L 19 AS 2066/10 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 3 SF 171/10 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 2066/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 29.09.2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe der nach abgeschlossenem Klageverfahren zustehenden Anwaltsvergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).

Am 05.01.2007 hat der durch die Beschwerdeführerin vertretene Kläger Klage auf Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ohne Berücksichtigung von Partnereinkommen begehrt.

Nach Durchführung zweier Erörterungstermine und erneuter Beweisaufnahme im Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.06.2010 hat das Sozialgericht den rechtlichen Hinweis erteilt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Klage keine Aussicht auf Erfolg, der Beklagte habe jedoch die Kosten der vorhergehenden Untätigkeitsklage zu tragen. Daraufhin hat der Vertreter des Beklagten die Bereitschaft erklärt, die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Untätigkeitsklage zu übernehmen. Die Beschwerdeführerin hat im Einvernehmen mit dem Kläger erklärt: "Ich nehme die Klage zurück". Laut Sitzungsniederschrift sind sich die Beteiligten darüber einig gewesen, dass der Rechtsstreit insgesamt erledigt sei.

Vor dem Hintergrund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss des Sozialgerichts vom 06.08.2007 ab dem 05.01.2007 hat die Beschwerdeführerin am 22.06.2010 die Festsetzung von Kosten in Höhe von insgesamt 1.246,50 EUR beantragt, die sich zusammensetzen aus:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 380,00 EUR
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 310,00 EUR
Erledigungsgebühr bei anhängigem gerichtlichem Verfahren Nr. 1006 VV RVG 190,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Pauschale Nr. 7001 VV RVG 41,20 EUR
Fahrtkostenpauschale Nr. 7003 VV RVG 46,28 EUR
Terminsgelder Nr. 7005 VV RVG 60,00 EUR
Zwischensumme: 1.067,48 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 199,02 EUR
Gesamtsumme: 1.246,50 EUR.

Mit Beschluss vom 07.07.2010 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 1.020,40 EUR festgesetzt und hierbei sämtliche geltend gemachten Positionen mit Ausnahme der Einigungsgebühr sowie der hierauf entfallenden Umsatzsteuer berücksichtigt. Es liege eine Klagerücknahme und kein Vergleich vor. Eine Vergleichsgebühr sei deshalb nicht entstanden.

Gegen diese Festsetzung hat die Beschwerdeführerin am 14.07.2010 Erinnerung eingelegt. Es handele sich nicht um eine Vergleichs- sondern um eine Erledigungsgebühr, die z.B. auch im Falle eines Teil-Anerkenntnisses in Betracht komme. Aus der Sitzungsniederschrift vom Termin am 17.06.2010 ergebe sich die Bereitschaft des Beklagtenvertreters, die außergerichtlichen Kosten der Untätigkeitsklage zu übernehmen. Nur im Hinblick hierauf sei die Klage zurückgenommen worden. Aus dem nachfolgend protokollierten Satz, wonach die Beteiligten sich darüber einig seien, dass der Rechtsstreit insgesamt erledigt sei, folge zudem, dass nicht nur ein Teil-Anerkenntnis hinsichtlich der Kosten erklärt worden sei, vielmehr dass der erfolgten Erledigung des Rechtsstreits eine entsprechende Einigung der Parteien vorausgegangen sei.

Mit Beschluss vom 29.09.2010 hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückgewiesen und die Voraussetzungen für das Entstehen einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG als nicht gegeben angesehen. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.

Gegen den am 04.10.2010 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde vom 06.10.2010, mit der die Begründung des Sozialgerichts angegriffen wird, zur Erfüllung des Gebührentatbestandes nach Nr. 1006 VV RVG sei eine über die durch die übrigen Gebührentatbestände bereits abgegoltene anwaltliche Mitwirkung erforderlich.

Der Beschwerdegegner stützt den angefochtenen Beschluss unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Eine Erledigungsgebühr nach Nrn. 1002, 1006 VV RVG ist nicht entstanden.

