Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 15 U 2/02
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 148/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 98/12 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung – bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung – vorliegt.
Der 1955 geborene Kläger war vom 1. September 1971 bis zum 30. September 1995 – unterbrochen durch den Grundwehrdienst – als Drucker tätig. Vom 1. Juli 1996 an führte er eine abhängige Beschäftigung als Kommissionierer bei einem Frisch- und Gefrierdienst aus. Seit dem 14. Oktober 1996 war er wegen Rückenbeschwerden arbeitsunfähig und kehrte später nicht mehr in eine Wirbelsäulen belastende Tätigkeit zurück.
Mit Datum vom 15. November 1998 erstattete der Orthopäde Dr. K. die Verdachtsmeldung einer Berufskrankheit mit der Diagnose eines chronischen Lendenwirbel- und Wurzelreizsyndroms bei deutlichem Bandscheibenvorfall zwischen der Lendenwirbelsäule und dem Kreuzbein links mit Zustand nach einer Bandscheibenoperation zwischen dem 3. und 4. Lendenwirbelkörper (am 13. Oktober 1997) und der Rückkehr eines deutlichen Bandscheibenvorfalls. Diese Erkrankungen führte er auf schweres Heben und Tragen und einseitiges Stehen in der Tätigkeit als Buchdrucker zurück.
Nach Dr. K.s Befundbericht vom 9. Januar 1999 war der Kläger bei ihm erstmals im Januar 1997 behandelt worden und hatte aus der Lendenwirbelsäule in das linke oder rechte Bein seitlich ausstrahlende Schmerzen und Missempfindungen angegeben, weiterhin Schmerzen und Husten bei Erschütterungen. Im Abschlussbericht über eine am 26. März 1997 begonnene Kur ist als Angabe des Klägers wiedergegeben, er leide unter den ziehenden Schmerzen seit seiner Tätigkeit als Kommissionierer. Am 15. November 1998 habe sich das Lasèguesche Zeichen beidseits bei 75 Grad positiv gezeigt.
In einem CT-Befund vom 18. September 1996 über die Abschnitte zwischen dem 3. Lendenwirbelkörper und dem oberen Kreuzbein fand sich eine Osteochondrose mit Grund- und Deckplatteneinbrüchen. Im Abschnitt zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper hatte sich ein spondylotischer Sporn gebildet. Ein Bandscheibenvorfall mit Reizung des Rückenmarkkanals und einer leichten Enge lag im Abschnitt zwischen dem 3. und 4. Lendenwirbelkörper vor. Zwischen Lendenwirbelsäule und Kreuzbein wölbte sich die Bandscheibe in den Rückenmarkkanal vor.
Nach einer Auswertung von Röntgenaufnahmen vom 9. September 1996 lag zwischen dem 2. und 3. Lendenwirbelkörper eine mäßige Zwischenwirbelraumverschmälerung mit akzentuierter Ausziehung der vorderen Oberkante des 3. Lendenwirbelkörpers vor.
Der Kläger machte Angaben zu den einzelnen Belastungen bei der Berufsausübung und erläuterte auch, er habe unter Rückenschmerzen und Verspannungen im Lenden- und Brustwirbelbereich schon seit der Lehrzeit gelitten. Da massive Beschwerden häufig nicht länger als zwei bis drei Wochen angehalten hätten und seine Bewegung nicht wesentlich eingeschränkt gewesen sei, habe er keinen Anlass zur Besorgnis gesehen. Schmerzausstrahlungen in die unteren Extremitäten hätten bis 1996 nicht bestanden.
Nach Einholung von Auskünften der letzten Arbeitgeber und Einschaltung des Gewerbearztes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2000 einen Entschädigungsanspruch aus Anlass der Erkrankung mit der Begründung ab, weder liege eine Berufskrankheit vor noch bestehe die konkrete Gefahr ihres Entstehens. Es handele sich nicht um eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung; schweres Heben und Tragen sei nicht mit der erforderlichen Häufigkeit ausgeübt worden.
Gegen den Bescheid legte der Kläger am 19. September 2000 Widerspruch ein und machte geltend, die schweren beruflichen Belastungen müssten ausreichend sein.
Nach einer weiteren Analyse der arbeitstechnischen Bedingungen wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch mit Bescheid vom 17. Dezember 2001 zurück und blieb im Wesentlichen bei der abgegebenen Begründung.
Mit der am 3. Januar 2002 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat der Kläger sein Anliegen weiterverfolgt. Der Kläger hat erneut detaillierte Angaben zu seinen beruflichen Belastungen gemacht, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 63 - 124 d. A. verwiesen wird.
Nach Auswertung durch die Beklagte ist diese zu der Auffassung gelangt, die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien durch die bis zum Oktober 1996 ausgeübten Tätigkeiten erfüllt. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 128 - 137, 220 - 223 und 249 - 257 d. A. verwiesen.
Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt, wegen deren Inhalt auf Bl. 209 - 219, 224 - 248, 258 - 270, 276 - 280, 283 und 292 - 300 d. A. Bezug genommen wird.
Das Gericht hat sodann ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Prof. Dr. R. von der orthopädischen Universitätsklinik H. vom 12. Dezember 2005 eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 301 - 324 d. A. verwiesen wird. Im Wesentlichen ist der Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung und den Krankheitsbildern und Funktionsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule könne nicht gefunden werden. Bei der vorhandenen primären Hypermobilität wäre eine Dekompensation im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule im Sinne der Gefügelockerung auch ohne Belastung aufgetreten.
Mit Urteil vom 18. Oktober 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung liege nicht vor, weil die bandscheibenbedingte Erkrankung beim Kläger keine solche sei, die dem Lebensalter vorauseile, mehrere Bewegungsabschnitte betreffe und einem belastungsadaptiven Verteilungsmuster entspreche. Typisch für die Berufskrankheit seien von unten nach oben abnehmende Verschleißerscheinungen mit Osteochondrose im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule und spondylotischen Veränderungen darüber. Ein solcher Befund liege beim Kläger nicht vor. Die Zwischenwirbelräume zwischen dem Kreuzbein und dem dritten Lendenwirbelkörper wiesen keine Verschmälerungen auf, wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. ergebe. Eine dem Lebensalter vorauseilende Osteochondrose liege danach nicht vor. Vielmehr seien die Zwischenwirbelräume hoch. Zudem seien eine skoliotische Fehlhaltung und ein abgelaufener Morbus Scheuermann als wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren für Wirbelsäulenerkrankungen zu berücksichtigen.
Gegen das ihm am 21. November 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. Dezember 2006 Berufung eingelegt. Er rügt vorrangig die Stichhaltigkeit des Gutachtens von Prof. Dr. R. und sieht sich durch das vom Senat eingeholte Gutachten von Prof. Dr. S. bestätigt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. Oktober 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 24. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2001 aufzuheben und
festzustellen, dass ein lokales lumbales Schmerzsyndrom mit eingeschränkter Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule, Ausstrahlung in das linke Bein bis zu den Zehen mit Parästhesien bei (operativ versorgtem) Bandscheibenvorfall im Abschnitt L 3/4, Bandscheibenvorfall L 1/2, Chondrose L 2/3 und Bandscheibenvorwölbungen aller Lendenwirbelsäulenabschnitte seit 14. Oktober 1996 als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt
hilfsweise den Sachverständigen Prof. Dr. S. ergänzend dazu Stellung nehmen zu lassen, dass die in den Röntgenaufnahmen vom 9. September 1996 erkennbare Spondylose 2. Grades bei L 2/3 der dort gleichfalls zu erkennenden Chondrose 1. Grades nach allgemeinen Zusammenhängen der zeitlichen Entwicklung vorausgegangen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen zusätzlich gestellter Beweisanträge wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10. November 2011 Bezug genommen. Die Beklagte stützt sich weiterhin auf das Gutachten von Prof. Dr. R. und sieht das Gutachten von Prof. Dr. S. nicht im Einklang mit den "Konsensempfehlungen".
