrn K./F. 30.000 EUR zu. Diese stammen aus dem Jahre 1982 und wurden beschlossen, bei einer anfallenden Erbschaft zurückzuzahlen."
Von diesen 30.000 EUR sei bereits ein Drittel bezahlt. Eine Eintragung ins Grundbuch sei auf Anraten des Notars nicht erfolgt, um Kosten zu sparen. Soweit die Beklagte von ihrem "Lokal" auf Gran Canaria spreche, sei nur "dessen Inhalt" ihr Eigentum gewesen, jedoch bestehe kein Grundbucheintrag. Insoweit bestätigte eine Anfrage des Landratsamts L. beim Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Las Palmas de Gran Canaria vom 13.05.2005, dass von den zuständigen spanischen Behörden keine Grundbucheinträge zugunsten der Klägerin festgestellt worden seien.
Mit Bescheid vom 23.06.2005 nahm die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 zurück, weil die Klägerin nicht hilfebedürftig gewesen sei. Ihre Ermittlungen hätten ergeben, dass sie Eigentümerin einer Wohnung im Hause M. Straße 32 und des dazugehörigen Tiefgaragenstellplatzes sei. Die Immobilie sei am 08.10.2002 zum Preis von 56.000 EUR ohne Eintragung von Grundpfandrechten erworben worden. Bei der Festsetzung des Vermögenswertes werde vom Kaufpreis des Jahres 2002 ausgegangen. Dingliche Belastungen seien insoweit nicht nachgewiesen. Darüber hinaus sei bei der persönlichen Vorsprache am 21.04.2005 bekannt geworden, dass außerdem Vermögen in Form eines Lokales bzw. in Form einer Inneneinrichtung eines Lokales in Spanien vorhanden sei. Ein Nachweis über den Wert hierüber liege bislang nicht vor. Das zu berücksichtigende Vermögen der Eigentumswohnung in Höhe von 56.000 EUR überschreite die Vermögensfreigrenze in Höhe von 32.470 EUR. Die Klägerin sei damit nicht hilfebedürftig gewesen. Die Bescheide vom 21.01.2005 und 01.03.2005 hätten auf Angaben beruht, die die Klägerin zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Sie habe daher Arbeitslosengeld in Höhe von 1.035 EUR, Kosten zur Sicherung der Unterkunft in Höhe von 1.005,96 EUR sowie Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung in Höhe von 653,06 EUR zu Unrecht erhalten. Diese Beträge seien daher von ihr zu erstatten. Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruches machte die Klägerin geltend, sie habe die Wohnung im Jahre 2002 unvermietet gekauft und die zwischenzeitlich erfolgte Vermietung bedinge eine erhebliche Wertminderung. Sie legte ein Schreiben der Firma Wüstenrot Leonberger Immobilien, Freiburg vom 23.08.2005 vor. Aufgrund einer Besichtigung der Wohnung in der M. Straße 32 in Freiburg wurde der Klägerin mitgeteilt, dass eine Preisvorstellung von über 50,000 EUR nicht realisierbar sei. Ein realistischer Verkaufspreis läge bei 35.000 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass seit dem Jahr 2002 kein erheblicher Verfall der Immobilienpreise, insbesondere nicht in der Stadt Freiburg i.Br. zu verzeichnen gewesen sei und man deshalb grundsätzlich von einem Verkehrswert in Höhe von 50.000 bis 56.000 EUR ausgehen könne. Der Bewertung durch die Firma Wüstenrot-Immobilien könne man sich nicht anschließen, weil die rechtlichen Regelungen ausdrücklich auf den Verkehrswert abstellten. Bei der Ermittlung des Kaufpreises sei nämlich unter anderem preismindernd berücksichtigt worden, dass die Wohnung derzeit vermietet sei. Auch das Vorhandensein eines Tiefgaragenstellplatzes sei dort nicht erwähnt worden und deshalb vermutlich nicht in die Beurteilung mit einbezogen worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 14.09.2005 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.
Unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrages und dem Hinweis darauf, dass sie die Eigentumswohnung seinerzeit schon zu einem überhöhten Kaufpreis erworben habe, hält sie an dem von ihr geltend gemachten Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung fest.
