L 7 SO 5878/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 14 SO 1320/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 5878/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. November 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Rücknahme- und Erstattungsentscheidung des Sozialhilfeträgers.

Der Kläger bezog vom 30. Juli 1999 bis 31. Dezember 2004 Sozialhilfe nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), das ihm durch die Beklagte als Delegationsnehmerin nach § 4 des Ausführungsgesetzes Baden-Württemberg zum BSHG gewährt wurde. Anschließend erhielt er Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.

Mit Bescheid vom 6. Dezember 2006 nahm die Beklagte die Leistungsbewilligungen für die Zeit vom 30. Juli 1999 bis 31. Dezember 2004 ganz zurück, da der Kläger entgegen seinen Angaben bei Antragstellung bereits seit 1997 seinen Lebensmittelpunkt nicht am polizeilich gemeldeten Hauptwohnsitz Reutlingen, sondern am nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden Nebenwohnsitz Albstadt gehabt habe. Des Weiteren forderte sie die Erstattung überzahlter Leistungen i.H.v. insgesamt EUR 41.089,95.

Am 5. April 2007 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und beantragte gleichzeitig die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da er den Bescheid nicht erhalten habe.

Durch Urteil des Amtsgerichtes Reutlingen vom 16. Januar 2008 wurde der Kläger u.a. wegen Betruges zum Nachteil des Sozialhilfeträgers durch unrechtmäßigen Bezug von Sozialhilfeleistungen im Zeitraum vom 30. Juli 1999 bis 31. Dezember 2004 verurteilt. Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Tübingen wurde das Verfahren gem. § 153 Abs. 2 der Strafprozessordnung am 17. September 2008 eingestellt.

Bereits mit Schreiben vom 9. Mai 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Widerspruch werde als fristgerecht angesehen. Unter dem 17. August 2008 lehnte sie eine Abhilfe ab. Das Landratsamt des Landkreises Reutlingen (im Folgenden Landkreis RT) teilte dem Kläger hingegen mit Schreiben vom 25. September 2008 als Widerspruchsbehörde mit, zunächst sei die Ausgangsbehörde zur Entscheidung über die Abhilfe berufen, daher sei der Widerspruch an die Beklagte zurückgegeben worden.

Am 29. Oktober 2008 und erneut am 30. Dezember 2008 hat der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Untätigkeitsklagen gegen die Beklagte, vertreten durch das Landratsamt Reutlingen, erhoben, mit denen er jeweils die Bescheidung des Widerspruches vom 5. April 2007 begehrt hat (S 14 SO 3804/08 und 4635/08). Die Verfahren waren vor dem SG gegen die Beklagte und den Landkreis RT geführt worden, ohne dass der Kläger hiergegen Einwendungen erhoben hatte. Die gegen die klageabweisenden Gerichtsbescheide des SG eingelegten Berufungen des Klägers sind beim Senat anhängig (L 7 SO 3693/09 und 3773/09).

Durch den dem Bevollmächtigten des Klägers mittels Postzustellungsurkunde zugestellten Widerspruchsbescheid vom 4. März 2009 hat der Landkreis RT dem Widerspruch wie folgt stattgegeben: "In Abänderung des Bescheides vom 6. Dezember 2006 wird dem WF Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 11 ff. BSHG vom 30.07.1999 bis 31.12.2004 in Höhe des jeweils geltenden Regelsatzes eines Haushaltsangehörigen zuzüglich des jeweils zu entrichtenden Beitrags zur freiwilligen Krankenversicherung bewilligt.". Die Erstattungssumme reduziere sich auf EUR 16.249,47. Im Übrigen hat er den Widerspruch "kostenpflichtig" zurückgewiesen und in der Begründung auf die Kostenfreiheit des Verfahrens verwiesen.