Das Gericht hat ein Gutachten des Arztes für Arbeitsmedizin Prof. Dr. S. vom 7. März 2009 eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 440 - 489 d. A. Bezug genommen wird. Der Sachverständige ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vor, die sich in Bandscheibenvorfällen in den Bewegungsabschnitten L 1/2 und L 3/4 sowie klinisch bedeutsamen Bandscheibenvorwölbungen relativ deutlicher Ausprägung in allen übrigen Bandscheibenabschnitten darstelle. Neben Bruchbildungen von Bandscheibengewebe der Lendenwirbelsäule fänden sich im Verlauf überwiegend geringgradige, aber dennoch altersuntypische Höhenminderungen der Bandscheiben L 2/3 und L 4/5. Die aktuell angegebenen Symptome passten klinisch zu diesen Veränderungen. Allerdings sei eine Aussage zur Befunddynamik in den konventionellen Röntgenbildern nicht möglich, weil Aufnahmen vom 9. September 1996 nicht vollständig seien: Die Seitaufnahme fehle. Im Bereich der Halswirbelsäule liege eine Zwischenwirbelraumerniedrigung der Bandscheibe C 5/6 vor, die im Vergleich zum Lendenwirbelsäulenbefund erheblich schwächer ausgeprägt sei. Die Brustwirbelsäule weise Schmorl´sche Knötchen in mehreren Abschnitten und eine leichte Keilwirbelbildung im Abschnitt D 5/6 auf, wobei es sich bestimmungsgemäß nicht um einen Morbus Scheuermann handele. Die bandscheibenbedingte Erkrankung führe zu mittelgradigen Funktionseinschränkungen und Beschwerden. Nach dem eingeholten radiologischen Zusatzgutachten sei der von Prof. Dr. R. erhobene Befund hoher Zwischenwirbelräume einer primär hypermobilen Lendenwirbelsäule nicht haltbar. Es handele sich um die Konstellation B 4 der Konsensempfehlungen. Die bandscheibenbedingte Erkrankung betreffe (auch) die untere Lendenwirbelsäule, konkurrierende Ursachenfaktoren seien nicht erkennbar, eine Begleitspondylose fehle und der Halswirbelsäulenschaden sei jedenfalls geringer ausgeprägt als der Lendenwirbelsäulenschaden. Bei Vorliegen eines mehrere Abschnitte betreffenden Schadensbildes sei die bandscheibenbedingte Erkrankung als belastungskonform zu bewerten. Der Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit sei wahrscheinlich. Ein im Sinne der Konsensempfehlungen wesentlicher Morbus Scheuermann der Lendenwirbelsäule liege nicht vor; auch im Brustwirbelsäulenbereich sei das Vollbild mit drei Keilwirbeln nicht nachzuweisen. Dieses Bild sei für die Verursachung des Lendenwirbelsäulenschadens unbedeutend. Eine leichtgradige Seitverbiegung der Lendenwirbelsäule sei bei dem geringen Winkel von 8 bis 10 Grad nach den Konsensempfehlungen nicht als Schadensanlage im Sinne einer grundsätzlich wesentlichen Ursache anzusehen. Zur Aufgabe der belastenden Tätigkeit 1996 sei der Kläger gezwungen gewesen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei nach den Konsensempfehlungen mit 20 vom Hundert zu bewerten.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, zur Annahme einer "B"-Konstellation nach den Konsensempfehlungen müssten unterhalb des vierten Lendenwirbelkörpers eine Chondrose II. Grades oder ein Vorfall vorliegen. Der Sachverständige sei jedoch nur von einer Chondrose Grad I im Zwischenwirbelraum L 4/5 ausgegangen. Allein darauf, ob der Befund alterstypisch oder untypisch sei, komme es nach den Konsensempfehlungen nicht an und könne es auch sonst bei einer sachgerechten Einschätzung nicht ankommen. Die Konstellation B 4 könne auch nicht im Hinblick auf die arbeitstechnischen Zusatzvoraussetzungen der Konstellation B 2 erfüllt werden; dies ergebe sich aus einer Prüfung der Präventionsabteilung.
Das Gericht hat von dem Sachverständigen eine ergänzende Stellungnahme vom 10. Oktober 2009, Bl. 521 - 527 d. A., beigezogen. Im Wesentlichen hat er ausgeführt, die typischen Fallkonstellationen der Konsensempfehlungen gingen auf die Grundvoraussetzung der Zusammenhangseinschätzung zurück. Diese seien eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung mit einem altersuntypischen Bandscheibenschaden. Daraus folge die hohe Bedeutung der Alterstypik. Altersuntypische und klinisch bedeutsame Bandscheibenvorwölbungen fänden sich in allen Lendenwirbelsäulenabschnitten. Die Voraussetzung einer bestimmten Ausprägung des Bandscheibenschadens in den Fallkonstellationen "B" der Konsensempfehlungen sei nicht notwendiger Weise auf eine bestimmte Lokalisation zu beziehen. Liege vom 4. Lendenwirbelkörper ab nach oben eine Chondrose II. Grades oder ein Bandscheibenvorfall vor, reiche dies aus. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten sei zwar formal vertretbar, nach der Herleitung der Fallkonstellationen aber keineswegs zwingend. Sehe man dies anders, würde es sich um die Konstellation C 2 handeln, für die kein Konsens gefunden worden sei. In der Gesamtschau sei die berufliche Verursachung gleichwohl überwiegend wahrscheinlich, weil betonte Schäden an den unteren drei Lendenwirbelsäulenabschnitten vorlägen und der Kläger bei ausreichender beruflicher Belastung schon im mittleren Lebensalter klinisch bedeutsame Bandscheibenschäden im Bereich der gesamten Lendenwirbelsäule aufweise. Weiterhin fehlten konkurrierende Ursachen.
In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 27. Juli 2010, Bl. 550 - 554 d. A., hat der Sachverständige Prof. Dr. S. die Auswertung einer Seitaufnahme der Lendenwirbelsäule des Klägers vom 9. September 1996 vorgenommen. Er legt dar, der Abschnitt L 4/5 weise zu dieser Zeit noch keine altersuntypische Höhenminderung auf. In allen späteren Äufnahmen sei aber das Vorliegen einer geringgradigen Chondrose nachgewiesen. Der Auswertung der früheren Aufnahme komme keine richtungsweisende Bedeutung für die Beurteilung zu.
Dazu hat er in einer erneuten ergänzenden Stellungnahme vom 31. Mai 2011, Bl. 601-605 d. A., ergänzt, eine Begleitspondylose im Sinne der Konsensempfehlungen ergebe sich aus der Röntgenaufnahme vom 9. September 1996 nicht. Wegen der Zeitnähe der gefertigten Aufnahmen zur Tätigkeitsaufgabe lasse sich keine Entscheidung treffen, ob eine altersuntypische Chondrose erstmals im Oktober 1996 oder im Mai 1997 oder irgendwann dazwischen aufgetreten sei. Im Hinblick auf den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeitsaufgabe und dem MRT vom Mai 1997 ließen sich die Ergebnisse durchaus auf die Zeit vor der Aufgabe beziehen. Auch seien MRT-Aufnahmen im Rahmen der erforderlichen Messungen konventionellen Röntgenaufnahmen überlegen, worauf in den Konsensempfehlungen hingewiesen sei. Denn sie vermieden Projektionsfehler der Röntgenaufnahme. In den Konsensempfehlungen seien Lücken oder Inkonsistenzen erkennbar, die im Falle des Klägers etwa eine eindeutige Zuordnung zu den Konstellationen B 2 oder C 2 nicht zuließen.
Dem Gericht hat bei der Verhandlung und Entscheidung die Akte der Beklagten – Az.: – vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 24. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2001 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil der Kläger keinen Anspruch auf die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (Anl. 1 BKV - in der Fassung der letzten Änderung durch V. v. 11.6.09, BGBl. I S. 1273) hat. Diese Berufskrankheit wird dort bestimmt als "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ".
Die Beklagte ist zuständiger Unfallversicherungsträger für die Berufskrankheit des Klägers. Sie ist nämlich im Sinne von § 3 der Vereinbarung über die Zuständigkeit bei Berufskrankheiten (VbgBK) vom 1. Januar 1997 für das Unternehmen, in dem die gefährdende Tätigkeit vor der Meldung zuletzt ausgeübt wurde, zuständig. Denn sie ist nach eigener, vom Gericht nicht zu beanstandender Prüfung zuständig für die Versicherten der Arbeitgeberin des Klägers im Zeitraum von Juli bis Oktober 1996 als Mitgliedsunternehmen. In dieser Zeit hat der Kläger noch eine gefährdende Tätigkeit ausgeübt, die den für die Zuständigkeit unschädlichen Zeitraum von drei Monaten im Sinne von § 3 S. 2 VbgBK überschritt. Gefährdend im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2108 Anl. 1 BKV ist eine Tätigkeit mit schwerem Heben und Tragen. Dazu hat die Präventionsabteilung der Beklagten selbst nachvollziehbar und unter Einbeziehung ihrer eigenen Bedenken gegen die Angaben des Klägers unter dem 3. Juni 2006 mitgeteilt, der Kläger sei einer Tagesdosis "im Bereich" des Richtwertes von 5,5 KNh ausgesetzt gewesen; insoweit sei "von einer Gefährdung auszugehen". Dem schließt sich der Senat unter Hinweis darauf an, dass in diese Einschätzung weder die gebotene Verminderung der Druckkraftschwelle noch der Verzicht auf eine Mindesttagesdosis (BSG, Urt. v. 30.10.07 – B 2 U 4/06 R – zitiert nach Juris) eingeflossen sind, die die Gefährdungsschwelle noch unterhalb des von der Beklagten für den Kläger schon bestätigten Maßes rücken.