In einem wegen eines Räumungstitels geführten Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vor dem SG Freiburg (S 9 AS 4872/05 ER) hat die Klägerin ein Wertgutachten des Sachverständigen für Grundstückswertermittlung Dipl.-Ing. Ekkehard Weiß, L., vom 26.09.2005 vorgelegt, der den Verkehrswert der Eigentumswohnung zum Stichtag 17.09.2005 auf 40.000 EUR geschätzt hat.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie ist der Auffassung, dass die Klägerin eindeutig unwahre Angaben gemacht und sich konkret zur Höhe der Verschuldung der Eigentumswohnung geäußert habe. Die von der Klägerin erklärte Mittellosigkeit habe man aufgrund ihrer schriftlichen Darlegungen und der des Rechtsanwalts und Steuerberaters S. akzeptiert und bewertet. Man sei zu dem Ergebnis gekommen, dass der verbleibende Wert der Eigentumswohnung den Vermögensfreibetrag in Höhe von 32.990 EUR nicht überstiegen habe. Dabei sei insbesondere das Alter und die Größe der Eigentumswohnung, aber auch hauptsächlich die 75-prozentige Verschuldung, die Bestätigung durch den Steuerberater und die abgetretene Miete berücksichtigt worden. Weil diese Sachverhalte zugunsten der Klägerin ausgelegt worden seien, habe man Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.3.2005 bewilligt.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.02.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die von der Klägerin behaupteten Schulden bislang nicht nachgewiesen oder auch nur glaubhaft gemacht seien. Insbesondere habe sie weder die verbindlichkeitsbelegenden Urkunden noch eine schriftliche Erklärung des angeblichen Gläubigers vorgelegt oder auch nur konkrete Angaben zu Grund und Höhe des Anspruches sowie zur Person des Gläubigers gemacht. Die behaupteten Verbindlichkeiten könnten auch aus Rechtsgründen nicht vermögensmindernd berücksichtigt werden, weil bei der Prüfung der Bedürftigkeit grundsätzlich die Summe der Aktiva zu berücksichtigen sei und Verbindlichkeiten außer Betracht zu bleiben hätten. Die Rücknahme sei geboten gewesen, weil die Bewilligung auf Angaben beruht habe, die die Klägerin zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht habe. Sie habe zwar bei Antragstellung zutreffend angegeben, sie sei Eigentümerin einer Eigentumswohnung und auch deren Alter und Größe in etwa zutreffend mitgeteilt. Zugleich habe sie jedoch sinngemäß behauptet, die Wohnung sei mit Schulden in Höhe von 75 % ihres Wertes belastet. Diese Erklärung sei für die Gewährung der Leistungen durch die Beklagte maßgeblich gewesen. Die Klägerin hätte erkennen können und müssen, dass die behauptete Belastung des Wohneigentums nicht zutreffend sei. Aus diesem Grund habe die Klägerin auch ihrer Ankündigung, die Belastung spätestens im Februar 2005 nachzuweisen, nicht entsprechen können. Durch die Behauptung des Gegenteils habe sie die ihr obliegende Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt.
Gegen den ihr am 15.02.2006 persönlich ausgehändigten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 15.03.2006 Berufung eingelegt.
Sie hält auch im Berufungsverfahren daran fest, dass die Rücknahme der Bewilligung und die Rückforderung gewährter Leistungen zu Unrecht erfolgt ist.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2006 sowie den Bescheid vom 23. Juni 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte erster Instanz nebst den Akten aus dem Verfahren S 9 AS 4872/05 ER sowie auf die Senatsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Denn die Beklagte hat die Bewilligung von Arbeitslosengeld II zu Unrecht aufgehoben.
Gemäß § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur dann ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn die in Abs. 2 bis 4 des § 45 SGB X geregelten Einschränkungen vorliegen. Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat oder wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X dann vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Ob die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 tatsächlich zu Unrecht erfolgt ist, kann dahinstehen, weil die Aufhebung und Rückforderung der Leistungen schon aus Rechtsgründen nicht erfolgen kann. Denn selbst wenn die Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung über verwertbares Vermögen iSd. § 12 SGB II verfügt haben sollte und deshalb eine Hilfebedürftigkeit iSd. § 7 SGB II nicht vorgelegen haben sollte, erforderte die rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung den Nachweis eines vorwerfbaren Verhaltens der Klägerin iSd. § 45 SGB X.
Nachdem nichts dafür ersichtlich ist, dass die Klägerin den Verwaltungsakt durch Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat und ihr auch nicht unterstellt werden kann, die Rechtswidrigkeit der ohne weitere Erläuterungen zur (Nicht-)Anrechnung von etwaig bestehendem Vermögen ergangenen Bewilligungsentscheidungen erkannt zu haben, ist allenfalls in Betracht zu ziehen, ob die Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben gemacht hat und der Verwaltungsakt auf diesen Angaben beruht (§ 45 Abs. 2 Nr. 2 SGB X). Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.
