L 10 U 5759/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 2922/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 5759/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.09.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung von Unfallfolgen.

Die am 1968 geborene Klägerin hat eine abgeschlossene Berufsausbildung als Schwimmmeis-tergehilfin. Ab Februar 2006 stand sie als solche in einem bis Ende September 2006 befristeten Arbeitsverhältnis mit den Stadtwerken R. GmbH. Im Rahmen dieser Tätigkeit rutschte sie am 22.03.2006 gegen 10:00 Uhr beim Reinigen eines Sprungbeckens auf dem mit Eis und Schmutz bedeckten schrägen Teil des Beckenbodens aus und fiel auf den rechten Ellenbogen. Die Kläge-rin, die zuvor nach eigenen Angaben keine Beschwerden an der rechten Schulter hatte, und diesbezüglich nach dem Vorerkrankungsverzeichnis der D. auch keine Arbeitsunfähigkeitszeiten aufwies, begab sich noch am Unfalltag in die Behandlung zu Dr. F. (Chirurgische Gemeinschaftspraxis Dr. F. , N. , Dres. A. und F. ). Dieser diagnostizierte, nachdem Röntgenaufnahmen keinen Anhalt für Frakturen geliefert hatten, noch am selben Tag Prellungen des Ellenbogens sowie sonstiger Teile des Handgelenks und der Hand. Schmerzen in Bereich der Schulter sind nicht beschrieben. Die Klägerin wurde bis zum 27.03.2006 krankgeschrieben und nahm ihre Arbeit danach wieder aufgenommen, wobei sie - nach eigenen Angaben - wegen erheblichen Schulterschmerzen hauptsächlich nur noch Auf-sichtstätigkeiten ausführen konnte, so dass der Arbeitsvertrag letztlich nicht mehr verlängert wurde (Bl. 25/26 LSG-Akte). Nach dem 30.09.2006 war die Klägerin kurzzeitig bei einer Leih-firma als Produktionshelferin beschäftigt, schließlich erfolgte eine Umschulung zur Industrie-kauffrau, die die Klägerin im Jahr 2009 abschloss. Nachfolgend nahm sie eine Tätigkeit als Mitarbeiterin in einer Reinigungsfirma auf (Bl. 26 und 73 LSG-Akte).

Anlässlich der ambulanten Behandlung durch Dr. F. am 13.04.2006 gab die Klägerin zuneh-mende Schmerzen im rechten Arm und vornehmlich der rechten Schulter an (Bl. 4 VA). Anlässlich der zuvor am 03. und 05.04.2006 erfolgten Vorstellungen der Klägerin dokumentierte Dr. F. - wie schon am Unfalltag - keine Beschwerden an der rechten Schulter (Bl. 29 LSG-Akte). Die am 13.06.2006 angefertigte Kernspintomographie der rechten Schulter ergab eine partielle Ruptur der Rotatorenmanschette mit Läsion der Supraspinatussehne sowie eine mäßiggradige chronische Tendosynovitis der langen Biszepssehne (Arztbrief Dr. Vollmar Bl. 22 VA). Die Klägerin wurde, nachdem der Chefarzt der Abteilung für Unfallchirurgie der Kreiskliniken R. Dr. V. einen Unfallzusammenhang für "zumindest fragwürdig" erachtete (Bl. 19 VA), zu Lasten der Krankenkasse in der Zeit vom 03. bis 09.08.2006 stationär aufgenommen. Bei der am 04.08.2006 durchgeführten Operation zeigten sich sehr enge subacromiale Verhältnisse durch osteophytäre Anlagerungen und Zacken mit relativ scharfkantigen Knochenvorsprüngen am Acromion. Dr. V. nahm eine subacromiale Dekompression nebst Exostosenabtragung und Ausdünnung des Acromions vor, entfernte exostosenartige Veränderungen am Humeruskopf und führte eine Refixierung der ausgedünnten radiär incidierten Rotatorenmanschette durch. Postoperativ diagnostizierte er ein Impingementsyndrom rechts mit ausgedünnter Rotatorenmanschette und exostosenartiger Knochenveränderung sowohl im subacromialen Bereich als auch am Ansatz des Tuberkulum majus (OP-Bericht Bl. 77 SG-Akte). Prof. Dr. B. fand in der histopathologischen Begutachtung des während der Operation entnommenen Gewebes von der Rotatorenmanschette ausschließlich degenerative Veränderungen (Bl. 146 SG-Akte). Während des stationären Aufenthalts in den Kreiskliniken R. wurde die Klägerin am 06.08.2006 von einer automatischen Tür des Krankenhauses am operierten geschienten Arm getroffen, was - so die Patientendokumentation (Bl. 92 SG-Akte) - zu einer vorübergehenden Schmerzverstärkung führte. Im Entlassungsbe-richt vom August 2006 bewertete Dr. V. den Sturz im Freibad als Auslöser nicht jedoch als Ur-sache der aufgetretenen Beschwerden (Bl. 33 VA).