Eine weitere Regelung zur Zuständigkeit enthält die VbgBK nicht. Der Verweis in § 2 auf die Beurteilung der gefährdenden Tätigkeit nach objektiven Kriterien entsprechend dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse stellt nur die für die Auslegung des Begriffs der gefährdenden Tätigkeit ohnehin bestehende Rechtslage klar. Er wird durch die Prüfung der Beklagten in dem Sinne erfüllt, dass im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung (a.a.O.) erst recht eine gefährdende Tätigkeit vorgelegen hat. Die in den Arbeitshinweisen zur VbgBK unter Nr. 5.1.1 vorgesehene Unzuständigkeit unterhalb einer versicherten Dosis von 1,25 MNh ist nicht Gegenstand einer maßgeblichen Regelung. Diese könnte nur in der VbgBK selbst zu sehen sein, zu deren Erlass § 134 S. 1 des Siebenten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII – in der Fassung v. 7.8.1996, BGBl. I S. 1254) allein ermächtigt; darin ist sie – wie dargelegt – nicht enthalten. Diese Zuständigkeitsmindestdosis ist auch nicht Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnisse im Sinne von § 2 VbgBK. Sie stellt vielmehr einen regelnden Willensakt dar, ab welcher Belastung eine Zuständigkeit nicht begründet werden soll und beruht nicht auf einem – wie am Beispiel des Klägers dargelegt, auch nicht zutreffenden – Satz, wonach eine Gefährdung erst ab der Zuständigkeitsmindestdosis von 1,25 MNh einträte.
Sachlich fehlt es hier an der Voraussetzung von Berufskrankheiten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Siebenten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII – in der Fassung der letzten Änderung durch G. v. 17.6.08, BGBl. I S. 1010), wonach ein Versicherter die Krankheit "infolge" einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden muss. Dabei geht es nicht um die Frage, ob die vom Kläger geschilderten und von der Beklagten ermittelten Belastungen während der versicherten Tätigkeit als Drucker zur Verursachung eines Bandscheibenschadens geeignet waren; dies kann zugunsten des Klägers unterstellt werden und offen bleiben. Die beim Kläger vorliegenden Krankheitsbilder im Bereich der Lendenwirbelsäule können aber in seinem Fall nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf diese beruflichen Belastungen zurückgeführt werden, weil eine höhere Wahrscheinlichkeit gegen einen solchen Zusammenhang spricht. Maßgeblich ist für den Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und dem Gesundheitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, bei der mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urt. v. 9.5.06 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Dabei ist nur die Bedingung rechtlich erheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Eintritt des geltend gemachten Gesundheitsschadens "wesentlich" beigetragen hat (Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII RdNr. 4, 15 m.w.N.). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urt. v. 9.5.06 – B 2 U 1/05 R – a.a.O.). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt dieser Zusammenhänge ist für die Berufskrankheit nach Nr. 2108 Anl. 1 BKV spätestens der Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe.
Nach der sprachlichen Fassung des Tatbestandes der Nr. 2108 Anl. 1 BKV steht die danach erforderliche Aufgabe der maßgeblichen Tätigkeiten in einem zeitlichen Zusammenhang zur maßgeblichen Krankheit. Grundsätzlich geht es um Krankheiten, die die Aufgabe von Tätigkeiten erzwungen haben, weil die Tätigkeiten – schon vorher – für die Entstehung oder Verschlimmerung der Krankheit ursächlich waren. Die Krankheit muss dabei wenigstens mit der Entstehung des Zwangs schon vorgelegen haben. Weiterhin muss die Aufgabe der Tätigkeit erzwungen sein, d. h. die Tätigkeit muss bis zum Entstehen des Zwangs noch ausgeübt worden sein. Auch wenn sie nicht subjektiv wegen des entstandenen Zwanges aufgegeben worden sein muss, sondern dafür andere Motive entscheidend gewesen sein dürfen (BSG, Urt. v. 8. 12. 1983 – 2 RU 33/82 – BSGE 56, 94), muss das Ende der Tätigkeit objektiv durch gesundheitlichen Zwang erklärbar sein. Insgesamt muss der Versicherte die gesundheitsschädigenden Tätigkeiten (objektiv) durch die Krankheit gezwungen unterlassen haben; die tatsächliche Unterlassung muss (nach den objektiven Schädigungszusammenhängen) wesentlich durch die Krankheit verursacht worden sein (BSG, Urt. v. 29. 8. 1980 – 8a RU 72/79 – BSGE 50, 187, 188).
Soweit die Vorschrift auch auf Tätigkeiten abstellt, die – zukünftig – ursächlich für Krankheiten sein können, bezieht sie sich auf die dort genannte Fallgruppe des Wiederauflebens, dessen Möglichkeit ebenfalls den Aufgabezwang begründen kann. Auch dieser Fall setzt aber nach der Vorsilbe "Wieder-" mit Notwendigkeit voraus, dass die Krankheit schon früher vorgelegen hat. Auch insoweit muss sie zeitlich dem entstandenen Zwang vorausgegangen sein.
Für dieses Verständnis der notwendigen zeitlichen Reihenfolge innerhalb des Tatbestandes spricht jetzt auch die Fassung der Ermächtigungsnorm des § 9 Abs. 1 S. 2 SGB VII, wonach die maßgebliche Krankheit sogar für die Unterlassung ursächlich gewesen sein müsste, nämlich zur Unterlassung "geführt haben" müsste. Wenn auch diese engere Ausdrucksweise nach herrschender Meinung losgelöst von subjektiven Beweggründen durch den objektiven Zwang zur Aufgabe ausgefüllt wird, wird aber deutlich, dass die Krankheit vor der Tätigkeitsaufgabe vorgelegen haben muss.
Im Falle des Klägers hat das für die Berufskrankheit maßgebliche Befundbild zum Zeitpunkt seiner Tätigkeitsaufgabe nicht vorgelegen. Denn das für diesen Zeitpunkt nur nachweisbare Krankheitsbild besteht in einem Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelsäulenabschnitt L 3/4 und einer Chondrose ersten Grades im Lendenwirbelsäulenabschnitt L 2/3, weiterhin aus zweitgradigen Spondylosen in den Abschnitten L 4/5 und L 2/3. Die Befunde ergeben sich nach den insoweit nachvollziehbaren Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. S. und dem darin enthaltenen radiologischen Zusatzgutachten aus den Röntgenaufnahmen vom 9. September 1996 und dem Computertomogramm vom 19. September 1996.
Das Gericht folgt dem Sachverständigen Prof. Dr. S. aber nicht bei seiner Einschätzung, beim Kläger sei der Zusammenhang wahrscheinlich. Gleichwohl bieten seine nachvollziehbare Befunderhebung und Diagnosestellung und seine gründliche Zusammenhangserörterung eine hinreichende Grundlage, um im Abgleich mit medizinischen Erfahrungssätzen den Zusammenhang – im Ergebnis mit der Meinung Prof. Dr. R.s – abschließend als unwahrscheinlich auszuschließen. Maßgeblich für die Einschätzung sind dabei nach herrschender medizinischer Auffassung als medizinische Erfahrungssätze die Konsensempfehlungen (vgl. auch BSG, Urt. v. 27.6.06 – B 2 U 13/05 R – Juris, Rdnr. 12, 14) einer interdisziplinären Arbeitsgruppe aus dem Jahre 2005 (hier zitiert nach Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 211 ff.). Diese legt auch der Sachverständige als aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand seiner Erörterung zu Grunde. Von den verschiedenen Fallgruppen, die in den Konsensempfehlungen behandelt werden, gehört das Krankheitsbild des Klägers aber entgegen der Beurteilung des Sachverständigen in die Gruppe C 2, für die keine Einigkeit unter den beteiligten Ärzten darüber bestand, dass ein Zusammenhang wahrscheinlich ist.
Die Zuordnung zu den C-Fallgruppen der Konsensempfehlungen ist hier erfüllt, weil die beiden unteren Lendenwirbelsäulensegmente nicht von einer bandscheibenbedingten Erkrankung der geforderten Ausprägung betroffen sind; gefordert sind insoweit eine Chondrose mindestens Grad II oder ein Vorfall (Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 218).
Nach den Röntgenaufnahmen, die am zeitnächsten zur Aufgabe der Kommissionstätigkeit entstanden sind, liegt in der überzeugenden Auswertung durch den Sachverständigen und den radiologischen Zusatzgutachter in den beiden unteren Wirbelsäulensegmenten keine Chondrose vor; auf diese zeitnahen Aufnahmen kommt es für die Bewertung wegweisend an (Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 214). Aufgrund der zu diesem Ergebnis führenden Aufnahme vom 9. September 1996 hält der Senat eine Chondrose zum Zeitpunkt der Aufgabe der Tätigkeit durch Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nur fünf Wochen später – am 14. Oktober 1996 – nicht für nachgewiesen. Denn die nächste Aufnahme vom 29. Mai 1997 erbringt angesichts ihres wesentlich größeren Abstandes zur Beendigung der gefährdenden Tätigkeit nicht den erforderlichen Beweis. Die dagegen gerichtete Argumentation des Sachverständigen, nach den Konsensempfehlungen sei ein MRT vorzuziehen, verengt die dortigen Ausführungen. Denn danach ist eine Röntgenaufnahme ausreichend (a.a.O., S. 225), wenn sich aus ihr keine Hinweise auf eine Bandscheibenverschmälerung ergeben. So liegt der Fall hier bezüglich der beiden unteren Zwischenwirbelräume. Der Sachverständige entnimmt der Röntgenaufnahme die klare Aussage, das Segment L 4/5 weise im Jahre 1996 noch keine altersuntypische Höhenminderung auf; diese Aussage ist im Hinblick auf den späteren Befall dieses Segmentes entscheidend. Dabei stützt der Sachverständige sich auf den Befund von Dr. S., der neben einer genauen Vermessung aller Zwischenwirbelräume die Beurteilung vornimmt, bei L 2/3 liege eine monosegmental betonte Höhenminderung vor. Diese Auswertung stimmt überein mit der Erstauswertung der Aufnahme, die ebenfalls nur zwischen dem 2. und 3. Lendenwirbelkörper eine mäßige Zwischenwirbelraumverschmälerung ergab. Diese vom Sachverständigen auch in seiner nachfolgenden Stellungnahme nicht in Frage gestellten Aussagen lassen den Schluss zu, dass sich hier für die beiden unteren Zwischenwirbelräume keine Hinweise auf eine Bandscheibenverschmälerung ergeben, die einen Vorrang einer MRT-Auswertung begründeten. Vielmehr ist hier noch zu berücksichtigen, dass das MRT vom Mai 1997 wegen seiner schlechten Qualität keine vollwertige Auswertung zulässt, wie der Sachverständige Prof. Dr. S. schon in seinem Gutachten im Hinblick auf das Ausmaß von Bandscheibenvorwölbungen ausgeführt hat.