Aus dem Antrag der Klägerin und den dort gemachten Angaben ergibt sich vielmehr zunächst nur, dass die Klägerin Eigentümerin einer vermieteten Eigentumswohnung ist. Diese Angabe ist ergänzt worden durch den Zusatz "aber verschuldet" (siehe Blatt 5 des Antragsformulars) und den Hinweis "die 75% verschuldet ist" (vgl. Zusatzblatt 1 zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung). Des Weiteren hatte die Klägerin vermerkt, dass eine Aufstellung der Verschuldung erst im Februar 2005 durch den Steuerberater erfolge. Die Beklagte gewährte hierauf am 05.01.2005 zunächst einen Vorschuss gemäß § 42 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und - nachdem bereits die Stellungnahme des Steuerberaters und Rechtsanwaltes S. eingegangen war - einen weiteren Vorschuss (21.01.2005) sowie mit Bescheid vom 21.01.2005 auch Arbeitslosengeld II für den Monat Januar 2005 ohne weitere Einschränkungen. Diese Bewilligung erfolgte, obwohl die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 05.01.2005 aufgefordert hatte, Nachweise für die Eigentumswohnung in Form von Auflistungen der Darlehensverbindlichkeiten nach Zins und Tilgung, von Belegen über die Gebäudeversicherung, die Grundsteuer und Nebenkosten einzureichen. Ebenso wurde sie aufgefordert, einen Grundbuchauszug und einen Nachweis über die bestehenden Restschulden vorzulegen. Diese Aufforderung wiederholte die Beklagte mit Schreiben vom 15.02.2005, worauf die Klägerin mit Fax vom 20.02.2005 unter Vorlage einer Bestätigung des Grundbuchamtes Freiburg, dass die Grundbuchauszüge zur Abholung bereit lägen und gegen eine Bezahlung von 20 EUR ausgehändigt würden, mitteilte, kein Geld für die Abholung dieser Unterlagen zu haben. Mit Bescheid vom 01.03.2005 bewilligte die Beklagte - trotz der bislang nicht geklärten Vermögensverhältnisse - Arbeitslosengeld II bis 31.03.2005.
Der aufgezeigte Verlauf bestätigt, dass der Vorwurf von in wesentlicher Beziehung unrichtiger oder unvollständiger Angaben nicht gemacht werden kann. Denn die Beklagte hat durch ihre Aufforderungen, weitere Nachweise vorzulegen, deutlich gemacht, welche von ihr als wesentlich erachteten Angaben für die Entscheidung noch fehlen. Bewilligt sie Leistungen aber trotz der von ihr selbst als weiter aufklärungsbedürftig angesehenen Umstände, können die gemachten Angaben nicht wesentlich für die Entscheidung gewesen sein. Die Bewilligungsbescheide beruhen nicht auf den von der Klägerin gemachten Angaben, sondern sind ergangen, obwohl die Beklagte die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung (Beiziehung von Grundbuchauszügen zur Klärung ob über dem Freibetrag liegendes verwertbares Vermögen vorhanden ist) erkannt hatte. Sie bewilligte diese Leistungen aber dennoch, ohne sie etwa auf weitere Vorschusszahlungen unter dem Vorbehalt des § 42 SGB I zu beschränken oder auf die Gewährung nur vorläufiger Leistungen bis zur endgültigen Klärung der Bedürftigkeit zu begrenzen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagten zum Zeitpunkt der Bewilligung auch der Wert der Eigentumswohnung oder ihr Kaufpreis noch nicht bekannt gewesen sind. Sie hat daher zum Zeitpunkt der Bewilligung die Höhe des vorhandenen Vermögens nicht abschließend beurteilen können.
Die Annahme grober Fahrlässigkeit wäre auch nur dann gerechtfertigt, wenn man unterstellen könnte, dass der Klägerin die rechtliche Würdigung der Berücksichtigung von Schulden im Rahmen der Vermögensanrechung bekannt gewesen ist, dass nämlich grundsätzlich die Summe der aktiven Vermögenswerte anzusetzen ist und allenfalls solche Verbindlichkeiten Berücksichtigung finden können, die unmittelbar auf dem Vermögensgegenstand lasten (vgl. hierzu BSG Urteil vom 02.11.2000 - B 11 Al 35/00 R in Breithaupt 2001, 459 ff. - noch zur Arbeitslosenhilfe; eine andere Auffassung wird auch im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht vertreten, vgl. Brühl in LPK-SGB II, 2. Aufl. § 12 Rz. 67, Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. § 12 Rz. 15, Hasske in Estelmann, SGB II § 12 Rz. 9). Hierfür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor. Die Angabe, verschuldet (gewesen) zu sein, wird im Übrigen durch die Bestätigung des Steuerberaters und Rechtsanwaltes S. belegt, der ausgeführt hat, dass die Klägerin noch über drei Jahre hinweg insgesamt über 40.000 EUR Schulden abtragen müsse. Ein Hinweis auf mit dem Grundeigentum in Zusammenhang stehende Verbindlichkeiten ergibt sich hieraus im Übrigen ebenfalls nicht zweifelsfrei.
