Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 28 AS 37/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 20/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 16.12.2009 geändert. Die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung wird festgesetzt auf 286,79 EUR. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung eines Rechtsanwalts nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nach abgeschlossenem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Bereich der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Am 11.12.2008 beantragte die in Bedarfsgemeinschaft mit ihrer 2003 geborenen Tochter lebende Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II bei der Rechtsvorgängerin des Antragsgegners (im Folgenden einheitlich: Antragsgegner).
Nachdem die Antragstellerin nicht bzw. nicht vollständig die Unterlagen beigebracht hatte, deren Beibringung ihr mit Schreiben vom 08.01.2009 aufgegeben worden war, lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 27.01.2009 den Leistungsantrag ab, weil sich unter Berücksichtigung der nachgewiesenen Bedarfe und Einkünfte kein Anspruch ergebe.
Gegen diesen Bescheid hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller am 11.02.2009 Widerspruch eingelegt und damit begründet, die Antragstellerin zu 1) habe glaubhaft versichert, über kein Einkommen zu verfügen und sich und ihr Kind nicht ernähren sowie keine Miete bezahlen zu können. Sie sei auch nicht krankenversichert.
Den am 20.02.2009 an das Sozialgericht gestellten Antrag auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller damit begründet, die Antragstellerin zu 1) habe angegeben, über kein Einkommen zu verfügen und sich und ihr Kind nicht ernähren sowie keine Miete bezahlen zu können. Sie sei auch nicht krankenversichert.
Der Antragsgegner hat erwidert, für eine Leistungsbewilligung fehle es an der Vorlage weiterer Unterlagen wie z.B. lückenloser Kontenauszüge, Nachweisen über Mietzahlungen, Kindergeldbescheiden.
Nach Vorlage weiterer Unterlagen durch die Antragstellerin zu 1), einer eigenen eidesstattlichen Versicherung zu fehlenden Einkünften und ihrem Mietverhältnis sowie einer eidesstattlichen Versicherung ihrer Eltern, wonach diese Mietschulden der Antragsteller vorübergehend darlehensweise übernommen hatten, kündigte der Antragsgegner mit Schreiben vom 17.04.2009 seine Bereitschaft an, auf Grundlage der bislang vorgelegten Unterlagen Leistungen nach dem SGB II ab dem 20.02.2009 vorläufig zu bewilligen und über eine endgültige Festsetzung von Leistungen im Rahmen des laufenden Widerspruchsverfahrens nach Vorlage der gesamten geforderten Unterlagen zu entscheiden. Zur Übernahme von Kosten sei der Antragsgegner nicht bereit.
Mit Bescheid vom 22.04.2009 hat der Antragsgegner den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 20.02.2009 bis 31.05.2009 vorläufig bewilligt.
Am 21.04.2009 hat der Beschwerdegegner im Namen der Antragsteller das Angebot der Antragsgegnerin angenommen und die Hauptsache für erledigt erklärt. Er hat ferner beantragt, den Antragsgegner zur Tragung der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu verpflichten.
Mit Beschluss vom 30.04.2009 hat das Sozialgericht den Antragsgegner zur Tragung der Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller verpflichtet.
Vor dem Hintergrund der mit Beschluss vom 17.03.2009 mit Wirkung ab dem 20.02.2009 den Antragstellern bewilligten Prozesskostenhilfe hat der Beschwerdegegner am 02.06.2009 die Festsetzung eines Vergütungsanspruches von 648,55 EUR gegen die Staatskasse begehrt nach Maßgabe folgender Einzelpositionen:
Verfahrensgebühr Nrn. 3102, 1008 VV RVG 325,00 EUR
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme: 545,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 103,55 EUR
Gesamtsumme: 648,55 EUR.
Mit Beschluss vom 10.06.2009 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts aus der Staatskasse zu zahlende Gebühren und Auslagen festgesetzt i.H.v. 286,79 EUR, zusammengesetzt aus:
Verfahrensgebühr Nrn. 3103, 1008 VV RVG 221,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme: 241,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 45,79 EUR
Gesamtsumme: 286,79 EUR.
Im Hinblick auf die vorherige Einlegung eines Widerspruches gegen den Bescheid vom 27.01.2009 finde im nachfolgenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Gebührenrahmen nach Nr. 3103 VV RVG Anwendung, innerhalb dessen eine Mittelgebühr von 170,00 EUR anzusetzen sei.
Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 Ziff. 3 VV RVG entstehe in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht.
Mit seiner Erinnerung vom 24.06.2009 hat der Beschwerdegegner weiterhin den Ansatz einer Mittelgebühr im Gebührenrahmen nach Nr. 3102 VV RVG begehrt. Nr. 3103 VV RVG verlange eine vorausgegangene Tätigkeit. Dies sei in dem Sinne zu verstehen, dass eine qualifizierte anwaltliche Tätigkeit im Verwaltungsverfahren bereits abgeschlossen gewesen sein müsse, bevor das weitere Verfahren mit verringertem Gebührenrahmen aufgenommen werde. Vorliegend sei über den eingelegten Widerspruch jedoch erst am 20.05.2009 und damit nach der Stellung des Antrages auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes entschieden worden. Eine Gebühr nach Nr. 3106 Ziff. 3 VV RVG sei als fiktive Terminsgebühr im Hinblick auf die Annahme des vom Antragsgegner abgegebenen Anerkenntnisses entstanden.
Mit Beschluss vom 16.12.2009 hat das Sozialgericht der Erinnerung teilweise stattgegeben, den Beschluss vom 10.06.2009 abgeändert und die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren auf 524,79 EUR festgesetzt. Der Gebührenrahmen sei Nr. 3103 VV RVG zu entnehmen und eine Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr festzusetzen. Aufgrund der Annahme eines Anerkenntnisses stehe eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Ziffer 3 VV RVG i.H.v. 200,00 EUR zu. Die Gebühren seien danach festzusetzen wie folgt:
Verfahrensgebühr Nrn. 3103, 1008 VV RVG 221,00 EUR
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme: 441,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 83,79 EUR
Gesamtsumme: 524,79 EUR.
Der Frage, ob in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Ziffer 3 VV RVG entstehen könne, hat das Sozialgericht grundsätzliche Bedeutung beigemessen und die Beschwerde zugelassen.
Gegen den am 22.12.2009 zugestellten Beschluss hat der Vertreter der Staatskasse am 30.12.2009 Beschwerde eingelegt und unter Anknüpfung an erstinstanzliches Vorbringen beantragt, die von der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 286,79 EUR festzusetzen. Insbesondere sei eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Ziffer 3 VV RVG nicht entstanden. Der Antragsgegner hat sich auf sein bisheriges Vorbringen bezogen und angekündigt, keine weitere Stellungnahme abzugeben.
Am 06.10.2010 hat das Sozialgericht beschlossen, der Beschwerde werde nicht abgeholfen.
II.
Auf die kraft Zulassung durch das Sozialgericht statthafte (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG) und auch im Übrigen zulässig eingelegte Beschwerde sind der Beschluss des Sozialgerichts vom 16.12.2009 abzuändern und die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung des Beschwerdegegners in der mit Beschluss vom 10.09.2009 des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts festgestellten Höhe von 286,79 EUR festzusetzen.