Die von Prof. Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 31. Mai 2011 vertretene Auffassung, auch ein späterer Nachweis belastungstypischer Veränderungen begründe die Berufskrankheit ggf. später, ist aus Rechtsgründen nicht überzeugend. Zunächst ist festzuhalten, dass er damit mittelbar einräumt, das Befundbild könne sich auch zwischen Oktober 1996 und Mai 1997 zu einem dann belastungstypischen Bild verändert haben. Wie dargelegt, muss das Befundbild der Berufskrankheit aber schon wegen des Tatbestandes der Nr. 2108 Anl. 1 BKV spätestens zum Zeitpunkt der Aufgabe der Tätigkeit zur (späteren) vollen Überzeugung des Gerichts vorgelegen haben. Insoweit lassen sich hier das Krankheitsbild der Berufskrankheit und die darin enthaltenen Indizien des belastungstypischen Erscheinungsbildes nicht trennen.
Um die Fallkonstellation C 1 der Konsensempfehlungen, für deren Fall der berufliche Zusammenhang als wahrscheinlich angesehen wird, handelt es sich beim Kläger nicht, weil bei ihm nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. keine Begleitspondylose vorliegt. Es fehlt insoweit an zwei betroffenen Segmenten. Zutreffend gibt der Sachverständige diese Voraussetzung nach den Konsensempfehlungen wieder. Zutreffend ordnet er auch nur die Spondylose bei L 4/5 als hierbei erheblich ein, weil die gleichfalls bei L 2/3 vorliegende Spondylose einen von Chondrose befallenen Abschnitt betrifft, der für die Feststellung von Begleitspondylosen grundsätzlich außer Betracht bleibt.
Der Ausnahmefall davon, in dem die Spondylose vor der Chondrose vorlag, kann hier nicht festgestellt werden, da der Sachverständige schon auf der ersten bekannten Röntgenaufnahme vom 9. September 1996 beide Veränderungen erkannt hat und dies in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 31. Mai 2011 zur Grundlage des Ausschlusses nimmt. Ein Hinweis darauf, dass der Sachverständige eine Möglichkeit übersehen haben sollte, aus der Ausprägung erkannter Veränderungen auf die zeitliche Abfolge ihrer Entstehung zu schließen, ergibt sich aus seinen Ausführungen nicht. Dagegen spricht, dass er selbst die beiden fraglichen Veränderungen – Chondrose und Spondylose bei L 2/3 – unmittelbar gegenüber stellt und auch selbst auf die Bedeutung der zeitlichen Abfolge ihres Auftretens für die Beurteilung einer Begleitspondylose verweist. Der Senat hält dies zur Beweisführung für ausreichend, dass der zeitliche Vorrang der Spondylose im Sinne einer Begleitspondylose nicht mehr aufklärbar ist; der gleichwohl gestellte Hilfsantrag des Klägers war jedenfalls als Beweisantrag "ins Blaue hinein", nämlich ohne tatsächlichen Hinweis auf eine Beweislücke, abzulehnen. Im Übrigen stellen auch die Konsensempfehlungen allein auf die unmittelbare Befundauswertung ab, ohne Schussfolgerungen auf zeitlich zurück liegende tatsächliche Verhältnisse in die Grundregeln der Zusammenhangsbeurteilung einzubeziehen.
Die Überlegung des Sachverständigen Prof. Dr. S., für die Beurteilung der Lendenwirbelsäulenerkrankung komme den erhobenen Protrusionen wesentliche Bedeutung zu, teilt der Senat nicht, weil sie nicht mit den "Konsensempfehlungen" in Einklang zu bringen ist. Diese verweisen unter 1.3 (a.a.O., S. 215 f.) sowohl für die bildgebenden Befunde wie auch für die klinische Diagnostik allein auf Vorfälle oder altersuntypische Höhenminderungen von Bandscheiben. Nur für den Ausnahmefall eines engen Spinalkanals ziehen sie Protrusionen als einschlägiges Krankheitsbild in Betracht (ebenso a.a.O., S. 218). Diese Diagnose stellt aber auch Prof. Dr. S. nur für den Bereich des Vorfalls bei L 3/4. Auch aus den übrigen Befundauswertungen der bildgebenden Befunde der Jahre 1996/97 lässt sich nicht auf eine Spinalkanalenge schließen.
Auf die Auffassung Prof. Dr. S.s aus seinem Gutachten, eine B-Fallgestaltung könne auch unter bestimmten anderen Voraussetzungen als dem Befall eines der beiden unteren Lendenwirbelsäulenabschnitte mit einer Chondrose Grad II bzw. einem Vorfall vorliegen, kommt es nach der Nachauswertung der Seitaufnahme vom 9. September 1996 nicht mehr an. Seine Meinung, diese Ausprägung reiche auch an höherer Stelle der Lendenwirbelsäule aus, wenn nur die bandscheibenbedingte Erkrankung überhaupt auch die beiden unteren Segmente betreffe, führt hier zu keinem anderen Ergebnis, weil die beiden unteren Segmente danach nicht von einer Chondrose befallen waren; ein Vorfall in diesem Bereich stand zu dieser Zeit ohnehin nicht zur Diskussion.
Offen bleiben kann weiter, ob ggf. auch außerhalb der B-Fallgestaltung bei Befall des dritten Bewegungssegmentes der Lendenwirbelsäule von unten (L 3/4) mit einer zweitgradigen Chondrose oder einem Vorfall und weiterem Befall eines der darunter liegenden Bewegungssegmente eine Zusammenhangswahrscheinlichkeit bestehen kann. Denn auch ein solcher Fall liegt mangels des bei der Berufsaufgabe vorliegenden Befalls eines unter L 3/4 liegenden Bewegungsabschnitts der Wirbelsäule nicht vor.
Besondere Gesichtspunkte für eine Zusammenhangswahrscheinlichkeit bei der danach vorliegenden Fallgruppe C 2 der Konsensempfehlungen trotz des hierfür nicht gefundenen Konsenses liegen nicht vor. Soweit der Sachverständige das Fehlen konkurrierender Ursachen als einen wesentlichen Gesichtspunkt benennt, ist dies schon als ein Bestimmungsmerkmal der Konstellation C 2 Teil des hierzu nicht bestehenden wissenschaftlichen Konsenses. Jedenfalls für die hier vorliegende Konstellation C 2 ergibt sich über den nicht hergestellten Konsens hinaus die Erkenntnis, dass die weiter gehende wissenschaftliche Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. S. aktuell auch nicht als zumindest überwiegende Lehrmeinung für die Wahrscheinlichkeitseinschätzung zu Grunde zu legen ist. Denn sie ist insoweit auch nicht Ausdruck einer herrschenden medizinischwissenschaftlichen Lehre. Die schon im Rahmen der Konsensempfehlungen ausgeführte Gegenmeinung von Schröter und Grosser kann ihrem wissenschaftlichen Aufwand, ihrer Argumentationsdichte sowie der Breite der herangezogenen Literatur nach nicht als Einzelmeinung eingeschätzt werden. Auch der Sachverständige Prof. Dr. R. bestätigt, dass es wesentliche Teile der wissenschaftlichen Lehre gibt, die die Voraussetzungen einer Zusammenhangswahrscheinlichkeit enger fassen als der Sachverständige Prof. Dr. S ... Denn Prof. Dr. R., der als ebenfalls als namhafter Fachmann an den Konsensempfehlungen mitgewirkt hat, vertritt eine selbst gegenüber der von S. und G. geführten Diskussion noch engere eigene Auffassung. Er bezeichnet nämlich sogar die Theorie einer Proximalisierung der Spondylose als allgemein anerkannt. Auch wenn dies nach dem Inhalt der Konsensempfehlungen selbst nicht zutrifft, ist die weiteste Gegenmeinung erkennbar nicht als maßgeblich herrschend anerkannt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung – bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung – vorliegt.