Am 25. März 2009 hat der Kläger beim SG gegen "das Landratsamt Reutlingen" Klage auf Aufhebung des Bescheides vom 6. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2009 erhoben (S 14 SO 935/09, jetzt S 6 SO 935/09 (Mitteilung des SG an die dortigen Beteiligten vom 5. Oktober 2010)), die noch anhängig ist. Auf Hinweise der Beklagten, dass sie zuständig sei, und des Landkreises, dass nicht er, sondern die Stadt richtige Beklagte sei, ist im dortigen Verfahren auf entsprechende Anregung des dortigen Bevollmächtigten des Klägers das Rubrum geändert worden; das Verfahren wird gegen die Beklagte geführt (Schreiben des Kammervorsitzenden vom 14. Mai 2009). Durch Beschluss vom selben Tag hat das SG dem Kläger für das zwischen diesem und der Beklagten geführte Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt.

Am 27. April 2009 hat der Kläger mit dem Antrag, den Bescheid vom 6. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2009 aufzuheben, beim SG eine Klage gegen den Landkreis RT (S 14 SO 1321/09) erhoben. Die gegen die Klage abweisende Entscheidung des SG eingelegten Berufung ist beim Senat anhängig (L 7 SO 5879/09).

Mit demselben Begehren hat der Kläger ebenfalls am 27. April 2009 eine Klage gegen die Beklagte erhoben und zur Begründung ausgeführt, da die Widerspruchsbehörde die Auffassung vertrete, dass in dieser Rechtssache nicht sie, sondern die Beklagte richtiger Klagegegner sei, richte sich die vorliegende Klage rechtswahrend gegen die Ausgangsbehörde. Diese sei nicht verfristet, da die Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides mangels Bezeichnung des richtigen Beklagten nicht ordnungsgemäß sei, so dass nicht die einmonatige Klagefrist gelte. Die Widerspruchsbehörde habe des Weiteren versäumt, eine Kostenentscheidung in den Widerspruchsbescheid aufzunehmen. Gegen die gesonderte Kostenfestsetzungsentscheidung der Beklagten sei mittlerweile ein Widerspruchsverfahren anhängig. Die Beklagte war der Auffassung, die Klage sei nach der Rubrumsänderung im Verfahren S 14 SO 935/09 gegenstandslos.

Mit Gerichtsbescheid vom 13. November 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Diese sei wegen anderweitiger Rechtshängigkeit im Verfahren S 14 SO 935/09 bereits unzulässig.

Gegen diesen ihm am 18. November 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14. Dezember 2009 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zur Begründung sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. November 2009 sowie den Bescheid vom 6. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die Klage bereits wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig ist. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes kann die Sache während der Rechtshängigkeit von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Mit der hier zugrundeliegenden, gegen die Stadt Reutlingen gerichteten Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 6. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2009. Dieser Streitgegenstand ist zwischen denselben Beteiligten bereits aufgrund der - zeitlich früheren - Klage vom 25. März 2009 beim SG rechtshängig (S 14 SO 935/09, jetzt S 6 SO 935/09). Das dortige Verfahren richtet sich gegen dieselbe Beklagte wie vorliegend. Dem steht nicht entgegen, dass in der Klageschrift als Beklagter das Landratsamt Reutlingen bezeichnet war. Bei der - im dortigen Verfahren mittlerweile erfolgten - Umstellung der Klage von der Widerspruchsbehörde auf den Rechtsträger der Ausgangsbehörde handelt sich nicht um einen gewillkürten Parteiwechsel auf Beklagtenseite im Sinne einer Klageänderung nach § 99 Abs. 1 und 2 SGG, sondern nur um eine schlichte Berichtigung des Passivrubrums im Verhältnis von Widerspruchs- und Ausgangsbehörde, die auch noch nach Ablauf der Klagefrist zulässig ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 10. März 2011 - B 3 P 1/10 R - (juris); BSG SozR 2200 § 539 Nr. 78; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 92 Rdnrn. 6 und 7). Das bei SG noch anhängige Verfahren wird also - richtigerweise - gegen die Beklagte geführt.

Die anderweitige Rechtshängigkeit stellt kein vorgreifliches Rechtsverhältnis i.S.d. § 114 Abs. 2 SGG dar. Das Verfahren war daher entgegen der Ansicht des Klägers nicht auszusetzen. Insoweit nimmt der Senat auf seinen Beschluss vom 15. Mai 2012 Bezug, mit dem die beantragte Aussetzung abgelehnt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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