Wegen fortdauernder Beschwerden suchte die Klägerin im Jahr 2007 zur weiteren Behandlung die Sportklinik S. auf. Unter anderem auf der Grundlage von Röntgenaufnahmen vom 17.04.2007 erfolgte die dortige Behandlung zunächst unter dem Gesichtspunkt des Verdachts auf eine Reruptur des Schultergelenks rechts bei einem Zustand nach offener knöcherner Rotatorenmanschetten-Refixation mit Acromioplastik mit dadurch deutlicher Erweiterung des Acromioclaviculargelenks (Bl. 156 SG-Akte), nachfolgend unter der Diagnose einer posttraumtischen AC-Gelenksinstabilität rechts bei Rockwood II Verletzung (Bl. 153 SG-Akte) und im weiteren Verlauf wegen persistierender Schulterschmerzen bei Tendinitis der langen Bizepssehne und posttraumatischer Acromioclaviculargelenksinstabilität Typ Rockwood II (Bl. 150 SG-Akte). Schließlich wurde im Rahmen eines stationären Aufenthalts unter den sodann gestellten Diagnosen von Restbeschwerden im Sinne einer Tendinitis der langen Biszepssehne, deutlichen postoperativen Verwachsungen subacromial bei Zustand nach offener Rotatorenmanschetten-rekonstruktion rechts und einer leichten arcromioclaviculären Instabilität eine Tenotomie der langen Biszepssehne, die Lösung der Verwachsungen und eine Denervierung im AC-Gelenk durchgeführt (OP-Bericht Bl. 149 SG-Akte). Auch nach dieser Operation macht die Klägerin noch Beschwerden im Bereich der rechten Schulter geltend (Bl. 76 LSG-Akte).

Mit Bescheid vom 14.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe sich bei dem Arbeitsunfall am 22.03.2006 eine Prellung am rechten Ellenbogen und an der rechten Schulter zugezogen, die inzwischen ausgeheilt sei. Aus diesem Grund könne sie keine weiteren Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Anspruch nehmen. Hinsichtlich der kernspintomographisch festgestellten Schädigung der Rotatorenmanschette fehle es an einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall. Der Sturz sei nur Auslöser der Beschwerden, jedoch nicht deren Ursache gewesen. Die Rotatorenmanschette werde durch eine Prellung nur dann gefährdet, wenn schwerste Verletzungen der vorgelagerten und benachbarten Strukturen vorlägen. Solche seien nicht festgestellt worden. Tatsächliche Ursache der Beschwerden sei eine vorbestehende Krankheitsanlage in Form erheblicher degenerativer Veränderungen der Rotatorenmanschette gewesen. Dies sei kernspintomographisch, histologisch sowie intraoperativ eindeutig nachgewiesen worden. Die Beklagte stützte sich dabei auf den nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 30.01.2007 von Prof. Dr. W. (Ärztlicher Direktor an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. ) erstellten Zwischenbericht. Dieser hatte im MRT vom 13.06.2006 eine schwere AC-Gelenkarthrose mit subacromialen Sporn sowie eine Partialruptur im Bereich der Supraspinatussehne gesehen.

Deswegen hat die Klägerin am 20.07.2007 beim Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben. Das Sozialgericht hat das fachorthopädische Gutachten des Leiters der Sektion für Schulter- und Ellenbogenchirurgie der Orthopädischen Universitätsklinik H. Prof. Dr. L. (Untersuchung am 31.12.2007) nebst ergänzender Stellungnahme zum radiologischen Zusatzgutachten des Leiters der Sektion Diagnostische Radiologie der Universitätsklinik H. PD Dr. L. eingeholt und Dr. F. , den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. R. sowie den Chirurgen K. als sachverständige Zeugen schriftlich befragt.

Prof. Dr. L. hat eine Bewegungsstörung und Kraftminderung der rechten Schulter bei AC-Gelenkssprengung Rockwood II sowie einen Zustand nach Rekonstruktion der Rotatorenman-schette diagnostiziert und diese Erkrankungen nicht als Unfallfolgen angesehen. Zwar sprächen die fehlenden Vorbeschwerden und eventuell auch der Unfallhergang für einen Unfallzusam-menhang. Nach dem Erstbefund, dem Ergebnis der histologischen Untersuchung sowie der sich auf dem MRT vom 13.06.2006 darstellenden Arthrose des AC-Gelenks sei ein Unfallzusam-menhang jedoch widerlegt. Bei dem zweiten Unfall in der Klinik könnte es zu einer Schultereckgelenkssprengung gekommen sein, obwohl dies nach dem Hergang unwahrscheinlich sei. An der Auffassung, dass das MRT vom 13.06.2006 eine Arthrose aufweise, hat Prof. Dr. L. auch nach Erstellung des Zusatzgutachtens von PD Dr. L. festgehalten, jedoch eingeschränkt, diese sei nicht schwer gewesen und es habe sich nicht um einen eindeutig krankhaften Befund gehandelt. PD Dr. L. hat in dem MRT vom 13.06.2006 weder eine Schultereckgelenkssprengung noch degenerative Veränderung gesehen. Soweit Letzteres von Prof. Dr. L. und Prof. Dr. W. angenommen worden sei, beruhe dies auf Artefakten und technisch bedingten Signaländerungen, die zu Verwechslungen mit degenerativen Veränderungen verleiten würden. Die Röntgenuntersuchung am 17.04.2007 zeige eine Schultereckgelenkssprengung, jedoch wiederum keine degenerativen Veränderungen.

