L 5 AS 59/11 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 3 AS 4001/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 59/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Januar 2011 wird aufgehoben.

Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens werden abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsgegner wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg, das ihn verpflichtet hat, an den Antragsteller vorläufig für die Monate Dezember 2010 bis April 2011 weitere Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) in Höhe von 232,39 EUR/Monat zu bewilligen.

Der selbstständig tätige Antragsteller bezieht vom Antragsgegner (ergänzend) Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 10. November 2010 wurden ihm Leistungen für die Zeit von Mai bis Juni 2010 und August bis Oktober 2010 in Höhe von 544,49 EUR/Monat sowie für Juli 2010 in Höhe von 448,85 EUR gewährt. Auf den Fortzahlungsantrag des Antragstellers vom 26. Oktober 2010 bewilligte der Antragsgegner ihm wegen der noch nicht feststehenden Höhe des Einkommens aus einer ab November 2010 neu aufgenommenen selbstständigen Tätigkeit mit Bescheid vom 28. Oktober 2010 für die Monate November und Dezember 2010 vorläufig 312,10 EUR/Monat und für die Monate von Januar bis April 2011 vorläufig 315,54 EUR/Monat. Das zugrunde gelegte Einkommen entnahm der Antragsgegner einer vom Antragsteller erstellten Prognose. Den gegen den Bewilligungsbescheid vom Antragsteller erhobenen Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchbescheid vom 16. November 2010 als unbegründet zurück. Klage legte der Antragsteller gegen diesen nicht ein.

Mit Bescheid vom 3. Dezember 2010 lehnte der Antragsgegner die beantragte Bewilligung einer Weihnachtsbeihilfe ab. Das durchgeführte Widerspruchsverfahren blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23. März 2011). Auch hiergegen legte der Antragsteller keine Klage ein. Bereits am 2. Dezember 2010 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Magdeburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung gestellt mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm vorläufig weitere Leistungen nach dem SGB II mindestens in Höhe von weiteren 232,39 EUR/Monat zu gewähren. Zu Unrecht berücksichtige der Antragsgegner Einkommen, das er tatsächlich nicht erziele.

Mit Beschluss vom 18. Januar 2011 hat das Sozialgericht Magdeburg den Antragsgegner verpflichtet, an den Antragsteller vorläufig für die Monate von Dezember 2010 bis April 2011 weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 232,39 EUR/Monat zu bewilligen. Im Wesentlichen hat es zur Begründung ausgeführt, der Antragsgegner sei von der Prognose, die der Antragsteller in der Anlage EKS erstellt habe, zu Unrecht abgewichen. So habe er die Raum- und Fortbildungskosten nicht berücksichtigt. Mit Bescheid vom 2. Februar 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. März 2011 hat der Antragsgegner in Ausführung des Beschlusses des Sozialgerichts Magdeburg dem Antragsteller für den Monat Dezember 2010 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 544,49 EUR und für die Zeit vom Januar bis April 2011 wegen der zwischenzeitlich erfolgten Regelsatzerhöhung in Höhe von 552,93 EUR/Monat bewilligt. Eine endgültige Leistungsfestsetzung für den streitgegenständlichen Zeitraum ist soweit bekannt - noch nicht erfolgt.

Der Antragsgegner hat gegen den Beschluss des Sozialgerichts bereits am 18. Februar 2011 Beschwerde eingelegt. Es seien bei der Berechnung des Leistungsanspruchs die vom Antragsteller nachgewiesenen Ausgaben und die von ihm prognostizierten Einnahmen berücksichtigt worden. Er beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Januar 2011 den Antrag abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen und ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens zu bewilligen.

Die Leistungsbewilligung müsse sich nach der vom Antragsteller eingereichten Prognose richten. Er hat angekündigt, die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe notwendige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unverzüglich nachzureichen, was bis heute nicht erfolgt ist.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht (§ 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG, d.h. nicht ausgeschlossen, da im Hauptsacheverfahren die Berufung zulässig wäre. Der Antragsgegner ist verpflichtet worden, dem Antragsteller vorläufig von Dezember 2010 bis April 2011 weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 232,39 EUR/Monat zu gewähren. Der Beschwerdewert liegt mithin über dem Berufungswert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750 EUR.

Die Beschwerde ist auch begründet. Soweit der Antragsteller die Bewilligung höherer vorläufiger Leistungen geltend macht, kommt eine vorläufige Regelung im Eilrechtsschutz mangels streitigen Rechtsverhältnisses nicht (mehr) in Betracht. Die vom Antragsgegner erlassenen streitgegenständlichen Bewilligungsbescheide sind bestandskräftig geworden. Daher ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG rechtlich nicht mehr möglich. Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden.

Einstweilige Anordnungen sind vorläufige Regelungen im Bezug auf ein zwischen den Beteiligten streitiges Rechtsverhältnis. Sie ergehen unter dem Vorbehalt der abschließenden Entscheidung in einem gleichzeitig oder anschließend zu betreibenden Hauptsacheverfahren (Widerspruch oder Klage). Einstweiliger Rechtsschutz ist dann nicht (mehr) möglich, wenn das zwischen den Verfahrensbeteiligten bestehende Rechtsverhältnis bereits abschließend geklärt ist, wenn eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bereits vorliegt oder ein bestandskräftiger, das heißt für die Beteiligten verbindlicher und nicht weiter angegriffener Bescheid ergangen ist. Nach eigenen Angaben des Antragstellers hat dieser gegen die im streitgegenständlichen Zeitraum erlassenen Bescheide in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 16. November 2010 und 23. März 2011 keine Klage vor dem Sozialgericht erhoben. Daher sind sie bestandskräftig und gemäß § 77 SGG für die Beteiligten bindend geworden. Mithin gibt es kein streitiges Rechtsverhältnis mehr, welches mittels einer einstweiligen Anordnung durch das Gericht vorläufig geregelt werden könnte. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens war abzulehnen.

Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 115 ZPO für die Prozessführung sein Einkommen und Vermögen einzusetzen, soweit ihm dies nicht aufgrund der dort genannten Tatbestände unzumutbar ist. Zu diesem Zweck sind nach § 117 Abs. 2 ZPO dem Antrag auf Prozesskostenhilfe eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den entsprechenden Belegen beizufügen. Dabei hat der Antragsteller den nach § 117 Abs. 3, 4 ZPO vorgesehen Vordruck vollständig und sorgfältig auszufüllen. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt nach § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO für jeden Rechtszug besonders. Grundsätzlich beginnt die Wirksamkeit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Zustellung des Beschlusses. Rückwirkend kann das Gericht frühestens zu dem Zeitpunkt Prozesskostenhilfe bewilligen, in dem ihm der Antrag samt den erforderlichen Erklärungen und Unterlagen vollständig vorlag (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 30. September 1981 - IVb ZR 694/80, NJW 1982, S. 446; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. März 2006, L 8 B 4/06 AY ER, nicht veröffentlicht, Beschluss des erkennenden Senats vom 16. Februar 2010, L 5 B 122/08 AS, veröffentlicht unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Vorliegend ist dem Senat bis heute kein vollständiger Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe übersandt worden. Der Antragsteller hat in seiner Beschwerdeerwiderung zwar angekündigt, eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachreichen zu wollen; bis zum Abschluss des Verfahrens ist dies jedoch nicht geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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