Soweit die Beklagte zur Begründung ihrer Entscheidung auch auf eine Immobilie und auf Inventarbesitz auf Gran Canaria verweist, ist ein tatsächlich vorhandener Vermögenswert nicht belegt. So haben die Ermittlungen des Landratsamtes L. über das Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Las Palmas de Gran Canaria keinen Immobilienbesitz der Klägerin ergeben. Ebenso ist ein dort noch befindliches und verwertbares Vermögen in Form von Inventarbesitz nicht nachgewiesen und kann daher zur Begründung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung nicht herangezogen werden.
Die Entscheidung der Beklagten kann auch nicht darauf gestützt werden, dass die Klägerin im Antragsformular ihre Mieteinnahmen nicht angegeben hatte. Auch insoweit beruht die Entscheidung der Beklagten hierauf nicht, da sie Kenntnis von diesen Mieteinnahmen und deren Höhe noch vor der Bewilligung von Leistungen für Januar durch das Fax des Rechtsanwaltes und Steuerberaters S. erlangt hatte und nur aufgrund einer Verpfändung dieser Mieteinnahmen von einer Anrechnung abgesehen hat.
Die Klägerin kann sich daher auf Vertrauensschutz berufen, weil sie die Leistungen ganz offensichtlich verbraucht hat, wie der weitere Verlauf mit einer durchgesetzten Räumungsklage und anschließender Obdachlosigkeit belegt. An der Schutzwürdigkeit dieses Vertrauens im Sinne des § 45 Abs. 2 S. 2 SGB X gibt es keinen Zweifel.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung einer Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie deren Rückforderung.
Die am 28.05.1943 geborene Klägerin beantragte am 05.01.2005 die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), nachdem sie bereits zuvor Hilfe zum Lebensunterhalt des Landkreises L. bezogen hatte. Für eine von ihr allein bewohnte Wohnung in L. entrichtete die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum einen Mietzins in Höhe von 359,92 EUR (inklusive Vorauszahlung für Betriebskosten und Wärmeversorgung). Im Zusatzblatt 1 zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gab die Klägerin an, Eigentümerin einer Eigentumswohnung zu sein, die zu "75 % verschuldet" sei. Am unteren Rand des Formulars war vermerkt, dass Belege erst im Februar 2005 durch den Steuerberater eingereicht werden könnten. Auf Seite 5 des Antragsformulars gab sie im Rahmen der Fragen zu ihren Vermögensverhältnissen an, dass hierzu eine Wohnung, die auf ihren Namen eingetragen aber verschuldet sei, gehöre. Eine Aufstellung der Verschuldung erfolge im Februar 2005 durch den Steuerberater. Am 19.01.2005 ist unter dem Briefkopf der Steuerberater und Rechtsanwaltes + S. eine nicht handschriftlich unterzeichnete Bestätigung eingegangen mit folgendem Wortlaut:
"Hiermit wird Frau H. bestätigt, dass sie noch über ca. drei Jahre Schulden insgesamt über 40.000,- EUR abzutragen hat. Und zwar wurde sich hier geeinigt, diese monatlich mit der Miete von 355,00 EUR abzutragen. Dazu kommen die Verbindlichkeiten für diese Wohnung. Dafür bleibt für Frau H. die Möglichkeit, danach diese Wohnung selber zu beziehen. Ansonsten hätte die ganze Summe an den Gläubiger ausbezahlt werden müssen und es wäre keine Vorsorge für das Alter getroffen."
Mit Bescheid vom 21.01.2005 bewilligte die Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.01.2005 in Höhe von 680,32 EUR. Die Gewährung der Leistungen sei vorerst bis zum 31.01.2005 befristet worden, weil man noch einige Unterlagen und Informationen benötige, die bereits mit Schreiben vom 05.01.2005 angefordert worden seien. Die Weiterbewilligung ab 01.02.2005 sei von der Mitwirkung der Klägerin abhängig. Mit Schreiben vom 15.02.2005 teilte die Beklagte mit, dass sie inzwischen auch Leistungen für Februar überwiesen und damit diese bis zum 28.02.2005 gewährt habe. Dem zwischenzeitlich eingelegten Widerspruch sei damit in vollem Umfang abgeholfen. Eine weitere Hilfe sowie eine mögliche Änderung ab 01.01.2005 sei jedoch erst möglich, wenn im Folgenden näher bezeichnete Nachweise und Unterlagen vorlägen.