Dr. F. hat zwischen den andauernden Beschwerden der Klägerin und dem Arbeitsunfall keinen Zusammenhang gesehen und ist von einem Missverständnis seitens der Patientin bei einem verständlichen Kausalitätsbedürfnis ausgegangen. Dr. R. und der Chirurg K. haben über die laufenden Behandlungen der Klägerin berichtet.

Mit Urteil vom 27.09.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zu-treffend entschieden, dass sich die Klägerin bei dem Unfall lediglich eine Prellung des rechten Armes zugezogen habe, die folgenlos ausgeheilt sei. Es hat sich auf das Gutachten von Prof. Dr. L. und PD Dr. L. sowie die Berichte der Kreiskliniken R. und der Berufsgenossenschaftli-chen Unfallklinik T. gestützt. Für einen Zusammenhang spreche vorliegend nur, dass die Klägerin vor dem Ereignis keine Beschwerden im Bereich der rechten Schulter gehabt habe. Ob der Unfallhergang überhaupt geeignet gewesen sei, eine strukturelle Schädigung der Rotatorenmanschette zu verursachen, müsse letztendlich offen bleiben. Gegen einen Zusammenhang spreche der aktenkundige Primärbefund am Unfalltag. Die Ruptur einer Rotatorenmanschette stelle ein erhebliches Weichteiltrauma dar, in dessen Rahmen äußere Verletzungszeichen wie Schwellung und Blutergüsse im Bereich der Schulterweichteile und der Oberarme sowie eine weitgehende aktive Bewegungsunfähigkeit im Schultergelenk zu beobachten seien. Solche äußeren Verletzungszeichen seien am Unfalltag nicht festgestellt worden. Gegen einen Zusammenhang spreche ferner der histologische Befund vom August 2006, der mit einer traumatischen Verursachung der Rotatorenmanschettenläsion nicht zu vereinbaren sei. Soweit in den Röntgenaufnahmen vom Jahr 2007 eine Schultereckgelenks-sprengung dokumentiert sei, sei diese nicht auf den Unfall vom 22.03.2006 zurückzuführen. PD Dr. L. habe das Vorhandensein einer Schultereckgelenkssprengung in der Kernspintomographie vom 13.06.2006 ausdrücklich verneint. Ganz offensichtlich müsse es zu einem weiteren Unfallereignis gekommen sein. Ob sich die Klägerin die Schultereckgelenkssprengung während des stationären Aufenthalts in den Kreiskliniken R. , als sie zwischen die elektrische Tür geraten sei, zugezogen habe, könne offen bleiben. Streitgegenständlich sei ausschließlich der Arbeitsunfall vom 22.03.2006. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der neue Unfall zugleich mittelbare Folge des früheren Arbeitsunfalles gewesen sei.

Gegen das ihr am 29.11.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 01.12.2010 Berufung eingelegt und geltend gemacht, dem Arbeitsunfall hätten sich die Beschwerden auf die rechte Schulter konzentriert. Dr. F. habe jedoch keine weitere Diagnostik für erforderlich gehalten. Erst Dr. N. habe, nachdem sie ihn weinend um Hilfe gebeten habe, während des Urlaubs von Dr. F. die Durchführung eines MRTs veranlasst. Angesichts der präoperativen Diagnosen sei die Beklagte der richtige Kostenträger für die sodann durchgeführte stationäre Behandlung gewesen. Das Sozialgericht hätte nicht offen lassen dürfen, ob sie sich die Schultereckgelenkssprengung während dieser Behandlung, für die Versicherungsschutz bestanden habe, zugezogen habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.09.2010 aufzuheben und unter Ab-änderung des Bescheides der Beklagten vom 14.02.2007 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 27.06.2007 als Folge des Arbeitsunfalls vom 22.03.2006 eine schmerzhafte Bewegungsstörung und Kraftminderung der rechten Schulter nach Rekonstruktion der Rotatorenmanschette und AC-Gelenkssprengung Rockwood II festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Dr. R. und Dr. F. nochmals schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. R. hat über eine Vorbehandlung der Klägerin wegen eines Abszess in der rechten Achsel im Jahr 2005 sowie über Behandlungen nach dem Arbeitsunfall berichtet. Dr. F. hat ausgeführt, die in der Kernspintomographie vom 13.06.2006 genannten Veränderungen mit teilweiser Ruptur der Rotatorenmanschette, Begleitbursitis sowie mäßiggradiger chronischer Entzündung der langen Biszepssehne seien relativ unspezifische Veränderungen, die teilweise degenerativ bedingt seien und auch nach längerer Schonung noch nachweisbar seien, allerdings nicht auf ein Unfallereignis jedweder Art zurückzuführen seien.