Der 1955 geborene Kläger war vom 1. September 1971 bis zum 30. September 1995 – unterbrochen durch den Grundwehrdienst – als Drucker tätig. Vom 1. Juli 1996 an führte er eine abhängige Beschäftigung als Kommissionierer bei einem Frisch- und Gefrierdienst aus. Seit dem 14. Oktober 1996 war er wegen Rückenbeschwerden arbeitsunfähig und kehrte später nicht mehr in eine Wirbelsäulen belastende Tätigkeit zurück.
Mit Datum vom 15. November 1998 erstattete der Orthopäde Dr. K. die Verdachtsmeldung einer Berufskrankheit mit der Diagnose eines chronischen Lendenwirbel- und Wurzelreizsyndroms bei deutlichem Bandscheibenvorfall zwischen der Lendenwirbelsäule und dem Kreuzbein links mit Zustand nach einer Bandscheibenoperation zwischen dem 3. und 4. Lendenwirbelkörper (am 13. Oktober 1997) und der Rückkehr eines deutlichen Bandscheibenvorfalls. Diese Erkrankungen führte er auf schweres Heben und Tragen und einseitiges Stehen in der Tätigkeit als Buchdrucker zurück.
Nach Dr. K.s Befundbericht vom 9. Januar 1999 war der Kläger bei ihm erstmals im Januar 1997 behandelt worden und hatte aus der Lendenwirbelsäule in das linke oder rechte Bein seitlich ausstrahlende Schmerzen und Missempfindungen angegeben, weiterhin Schmerzen und Husten bei Erschütterungen. Im Abschlussbericht über eine am 26. März 1997 begonnene Kur ist als Angabe des Klägers wiedergegeben, er leide unter den ziehenden Schmerzen seit seiner Tätigkeit als Kommissionierer. Am 15. November 1998 habe sich das Lasèguesche Zeichen beidseits bei 75 Grad positiv gezeigt.
In einem CT-Befund vom 18. September 1996 über die Abschnitte zwischen dem 3. Lendenwirbelkörper und dem oberen Kreuzbein fand sich eine Osteochondrose mit Grund- und Deckplatteneinbrüchen. Im Abschnitt zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper hatte sich ein spondylotischer Sporn gebildet. Ein Bandscheibenvorfall mit Reizung des Rückenmarkkanals und einer leichten Enge lag im Abschnitt zwischen dem 3. und 4. Lendenwirbelkörper vor. Zwischen Lendenwirbelsäule und Kreuzbein wölbte sich die Bandscheibe in den Rückenmarkkanal vor.
Nach einer Auswertung von Röntgenaufnahmen vom 9. September 1996 lag zwischen dem 2. und 3. Lendenwirbelkörper eine mäßige Zwischenwirbelraumverschmälerung mit akzentuierter Ausziehung der vorderen Oberkante des 3. Lendenwirbelkörpers vor.
Der Kläger machte Angaben zu den einzelnen Belastungen bei der Berufsausübung und erläuterte auch, er habe unter Rückenschmerzen und Verspannungen im Lenden- und Brustwirbelbereich schon seit der Lehrzeit gelitten. Da massive Beschwerden häufig nicht länger als zwei bis drei Wochen angehalten hätten und seine Bewegung nicht wesentlich eingeschränkt gewesen sei, habe er keinen Anlass zur Besorgnis gesehen. Schmerzausstrahlungen in die unteren Extremitäten hätten bis 1996 nicht bestanden.
Nach Einholung von Auskünften der letzten Arbeitgeber und Einschaltung des Gewerbearztes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2000 einen Entschädigungsanspruch aus Anlass der Erkrankung mit der Begründung ab, weder liege eine Berufskrankheit vor noch bestehe die konkrete Gefahr ihres Entstehens. Es handele sich nicht um eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung; schweres Heben und Tragen sei nicht mit der erforderlichen Häufigkeit ausgeübt worden.
Gegen den Bescheid legte der Kläger am 19. September 2000 Widerspruch ein und machte geltend, die schweren beruflichen Belastungen müssten ausreichend sein.
Nach einer weiteren Analyse der arbeitstechnischen Bedingungen wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch mit Bescheid vom 17. Dezember 2001 zurück und blieb im Wesentlichen bei der abgegebenen Begründung.
Mit der am 3. Januar 2002 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat der Kläger sein Anliegen weiterverfolgt. Der Kläger hat erneut detaillierte Angaben zu seinen beruflichen Belastungen gemacht, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 63 - 124 d. A. verwiesen wird.
Nach Auswertung durch die Beklagte ist diese zu der Auffassung gelangt, die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien durch die bis zum Oktober 1996 ausgeübten Tätigkeiten erfüllt. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 128 - 137, 220 - 223 und 249 - 257 d. A. verwiesen.
Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt, wegen deren Inhalt auf Bl. 209 - 219, 224 - 248, 258 - 270, 276 - 280, 283 und 292 - 300 d. A. Bezug genommen wird.
Das Gericht hat sodann ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Prof. Dr. R. von der orthopädischen Universitätsklinik H. vom 12. Dezember 2005 eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 301 - 324 d. A. verwiesen wird. Im Wesentlichen ist der Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung und den Krankheitsbildern und Funktionsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule könne nicht gefunden werden. Bei der vorhandenen primären Hypermobilität wäre eine Dekompensation im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule im Sinne der Gefügelockerung auch ohne Belastung aufgetreten.
Mit Urteil vom 18. Oktober 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung liege nicht vor, weil die bandscheibenbedingte Erkrankung beim Kläger keine solche sei, die dem Lebensalter vorauseile, mehrere Bewegungsabschnitte betreffe und einem belastungsadaptiven Verteilungsmuster entspreche. Typisch für die Berufskrankheit seien von unten nach oben abnehmende Verschleißerscheinungen mit Osteochondrose im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule und spondylotischen Veränderungen darüber. Ein solcher Befund liege beim Kläger nicht vor. Die Zwischenwirbelräume zwischen dem Kreuzbein und dem dritten Lendenwirbelkörper wiesen keine Verschmälerungen auf, wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. ergebe. Eine dem Lebensalter vorauseilende Osteochondrose liege danach nicht vor. Vielmehr seien die Zwischenwirbelräume hoch. Zudem seien eine skoliotische Fehlhaltung und ein abgelaufener Morbus Scheuermann als wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren für Wirbelsäulenerkrankungen zu berücksichtigen.
Gegen das ihm am 21. November 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. Dezember 2006 Berufung eingelegt. Er rügt vorrangig die Stichhaltigkeit des Gutachtens von Prof. Dr. R. und sieht sich durch das vom Senat eingeholte Gutachten von Prof. Dr. S. bestätigt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. Oktober 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 24. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2001 aufzuheben und
festzustellen, dass ein lokales lumbales Schmerzsyndrom mit eingeschränkter Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule, Ausstrahlung in das linke Bein bis zu den Zehen mit Parästhesien bei (operativ versorgtem) Bandscheibenvorfall im Abschnitt L 3/4, Bandscheibenvorfall L 1/2, Chondrose L 2/3 und Bandscheibenvorwölbungen aller Lendenwirbelsäulenabschnitte seit 14. Oktober 1996 als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt
hilfsweise den Sachverständigen Prof. Dr. S. ergänzend dazu Stellung nehmen zu lassen, dass die in den Röntgenaufnahmen vom 9. September 1996 erkennbare Spondylose 2. Grades bei L 2/3 der dort gleichfalls zu erkennenden Chondrose 1. Grades nach allgemeinen Zusammenhängen der zeitlichen Entwicklung vorausgegangen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen zusätzlich gestellter Beweisanträge wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10. November 2011 Bezug genommen. Die Beklagte stützt sich weiterhin auf das Gutachten von Prof. Dr. R. und sieht das Gutachten von Prof. Dr. S. nicht im Einklang mit den "Konsensempfehlungen".