Die beantragte Festsetzung einer sog. fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 Ziffer 3 VV RVG ist nicht möglich. Zweifelhaft ist bereits das Vorliegen eines diese Gebühr auslösenden Anerkenntnisses; Nr. 3106 Ziffer 3 VV RVG ist darüber hinaus in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach dem SGG nicht anwendbar.
Der Gebührenrahmen für die zustehende Verfahrensgebühr richtet sich nach Nr. 3102 VV RVG, obgleich bei Aufnahme des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bereits ein Widerspruch eingelegt worden war. Die vom Urkundsbeamten des Sozialgerichts innerhalb des unterstellten Gebührenrahmens nach Nr. 3103 VV RVG festgesetzte Gebühr ist jedoch unter Berücksichtigung der Kriterien aus § 14 RVG auch im erweiterten Rahmen nach Nr. 3102 VV RVG angemessen.
Zweifelhaft ist bereits, ob der Rechtstreit durch angenommenes Anerkenntnis beendet worden ist. Zwar hat der Antragsgegner dem Anliegen der Antragsteller im Ergebnis entsprochen. Dies allein genügt jedoch nicht zur Annahme eines Anerkenntnisses im prozessrechtlichen Sinne des § 101 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die Erledigung eines Verfahrens durch angenommenes Anerkenntnis i.S.v. § 101 Abs. 2 SGG setzt vielmehr voraus, dass ein Beteiligter einen prozessualen Anspruch durch eine Prozesserklärung gegenüber dem Gericht (insgesamt) anerkennt und der andere Beteiligte das Anerkenntnis durch eine gleichgerichtete Prozesserklärung gegenüber dem Gericht annimmt, also die begehrte Rechtsfolge nach einer tradierten Formulierung des Bundessozialgerichts "ohne Drehen und Wenden" zugibt (Urteil des BSG vom 06.05.2010 - B 13 A 16/09 R - mit Nachweisen der vorhergehenden Rechtsprechung insbesondere zur Abgrenzung Anerkenntnis/Vergleich). Eine solche Übereinstimmung zwischen dem bei Antragstellung geltend gemachten Anspruch auf sofortige Leistungsgewährung und der als Anerkenntnis angesehenen Erklärung des Antragsgegners, er habe den Antragstellern Leistung in vorläufig festgesetzter Höhe bewilligt, ist jedoch zunächst nicht festzustellen.
Vielmehr hat der Antragsgegner zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens seine - auf Grundlage der bei Antragstellung gegebenen Sachlage bestehende - sofortige Verpflichtung anerkannt, den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen. Vielmehr hat er die als Anerkenntnis angesehene Erklärung erst nach umfangreichen Angaben und Belegen der Antragsteller im Verfahrensverlauf abgegeben. Das Bestehen eines Anordnungsgrundes ist zudem in keiner Weise thematisiert worden
Vor diesem Hintergrund enthält die Erklärung des Antragsgegners, er sei zur Leistungsbewilligung bereit, kein Zugeständnis des bei Antragstellung geltend gemachten Anspruches. Sie kann vielmehr eine bloße Mitteilung der verwaltungsseitigen Reaktion auf eine zwischenzeitliche Sachverhaltsänderung darstellen. Ein Anerkenntnis im prozessrechtlichen Sinne läge hierin nicht.
Selbst wenn man mit dem Beschwerdegegner annähme, dass ein angenommenes Anerkenntnis vorliegt, wäre die sog. "fiktive Terminsgebühr" nach Nr. 3106 Ziffer 3 VV RVG im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht entstanden.
Denn Nr. 3106 Ziffer 3 VV RVG findet in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach dem SGG keine Anwendung.
Der Anwendungsbereich dieses Gebührentatbestandes ist vielmehr auf Verfahren beschränkt, in denen eine mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 1 SGG vorgeschrieben ist, was in Verfahren nach § 86b SGG gerade nicht der Fall ist.
Zwar kann aus dem Wortlaut der Vorschrift von Nr. 3106 Satz 2 VV RVG nicht zwingend geschlossen werden, dass im Fall der Erledigung des Verfahrens durch ein angenommenes Anerkenntnis der Anfall der sog. fiktiven Terminsgebühr auf Verfahren beschränkt bleibt, in denen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vorgesehen ist.
Der Senat hat sich jedoch in ständiger Rechtsprechung der wohl überwiegenden Auffassung angeschlossen, wonach die Vorschrift aus systematischen und teleologischen Gründen dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass dieser Gebührentatbestand nur in den Verfahren entsteht, in denen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung obligatorisch ist (ständige Rechtsprechung des Senats, u.a. Beschlüsse vom 29.11.2010 - L 19 B 91/09 AS, L 19 B 92/09 AS, vom 30.03.2011 - L 19 AS 2092/11 B, jeweils m.w.N.) und die Annahme eines Anerkenntnisses honoriert wird, weil sie die Durchführung der mündlichen Verhandlung erübrigt.
Auch in Anbetracht des bei Stellung des Antrags auf Eilentscheidung des Sozialgerichts bereits aufgenommenen Widerspruchsverfahrens bemisst sich die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Eilverfahren nach Nr. 3102 VV RVG, nicht nach Nr. 3103 VV RVG, wie dies der Beschwerdebegründung zugrundegelegt wird. Im Einzelfall festzustellenden Synergieeffekten kann unabhängig hiervon bei der Bemessung der konkreten Gebührenhöhe Rechnung getragen werden.
Nach Nr. 3102 VV RVG beträgt die Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen, 40,00 EUR bis 460,00 EUR, die Mittelgebühr daher 250,00 EUR.
Nach Nr. 3103 VV RVG beträgt die Gebühr nach Nr. 3102 VV RVG 20,00 EUR bis 320,00 EUR, die Mittelgebühr daher 170,00 EUR, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist. Bei der Bemessung der Gebühr ist in diesem Fall nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren geringer ist.
Der Gebührentatbestand der Nr. 3103 VV RVG stellt eine vorrangige Sondervorschrift zu Nr. 3102 VV RVG mit einem geminderten Gebührenrahmen dar (LSG NRW, Beschlüsse vom 16.12.2009 - L 19 AS 180/09 B , vom 22.08.2011 - L 19 AS 634/10 B; Beschluss des LSG Bayern vom 18.01.2007 - L 15 B 224/06 AS KO; Straßfeld in Jansen, SGG, 3. Aufl. 2009, § 197 Rn. 40). Die Minderung trägt dem typisierend anzunehmenden Umstand Rechnung, dass bei Vorbefassung des Rechtsanwalts in einem dem Klageverfahren vorausgegangenen Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren ein Synergieeffekt auftritt, der sich in Gestalt einer Verringerung des Arbeitsaufwandes und der Schwierigkeit im nachfolgenden Verfahren niederschlägt (vgl. BT- Drs. 15/1971, S. 212; Müller-Raabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., Nr. 3103 VV RVG, Rn. 3).