Der von der Klägerin zunächst als Sachverständige gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gewählte Prof. Dr. W. hat die Erstellung eines Gutachtens abgelehnt, da er mit der Einschätzung von Prof. Dr. L. vollständig einig sei. Zwar sei richtig, dass das Gutachten von Prof. Dr. L. in seiner ersten Fassung die Frage des zusätzlichen Schadens am AC-Gelenk unzureichend gewürdigt habe. Diese Unstimmigkeiten seien jedoch im umfangreichen Schriftverkehr mit zusätzlichem Gutachten ausgeräumt worden. Auch er könne keine Gesichtspunkte erkennen, die neu oder unberücksichtigt wären. Der zusätzliche Schaden am AC-Gelenk müsse erst nach dem ersten Unfall vom 22.03.2006 eingetreten sein. Es sei auszuschließen, dass die stationäre Behandlung in der Kreisklinik R. als Folge des Unfalls vom 22.03.2006 aufzufassen wäre, weil der Schaden an der Rotatorenmanschette nicht Unfallfolge sei.

Der sodann von der Klägerin nach § 109 SGG ausgewählte Sachverständige Prof. Dr. Dr. H. (Chefarzt der Orthopädischen Abteilung der Fachkliniken H. ) hat nach Untersuchung der Klägerin am 12.12.2011 einen persistierenden Reizzustand mit mäßiger Impingementsymptomatik bei operativ rekonstruierter Rotatorenmanschette diagnostiziert. Daraus resultierten nur geringfügige Beeinträchtigungen, die, einen Unfallzusammenhang unterstellt, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um weniger als 10 v.H. begründen würden. Ein Unfallzusammenhang sei aber nicht gegeben. Eine traumatische Rotatorenmanschettenruptur sei selten und von einem hochgradigen klinischen Schmerzbild geprägt. Degenerative Veränderungen seien jedoch bei anatomischen Auffälligkeiten, wie bei der Klägerin vorhanden, typisch. Vom Unfallhergang sei eine Prellung wahrscheinlicher als eine Stauchung, was gegen einen Zusammenhang spreche. Auch der Primärbefund, die Bildgebung sowie der Operationsbericht und der histologische Befund sprächen gegen einen Zusammenhang. Die Operation sei geglückt. Das subjektive Beschwerdebild sei nicht objektivierbar. Es habe eine deutliche degenerative Vorschädigung bestanden. Das Unfallgeschehen sei der letzte Tropfen gewesen, der die klinische Symptomatik auslöste. Der zweite Unfall in der Klinik habe zu einem prolongierten Schadensbild geführt. Das Schultereckgelenk habe nie eine schwerwiegende Traumatisierung erfahren. Sonographisch würde sich aktuell rechts und links ein nahezu identisches Bild ergeben. Nach der operativen Revision sei der Schultereckgelenksspalt rechts aufgeweitet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 14.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2007 mit dem die Beklagte von einer inzwischen folgenlos ausgeheilten Prellung am rechten Ellbogen und der rechten Schulter ausging. Veränderungen im Bereich der rechten Schulter, insbesondere eine Schädigung der Rotatorenmanschette, sah die Beklagte dagegen nicht als Unfallfolgen.

Dementsprechend erstrebt die Klägerin bei sachdienlicher Auslegung ihres prozessualen Begehrens (§ 123 SGG) - nach Rückfrage ausdrücklich bestätigt (s. Vermerk des Berichterstatters vom 24.04.2012) - im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG die Abänderung der streitgegenständlichen Verwaltungsentscheidungen und die gerichtliche Feststellung (weiterer) fortbestehender Unfallfolgen, deren nähere Bezeichnung der Senat mangels eines insoweit näher spezifizierten schriftsätzlichen Antrags im Rahmen einer sachdienlichen Auslegung in Anlehnung an die Gutachten von Prof. Dr. L. bzw. Prof. Dr. Dr. H. vorgenommen hat. Soweit die Klägerin erstinstanzlich die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Verletztengeld sowie Verletztenrente beantragt hat (Leistungsklage), hätte das Sozialgericht den Antrag, wie eben dargestellt, auslegen müssen. Ohnehin hat es sich in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen mit der Frage des Vorliegens von Unfallfolgen befasst. Andernfalls wäre die Leistungsklage als unzulässig abzuweisen gewesen (vgl. - auch zum Nachfolgenden - BSG, Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5). Denn über die Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente ist vor Klageerhebung in einem Verwaltungsverfahren zu befinden, das mit einem Verwaltungsakt abschließt, gegen den die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig ist (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG), weil auch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung zwischen Versicherungsfall - siehe die Definition der Versicherungsfälle in §§ 7 ff Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) - und Leistungsfall - vgl. die §§ 26 ff SGB VII - zu unterscheiden ist. Eine derartige Entscheidung der Beklagten liegt nicht vor. Im angefochtenen Bescheid sind die von der Klägerin genannten Leistungen mit keinem Wort erwähnt. Vielmehr entschied die Beklagte nur über das Vorliegen von Unfallfolgen.