Das Gericht hat ein Gutachten des Arztes für Arbeitsmedizin Prof. Dr. S. vom 7. März 2009 eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 440 - 489 d. A. Bezug genommen wird. Der Sachverständige ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vor, die sich in Bandscheibenvorfällen in den Bewegungsabschnitten L 1/2 und L 3/4 sowie klinisch bedeutsamen Bandscheibenvorwölbungen relativ deutlicher Ausprägung in allen übrigen Bandscheibenabschnitten darstelle. Neben Bruchbildungen von Bandscheibengewebe der Lendenwirbelsäule fänden sich im Verlauf überwiegend geringgradige, aber dennoch altersuntypische Höhenminderungen der Bandscheiben L 2/3 und L 4/5. Die aktuell angegebenen Symptome passten klinisch zu diesen Veränderungen. Allerdings sei eine Aussage zur Befunddynamik in den konventionellen Röntgenbildern nicht möglich, weil Aufnahmen vom 9. September 1996 nicht vollständig seien: Die Seitaufnahme fehle. Im Bereich der Halswirbelsäule liege eine Zwischenwirbelraumerniedrigung der Bandscheibe C 5/6 vor, die im Vergleich zum Lendenwirbelsäulenbefund erheblich schwächer ausgeprägt sei. Die Brustwirbelsäule weise Schmorl´sche Knötchen in mehreren Abschnitten und eine leichte Keilwirbelbildung im Abschnitt D 5/6 auf, wobei es sich bestimmungsgemäß nicht um einen Morbus Scheuermann handele. Die bandscheibenbedingte Erkrankung führe zu mittelgradigen Funktionseinschränkungen und Beschwerden. Nach dem eingeholten radiologischen Zusatzgutachten sei der von Prof. Dr. R. erhobene Befund hoher Zwischenwirbelräume einer primär hypermobilen Lendenwirbelsäule nicht haltbar. Es handele sich um die Konstellation B 4 der Konsensempfehlungen. Die bandscheibenbedingte Erkrankung betreffe (auch) die untere Lendenwirbelsäule, konkurrierende Ursachenfaktoren seien nicht erkennbar, eine Begleitspondylose fehle und der Halswirbelsäulenschaden sei jedenfalls geringer ausgeprägt als der Lendenwirbelsäulenschaden. Bei Vorliegen eines mehrere Abschnitte betreffenden Schadensbildes sei die bandscheibenbedingte Erkrankung als belastungskonform zu bewerten. Der Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit sei wahrscheinlich. Ein im Sinne der Konsensempfehlungen wesentlicher Morbus Scheuermann der Lendenwirbelsäule liege nicht vor; auch im Brustwirbelsäulenbereich sei das Vollbild mit drei Keilwirbeln nicht nachzuweisen. Dieses Bild sei für die Verursachung des Lendenwirbelsäulenschadens unbedeutend. Eine leichtgradige Seitverbiegung der Lendenwirbelsäule sei bei dem geringen Winkel von 8 bis 10 Grad nach den Konsensempfehlungen nicht als Schadensanlage im Sinne einer grundsätzlich wesentlichen Ursache anzusehen. Zur Aufgabe der belastenden Tätigkeit 1996 sei der Kläger gezwungen gewesen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei nach den Konsensempfehlungen mit 20 vom Hundert zu bewerten.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, zur Annahme einer "B"-Konstellation nach den Konsensempfehlungen müssten unterhalb des vierten Lendenwirbelkörpers eine Chondrose II. Grades oder ein Vorfall vorliegen. Der Sachverständige sei jedoch nur von einer Chondrose Grad I im Zwischenwirbelraum L 4/5 ausgegangen. Allein darauf, ob der Befund alterstypisch oder untypisch sei, komme es nach den Konsensempfehlungen nicht an und könne es auch sonst bei einer sachgerechten Einschätzung nicht ankommen. Die Konstellation B 4 könne auch nicht im Hinblick auf die arbeitstechnischen Zusatzvoraussetzungen der Konstellation B 2 erfüllt werden; dies ergebe sich aus einer Prüfung der Präventionsabteilung.
Das Gericht hat von dem Sachverständigen eine ergänzende Stellungnahme vom 10. Oktober 2009, Bl. 521 - 527 d. A., beigezogen. Im Wesentlichen hat er ausgeführt, die typischen Fallkonstellationen der Konsensempfehlungen gingen auf die Grundvoraussetzung der Zusammenhangseinschätzung zurück. Diese seien eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung mit einem altersuntypischen Bandscheibenschaden. Daraus folge die hohe Bedeutung der Alterstypik. Altersuntypische und klinisch bedeutsame Bandscheibenvorwölbungen fänden sich in allen Lendenwirbelsäulenabschnitten. Die Voraussetzung einer bestimmten Ausprägung des Bandscheibenschadens in den Fallkonstellationen "B" der Konsensempfehlungen sei nicht notwendiger Weise auf eine bestimmte Lokalisation zu beziehen. Liege vom 4. Lendenwirbelkörper ab nach oben eine Chondrose II. Grades oder ein Bandscheibenvorfall vor, reiche dies aus. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten sei zwar formal vertretbar, nach der Herleitung der Fallkonstellationen aber keineswegs zwingend. Sehe man dies anders, würde es sich um die Konstellation C 2 handeln, für die kein Konsens gefunden worden sei. In der Gesamtschau sei die berufliche Verursachung gleichwohl überwiegend wahrscheinlich, weil betonte Schäden an den unteren drei Lendenwirbelsäulenabschnitten vorlägen und der Kläger bei ausreichender beruflicher Belastung schon im mittleren Lebensalter klinisch bedeutsame Bandscheibenschäden im Bereich der gesamten Lendenwirbelsäule aufweise. Weiterhin fehlten konkurrierende Ursachen.
In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 27. Juli 2010, Bl. 550 - 554 d. A., hat der Sachverständige Prof. Dr. S. die Auswertung einer Seitaufnahme der Lendenwirbelsäule des Klägers vom 9. September 1996 vorgenommen. Er legt dar, der Abschnitt L 4/5 weise zu dieser Zeit noch keine altersuntypische Höhenminderung auf. In allen späteren Äufnahmen sei aber das Vorliegen einer geringgradigen Chondrose nachgewiesen. Der Auswertung der früheren Aufnahme komme keine richtungsweisende Bedeutung für die Beurteilung zu.
Dazu hat er in einer erneuten ergänzenden Stellungnahme vom 31. Mai 2011, Bl. 601-605 d. A., ergänzt, eine Begleitspondylose im Sinne der Konsensempfehlungen ergebe sich aus der Röntgenaufnahme vom 9. September 1996 nicht. Wegen der Zeitnähe der gefertigten Aufnahmen zur Tätigkeitsaufgabe lasse sich keine Entscheidung treffen, ob eine altersuntypische Chondrose erstmals im Oktober 1996 oder im Mai 1997 oder irgendwann dazwischen aufgetreten sei. Im Hinblick auf den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeitsaufgabe und dem MRT vom Mai 1997 ließen sich die Ergebnisse durchaus auf die Zeit vor der Aufgabe beziehen. Auch seien MRT-Aufnahmen im Rahmen der erforderlichen Messungen konventionellen Röntgenaufnahmen überlegen, worauf in den Konsensempfehlungen hingewiesen sei. Denn sie vermieden Projektionsfehler der Röntgenaufnahme. In den Konsensempfehlungen seien Lücken oder Inkonsistenzen erkennbar, die im Falle des Klägers etwa eine eindeutige Zuordnung zu den Konstellationen B 2 oder C 2 nicht zuließen.
Dem Gericht hat bei der Verhandlung und Entscheidung die Akte der Beklagten – Az.: – vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 24. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2001 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil der Kläger keinen Anspruch auf die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (Anl. 1 BKV - in der Fassung der letzten Änderung durch V. v. 11.6.09, BGBl. I S. 1273) hat. Diese Berufskrankheit wird dort bestimmt als "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ".
Die Beklagte ist zuständiger Unfallversicherungsträger für die Berufskrankheit des Klägers. Sie ist nämlich im Sinne von § 3 der Vereinbarung über die Zuständigkeit bei Berufskrankheiten (VbgBK) vom 1. Januar 1997 für das Unternehmen, in dem die gefährdende Tätigkeit vor der Meldung zuletzt ausgeübt wurde, zuständig. Denn sie ist nach eigener, vom Gericht nicht zu beanstandender Prüfung zuständig für die Versicherten der Arbeitgeberin des Klägers im Zeitraum von Juli bis Oktober 1996 als Mitgliedsunternehmen. In dieser Zeit hat der Kläger noch eine gefährdende Tätigkeit ausgeübt, die den für die Zuständigkeit unschädlichen Zeitraum von drei Monaten im Sinne von § 3 S. 2 VbgBK überschritt. Gefährdend im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2108 Anl. 1 BKV ist eine Tätigkeit mit schwerem Heben und Tragen. Dazu hat die Präventionsabteilung der Beklagten selbst nachvollziehbar und unter Einbeziehung ihrer eigenen Bedenken gegen die Angaben des Klägers unter dem 3. Juni 2006 mitgeteilt, der Kläger sei einer Tagesdosis "im Bereich" des Richtwertes von 5,5 KNh ausgesetzt gewesen; insoweit sei "von einer Gefährdung auszugehen". Dem schließt sich der Senat unter Hinweis darauf an, dass in diese Einschätzung weder die gebotene Verminderung der Druckkraftschwelle noch der Verzicht auf eine Mindesttagesdosis (BSG, Urt. v. 30.10.07 – B 2 U 4/06 R – zitiert nach Juris) eingeflossen sind, die die Gefährdungsschwelle noch unterhalb des von der Beklagten für den Kläger schon bestätigten Maßes rücken.