Ob dem Gesichtspunkt der Synergie bei zeitlicher Parallelität eines Verwaltungsverfahrens und eines nach dessen Einleitung aufgenommenen Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes durch Anwendung von Nr. 3103 VV RVG oder in anderer Weise, z.B. bei der Bemessung der Einzelgebühr im Rahmen von § 14 RVG Rechnung zu tragen ist, wird bislang nicht einheitlich gesehen:
Teilweise wird der zeitliche Gesichtspunkt des "vorausgegangenen" Verwaltungsverfahrens im Rahmen des Gebührentatbestandes nach Nr. 3103 VV RVG in den Vordergrund gestellt und als ausreichend erachtet, dass ein behördliches Verfahren zeitlich vor dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren eingeleitet worden ist, der Rechtsanwalt also in einem zeitlich "früheren" behördlichen Verfahren, das den gleichen Lebenssachverhalt zum Gegenstand hat, tätig gewesen ist (Beschluss des LSG Thüringen vom 24.11.2010 - L 6 SF 653/10 B; Beschluss des LSG NRW vom 30.06.2011 - L 9 AS 1743/10 B; Beschluss des Bayerischen LSG vom 18.01.2007 - L 15 B 224/06 AS KO). Soweit in der Rechtsprechung alleine das Tätigwerden in einem Verwaltungs-/Widerspruchsverfahren für die Anwendung des Gebührenrahmens nach Nr. 3103 VV RVG als ausreichend angesehen wird, bestehen allerdings differierende Auffassungen, ob das Verwaltungs-/Widerspruchsverfahren zum Zeitpunkt der Einleitung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bereits abgeschlossen gewesen sein muss, um den Anfall des reduzierten Gebührenrahmens auszulösen (so Beschluss des LSG NRW vom 29.01.2007 - L 1 B 35/07 AS; a. A. Beschlüsse des LSG NRW vom 13.02.2009 - L 12 B 159/08 AS, des LSG Thüringen vom 24.11.2010 - L 6 SF 653/10 B).
Die den zeitlichen Gesichtspunkt in den Vordergrund stellende Auffassung betont das Vorliegen eines Synergieeffektes für den mit der Sache vertrauten Rechtsanwalt in allen Fällen, in denen er mit dem identischen Lebenssachverhalt bereits in einem Verfahren befasst war.
Dieser Gesichtspunkt vermag jedoch zur Überzeugung des Senats die Anwendung des reduzierten Gebührenrahmens nach Nr. 3103 VV RVG nicht zu rechtfertigen, da das Ausmaß der im Einzelfall auftretenden Synergieeffekte ganz wesentlich davon abhängig ist, welche Art eines Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahrens stattgefunden hat bzw. stattfindet, welcher Aufwand dort betrieben wurde sowie, ob es sich um ein nachfolgendes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit vergleichbarem Charakter handelt.
Dieser im Interesse der Gebührengerechtigkeit zu fordernden Differenzierung kann innerhalb des Gebührentatbestandes nach Nr. 3103 VV RVG nicht hinreichend Rechnung getragen werden, denn schon nach seiner Formulierung ist bei der Bemessung der konkreten Einzelgebühr nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren geringer ist.
Zur Überzeugung des Senats liegt es bereits hiernach nahe, der wohl mittlerweile vorherrschenden Auffassung zu folgen, wonach der verringerte Gebührenrahmen nach Nr. 3103 VV RVG anknüpfend an sein Tatbestandsmerkmal des "vorausgegangenen" Verwaltungsverfahrens auf die Fälle beschränkt bleibt, in denen über die zeitliche Nachfolge des weiteren Verfahrens hinaus auch eine Identität der Streitgegenstände im "vorausgegangenen" Verwaltungsverfahren und im nachfolgenden Verfahren besteht, weil auch nur in diesem Fall die typisierende Annahme eines Synergieeffektes berechtigt erscheint.
Nur die an eine Identität des Streitgegenstandes anknüpfende Betrachtung trägt auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der mit Nr. 3103 VV RVG im Ansatz vergleichbaren Regelung im Gebührentatbestand der Nr. 2401 VV RVG Rechnung.
Diese Regelung sieht, soweit derselbe Rechtsanwalt schon im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren tätig war, eine Reduzierung des Gebührenrahmens der Geschäftsgebühr wegen der damit verbundenen Arbeitserleichterung für das Widerspruchsverfahren vor (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19.08.2011 - 1 BvR 2473/10).
Ein Verwaltungsverfahren ist in diesem Sinne "vorausgegangen", wenn die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsakts nach außen wirkende Tätigkeit der Behörde im Verwaltungsverfahren und die Tätigkeit im Widerspruchsverfahren auf einem identischen Verfahrensgegenstand beruhen.
Der Verfahrensgegenstand eines auf Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verwaltungsverfahrens wird dabei einerseits vom Regelungswillen der Behörde und andererseits vom Begehren des Antragstellers bestimmt (Urteil des BSG vom 25.02.2010 - B 11 AL 24/08 R).
Den Hintergrund der Gebührenabsenkung bildet damit im Rahmen von Nr. 2401 VV RVG die Grundannahme, dass (nur) bei Identität des Streitgegenstandes auch ohne Weiteres von einer Reduzierung des Arbeitsaufwandes für den Bevollmächtigten auszugehen ist.
Diese Grundannahme ist zur Überzeugung des Senats auf die vergleichbare Regelung des Nr. 3103 VV RVG übertragbar mit der Konsequenz, dass eine Anwendung in nachfolgenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ganz regelmäßig ausscheidet, weil auch die Streitgegenstände unterschiedlich sind.
In auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gerichteten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist über die im vorausgehenden Verwaltungsverfahren streitgegenständliche Frage des materiell-rechtlichen Anspruches (Anordnungsanspruch) hinaus zusätzlich die Auseinandersetzung damit erforderlich, ob ein Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung vorliegt (z.B. Beschluss des LSG NRW vom 16.03.2011 - L 7 B 406/08 AS); in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in denen die Herstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels begehrt wird (§ 86b Abs. 1 SGG) tritt zur Auseinandersetzung mit dem materiell-rechtlichen Anspruch die erforderliche Interessenabwägung hinzu (z.B. Beschluss des LSG NRW vom 31.10.2011 - L 6 AS 851/10 B).
Allen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gemein ist zudem der verfolgte Zweck einer vorläufigen Sicherung oder Gewährung von Leistungen, der häufig nicht mit dem im Hauptsacheverfahren verfolgten Anspruch übereinstimmt und insoweit einen abweichenden Streitgegenstand darstellt (LSG NRW, Beschluss vom 16.03.2011 - L 7 B 406/08 AS).
Im Grundsatz weisen somit Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig von vorausgehenden Verwaltungsverfahren abweichende Streitgegenstände auf. Die der Reduzierung des Gebührenrahmens nach Nr. 3103 VV RVG typisierend zugrundegelegte Erwartung eines Synergieeffektes in gleichfalls typisierend feststellbarem Umfang ist daher regelmäßig nicht gerechtfertigt.