Obwohl trotz Fristsetzung bis 28.02.2005 und dem Hinweis auf Mitwirkungspflichten keine weiteren Unterlagen eingegangen waren (Aufforderungen der Beklagten mit Schreiben vom 05.01. und 15.02.2005), bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 01.03.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 in Höhe von monatlich 680,32 EUR.
Die Klägerin machte geltend (Fax vom 20.02.2005), kein Geld für den vom Beklagten geforderten Grundbuchauszug zu haben. Sie fügte eine Bestätigung des Grundbuchamtes Freiburg bei, in der ihr mitgeteilt wurde, dass die Grundbuchauszüge zur Abholung bereit lägen und gegen eine Bezahlung von 20 EUR ausgehändigt würden. Sie führte aus, durch einen Schuldschein sei die Wohnung noch zu drei Viertel belastet. Bei einer persönlichen Vorsprache am 21.04.2005 legte sie Kontoauszüge über ein Girokonto bei der Sparkasse Freiburg - Nördliches Breisgau vor sowie, wohl unbeabsichtigt, ein an einen Herrn Zafrilla gerichtetes Schreiben vom 14.04.2005, worin sie ganz dringend um eine Adresse bat, wie sie auf Grand Canaria ihr Lokal verkaufen könne. Am 19.04.2005 wurde der Beklagten ein vom Landratsamt L. beim Grundbuchamt Freiburg i.Br. beigezogener Grundbuchauszug sowie eine Fotokopie des Kaufvertrages vom 08.10.2002 über den Erwerb einer in der M. Straße 32 in Freiburg gelegenen Eigentumswohnung, welche die Klägerin zu einem Kaufpreis von insgesamt 56.000 EUR erworben hat, vorgelegt. Aus dem Grundbuchauszug ergibt sich, dass keine Grundpfandrechte zur Kaufpreisfinanzierung eingetragen sind und das Eigentum unbelastet ist.
Mit Schreiben vom 10.05.2005 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten Rücknahme der Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 und zu einer Rückforderung der gewährten Leistungen in Höhe von insgesamt 2.889,57 EUR an.
Die Klägerin legte einen von ihr unterzeichneten "Schuldschein" mit folgendem Inhalt vor:
"Zur Rückzahlung eines Kredites zu einer Existenzgründung stehen Herrn K./F. 30.000 EUR zu. Diese stammen aus dem Jahre 1982 und wurden beschlossen, bei einer anfallenden Erbschaft zurückzuzahlen."
Von diesen 30.000 EUR sei bereits ein Drittel bezahlt. Eine Eintragung ins Grundbuch sei auf Anraten des Notars nicht erfolgt, um Kosten zu sparen. Soweit die Beklagte von ihrem "Lokal" auf Gran Canaria spreche, sei nur "dessen Inhalt" ihr Eigentum gewesen, jedoch bestehe kein Grundbucheintrag. Insoweit bestätigte eine Anfrage des Landratsamts L. beim Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Las Palmas de Gran Canaria vom 13.05.2005, dass von den zuständigen spanischen Behörden keine Grundbucheinträge zugunsten der Klägerin festgestellt worden seien.