Eine weitere Regelung zur Zuständigkeit enthält die VbgBK nicht. Der Verweis in § 2 auf die Beurteilung der gefährdenden Tätigkeit nach objektiven Kriterien entsprechend dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse stellt nur die für die Auslegung des Begriffs der gefährdenden Tätigkeit ohnehin bestehende Rechtslage klar. Er wird durch die Prüfung der Beklagten in dem Sinne erfüllt, dass im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung (a.a.O.) erst recht eine gefährdende Tätigkeit vorgelegen hat. Die in den Arbeitshinweisen zur VbgBK unter Nr. 5.1.1 vorgesehene Unzuständigkeit unterhalb einer versicherten Dosis von 1,25 MNh ist nicht Gegenstand einer maßgeblichen Regelung. Diese könnte nur in der VbgBK selbst zu sehen sein, zu deren Erlass § 134 S. 1 des Siebenten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII – in der Fassung v. 7.8.1996, BGBl. I S. 1254) allein ermächtigt; darin ist sie – wie dargelegt – nicht enthalten. Diese Zuständigkeitsmindestdosis ist auch nicht Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnisse im Sinne von § 2 VbgBK. Sie stellt vielmehr einen regelnden Willensakt dar, ab welcher Belastung eine Zuständigkeit nicht begründet werden soll und beruht nicht auf einem – wie am Beispiel des Klägers dargelegt, auch nicht zutreffenden – Satz, wonach eine Gefährdung erst ab der Zuständigkeitsmindestdosis von 1,25 MNh einträte.
Sachlich fehlt es hier an der Voraussetzung von Berufskrankheiten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Siebenten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII – in der Fassung der letzten Änderung durch G. v. 17.6.08, BGBl. I S. 1010), wonach ein Versicherter die Krankheit "infolge" einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden muss. Dabei geht es nicht um die Frage, ob die vom Kläger geschilderten und von der Beklagten ermittelten Belastungen während der versicherten Tätigkeit als Drucker zur Verursachung eines Bandscheibenschadens geeignet waren; dies kann zugunsten des Klägers unterstellt werden und offen bleiben. Die beim Kläger vorliegenden Krankheitsbilder im Bereich der Lendenwirbelsäule können aber in seinem Fall nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf diese beruflichen Belastungen zurückgeführt werden, weil eine höhere Wahrscheinlichkeit gegen einen solchen Zusammenhang spricht. Maßgeblich ist für den Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und dem Gesundheitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, bei der mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urt. v. 9.5.06 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Dabei ist nur die Bedingung rechtlich erheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Eintritt des geltend gemachten Gesundheitsschadens "wesentlich" beigetragen hat (Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII RdNr. 4, 15 m.w.N.). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urt. v. 9.5.06 – B 2 U 1/05 R – a.a.O.). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt dieser Zusammenhänge ist für die Berufskrankheit nach Nr. 2108 Anl. 1 BKV spätestens der Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe.
Nach der sprachlichen Fassung des Tatbestandes der Nr. 2108 Anl. 1 BKV steht die danach erforderliche Aufgabe der maßgeblichen Tätigkeiten in einem zeitlichen Zusammenhang zur maßgeblichen Krankheit. Grundsätzlich geht es um Krankheiten, die die Aufgabe von Tätigkeiten erzwungen haben, weil die Tätigkeiten – schon vorher – für die Entstehung oder Verschlimmerung der Krankheit ursächlich waren. Die Krankheit muss dabei wenigstens mit der Entstehung des Zwangs schon vorgelegen haben. Weiterhin muss die Aufgabe der Tätigkeit erzwungen sein, d. h. die Tätigkeit muss bis zum Entstehen des Zwangs noch ausgeübt worden sein. Auch wenn sie nicht subjektiv wegen des entstandenen Zwanges aufgegeben worden sein muss, sondern dafür andere Motive entscheidend gewesen sein dürfen (BSG, Urt. v. 8. 12. 1983 – 2 RU 33/82 – BSGE 56, 94), muss das Ende der Tätigkeit objektiv durch gesundheitlichen Zwang erklärbar sein. Insgesamt muss der Versicherte die gesundheitsschädigenden Tätigkeiten (objektiv) durch die Krankheit gezwungen unterlassen haben; die tatsächliche Unterlassung muss (nach den objektiven Schädigungszusammenhängen) wesentlich durch die Krankheit verursacht worden sein (BSG, Urt. v. 29. 8. 1980 – 8a RU 72/79 – BSGE 50, 187, 188).
Soweit die Vorschrift auch auf Tätigkeiten abstellt, die – zukünftig – ursächlich für Krankheiten sein können, bezieht sie sich auf die dort genannte Fallgruppe des Wiederauflebens, dessen Möglichkeit ebenfalls den Aufgabezwang begründen kann. Auch dieser Fall setzt aber nach der Vorsilbe "Wieder-" mit Notwendigkeit voraus, dass die Krankheit schon früher vorgelegen hat. Auch insoweit muss sie zeitlich dem entstandenen Zwang vorausgegangen sein.
Für dieses Verständnis der notwendigen zeitlichen Reihenfolge innerhalb des Tatbestandes spricht jetzt auch die Fassung der Ermächtigungsnorm des § 9 Abs. 1 S. 2 SGB VII, wonach die maßgebliche Krankheit sogar für die Unterlassung ursächlich gewesen sein müsste, nämlich zur Unterlassung "geführt haben" müsste. Wenn auch diese engere Ausdrucksweise nach herrschender Meinung losgelöst von subjektiven Beweggründen durch den objektiven Zwang zur Aufgabe ausgefüllt wird, wird aber deutlich, dass die Krankheit vor der Tätigkeitsaufgabe vorgelegen haben muss.
Im Falle des Klägers hat das für die Berufskrankheit maßgebliche Befundbild zum Zeitpunkt seiner Tätigkeitsaufgabe nicht vorgelegen. Denn das für diesen Zeitpunkt nur nachweisbare Krankheitsbild besteht in einem Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelsäulenabschnitt L 3/4 und einer Chondrose ersten Grades im Lendenwirbelsäulenabschnitt L 2/3, weiterhin aus zweitgradigen Spondylosen in den Abschnitten L 4/5 und L 2/3. Die Befunde ergeben sich nach den insoweit nachvollziehbaren Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. S. und dem darin enthaltenen radiologischen Zusatzgutachten aus den Röntgenaufnahmen vom 9. September 1996 und dem Computertomogramm vom 19. September 1996.
Das Gericht folgt dem Sachverständigen Prof. Dr. S. aber nicht bei seiner Einschätzung, beim Kläger sei der Zusammenhang wahrscheinlich. Gleichwohl bieten seine nachvollziehbare Befunderhebung und Diagnosestellung und seine gründliche Zusammenhangserörterung eine hinreichende Grundlage, um im Abgleich mit medizinischen Erfahrungssätzen den Zusammenhang – im Ergebnis mit der Meinung Prof. Dr. R.s – abschließend als unwahrscheinlich auszuschließen. Maßgeblich für die Einschätzung sind dabei nach herrschender medizinischer Auffassung als medizinische Erfahrungssätze die Konsensempfehlungen (vgl. auch BSG, Urt. v. 27.6.06 – B 2 U 13/05 R – Juris, Rdnr. 12, 14) einer interdisziplinären Arbeitsgruppe aus dem Jahre 2005 (hier zitiert nach Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 211 ff.). Diese legt auch der Sachverständige als aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand seiner Erörterung zu Grunde. Von den verschiedenen Fallgruppen, die in den Konsensempfehlungen behandelt werden, gehört das Krankheitsbild des Klägers aber entgegen der Beurteilung des Sachverständigen in die Gruppe C 2, für die keine Einigkeit unter den beteiligten Ärzten darüber bestand, dass ein Zusammenhang wahrscheinlich ist.
Die Zuordnung zu den C-Fallgruppen der Konsensempfehlungen ist hier erfüllt, weil die beiden unteren Lendenwirbelsäulensegmente nicht von einer bandscheibenbedingten Erkrankung der geforderten Ausprägung betroffen sind; gefordert sind insoweit eine Chondrose mindestens Grad II oder ein Vorfall (Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 218).
Nach den Röntgenaufnahmen, die am zeitnächsten zur Aufgabe der Kommissionstätigkeit entstanden sind, liegt in der überzeugenden Auswertung durch den Sachverständigen und den radiologischen Zusatzgutachter in den beiden unteren Wirbelsäulensegmenten keine Chondrose vor; auf diese zeitnahen Aufnahmen kommt es für die Bewertung wegweisend an (Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 214). Aufgrund der zu diesem Ergebnis führenden Aufnahme vom 9. September 1996 hält der Senat eine Chondrose zum Zeitpunkt der Aufgabe der Tätigkeit durch Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nur fünf Wochen später – am 14. Oktober 1996 – nicht für nachgewiesen. Denn die nächste Aufnahme vom 29. Mai 1997 erbringt angesichts ihres wesentlich größeren Abstandes zur Beendigung der gefährdenden Tätigkeit nicht den erforderlichen Beweis. Die dagegen gerichtete Argumentation des Sachverständigen, nach den Konsensempfehlungen sei ein MRT vorzuziehen, verengt die dortigen Ausführungen. Denn danach ist eine Röntgenaufnahme ausreichend (a.a.O., S. 225), wenn sich aus ihr keine Hinweise auf eine Bandscheibenverschmälerung ergeben. So liegt der Fall hier bezüglich der beiden unteren Zwischenwirbelräume. Der Sachverständige entnimmt der Röntgenaufnahme die klare Aussage, das Segment L 4/5 weise im Jahre 1996 noch keine altersuntypische Höhenminderung auf; diese Aussage ist im Hinblick auf den späteren Befall dieses Segmentes entscheidend. Dabei stützt der Sachverständige sich auf den Befund von Dr. S., der neben einer genauen Vermessung aller Zwischenwirbelräume die Beurteilung vornimmt, bei L 2/3 liege eine monosegmental betonte Höhenminderung vor. Diese Auswertung stimmt überein mit der Erstauswertung der Aufnahme, die ebenfalls nur zwischen dem 2. und 3. Lendenwirbelkörper eine mäßige Zwischenwirbelraumverschmälerung ergab. Diese vom Sachverständigen auch in seiner nachfolgenden Stellungnahme nicht in Frage gestellten Aussagen lassen den Schluss zu, dass sich hier für die beiden unteren Zwischenwirbelräume keine Hinweise auf eine Bandscheibenverschmälerung ergeben, die einen Vorrang einer MRT-Auswertung begründeten. Vielmehr ist hier noch zu berücksichtigen, dass das MRT vom Mai 1997 wegen seiner schlechten Qualität keine vollwertige Auswertung zulässt, wie der Sachverständige Prof. Dr. S. schon in seinem Gutachten im Hinblick auf das Ausmaß von Bandscheibenvorwölbungen ausgeführt hat.