Der Senat schließt sich daher der mittlerweile wohl vorherrschenden Auffassung an, wonach auch bei einem bereits zuvor eingeleiteten oder sogar abgeschlossenen Verwaltungsverfahren im nachfolgenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Gebührenrahmen aus Nr. 3103 VV RVG keine Anwendung findet, vielmehr im Rahmen der Gebührenbemessung nach Nr. 3102 VV RVG das Ausmaß konkret aufgetretener Synergien bei der Bemessung der Einzelgebühr nach § 14 RVG zu berücksichtigen ist (insbesondere Beschlüsse des LSG NRW vom 20.07.2011 - L 16 AL 103/10 B, vom 16.01.2012 - L 2 AS 257/10 B).
Nach Vorstehendem nicht abschließend beantwortet, hier jedoch nicht zu entscheiden ist die Frage, ob der reduzierte Gebührenrahmen nach Nr. 3103 VV RVG dann anzuwenden ist, wenn dem gerichtlichen Eilverfahren ein behördliches Eilverfahren gem. § 86a Abs. 3 SGG vorausgegangen ist (Müller-Raabe, a.a.O., Rn. 4).
Der Gebührenrahmen für die Verfahrensgebühr ist daher im vorliegenden Rechtsstreit Nr. 3102 VV RVG zu entnehmen.
Innerhalb des so eröffneten Gebührenrahmens von 40,00 EUR bis 460,00 EUR steht jedoch nicht die zur Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle angemeldete Mittelgebühr von 250,00 EUR zu. Unter Berücksichtigung der Kriterien nach § 14 RVG ist vielmehr innerhalb des erweiterten Gebührenrahmens nach Nr. 3102 VV RVG eine unterhalb der Mittelgebühr liegende Gebühr von 170,00 EUR anzusetzen. Der Beschwerdegegner als beigeordneter Rechtsanwalt bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG die Höhe der Verfahrensgebühr unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers und seines besonderen Haftungsrisikos (§ 14 Abs. 1 Satz 3 RVG).
Die von einem beigeordneten Rechtsanwalt im Verfahren nach § 55 RVG getroffene Bestimmung ist nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG).
Deshalb ist der Urkundsbeamte bzw. das Gericht verpflichtet, die Billigkeit der Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt zu prüfen. Bei Angemessenheit der angesetzten Gebühr hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bzw. das Gericht den Kostenansatz zu übernehmen, bei Unbilligkeit die Höhe der Betragsrahmengebühr festzusetzen.
Der Ansatz einer Mittelgebühr nach Nr. 3102 VV RVG von 250,00 EUR durch den Beschwerdegegner ist unbillig.
Bei der Bestimmung der Betragsrahmengebühr im konkreten Einzelfall ist von der Mittelgebühr auszugehen, die bei einem Normalfall/Durchschnittsfall als billige Gebühr zugrundezulegen ist. Hierunter ist ein Fall zu verstehen, in dem sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts unter Beachtung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt aller sozialrechtlichen Fälle abhebt (Urteil des BSG vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09). Ob ein Durchschnittsfall vorliegt, ergibt sich aus einem Vergleich mit den sonstigen bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängigen Streitsachen (BSG, a.a.O., m.w.N.).
Die in § 14 Abs. 1 RVG aufgezählten Bemessungskriterien stehen selbständig und gleichwertig nebeneinander. Sämtliche Kriterien sind geeignet, ein Abweichen von der Mittelgebühr nach oben oder unten zu begründen. Zudem kann das Abweichen eines Bemessungskriteriums von jedem anderen Bemessungskriterium kompensiert werden (BSG, a.a.O.).
Zur Überzeugung des Senats handelt es sich vorliegend um einen unterdurchschnittlichen Fall.
Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit nach Dauer des Verfahrens und Umfang der schriftlichen Verfahrensbeteiligungen kann dabei noch als durchschnittlich gelten. Klar unterdurchschnittlich ist jedoch die Schwierigkeit des Mandats. Die zu vergütende Tätigkeit erschöpfte sich im Vortrag und Beleg zur Bedürftigkeit der Antragsteller. Rechtsanwendungs- oder Berechnungsfragen haben keine Rolle gespielt und mussten nicht bearbeitet werden. Innerhalb des somit alleine verbleibenden Tatsachenvortrages ist zudem ein Synergieeffekt deswegen anzunehmen, weil der Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.01.2009 in gleicher Weise begründet wurde wie die Antragstellung vom 20.02.2009. Soweit hierzu Besprechungen oder schriftliche Kontakte mit der Antragstellerin zu 1) stattgefunden haben, geschah dies für beide Verfahren parallel. In der Gesamtschau ist das gemeinsame Kriterium von Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit vorliegend daher deutlich unterdurchschnittlich ausgeprägt.
Gleiches gilt für das Kriterium der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragsteller.
Dabei wird Streitigkeiten über Leistungen, die das soziokulturelle Existenzminimum sichern, zwar in der Regel überdurchschnittliche Bedeutung beigemessen, der jedoch im angesprochenen Leistungsbereich unterdurchschnittliche Einkommensverhältnisse kompensierend gegenüberstehen (Urteil des BSG vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R). Die unterdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für die Antragsteller folgt jedoch aus einem Vergleich des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes mit Hauptsacheverfahren, in denen um den endgültigen Verbleib von Leistungen gestritten wird.
Dagegen geht es im vorliegenden Verfahren nach § 86b Abs. 2 SGG nur um eine vorläufige, zeitlich begrenzte Leistungsverpflichtung, während der endgültige Verbleib der begehrten Leistungen in einem anschließenden oder parallel laufenden Hauptsacheverfahren zu klären ist (Beschlüsse des LSG NRW vom 28.12.2010 - L 19 AS 1954/10 B m.w.N., des LSG Hessen vom 13.12.2011 - L 2 AS 363/11 B, wonach im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Reduktion auf 2/3 der Mittelgebühr vorzunehmen ist). Insgesamt ist die Bedeutung der Angelegenheit für die Antragsteller als deutlich unterdurchschnittlich einzuschätzen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Beschwerdegegners ist nicht erkennbar, so dass der Senat bei Abwägung aller Kriterien aus § 14 RVG die Reduktion der Mittelgebühr innerhalb des Rahmens nach Nr. 3102 VV RVG um 1/3 (83,33 EUR) auf 166,67 EUR für gerechtfertigt hielte.
Der ursprüngliche Ansatz des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts von 170,00 EUR liegt noch darüber und kann wegen des im Beschwerdeverfahrens geltenden Verschlechterungsverbotes (Verbot der reformatio in peius z.B. Beschlüsse des Senats vom 25.10.2010 - L 19 AS 1513/10 B m.w.N., vom 23.02.2011 - L 19 AS 1522/10 B) nicht abgeändert werden.
Der endgültig festzusetzende Erstattungsanspruch ergibt sich daher i.H.v. 286,79 EUR nach Maßgabe folgender Einzelpositionen:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 170,00 EUR
Erhöhung Nr. 1008 VV RVG 51,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme: 241,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 45,79 EUR
Gesamtsumme: 286,79 EUR.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Gründe:
I.
Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung eines Rechtsanwalts nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nach abgeschlossenem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Bereich der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Am 11.12.2008 beantragte die in Bedarfsgemeinschaft mit ihrer 2003 geborenen Tochter lebende Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II bei der Rechtsvorgängerin des Antragsgegners (im Folgenden einheitlich: Antragsgegner).
Nachdem die Antragstellerin nicht bzw. nicht vollständig die Unterlagen beigebracht hatte, deren Beibringung ihr mit Schreiben vom 08.01.2009 aufgegeben worden war, lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 27.01.2009 den Leistungsantrag ab, weil sich unter Berücksichtigung der nachgewiesenen Bedarfe und Einkünfte kein Anspruch ergebe.
Gegen diesen Bescheid hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller am 11.02.2009 Widerspruch eingelegt und damit begründet, die Antragstellerin zu 1) habe glaubhaft versichert, über kein Einkommen zu verfügen und sich und ihr Kind nicht ernähren sowie keine Miete bezahlen zu können. Sie sei auch nicht krankenversichert.
Den am 20.02.2009 an das Sozialgericht gestellten Antrag auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller damit begründet, die Antragstellerin zu 1) habe angegeben, über kein Einkommen zu verfügen und sich und ihr Kind nicht ernähren sowie keine Miete bezahlen zu können. Sie sei auch nicht krankenversichert.
Der Antragsgegner hat erwidert, für eine Leistungsbewilligung fehle es an der Vorlage weiterer Unterlagen wie z.B. lückenloser Kontenauszüge, Nachweisen über Mietzahlungen, Kindergeldbescheiden.
Nach Vorlage weiterer Unterlagen durch die Antragstellerin zu 1), einer eigenen eidesstattlichen Versicherung zu fehlenden Einkünften und ihrem Mietverhältnis sowie einer eidesstattlichen Versicherung ihrer Eltern, wonach diese Mietschulden der Antragsteller vorübergehend darlehensweise übernommen hatten, kündigte der Antragsgegner mit Schreiben vom 17.04.2009 seine Bereitschaft an, auf Grundlage der bislang vorgelegten Unterlagen Leistungen nach dem SGB II ab dem 20.02.2009 vorläufig zu bewilligen und über eine endgültige Festsetzung von Leistungen im Rahmen des laufenden Widerspruchsverfahrens nach Vorlage der gesamten geforderten Unterlagen zu entscheiden. Zur Übernahme von Kosten sei der Antragsgegner nicht bereit.
Mit Bescheid vom 22.04.2009 hat der Antragsgegner den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 20.02.2009 bis 31.05.2009 vorläufig bewilligt.
Am 21.04.2009 hat der Beschwerdegegner im Namen der Antragsteller das Angebot der Antragsgegnerin angenommen und die Hauptsache für erledigt erklärt. Er hat ferner beantragt, den Antragsgegner zur Tragung der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu verpflichten.
Mit Beschluss vom 30.04.2009 hat das Sozialgericht den Antragsgegner zur Tragung der Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller verpflichtet.
Vor dem Hintergrund der mit Beschluss vom 17.03.2009 mit Wirkung ab dem 20.02.2009 den Antragstellern bewilligten Prozesskostenhilfe hat der Beschwerdegegner am 02.06.2009 die Festsetzung eines Vergütungsanspruches von 648,55 EUR gegen die Staatskasse begehrt nach Maßgabe folgender Einzelpositionen:
Verfahrensgebühr Nrn. 3102, 1008 VV RVG 325,00 EUR
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme: 545,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 103,55 EUR
Gesamtsumme: 648,55 EUR.
Mit Beschluss vom 10.06.2009 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts aus der Staatskasse zu zahlende Gebühren und Auslagen festgesetzt i.H.v. 286,79 EUR, zusammengesetzt aus:
Verfahrensgebühr Nrn. 3103, 1008 VV RVG 221,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme: 241,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 45,79 EUR
Gesamtsumme: 286,79 EUR.
Im Hinblick auf die vorherige Einlegung eines Widerspruches gegen den Bescheid vom 27.01.2009 finde im nachfolgenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Gebührenrahmen nach Nr. 3103 VV RVG Anwendung, innerhalb dessen eine Mittelgebühr von 170,00 EUR anzusetzen sei.
Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 Ziff. 3 VV RVG entstehe in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht.
Mit seiner Erinnerung vom 24.06.2009 hat der Beschwerdegegner weiterhin den Ansatz einer Mittelgebühr im Gebührenrahmen nach Nr. 3102 VV RVG begehrt. Nr. 3103 VV RVG verlange eine vorausgegangene Tätigkeit. Dies sei in dem Sinne zu verstehen, dass eine qualifizierte anwaltliche Tätigkeit im Verwaltungsverfahren bereits abgeschlossen gewesen sein müsse, bevor das weitere Verfahren mit verringertem Gebührenrahmen aufgenommen werde. Vorliegend sei über den eingelegten Widerspruch jedoch erst am 20.05.2009 und damit nach der Stellung des Antrages auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes entschieden worden. Eine Gebühr nach Nr. 3106 Ziff. 3 VV RVG sei als fiktive Terminsgebühr im Hinblick auf die Annahme des vom Antragsgegner abgegebenen Anerkenntnisses entstanden.
Mit Beschluss vom 16.12.2009 hat das Sozialgericht der Erinnerung teilweise stattgegeben, den Beschluss vom 10.06.2009 abgeändert und die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren auf 524,79 EUR festgesetzt. Der Gebührenrahmen sei Nr. 3103 VV RVG zu entnehmen und eine Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr festzusetzen. Aufgrund der Annahme eines Anerkenntnisses stehe eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Ziffer 3 VV RVG i.H.v. 200,00 EUR zu. Die Gebühren seien danach festzusetzen wie folgt:
Verfahrensgebühr Nrn. 3103, 1008 VV RVG 221,00 EUR
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme: 441,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 83,79 EUR
Gesamtsumme: 524,79 EUR.
Der Frage, ob in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Ziffer 3 VV RVG entstehen könne, hat das Sozialgericht grundsätzliche Bedeutung beigemessen und die Beschwerde zugelassen.
Gegen den am 22.12.2009 zugestellten Beschluss hat der Vertreter der Staatskasse am 30.12.2009 Beschwerde eingelegt und unter Anknüpfung an erstinstanzliches Vorbringen beantragt, die von der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 286,79 EUR festzusetzen. Insbesondere sei eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Ziffer 3 VV RVG nicht entstanden. Der Antragsgegner hat sich auf sein bisheriges Vorbringen bezogen und angekündigt, keine weitere Stellungnahme abzugeben.
Am 06.10.2010 hat das Sozialgericht beschlossen, der Beschwerde werde nicht abgeholfen.
II.
Auf die kraft Zulassung durch das Sozialgericht statthafte (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG) und auch im Übrigen zulässig eingelegte Beschwerde sind der Beschluss des Sozialgerichts vom 16.12.2009 abzuändern und die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung des Beschwerdegegners in der mit Beschluss vom 10.09.2009 des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts festgestellten Höhe von 286,79 EUR festzusetzen.