Mit Bescheid vom 23.06.2005 nahm die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 zurück, weil die Klägerin nicht hilfebedürftig gewesen sei. Ihre Ermittlungen hätten ergeben, dass sie Eigentümerin einer Wohnung im Hause M. Straße 32 und des dazugehörigen Tiefgaragenstellplatzes sei. Die Immobilie sei am 08.10.2002 zum Preis von 56.000 EUR ohne Eintragung von Grundpfandrechten erworben worden. Bei der Festsetzung des Vermögenswertes werde vom Kaufpreis des Jahres 2002 ausgegangen. Dingliche Belastungen seien insoweit nicht nachgewiesen. Darüber hinaus sei bei der persönlichen Vorsprache am 21.04.2005 bekannt geworden, dass außerdem Vermögen in Form eines Lokales bzw. in Form einer Inneneinrichtung eines Lokales in Spanien vorhanden sei. Ein Nachweis über den Wert hierüber liege bislang nicht vor. Das zu berücksichtigende Vermögen der Eigentumswohnung in Höhe von 56.000 EUR überschreite die Vermögensfreigrenze in Höhe von 32.470 EUR. Die Klägerin sei damit nicht hilfebedürftig gewesen. Die Bescheide vom 21.01.2005 und 01.03.2005 hätten auf Angaben beruht, die die Klägerin zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Sie habe daher Arbeitslosengeld in Höhe von 1.035 EUR, Kosten zur Sicherung der Unterkunft in Höhe von 1.005,96 EUR sowie Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung in Höhe von 653,06 EUR zu Unrecht erhalten. Diese Beträge seien daher von ihr zu erstatten. Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruches machte die Klägerin geltend, sie habe die Wohnung im Jahre 2002 unvermietet gekauft und die zwischenzeitlich erfolgte Vermietung bedinge eine erhebliche Wertminderung. Sie legte ein Schreiben der Firma Wüstenrot Leonberger Immobilien, Freiburg vom 23.08.2005 vor. Aufgrund einer Besichtigung der Wohnung in der M. Straße 32 in Freiburg wurde der Klägerin mitgeteilt, dass eine Preisvorstellung von über 50,000 EUR nicht realisierbar sei. Ein realistischer Verkaufspreis läge bei 35.000 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass seit dem Jahr 2002 kein erheblicher Verfall der Immobilienpreise, insbesondere nicht in der Stadt Freiburg i.Br. zu verzeichnen gewesen sei und man deshalb grundsätzlich von einem Verkehrswert in Höhe von 50.000 bis 56.000 EUR ausgehen könne. Der Bewertung durch die Firma Wüstenrot-Immobilien könne man sich nicht anschließen, weil die rechtlichen Regelungen ausdrücklich auf den Verkehrswert abstellten. Bei der Ermittlung des Kaufpreises sei nämlich unter anderem preismindernd berücksichtigt worden, dass die Wohnung derzeit vermietet sei. Auch das Vorhandensein eines Tiefgaragenstellplatzes sei dort nicht erwähnt worden und deshalb vermutlich nicht in die Beurteilung mit einbezogen worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 14.09.2005 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.
Unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrages und dem Hinweis darauf, dass sie die Eigentumswohnung seinerzeit schon zu einem überhöhten Kaufpreis erworben habe, hält sie an dem von ihr geltend gemachten Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung fest.
In einem wegen eines Räumungstitels geführten Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vor dem SG Freiburg (S 9 AS 4872/05 ER) hat die Klägerin ein Wertgutachten des Sachverständigen für Grundstückswertermittlung Dipl.-Ing. Ekkehard Weiß, L., vom 26.09.2005 vorgelegt, der den Verkehrswert der Eigentumswohnung zum Stichtag 17.09.2005 auf 40.000 EUR geschätzt hat.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie ist der Auffassung, dass die Klägerin eindeutig unwahre Angaben gemacht und sich konkret zur Höhe der Verschuldung der Eigentumswohnung geäußert habe. Die von der Klägerin erklärte Mittellosigkeit habe man aufgrund ihrer schriftlichen Darlegungen und der des Rechtsanwalts und Steuerberaters S. akzeptiert und bewertet. Man sei zu dem Ergebnis gekommen, dass der verbleibende Wert der Eigentumswohnung den Vermögensfreibetrag in Höhe von 32.990 EUR nicht überstiegen habe. Dabei sei insbesondere das Alter und die Größe der Eigentumswohnung, aber auch hauptsächlich die 75-prozentige Verschuldung, die Bestätigung durch den Steuerberater und die abgetretene Miete berücksichtigt worden. Weil diese Sachverhalte zugunsten der Klägerin ausgelegt worden seien, habe man Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.3.2005 bewilligt.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.02.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die von der Klägerin behaupteten Schulden bislang nicht nachgewiesen oder auch nur glaubhaft gemacht seien. Insbesondere habe sie weder die verbindlichkeitsbelegenden Urkunden noch eine schriftliche Erklärung des angeblichen Gläubigers vorgelegt oder auch nur konkrete Angaben zu Grund und Höhe des Anspruches sowie zur Person des Gläubigers gemacht. Die behaupteten Verbindlichkeiten könnten auch aus Rechtsgründen nicht vermögensmindernd berücksichtigt werden, weil bei der Prüfung der Bedürftigkeit grundsätzlich die Summe der Aktiva zu berücksichtigen sei und Verbindlichkeiten außer Betracht zu bleiben hätten. Die Rücknahme sei geboten gewesen, weil die Bewilligung auf Angaben beruht habe, die die Klägerin zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht habe. Sie habe zwar bei Antragstellung zutreffend angegeben, sie sei Eigentümerin einer Eigentumswohnung und auch deren Alter und Größe in etwa zutreffend mitgeteilt. Zugleich habe sie jedoch sinngemäß behauptet, die Wohnung sei mit Schulden in Höhe von 75 % ihres Wertes belastet. Diese Erklärung sei für die Gewährung der Leistungen durch die Beklagte maßgeblich gewesen. Die Klägerin hätte erkennen können und müssen, dass die behauptete Belastung des Wohneigentums nicht zutreffend sei. Aus diesem Grund habe die Klägerin auch ihrer Ankündigung, die Belastung spätestens im Februar 2005 nachzuweisen, nicht entsprechen können. Durch die Behauptung des Gegenteils habe sie die ihr obliegende Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt.