Die gewünschte Feststellung (weiterer) Unfallfolgen kann indes nicht getroffen werden.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 8/06 R), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen auf Grund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Hier erlitt die Klägerin am 22.06.2006 einen Arbeitsunfall, als sie bei ihrer versicherten Tätigkeit ausrutschte und sich jedenfalls Prellungen im Bereich des rechten Ellenbogens und der rechten Hand zuzog. Die ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.

Damit ist aber nicht zugleich die Annahme gerechtfertigt, dass der - längere Zeit - nach dem Arbeitsunfall festgestellte weitere Gesundheitsschaden, hier vor allem die Partialläsion der Rotatorenmanschette ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist (dazu nachfolgend 1.) und eine im weiteren Verlauf erwähnte AC-Gelenkssprengung als Folge des Arbeitsunfalls anzusehen ist (dazu nachfolgend 2.).

1. Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursa-chenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Kann dagegen das Unfallereignis nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Gesundheitsschaden entfiele (conditio sine qua non), ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).

Die hier vorzunehmende Kausalitätsprüfung hat somit nach dieser zweistufigen Prüfung zu erfolgen (siehe hierzu Hepp/Lambert, Die Begutachtung der Rotatorenmanschettenruptur im sozialgerichtlichen Verfahren in MedSach 2009, 181 ff.).

Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Ein-wirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung müssen erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hin-sichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädi-genden Einwirkung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O. auch zum Nachfolgenden). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszu-schließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwi-schen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen.

Hier ist es bereits sehr fraglich und mithin nicht hinreichend wahrscheinlich, dass der Sturz am 22.03.2006 naturwissenschaftliche Ursache der im Juni 2006 kernspintomographisch beschrie-benen partiellen Ruptur der Rotatorenmanschette mit Läsion in der Supraspinatussehne war. Denn es fehlt - wie vom Sozialgericht zutreffend dargestellt - weitgehend an Indizien, die auf eine Substanzschädigung der Rotatorenmanschette in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis hinweisen.

Regelmäßig wird nach der Praxis der Unfallversicherungsträger und der Sozialgerichte ange-sichts des üblichen Verlaufs der - zunächst von der durch die Heilungsabsicht geprägten Diag-nostik getragenen - medizinischen Maßnahmen nach einem Arbeitsunfall für die Prüfung, ob Zeichen einer akuten Substanzschädigung vorliegen, maßgeblich auf die vom erstuntersuchen-den Arzt erhobenen Befunde mit Diagnose, die danach veranlasste bildgebende Diagnostik (ins-besondere Röntgenaufnahmen, Sonografie, Kernspintomographie) und eventuell durchgeführte invasive Diagnoseverfahren (insbesondere Arthroskopie) mit nachfolgender mikroskopischer Auswertung (Histologie) abgestellt. Ergeben sich hieraus keine oder keine hinreichenden Hin-weise auf akute traumatische Verletzungen der in Rede stehenden Strukturen (hier: die Rotato-renmanschette), wie plötzliche Funktionseinschränkungen, Einblutungen, sonstige Flüssigkeits-ansammlungen und dergleichen, wird eine traumatische Schädigung eher unwahrscheinlich sein. Liegen dagegen derartige Hinweise vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall örtlich-zeitlich in Rede steht, wird ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzunehmen sein (ständige Rechtsprechung des Senats seit Urteil vom 12.11.2009, L 10 U 3951/08, veröffentlicht u.a. in juris).

Im vorliegenden Fall deuten allein die Beschwerdefreiheit vor dem Unfall und der Umstand, dass der Schulterbereich, obwohl die Klägerin primär auf den Ellenbogen stürzte, durch den Unfall möglicherweise mit betroffen war - wovon die Beklagte ausgeht (ausgeheilte Prellung) - auf eine akute traumatische Schädigung der Rotatorenmanschette durch den Sturz hin.

Allerdings liegen erhebliche anderweitige Umstände vor, die gegen einen naturwissenschaftli-chen Zusammenhang sprechen und insoweit durchgreifende Bedenken begründen.