Die beantragte Festsetzung einer sog. fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 Ziffer 3 VV RVG ist nicht möglich. Zweifelhaft ist bereits das Vorliegen eines diese Gebühr auslösenden Anerkenntnisses; Nr. 3106 Ziffer 3 VV RVG ist darüber hinaus in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach dem SGG nicht anwendbar.
Der Gebührenrahmen für die zustehende Verfahrensgebühr richtet sich nach Nr. 3102 VV RVG, obgleich bei Aufnahme des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bereits ein Widerspruch eingelegt worden war. Die vom Urkundsbeamten des Sozialgerichts innerhalb des unterstellten Gebührenrahmens nach Nr. 3103 VV RVG festgesetzte Gebühr ist jedoch unter Berücksichtigung der Kriterien aus § 14 RVG auch im erweiterten Rahmen nach Nr. 3102 VV RVG angemessen.
Zweifelhaft ist bereits, ob der Rechtstreit durch angenommenes Anerkenntnis beendet worden ist. Zwar hat der Antragsgegner dem Anliegen der Antragsteller im Ergebnis entsprochen. Dies allein genügt jedoch nicht zur Annahme eines Anerkenntnisses im prozessrechtlichen Sinne des § 101 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die Erledigung eines Verfahrens durch angenommenes Anerkenntnis i.S.v. § 101 Abs. 2 SGG setzt vielmehr voraus, dass ein Beteiligter einen prozessualen Anspruch durch eine Prozesserklärung gegenüber dem Gericht (insgesamt) anerkennt und der andere Beteiligte das Anerkenntnis durch eine gleichgerichtete Prozesserklärung gegenüber dem Gericht annimmt, also die begehrte Rechtsfolge nach einer tradierten Formulierung des Bundessozialgerichts "ohne Drehen und Wenden" zugibt (Urteil des BSG vom 06.05.2010 - B 13 A 16/09 R - mit Nachweisen der vorhergehenden Rechtsprechung insbesondere zur Abgrenzung Anerkenntnis/Vergleich). Eine solche Übereinstimmung zwischen dem bei Antragstellung geltend gemachten Anspruch auf sofortige Leistungsgewährung und der als Anerkenntnis angesehenen Erklärung des Antragsgegners, er habe den Antragstellern Leistung in vorläufig festgesetzter Höhe bewilligt, ist jedoch zunächst nicht festzustellen.
Vielmehr hat der Antragsgegner zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens seine - auf Grundlage der bei Antragstellung gegebenen Sachlage bestehende - sofortige Verpflichtung anerkannt, den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen. Vielmehr hat er die als Anerkenntnis angesehene Erklärung erst nach umfangreichen Angaben und Belegen der Antragsteller im Verfahrensverlauf abgegeben. Das Bestehen eines Anordnungsgrundes ist zudem in keiner Weise thematisiert worden
Vor diesem Hintergrund enthält die Erklärung des Antragsgegners, er sei zur Leistungsbewilligung bereit, kein Zugeständnis des bei Antragstellung geltend gemachten Anspruches. Sie kann vielmehr eine bloße Mitteilung der verwaltungsseitigen Reaktion auf eine zwischenzeitliche Sachverhaltsänderung darstellen. Ein Anerkenntnis im prozessrechtlichen Sinne läge hierin nicht.
Selbst wenn man mit dem Beschwerdegegner annähme, dass ein angenommenes Anerkenntnis vorliegt, wäre die sog. "fiktive Terminsgebühr" nach Nr. 3106 Ziffer 3 VV RVG im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht entstanden.
Denn Nr. 3106 Ziffer 3 VV RVG findet in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach dem SGG keine Anwendung.
Der Anwendungsbereich dieses Gebührentatbestandes ist vielmehr auf Verfahren beschränkt, in denen eine mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 1 SGG vorgeschrieben ist, was in Verfahren nach § 86b SGG gerade nicht der Fall ist.
Zwar kann aus dem Wortlaut der Vorschrift von Nr. 3106 Satz 2 VV RVG nicht zwingend geschlossen werden, dass im Fall der Erledigung des Verfahrens durch ein angenommenes Anerkenntnis der Anfall der sog. fiktiven Terminsgebühr auf Verfahren beschränkt bleibt, in denen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vorgesehen ist.
Der Senat hat sich jedoch in ständiger Rechtsprechung der wohl überwiegenden Auffassung angeschlossen, wonach die Vorschrift aus systematischen und teleologischen Gründen dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass dieser Gebührentatbestand nur in den Verfahren entsteht, in denen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung obligatorisch ist (ständige Rechtsprechung des Senats, u.a. Beschlüsse vom 29.11.2010 - L 19 B 91/09 AS, L 19 B 92/09 AS, vom 30.03.2011 - L 19 AS 2092/11 B, jeweils m.w.N.) und die Annahme eines Anerkenntnisses honoriert wird, weil sie die Durchführung der mündlichen Verhandlung erübrigt.
Auch in Anbetracht des bei Stellung des Antrags auf Eilentscheidung des Sozialgerichts bereits aufgenommenen Widerspruchsverfahrens bemisst sich die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Eilverfahren nach Nr. 3102 VV RVG, nicht nach Nr. 3103 VV RVG, wie dies der Beschwerdebegründung zugrundegelegt wird. Im Einzelfall festzustellenden Synergieeffekten kann unabhängig hiervon bei der Bemessung der konkreten Gebührenhöhe Rechnung getragen werden.
Nach Nr. 3102 VV RVG beträgt die Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen, 40,00 EUR bis 460,00 EUR, die Mittelgebühr daher 250,00 EUR.
Nach Nr. 3103 VV RVG beträgt die Gebühr nach Nr. 3102 VV RVG 20,00 EUR bis 320,00 EUR, die Mittelgebühr daher 170,00 EUR, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist. Bei der Bemessung der Gebühr ist in diesem Fall nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren geringer ist.
Der Gebührentatbestand der Nr. 3103 VV RVG stellt eine vorrangige Sondervorschrift zu Nr. 3102 VV RVG mit einem geminderten Gebührenrahmen dar (LSG NRW, Beschlüsse vom 16.12.2009 - L 19 AS 180/09 B , vom 22.08.2011 - L 19 AS 634/10 B; Beschluss des LSG Bayern vom 18.01.2007 - L 15 B 224/06 AS KO; Straßfeld in Jansen, SGG, 3. Aufl. 2009, § 197 Rn. 40). Die Minderung trägt dem typisierend anzunehmenden Umstand Rechnung, dass bei Vorbefassung des Rechtsanwalts in einem dem Klageverfahren vorausgegangenen Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren ein Synergieeffekt auftritt, der sich in Gestalt einer Verringerung des Arbeitsaufwandes und der Schwierigkeit im nachfolgenden Verfahren niederschlägt (vgl. BT- Drs. 15/1971, S. 212; Müller-Raabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., Nr. 3103 VV RVG, Rn. 3).