Gegen den ihr am 15.02.2006 persönlich ausgehändigten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 15.03.2006 Berufung eingelegt.
Sie hält auch im Berufungsverfahren daran fest, dass die Rücknahme der Bewilligung und die Rückforderung gewährter Leistungen zu Unrecht erfolgt ist.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2006 sowie den Bescheid vom 23. Juni 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte erster Instanz nebst den Akten aus dem Verfahren S 9 AS 4872/05 ER sowie auf die Senatsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Denn die Beklagte hat die Bewilligung von Arbeitslosengeld II zu Unrecht aufgehoben.
Gemäß § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur dann ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn die in Abs. 2 bis 4 des § 45 SGB X geregelten Einschränkungen vorliegen. Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat oder wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X dann vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Ob die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 tatsächlich zu Unrecht erfolgt ist, kann dahinstehen, weil die Aufhebung und Rückforderung der Leistungen schon aus Rechtsgründen nicht erfolgen kann. Denn selbst wenn die Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung über verwertbares Vermögen iSd. § 12 SGB II verfügt haben sollte und deshalb eine Hilfebedürftigkeit iSd. § 7 SGB II nicht vorgelegen haben sollte, erforderte die rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung den Nachweis eines vorwerfbaren Verhaltens der Klägerin iSd. § 45 SGB X.
Nachdem nichts dafür ersichtlich ist, dass die Klägerin den Verwaltungsakt durch Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat und ihr auch nicht unterstellt werden kann, die Rechtswidrigkeit der ohne weitere Erläuterungen zur (Nicht-)Anrechnung von etwaig bestehendem Vermögen ergangenen Bewilligungsentscheidungen erkannt zu haben, ist allenfalls in Betracht zu ziehen, ob die Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben gemacht hat und der Verwaltungsakt auf diesen Angaben beruht (§ 45 Abs. 2 Nr. 2 SGB X). Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.
Aus dem Antrag der Klägerin und den dort gemachten Angaben ergibt sich vielmehr zunächst nur, dass die Klägerin Eigentümerin einer vermieteten Eigentumswohnung ist. Diese Angabe ist ergänzt worden durch den Zusatz "aber verschuldet" (siehe Blatt 5 des Antragsformulars) und den Hinweis "die 75% verschuldet ist" (vgl. Zusatzblatt 1 zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung). Des Weiteren hatte die Klägerin vermerkt, dass eine Aufstellung der Verschuldung erst im Februar 2005 durch den Steuerberater erfolge. Die Beklagte gewährte hierauf am 05.01.2005 zunächst einen Vorschuss gemäß § 42 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und - nachdem bereits die Stellungnahme des Steuerberaters und Rechtsanwaltes S. eingegangen war - einen weiteren Vorschuss (21.01.2005) sowie mit Bescheid vom 21.01.2005 auch Arbeitslosengeld II für den Monat Januar 2005 ohne weitere Einschränkungen. Diese Bewilligung erfolgte, obwohl die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 05.01.2005 aufgefordert hatte, Nachweise für die Eigentumswohnung in Form von Auflistungen der Darlehensverbindlichkeiten nach Zins und Tilgung, von Belegen über die Gebäudeversicherung, die Grundsteuer und Nebenkosten einzureichen. Ebenso wurde sie aufgefordert, einen Grundbuchauszug und einen Nachweis über die bestehenden Restschulden vorzulegen. Diese Aufforderung wiederholte die Beklagte mit Schreiben vom 15.02.2005, worauf die Klägerin mit Fax vom 20.02.2005 unter Vorlage einer Bestätigung des Grundbuchamtes Freiburg, dass die Grundbuchauszüge zur Abholung bereit lägen und gegen eine Bezahlung von 20 EUR ausgehändigt würden, mitteilte, kein Geld für die Abholung dieser Unterlagen zu haben. Mit Bescheid vom 01.03.2005 bewilligte die Beklagte - trotz der bislang nicht geklärten Vermögensverhältnisse - Arbeitslosengeld II bis 31.03.2005.