An erster Stelle ist hier der Primärbefund vom Unfalltag zu nennen. Wie vom Sozialgericht gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. L. zutreffend ausgeführt, konnten am Unfalltag keine äußeren Verletzungszeichen im Bereich der Schulter festgestellt werden. Vielmehr wurde ausweislich des Durchgangsarztberichtes von Dr. F. vom Unfalltag nur von Schmerzen und Prellungen am Ellenbogen und Handgelenk berichtet. Auch wurden am Unfalltag keine Röntgenaufnahmen der Schulter erstellt was - so überzeugend das Sozialgericht - ebenfalls darauf schließen lässt, dass weder äußere Verletzungszeichen noch Beschwerden im Bereich der Schulter vorhanden waren. Ferner wurde keine Bewegungseinschränkung im Bereich der Schulter beschrieben. Die Funktionseinschränkungen unmittelbar nach dem Sturz begründeten lediglich eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 27.03.2006, danach nahm die Klägerin ihre Tätigkeit wieder auf. Soweit die Klägerin behauptet, ihre Beschwerden hätten sich nach dem Unfall auf die Schulter konzentriert und sie habe deswegen hauptsächlich nur noch aufsichtsführende Tätigkeiten ausgeübt, fehlt es bis zum 13.04.2006 an einer entsprechenden ärztlichen Dokumentation. Der sachverständige Zeuge Dr. F. hat in seiner schriftlichen Aussage gegenüber dem Senat ausgeschlossen, dass die Klägerin bei ihren Vorstellungen am 22.03., 03.04. und 05.04.2006 Beschwerden an der rechten Schulter äußerte. Doch selbst wenn hier das Vorbringen der Klägerin, sie habe schon vor dem 13.04.2006 Schulterbeschwerden gehabt, als richtig unterstellt wird, steht jedenfalls fest, dass zeitnah mit dem Unfall weder Schmerzustände noch plötzliche und erhebliche Funktionseinschränkung des Schultergelenks auftraten. Dies wäre aber bei einer traumatischen Zerreißung der Rotatorenmanschette, die - so Prof. Dr. L. - ein erhebliches Weichteiltrauma darstellt und u.a. mit einer weitgehenden aktiven Bewegungsunfähigkeit im Schultergelenk verbunden ist, zu erwarten gewesen. Auch Prof. Dr. Dr. H. hat ausgeführt, dass der primär erhobene Befund vom Unfalltag gegen eine traumatische Schädigung spricht. Die Tatsache, dass im Durchgangsarztbericht vom Unfalltag kein Schulterbefund - schon gar nicht die Beschreibung eines hoch schmerzhaften Bewegungsspiels oder einer Bewegungseinschränkung und noch nicht einmal Angaben über Schmerzen im Bereich der Schulter (anders als im Bezug auf den Ellenbogen und die Hand) - festgehalten sind, muss als Indiz gegen die Annahme einer stattgehabten Substanzschädigung der Rotatorenmanschette gewertet werden.

Hinzu kommt, dass nach den Ausführungen von Prof. Dr. L. und Prof. Dr. Dr. H. auch die später durchgeführte bildgebende Diagnostik - insbesondere die Kernspintomographie vom 13.06.2006 -, der Operationsbericht und der histologische Befund keine Hinweise für eine traumatische Schädigung erbrachten. Dies haben auch Prof. Dr. W. in seiner kurzen gutachtlichen Stellungnahme und der sachverständige Zeuge Dr. F. , der die in der Kernspintomographie vom 13.06.2006 beschriebene Begleitbursitis und mäßiggradige chronische Entzündung der langen Bizepssehne als relativ unspezifisch, teilweise degenerativ bedingt, auch nach längerer Schonung noch nachweisbar und jedenfalls nicht auf ein Unfallereignis jedweder Art zurückführbar beschrieben hat, so gesehen.

Soweit PD Dr. L. im Unterschied zu Prof. Dr. L. und Prof. Dr. W. in der Kernspintomographie vom 13.06.2006 keine Hinweise auf degenerative Veränderungen und zudem unauffällige Stel-lungsverhältnisse im Acromioclaviculargelenk gesehen hat, lassen diese Ausführungen keinen Rückschluss auf die hier in Rede stehende Rotatorenmanschette zu. Soweit die Sachverständige im radiologischen Gutachten einen "winzigen" Einriss in der Supraspinatussehne nicht auszu-schließen vermocht hat, hat er zugleich keine Hinweise auf ein traumatisches Ereignis, insbesondere keine pathologische Flüssigkeitsansammlung innerhalb oder um das Gelenk beschrieben. Hinzu kommt, dass die zu Grunde liegende Kernspintomografie fast drei Monate nach dem Unfallereignis datiert und so mangels anfänglicher und durchgehender Beschwerdesymptomatik den Zustand unmittelbar nach dem Unfall ohnehin nicht dokumentieren kann.

Angesichts dieser Erwägungen ist schon der naturwissenschaftliche Zusammenhang Unfaller-eignis und Läsion der Rotatorenmanschette nicht hinreichend wahrscheinlich zu bejahen.

Doch selbst wenn in Anlehnung an die Formulierungen von Prof. Dr. Dr. H. , dass das Unfallge-schehen bei einem vorbestehenden degenerativen, allerdings klinisch kompensierten Schaden die klinische Symptomatik durch einen letzten Ursachenbeitrag auslöste, das Vorliegen eines naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhangs unterstellt wird, kann die von der Klägerin gewünschte Feststellung nicht getroffen werden. Denn in Anknüpfung an die bisherigen Erwägungen wäre das Unfallereignis für das (spätere) Auftreten der klinischen Symptomatik jedenfalls nicht wesentlich gewesen (zweite Stufe der Kausalitätsprüfung).

Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, auch zum gesamten Nachfolgenden). Sozialrechtlich ist allein relevant, ob (auch) das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. Wesentlich ist nicht gleichzusetzen mit gleichwertig oder annähernd gleichwertig. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange keine andere Ursache überragende Bedeutung hat. Ist jedoch eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur die erstgenannte Ursache wesentlich und damit Ursache im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als wesentlich anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als Gelegenheitsursache oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen Krankheitsanlage (egal, ob bislang stumm oder als Vorschaden manifest) zu vergleichen und abzuwägen ist (Problem der inneren Ursache), ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" (im Falle eines Vorschadens weiterer) akuter Erscheinungen aus ihr durch das Unfallereignis nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Gleiches gilt selbstverständlich, wenn die Erscheinung zu derselben Zeit ohne jede äußere Einwirkung aufgetreten wäre (siehe BSG, Urteil vom 02.02.1999, B 2 U 6/98 R). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen.