Die von Prof. Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 31. Mai 2011 vertretene Auffassung, auch ein späterer Nachweis belastungstypischer Veränderungen begründe die Berufskrankheit ggf. später, ist aus Rechtsgründen nicht überzeugend. Zunächst ist festzuhalten, dass er damit mittelbar einräumt, das Befundbild könne sich auch zwischen Oktober 1996 und Mai 1997 zu einem dann belastungstypischen Bild verändert haben. Wie dargelegt, muss das Befundbild der Berufskrankheit aber schon wegen des Tatbestandes der Nr. 2108 Anl. 1 BKV spätestens zum Zeitpunkt der Aufgabe der Tätigkeit zur (späteren) vollen Überzeugung des Gerichts vorgelegen haben. Insoweit lassen sich hier das Krankheitsbild der Berufskrankheit und die darin enthaltenen Indizien des belastungstypischen Erscheinungsbildes nicht trennen.
Um die Fallkonstellation C 1 der Konsensempfehlungen, für deren Fall der berufliche Zusammenhang als wahrscheinlich angesehen wird, handelt es sich beim Kläger nicht, weil bei ihm nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. keine Begleitspondylose vorliegt. Es fehlt insoweit an zwei betroffenen Segmenten. Zutreffend gibt der Sachverständige diese Voraussetzung nach den Konsensempfehlungen wieder. Zutreffend ordnet er auch nur die Spondylose bei L 4/5 als hierbei erheblich ein, weil die gleichfalls bei L 2/3 vorliegende Spondylose einen von Chondrose befallenen Abschnitt betrifft, der für die Feststellung von Begleitspondylosen grundsätzlich außer Betracht bleibt.
Der Ausnahmefall davon, in dem die Spondylose vor der Chondrose vorlag, kann hier nicht festgestellt werden, da der Sachverständige schon auf der ersten bekannten Röntgenaufnahme vom 9. September 1996 beide Veränderungen erkannt hat und dies in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 31. Mai 2011 zur Grundlage des Ausschlusses nimmt. Ein Hinweis darauf, dass der Sachverständige eine Möglichkeit übersehen haben sollte, aus der Ausprägung erkannter Veränderungen auf die zeitliche Abfolge ihrer Entstehung zu schließen, ergibt sich aus seinen Ausführungen nicht. Dagegen spricht, dass er selbst die beiden fraglichen Veränderungen – Chondrose und Spondylose bei L 2/3 – unmittelbar gegenüber stellt und auch selbst auf die Bedeutung der zeitlichen Abfolge ihres Auftretens für die Beurteilung einer Begleitspondylose verweist. Der Senat hält dies zur Beweisführung für ausreichend, dass der zeitliche Vorrang der Spondylose im Sinne einer Begleitspondylose nicht mehr aufklärbar ist; der gleichwohl gestellte Hilfsantrag des Klägers war jedenfalls als Beweisantrag "ins Blaue hinein", nämlich ohne tatsächlichen Hinweis auf eine Beweislücke, abzulehnen. Im Übrigen stellen auch die Konsensempfehlungen allein auf die unmittelbare Befundauswertung ab, ohne Schussfolgerungen auf zeitlich zurück liegende tatsächliche Verhältnisse in die Grundregeln der Zusammenhangsbeurteilung einzubeziehen.
Die Überlegung des Sachverständigen Prof. Dr. S., für die Beurteilung der Lendenwirbelsäulenerkrankung komme den erhobenen Protrusionen wesentliche Bedeutung zu, teilt der Senat nicht, weil sie nicht mit den "Konsensempfehlungen" in Einklang zu bringen ist. Diese verweisen unter 1.3 (a.a.O., S. 215 f.) sowohl für die bildgebenden Befunde wie auch für die klinische Diagnostik allein auf Vorfälle oder altersuntypische Höhenminderungen von Bandscheiben. Nur für den Ausnahmefall eines engen Spinalkanals ziehen sie Protrusionen als einschlägiges Krankheitsbild in Betracht (ebenso a.a.O., S. 218). Diese Diagnose stellt aber auch Prof. Dr. S. nur für den Bereich des Vorfalls bei L 3/4. Auch aus den übrigen Befundauswertungen der bildgebenden Befunde der Jahre 1996/97 lässt sich nicht auf eine Spinalkanalenge schließen.
Auf die Auffassung Prof. Dr. S.s aus seinem Gutachten, eine B-Fallgestaltung könne auch unter bestimmten anderen Voraussetzungen als dem Befall eines der beiden unteren Lendenwirbelsäulenabschnitte mit einer Chondrose Grad II bzw. einem Vorfall vorliegen, kommt es nach der Nachauswertung der Seitaufnahme vom 9. September 1996 nicht mehr an. Seine Meinung, diese Ausprägung reiche auch an höherer Stelle der Lendenwirbelsäule aus, wenn nur die bandscheibenbedingte Erkrankung überhaupt auch die beiden unteren Segmente betreffe, führt hier zu keinem anderen Ergebnis, weil die beiden unteren Segmente danach nicht von einer Chondrose befallen waren; ein Vorfall in diesem Bereich stand zu dieser Zeit ohnehin nicht zur Diskussion.
Offen bleiben kann weiter, ob ggf. auch außerhalb der B-Fallgestaltung bei Befall des dritten Bewegungssegmentes der Lendenwirbelsäule von unten (L 3/4) mit einer zweitgradigen Chondrose oder einem Vorfall und weiterem Befall eines der darunter liegenden Bewegungssegmente eine Zusammenhangswahrscheinlichkeit bestehen kann. Denn auch ein solcher Fall liegt mangels des bei der Berufsaufgabe vorliegenden Befalls eines unter L 3/4 liegenden Bewegungsabschnitts der Wirbelsäule nicht vor.
Besondere Gesichtspunkte für eine Zusammenhangswahrscheinlichkeit bei der danach vorliegenden Fallgruppe C 2 der Konsensempfehlungen trotz des hierfür nicht gefundenen Konsenses liegen nicht vor. Soweit der Sachverständige das Fehlen konkurrierender Ursachen als einen wesentlichen Gesichtspunkt benennt, ist dies schon als ein Bestimmungsmerkmal der Konstellation C 2 Teil des hierzu nicht bestehenden wissenschaftlichen Konsenses. Jedenfalls für die hier vorliegende Konstellation C 2 ergibt sich über den nicht hergestellten Konsens hinaus die Erkenntnis, dass die weiter gehende wissenschaftliche Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. S. aktuell auch nicht als zumindest überwiegende Lehrmeinung für die Wahrscheinlichkeitseinschätzung zu Grunde zu legen ist. Denn sie ist insoweit auch nicht Ausdruck einer herrschenden medizinischwissenschaftlichen Lehre. Die schon im Rahmen der Konsensempfehlungen ausgeführte Gegenmeinung von Schröter und Grosser kann ihrem wissenschaftlichen Aufwand, ihrer Argumentationsdichte sowie der Breite der herangezogenen Literatur nach nicht als Einzelmeinung eingeschätzt werden. Auch der Sachverständige Prof. Dr. R. bestätigt, dass es wesentliche Teile der wissenschaftlichen Lehre gibt, die die Voraussetzungen einer Zusammenhangswahrscheinlichkeit enger fassen als der Sachverständige Prof. Dr. S ... Denn Prof. Dr. R., der als ebenfalls als namhafter Fachmann an den Konsensempfehlungen mitgewirkt hat, vertritt eine selbst gegenüber der von S. und G. geführten Diskussion noch engere eigene Auffassung. Er bezeichnet nämlich sogar die Theorie einer Proximalisierung der Spondylose als allgemein anerkannt. Auch wenn dies nach dem Inhalt der Konsensempfehlungen selbst nicht zutrifft, ist die weiteste Gegenmeinung erkennbar nicht als maßgeblich herrschend anerkannt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht vor.
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