Der Gebührentatbestand der Nr. 1002 VV RVG ist schon seinem Wortlaut nach nicht erfüllt. Hiernach entsteht die Gebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.

Bereits hieran fehlt es, denn der im abgeschlossenen Verfahren angefochtene Verwaltungsakt vom 02.08.2006 in der Fassung des nachfolgend erlassenen Widerspruchsbescheides vom 21.03.2007 ist weder aufgehoben noch geändert, vielmehr durch Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2010 bestandskräftig geworden. Darüber hinaus fehlt es, worauf das Sozialgericht zutreffend im angefochtenen Beschluss abgestellt hat, vorliegend an einem zusätzlichen, über die allgemeine Prozessführung hinausgehenden und auf die unstreitige Erledigung des Rechtsstreits gerichteten anwaltlichen Handeln, das mindestens mitursächlich für die unstreitige Erledigung ist. Nach übereinstimmender und vom Senat mitgetragener Rechtsprechung der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten ist das Mitwirken des Rechtsanwalts bei der formellen Beendigung des gerichtlichen Verfahrens für den Anfall der Erledigungsgebühr nach 1002 VV RVG nicht ausreichend. Gefordert wird eine über die durch die Tätigkeitsgebühren (Verfahrensgebühr, Terminsgebühr, Geschäftsgebühr) abgegoltenen Handlungen hinausgehende Tätigkeit (BSG Urteile vom 07.11.2006 - B 1 KR 13/06 R, vom 09.12.2010 - B 13 R 63/09 R; OVG NRW Beschluss vom 18.10.2006 - 7 E 1339/05).

Die hier erklärte Rücknahme genügt diesen Anforderungen nicht.

Als Mitwirkungshandlungen reichen insbesondere weder die Einlegung noch die Begründung eines Rechtsbehelfs oder Rechtsmittels, nicht die Stellungnahme auf eine gerichtliche Anfrage hin, nicht die Vorlage von ansonsten präsenten Beweismitteln, nicht die Mitwirkung an Ermittlungen. Auch die Abgabe einer verfahrensbeendenden Erledigungserklärung genügt nicht (Urteile des BSG vom 07.11.2006 - B 1 KR 13/06 R, vom 21.03.2007 - B 11a AL 53/06 R, vom 05.05.2009 - B 13 R 137/08 R, vom 05.05.2010 - B 11 AL 14/09 R).

Diese Verfahrenshandlungen werden durch die Tätigkeitsgebühren - Verfahrensgebühr und Terminsgebühr - abgegolten.

Gleiches gilt für die Annahme des vorliegend - auf Aufforderung des Sozialgerichts, nicht der Beschwerdeführerin - abgegebenen Kosten(teil)anerkenntnisses.

Entgegen der Beschwerdebegründung ergibt sich auch kein Hinweis auf ein zusätzliches, über die allgemeine Prozessführung hinausgehendes, auf die unstreitige Erledigung gerichtetes anwaltliches Handeln aus der Hinzufügung in der Sitzungsniederschrift, die Beteiligten seien sich darüber einig, dass der Rechtsstreit insgesamt erledigt sei.

Da dieser Erklärung ohnehin eine unbeschränkt erklärte Rücknahmeerklärung der Klägerseite vorausgegangen war, die an sich schon den Rechtsstreit erledigt hat, kann ihr nur die Bedeutung beigemessen werden, dass keine Kostenanträge gestellt werden sollten. Welches spezifisch auf die Erledigung des Rechtsstreits gerichtete Handeln des Beschwerdeführers zu dieser Erklärung geführt haben könnte, erschließt sich dem Senat nicht und wird auch mit der Beschwerdebegründung nicht ausgeführt.

Die Festsetzung der Vergütung im Übrigen wird nicht beanstandet und ist auch rechnerisch richtig.

Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG).

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
Saved