Die innere Ursache muss bei dieser Prüfung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, die bloße Möglichkeit einer inneren Ursache genügt nicht (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 34/03 R). Dies gilt auch für das Ausmaß der inneren Ursache (BSG, Urteil vom 06.12.1989, 2 RU 7/89). Demgegenüber ist für die Beurteilung, ob das Unfallgeschehen bloße Gelegenheitsursache war, ob ein alltägliches Ereignis etwa zu derselben Zeit zum selben Erfolg geführt hätte, Wahrscheinlichkeit notwendig; die bloße Möglichkeit genügt auch hier nicht (BSG Urteil vom 04.12.1991, 2 RU 14/91). Dies bedeutet, dass die Grundlagen der Beur-teilung, ob das Unfallereignis bloße "Gelegenheitsursache" war, im Sinne des Vollbeweises feststehen müssen, die Kausalitätsfrage ist wieder nach Wahrscheinlichkeit zu beurteilen. Ist eine erhebliche Vorschädigung der durch den Unfall betroffenen Körperstelle, die eine Schädigung durch ein alltägliches Ereignis ermöglicht hätte oder ohne äußere Einwirkung zu der in Rede stehenden strukturellen Schädigung geführt hätte, nicht nachgewiesen, geht dies nach dem im Sozialrecht geltenden, oben dargelegten Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Beklagten (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 22).

So hat Prof. Dr. Dr. H. ausgeführt, dass das Unfallgeschehen nur im Sinne des letzten "Tröpf-chens Wasser, das das Glas zum Überlaufen bringt," an der rechten Schulter eine klinische Symptomatik auslöste. Diese Auffassung deckt sich u.a. mit der Einschätzung von Dr. V. , der schon im Entlassungsbericht vom August 2006 den Sturz ausdrücklich (nur) als Auslöser und nicht als Ursache der fortdauernden Beschwerden beschrieb. Die Auslösung der Beschwerden reicht aber - wie dargestellt - für die Feststellung eines rechtlich wesentlichen Zusammenhangs gerade nicht aus.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass vorliegend im Ergebnis keiner der begutachtenden und auch keiner der zeitnah nach dem Arbeitsunfall behandelnden Mediziner einen wesentlichen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und dem Schaden an der Rotatorenmanschette gesehen hat. Für eine Befriedigung des - so Dr. F. - verständlichen Kausalitätsbedürfnisses der Klägerin besteht nach übereinstimmender Auffassung der eben Genannten mithin keine Grund-lage.

2. Eine AC-Gelenkssprengung rechts, die von der Klägerin weiter zur Feststellung gewünscht wird, ist zur Überzeugung des Senats nicht unmittelbar durch den Sturz am 22.03.2006 bedingt. Dies ist nach dem Gutachten von PD Dr. L. , der auf dem bildgebenden Befund vom 13.06.2006 das Vorliegen einer Gelenkssprengung verneint hat, ausgeschlossen. Auch die Klägerin führt die nachfolgend bei ihr diagnostizierte AC-Gelenkssprengung nicht auf den streitgegenständlichen Arbeitsunfall im März 2006, sondern auf den Zusammenprall mit einer Tür während der Krankenhausbehandlung im August 2006 zurück und macht insoweit einen Versicherungsschutz nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 SGB VII geltend (Bl. 125 SG-Akte), dessen Voraussetzungen jedoch zur Überzeugung des Senats nicht vorliegen.

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalls auch Gesundheits-schäden oder der Tod von Versicherten infolge der Durchführung einer Heilbehandlung ein-schließlich der dazu notwendigen Wege.

Die Durchführung einer Heilbehandlung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 SGB VII liegt vor, wenn der Träger dem Versicherten einen Anspruch auf eine bestimmte Heilbehandlungs-maßnahme nach den §§ 26 ff. SGB VII bewilligt oder ihn zur Teilnahme an einer solchen (diag-nostischen oder therapeutischen) Maßnahme aufgefordert hat und der Versicherte an der Maß-nahme des Trägers gemäß den Anordnungen der Ärzte und ihres Hilfspersonals teilnimmt. Die gesetzliche Zurechnung beruht auf der grundsätzlich pflichtigen Teilnahme des Versicherten an einer vom Unfallversicherungsträger (oder diesem zurechenbar) bewilligten oder angesetzten Maßnahme. Insbesondere kommt es rechtlich nicht darauf an, ob die Bewilligung oder Anset-zung der Heilbehandlungsmaßnahme durch den Träger objektiv rechtmäßig war oder ob objektiv ein Anspruch auf Heilbehandlung bestand. Für die Frage, ob eine derartige Durchführung einer gegenüber dem Versicherten angeordneten Maßnahme vorliegt, an der er grundsätzlich pflichtig teilnehmen muss, kommt es entscheidend darauf an, ob der Träger (durch seine Organe) oder seine Leistungserbringer dem Versicherten den Eindruck vermittelt haben, es solle eine solche Maßnahme des Unfallversicherungsträgers durchgeführt werden, an der er teilnehmen solle. Die irrige Vorstellung des Versicherten, er nehme an einer solchen Maßnahme teil, reicht nicht aus, einen Zurechnungstatbestand zu erfüllen (BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, in Juris).