Der aufgezeigte Verlauf bestätigt, dass der Vorwurf von in wesentlicher Beziehung unrichtiger oder unvollständiger Angaben nicht gemacht werden kann. Denn die Beklagte hat durch ihre Aufforderungen, weitere Nachweise vorzulegen, deutlich gemacht, welche von ihr als wesentlich erachteten Angaben für die Entscheidung noch fehlen. Bewilligt sie Leistungen aber trotz der von ihr selbst als weiter aufklärungsbedürftig angesehenen Umstände, können die gemachten Angaben nicht wesentlich für die Entscheidung gewesen sein. Die Bewilligungsbescheide beruhen nicht auf den von der Klägerin gemachten Angaben, sondern sind ergangen, obwohl die Beklagte die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung (Beiziehung von Grundbuchauszügen zur Klärung ob über dem Freibetrag liegendes verwertbares Vermögen vorhanden ist) erkannt hatte. Sie bewilligte diese Leistungen aber dennoch, ohne sie etwa auf weitere Vorschusszahlungen unter dem Vorbehalt des § 42 SGB I zu beschränken oder auf die Gewährung nur vorläufiger Leistungen bis zur endgültigen Klärung der Bedürftigkeit zu begrenzen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagten zum Zeitpunkt der Bewilligung auch der Wert der Eigentumswohnung oder ihr Kaufpreis noch nicht bekannt gewesen sind. Sie hat daher zum Zeitpunkt der Bewilligung die Höhe des vorhandenen Vermögens nicht abschließend beurteilen können.
Die Annahme grober Fahrlässigkeit wäre auch nur dann gerechtfertigt, wenn man unterstellen könnte, dass der Klägerin die rechtliche Würdigung der Berücksichtigung von Schulden im Rahmen der Vermögensanrechung bekannt gewesen ist, dass nämlich grundsätzlich die Summe der aktiven Vermögenswerte anzusetzen ist und allenfalls solche Verbindlichkeiten Berücksichtigung finden können, die unmittelbar auf dem Vermögensgegenstand lasten (vgl. hierzu BSG Urteil vom 02.11.2000 - B 11 Al 35/00 R in Breithaupt 2001, 459 ff. - noch zur Arbeitslosenhilfe; eine andere Auffassung wird auch im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht vertreten, vgl. Brühl in LPK-SGB II, 2. Aufl. § 12 Rz. 67, Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. § 12 Rz. 15, Hasske in Estelmann, SGB II § 12 Rz. 9). Hierfür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor. Die Angabe, verschuldet (gewesen) zu sein, wird im Übrigen durch die Bestätigung des Steuerberaters und Rechtsanwaltes S. belegt, der ausgeführt hat, dass die Klägerin noch über drei Jahre hinweg insgesamt über 40.000 EUR Schulden abtragen müsse. Ein Hinweis auf mit dem Grundeigentum in Zusammenhang stehende Verbindlichkeiten ergibt sich hieraus im Übrigen ebenfalls nicht zweifelsfrei.
Soweit die Beklagte zur Begründung ihrer Entscheidung auch auf eine Immobilie und auf Inventarbesitz auf Gran Canaria verweist, ist ein tatsächlich vorhandener Vermögenswert nicht belegt. So haben die Ermittlungen des Landratsamtes L. über das Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Las Palmas de Gran Canaria keinen Immobilienbesitz der Klägerin ergeben. Ebenso ist ein dort noch befindliches und verwertbares Vermögen in Form von Inventarbesitz nicht nachgewiesen und kann daher zur Begründung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung nicht herangezogen werden.
Die Entscheidung der Beklagten kann auch nicht darauf gestützt werden, dass die Klägerin im Antragsformular ihre Mieteinnahmen nicht angegeben hatte. Auch insoweit beruht die Entscheidung der Beklagten hierauf nicht, da sie Kenntnis von diesen Mieteinnahmen und deren Höhe noch vor der Bewilligung von Leistungen für Januar durch das Fax des Rechtsanwaltes und Steuerberaters S. erlangt hatte und nur aufgrund einer Verpfändung dieser Mieteinnahmen von einer Anrechnung abgesehen hat.
Die Klägerin kann sich daher auf Vertrauensschutz berufen, weil sie die Leistungen ganz offensichtlich verbraucht hat, wie der weitere Verlauf mit einer durchgesetzten Räumungsklage und anschließender Obdachlosigkeit belegt. An der Schutzwürdigkeit dieses Vertrauens im Sinne des § 45 Abs. 2 S. 2 SGB X gibt es keinen Zweifel.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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