Ob dem Gesichtspunkt der Synergie bei zeitlicher Parallelität eines Verwaltungsverfahrens und eines nach dessen Einleitung aufgenommenen Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes durch Anwendung von Nr. 3103 VV RVG oder in anderer Weise, z.B. bei der Bemessung der Einzelgebühr im Rahmen von § 14 RVG Rechnung zu tragen ist, wird bislang nicht einheitlich gesehen:
Teilweise wird der zeitliche Gesichtspunkt des "vorausgegangenen" Verwaltungsverfahrens im Rahmen des Gebührentatbestandes nach Nr. 3103 VV RVG in den Vordergrund gestellt und als ausreichend erachtet, dass ein behördliches Verfahren zeitlich vor dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren eingeleitet worden ist, der Rechtsanwalt also in einem zeitlich "früheren" behördlichen Verfahren, das den gleichen Lebenssachverhalt zum Gegenstand hat, tätig gewesen ist (Beschluss des LSG Thüringen vom 24.11.2010 - L 6 SF 653/10 B; Beschluss des LSG NRW vom 30.06.2011 - L 9 AS 1743/10 B; Beschluss des Bayerischen LSG vom 18.01.2007 - L 15 B 224/06 AS KO). Soweit in der Rechtsprechung alleine das Tätigwerden in einem Verwaltungs-/Widerspruchsverfahren für die Anwendung des Gebührenrahmens nach Nr. 3103 VV RVG als ausreichend angesehen wird, bestehen allerdings differierende Auffassungen, ob das Verwaltungs-/Widerspruchsverfahren zum Zeitpunkt der Einleitung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bereits abgeschlossen gewesen sein muss, um den Anfall des reduzierten Gebührenrahmens auszulösen (so Beschluss des LSG NRW vom 29.01.2007 - L 1 B 35/07 AS; a. A. Beschlüsse des LSG NRW vom 13.02.2009 - L 12 B 159/08 AS, des LSG Thüringen vom 24.11.2010 - L 6 SF 653/10 B).
Die den zeitlichen Gesichtspunkt in den Vordergrund stellende Auffassung betont das Vorliegen eines Synergieeffektes für den mit der Sache vertrauten Rechtsanwalt in allen Fällen, in denen er mit dem identischen Lebenssachverhalt bereits in einem Verfahren befasst war.
Dieser Gesichtspunkt vermag jedoch zur Überzeugung des Senats die Anwendung des reduzierten Gebührenrahmens nach Nr. 3103 VV RVG nicht zu rechtfertigen, da das Ausmaß der im Einzelfall auftretenden Synergieeffekte ganz wesentlich davon abhängig ist, welche Art eines Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahrens stattgefunden hat bzw. stattfindet, welcher Aufwand dort betrieben wurde sowie, ob es sich um ein nachfolgendes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit vergleichbarem Charakter handelt.
Dieser im Interesse der Gebührengerechtigkeit zu fordernden Differenzierung kann innerhalb des Gebührentatbestandes nach Nr. 3103 VV RVG nicht hinreichend Rechnung getragen werden, denn schon nach seiner Formulierung ist bei der Bemessung der konkreten Einzelgebühr nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren geringer ist.
Zur Überzeugung des Senats liegt es bereits hiernach nahe, der wohl mittlerweile vorherrschenden Auffassung zu folgen, wonach der verringerte Gebührenrahmen nach Nr. 3103 VV RVG anknüpfend an sein Tatbestandsmerkmal des "vorausgegangenen" Verwaltungsverfahrens auf die Fälle beschränkt bleibt, in denen über die zeitliche Nachfolge des weiteren Verfahrens hinaus auch eine Identität der Streitgegenstände im "vorausgegangenen" Verwaltungsverfahren und im nachfolgenden Verfahren besteht, weil auch nur in diesem Fall die typisierende Annahme eines Synergieeffektes berechtigt erscheint.
Nur die an eine Identität des Streitgegenstandes anknüpfende Betrachtung trägt auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der mit Nr. 3103 VV RVG im Ansatz vergleichbaren Regelung im Gebührentatbestand der Nr. 2401 VV RVG Rechnung.
Diese Regelung sieht, soweit derselbe Rechtsanwalt schon im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren tätig war, eine Reduzierung des Gebührenrahmens der Geschäftsgebühr wegen der damit verbundenen Arbeitserleichterung für das Widerspruchsverfahren vor (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19.08.2011 - 1 BvR 2473/10).
Ein Verwaltungsverfahren ist in diesem Sinne "vorausgegangen", wenn die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsakts nach außen wirkende Tätigkeit der Behörde im Verwaltungsverfahren und die Tätigkeit im Widerspruchsverfahren auf einem identischen Verfahrensgegenstand beruhen.
Der Verfahrensgegenstand eines auf Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verwaltungsverfahrens wird dabei einerseits vom Regelungswillen der Behörde und andererseits vom Begehren des Antragstellers bestimmt (Urteil des BSG vom 25.02.2010 - B 11 AL 24/08 R).
Den Hintergrund der Gebührenabsenkung bildet damit im Rahmen von Nr. 2401 VV RVG die Grundannahme, dass (nur) bei Identität des Streitgegenstandes auch ohne Weiteres von einer Reduzierung des Arbeitsaufwandes für den Bevollmächtigten auszugehen ist.
Diese Grundannahme ist zur Überzeugung des Senats auf die vergleichbare Regelung des Nr. 3103 VV RVG übertragbar mit der Konsequenz, dass eine Anwendung in nachfolgenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ganz regelmäßig ausscheidet, weil auch die Streitgegenstände unterschiedlich sind.
In auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gerichteten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist über die im vorausgehenden Verwaltungsverfahren streitgegenständliche Frage des materiell-rechtlichen Anspruches (Anordnungsanspruch) hinaus zusätzlich die Auseinandersetzung damit erforderlich, ob ein Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung vorliegt (z.B. Beschluss des LSG NRW vom 16.03.2011 - L 7 B 406/08 AS); in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in denen die Herstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels begehrt wird (§ 86b Abs. 1 SGG) tritt zur Auseinandersetzung mit dem materiell-rechtlichen Anspruch die erforderliche Interessenabwägung hinzu (z.B. Beschluss des LSG NRW vom 31.10.2011 - L 6 AS 851/10 B).
Allen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gemein ist zudem der verfolgte Zweck einer vorläufigen Sicherung oder Gewährung von Leistungen, der häufig nicht mit dem im Hauptsacheverfahren verfolgten Anspruch übereinstimmt und insoweit einen abweichenden Streitgegenstand darstellt (LSG NRW, Beschluss vom 16.03.2011 - L 7 B 406/08 AS).
Im Grundsatz weisen somit Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig von vorausgehenden Verwaltungsverfahren abweichende Streitgegenstände auf. Die der Reduzierung des Gebührenrahmens nach Nr. 3103 VV RVG typisierend zugrundegelegte Erwartung eines Synergieeffektes in gleichfalls typisierend feststellbarem Umfang ist daher regelmäßig nicht gerechtfertigt.