Die stationäre Heilbehandlung im August 2006 erfolgte, wie eben dargestellt zu Recht, nicht zu Lasten der Beklagten. Der Umstand, dass Dr. V. vor Beginn der stationären Behandlung einen Unfallzusammenhang nicht kategorisch ausschloss und deswegen eine Probeentnahme zur histologischen Untersuchung plante, ändert daran nichts. Dr. V. traf hinsichtlich des für die Zuständigkeit des Leistungsträgers (Krankenkasse oder Berufsgenossenschaft) vielmehr eine Prognoseentscheidung, die sich im vollen Umfang als zutreffend erwies und auf ausreichende objektive Anhaltspunkte stützte. Die beabsichtigte letztgültige Beseitigung von geringen Restzweifeln machte entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Beklagte zur eigentlich zuständigen Leistungsträgerin. Die stationäre Aufnahme erfolgte zu Lasten der Krankenkasse, was Dr. V. vor deren Beginn im Arztbrief vom 26.07.2006 (Bl. 19 VA) klar zum Ausdruck brachte. Auch Dr. F. ging - so seine Zeugenaussage gegenüber dem Sozialgericht - ab diesem Zeitpunkt nicht mehr von einer Behandlung zu Lasten der Beklagten aus. Wie die Klägerin gegenüber der Beklagten im Januar 2007 mitteilte, wurde sie von ihrem behandelnden Arzt über die Nicht-Anerkennung als "Betriebsunfall" informiert. Dementsprechend macht sie nicht geltend, den stationären Aufenthalt im August 2006 in der irrigen Annahme einer berufsgenossenschaftlichen Behandlung angetreten zu haben. Sie ging mithin auch nicht von einer ihr gegenüber der Beklagten obliegenden Pflicht zur Durchführung der Behandlung aus.

Selbst wenn es daher während des damaligen Krankenhausaufenthalts zu einer traumatischen AC-Gelenkssprengung gekommen sein sollte, könnte diese mithin nicht dem allein streitgegen-ständlichen Arbeitsunfall vom 22.03.2006 zugerechnet und als dessen Unfallfolge festgestellt werden.

Somit kann dahingestellt bleiben, ob das Ereignis vom 06.08.2006 tatsächlich eine AC-Gelenkssprengung zur Folge hatte. Insbesondere muss der Senat seinen Bedenken, ob diese Di-agnose von Prof. Dr. L. und PD Dr. L. zu Recht gestellt wurde, nicht weiter nachgehen. Gegen die Richtigkeit dieser Diagnose - soweit sie als eindeutiger Beleg einer traumatischen Schädi-gung angesehen wird - spricht, dass Prof. Dr. Dr. H. anhand der bildgebenden Dokumentation eine schwerwiegende Traumatisierung des Schultereckgelenks ausgeschlossen hat. Gegen eine solche spricht auch die Patientendokumentation der Kreiskliniken R. , in der im Zusammenhang mit dem dortigen Vorfall nur eine vorübergehende Schmerzverstärkung dokumentiert ist. Nachdem hier aber bei dem operativen Eingriff im August 2006 u.a. gezielt eine Erweiterung des Acromioclaviculargelenks vorgenommen wurde, erscheint es zweifelhaft, wenn PD Dr. L. für die Zeit danach die vermehrte Distanz im Schultereckgelenk als pathologisch und im Sinne einer Sprengung deutet, ohne sich mit der zuvor durchgeführten Acromioplastik auseinanderzusetzen. Auch Prof. Dr. L. hat im Rahmen seiner Zusammenhangsbeurteilung (Bl. 48 SG-Akte) hinsichtlich der Operation im August 2006 nur die Refixiation der Rotatorenmanschetten erwähnt, die ebenfalls durchgeführte subacromiale Dekompression aber nicht aufgeführt. Vor diesem Hintergrund ist für den Senat weitaus naheliegender, die von PD Dr. L. beschriebene "vermehrte Distanz im Schultereckgelenk" als Folge der Acromioplastik anzusehen, so wie es auch die Ärzte der Sportklinik in der Bewertung des röntgenologischen Befundes vom April 2007 - "Acromioplastik, dadurch deutliche Erweiterung des Acromioclaviculargelenks" (Bl. 156 SG-Akte) - und Prof. Dr. Dr. H. - "radiologisch war der Schultereckgelenksspalt rechts aufgeweitet (nach der operativen Revision)" (Bl. 112 SG-Akte) - getan haben. Dem muss jedoch - wie bereits ausgeführt - nicht weiter nachgegangen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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