Der Senat schließt sich daher der mittlerweile wohl vorherrschenden Auffassung an, wonach auch bei einem bereits zuvor eingeleiteten oder sogar abgeschlossenen Verwaltungsverfahren im nachfolgenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Gebührenrahmen aus Nr. 3103 VV RVG keine Anwendung findet, vielmehr im Rahmen der Gebührenbemessung nach Nr. 3102 VV RVG das Ausmaß konkret aufgetretener Synergien bei der Bemessung der Einzelgebühr nach § 14 RVG zu berücksichtigen ist (insbesondere Beschlüsse des LSG NRW vom 20.07.2011 - L 16 AL 103/10 B, vom 16.01.2012 - L 2 AS 257/10 B).
Nach Vorstehendem nicht abschließend beantwortet, hier jedoch nicht zu entscheiden ist die Frage, ob der reduzierte Gebührenrahmen nach Nr. 3103 VV RVG dann anzuwenden ist, wenn dem gerichtlichen Eilverfahren ein behördliches Eilverfahren gem. § 86a Abs. 3 SGG vorausgegangen ist (Müller-Raabe, a.a.O., Rn. 4).
Der Gebührenrahmen für die Verfahrensgebühr ist daher im vorliegenden Rechtsstreit Nr. 3102 VV RVG zu entnehmen.
Innerhalb des so eröffneten Gebührenrahmens von 40,00 EUR bis 460,00 EUR steht jedoch nicht die zur Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle angemeldete Mittelgebühr von 250,00 EUR zu. Unter Berücksichtigung der Kriterien nach § 14 RVG ist vielmehr innerhalb des erweiterten Gebührenrahmens nach Nr. 3102 VV RVG eine unterhalb der Mittelgebühr liegende Gebühr von 170,00 EUR anzusetzen. Der Beschwerdegegner als beigeordneter Rechtsanwalt bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG die Höhe der Verfahrensgebühr unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers und seines besonderen Haftungsrisikos (§ 14 Abs. 1 Satz 3 RVG).
Die von einem beigeordneten Rechtsanwalt im Verfahren nach § 55 RVG getroffene Bestimmung ist nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG).
Deshalb ist der Urkundsbeamte bzw. das Gericht verpflichtet, die Billigkeit der Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt zu prüfen. Bei Angemessenheit der angesetzten Gebühr hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bzw. das Gericht den Kostenansatz zu übernehmen, bei Unbilligkeit die Höhe der Betragsrahmengebühr festzusetzen.
Der Ansatz einer Mittelgebühr nach Nr. 3102 VV RVG von 250,00 EUR durch den Beschwerdegegner ist unbillig.
Bei der Bestimmung der Betragsrahmengebühr im konkreten Einzelfall ist von der Mittelgebühr auszugehen, die bei einem Normalfall/Durchschnittsfall als billige Gebühr zugrundezulegen ist. Hierunter ist ein Fall zu verstehen, in dem sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts unter Beachtung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt aller sozialrechtlichen Fälle abhebt (Urteil des BSG vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09). Ob ein Durchschnittsfall vorliegt, ergibt sich aus einem Vergleich mit den sonstigen bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängigen Streitsachen (BSG, a.a.O., m.w.N.).
Die in § 14 Abs. 1 RVG aufgezählten Bemessungskriterien stehen selbständig und gleichwertig nebeneinander. Sämtliche Kriterien sind geeignet, ein Abweichen von der Mittelgebühr nach oben oder unten zu begründen. Zudem kann das Abweichen eines Bemessungskriteriums von jedem anderen Bemessungskriterium kompensiert werden (BSG, a.a.O.).
Zur Überzeugung des Senats handelt es sich vorliegend um einen unterdurchschnittlichen Fall.
Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit nach Dauer des Verfahrens und Umfang der schriftlichen Verfahrensbeteiligungen kann dabei noch als durchschnittlich gelten. Klar unterdurchschnittlich ist jedoch die Schwierigkeit des Mandats. Die zu vergütende Tätigkeit erschöpfte sich im Vortrag und Beleg zur Bedürftigkeit der Antragsteller. Rechtsanwendungs- oder Berechnungsfragen haben keine Rolle gespielt und mussten nicht bearbeitet werden. Innerhalb des somit alleine verbleibenden Tatsachenvortrages ist zudem ein Synergieeffekt deswegen anzunehmen, weil der Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.01.2009 in gleicher Weise begründet wurde wie die Antragstellung vom 20.02.2009. Soweit hierzu Besprechungen oder schriftliche Kontakte mit der Antragstellerin zu 1) stattgefunden haben, geschah dies für beide Verfahren parallel. In der Gesamtschau ist das gemeinsame Kriterium von Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit vorliegend daher deutlich unterdurchschnittlich ausgeprägt.
Gleiches gilt für das Kriterium der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragsteller.
Dabei wird Streitigkeiten über Leistungen, die das soziokulturelle Existenzminimum sichern, zwar in der Regel überdurchschnittliche Bedeutung beigemessen, der jedoch im angesprochenen Leistungsbereich unterdurchschnittliche Einkommensverhältnisse kompensierend gegenüberstehen (Urteil des BSG vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R). Die unterdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für die Antragsteller folgt jedoch aus einem Vergleich des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes mit Hauptsacheverfahren, in denen um den endgültigen Verbleib von Leistungen gestritten wird.
Dagegen geht es im vorliegenden Verfahren nach § 86b Abs. 2 SGG nur um eine vorläufige, zeitlich begrenzte Leistungsverpflichtung, während der endgültige Verbleib der begehrten Leistungen in einem anschließenden oder parallel laufenden Hauptsacheverfahren zu klären ist (Beschlüsse des LSG NRW vom 28.12.2010 - L 19 AS 1954/10 B m.w.N., des LSG Hessen vom 13.12.2011 - L 2 AS 363/11 B, wonach im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Reduktion auf 2/3 der Mittelgebühr vorzunehmen ist). Insgesamt ist die Bedeutung der Angelegenheit für die Antragsteller als deutlich unterdurchschnittlich einzuschätzen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Beschwerdegegners ist nicht erkennbar, so dass der Senat bei Abwägung aller Kriterien aus § 14 RVG die Reduktion der Mittelgebühr innerhalb des Rahmens nach Nr. 3102 VV RVG um 1/3 (83,33 EUR) auf 166,67 EUR für gerechtfertigt hielte.
Der ursprüngliche Ansatz des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts von 170,00 EUR liegt noch darüber und kann wegen des im Beschwerdeverfahrens geltenden Verschlechterungsverbotes (Verbot der reformatio in peius z.B. Beschlüsse des Senats vom 25.10.2010 - L 19 AS 1513/10 B m.w.N., vom 23.02.2011 - L 19 AS 1522/10 B) nicht abgeändert werden.
Der endgültig festzusetzende Erstattungsanspruch ergibt sich daher i.H.v. 286,79 EUR nach Maßgabe folgender Einzelpositionen:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 170,00 EUR
Erhöhung Nr. 1008 VV RVG 51,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme: 241,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 45,79 EUR
Gesamtsumme: 286,79 EUR.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
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