S 45 KR 90190/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
45
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 45 KR 90190/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 KR 9/12
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin weitere 3,492,70 EUR nebst 4 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 19. Dezember 2009 für erbrachte vollstationäre Leistungen in den auf Blatt 72 bis 75 der Gerichtsakte genannten Behandlungsfällen zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Der Streitwert wird auf 3.492,70 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Beklagten, Rechnungen der Klägerin für vollstationäre Behandlungen von bei der Beklagten versicherten Patienten aus dem Jahr 2005 um jeweils eins vom Hundert zu kürzen.

Die Klägerin betreibt in H. ein Plankrankenhaus und erbrachte unter anderem im hier streitigen Zeitraum zu Gunsten von bei der Beklagten versicherten Patienten Leistungen, die sie der beklagten Krankenversicherung in Rechnung stellte. Hinsichtlich der streitigen Behandlungsfälle und Kürzungsbeträge verweist die Kammer auf Blatt 72 bis 75 der Gerichtsakte. Die Beklagte glich die Rechnungen aus, weil Grund und Höhe des jeweiligen Vergütungsanspruchs im Wesentlichen unstreitig waren, behielt jedoch jeweils eins vom hundert des jeweiligen Rechnungsbetrages ein.

Hintergrund ist die Tatsache, dass die Beklagte im Jahr 2004 fünf Verträge zur integrierten Versorgung gemäß § 140a ff. SGB V abgeschlossen hatte und die Einbehalte von Krankenhausrechnungen zur Finanzierung der neuen Versorgungsformen "I. M.", "P.S.", "P. H.", "H." und "I. D." nutzen wollte.

Die Klägerin bezweifelte jedoch die Berechtigung der Beklagten zu einem solchen Einbehalt, weil sie die Auffassung vertritt, dass diese Verträge nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprächen und der Einbehalt somit rechtswidrig erfolgt sei. Sie forderte die Beklagte deshalb mit außergerichtlichem Schreiben vom 3. Dezember 2009 auf, die Integrationsverträge bis zum 17. Dezember 2009 vorzulegen, welche sie zur Rechnungskürzung berechtigen würden. Dieser Aufforderung kam diese nicht nach, woraufhin die Klägerin am Folgetag Klage zum Sozialgericht erhoben hat.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte müsse entsprechend den Grundsätzen der objektiven Beweislast nachweisen, dass es sich bei den Verträgen um solche zur integrierten Versorgung im Sinne der§§ 140 a ff. Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) handele. Eine Meldung von Daten an die Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung gGmbH genüge nicht, um die Berechtigung für einen Einbehalt nachzuweisen. Auch die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Vertragsbestandteile seien nicht geeignet, den Nachweis für den Abschluss wirksamer Integrationsverträge zu erbringen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 3.492,70 EUR nebst 4 % über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 19. Dezember 2009 für erbrachte vollstationäre Leistungen in den auf Blatt 72 bis 75 der Gerichtsakte genannten Behandlungsfällen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, dass sich aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus den vorgelegten Verträgen bzw. Vertragsteilen

"St. M." (I. M.)

"P. S."

"P. H."

"H." und

"D. D. gGmbH" (I. D.)

ergebe, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für Integrationsverträge erfüllt seien.

Die Kammer hat mit diversen Verfügungen – zuletzt mit jener vom 21. November 2011 - die Beklagte zur Vorlage sämtlicher Integrationsverträge nebst aller Anlagen und Kooperationsvereinbarungen, Teilnahmeerklärungen etc. aufgefordert. Diesen ist sie in dem aus der Akte ersichtlichen Umfang nachgekommen. In der mündlichen Verhandlung hat der Vorsitzende darauf hingewiesen, dass bezüglich des Vertrages "St. M." drei Kooperationsvereinbarungen aus 2004 gerichtsbekannt seien, die von Fachärzten für Innere Medizin bzw. Hals- Nasen- und Ohrenheilkunde geschlossen worden seien. Frühere Verträge könnten nicht berücksichtigt werden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, welche der Kammer in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand ihrer Beratung waren. Der genaue Wortlaut der "Integrationsverträge" ist den Anlagen A 1, A 2, A 3, A 5,A 6, A 14 und 15 zu entnehmen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Absatz 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da es sich vorliegend um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem die Beklagte nicht berechtigt ist, einseitig durch Verwaltungsakt Regelungen zu treffen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Mai 2000, Az: B 3 KR 33/99 R sowie Urteil vom 16. Dezember 2008, Az: B 1 KN 2/08 KR R, jeweils mit weiteren Nachweisen). Ein Vorverfahren war aus diesem Grund nicht erforderlich und eine Klagefrist nicht einzuhalten (BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 4 und BSGE 86,166 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1; st. Rspr.).

Auch der Klagegegenstand war zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer hinreichend bestimmt, so dass die Reichweite einer Bindungswirkung eines Urteils, vgl. § 141 SGG, geklärt ist. Aus den schriftsätzlichen Erklärungen der Prozessbevollmächtigten vom 29. September 2010 und 27. Oktober 2010, vgl. Blatt 71-75 und 77 der Gerichtsakte, ergibt sich, dass diejenigen restlichen Vergütungsansprüche für Behandlungsfälle streitgegenständlich sein sollen, die auf Blatt 72-75 der Gerichtsakte genannt werden. Weitergehende Ansprüche werden in diesem Verfahren nicht geltend gemacht.

Die Klage ist auch vollumfänglich begründet. Der Klägerin stehen für die genannten Behandlungen weitergehende Vergütungsansprüche in der eingeklagten Höhe zu, die seit Rechtshängigkeit in Höhe von vier Prozent über dem Basiszinssatz per anno zu verzinsen sind.

Die Rechtsgrundlage für die Vergütungsansprüche ist § 109 Absatz 4 Satz 3 SB V, da diese nicht von einer Kostenzusage der jeweiligen Krankenkasse abhängen und unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den bei einer gesetzlichen Krankenkasse Versicherten entstehen, wenn die Versorgung gemäß § 39 Absatz 1 Satz 2 SGB V medizinisch erforderlich ist. Mit der Versorgungspflicht der Kliniken korrespondiert deren Vergütungsanspruch, vgl. § 109 Absatz 4 Satz 2 und 3 SGB V. Ergänzend beruht der Anspruch in seiner Höhe auch auf §§1,7 und 9 Absatz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in Verbindung mit der Anlage 1 Teil 1 der Fallpauschalenvereinbarung 2005 sowie § 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG). Gemäß § 1 Absatz 1 KHEntgG werden unter anderem vollstationäre Leistungen der Kliniken nach diesem Gesetz und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz vergütet.

Legt man dies zu Grunde, so besteht in jedem Behandlungsfall der Vergütungsanspruch dem Grunde nach.

Die Beteiligten trugen bereits schriftsätzlich übereinstimmend vor, dass der Ausgleich der einzelnen Behandlungsfälle nur insoweit streitig ist, als es um den Einbehalt in Höhe von eins vom Hundert zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung geht. Sowohl die korrekte Kodierung als auch die Notwendigkeit der vollstationären Behandlungen der bei der Beklagten versicherten Patienten ist zwischen ihnen unstreitig, so dass auch die Kammer keinen Zweifel am Bestehen der Vergütungsansprüche der Klägerin hat.

Sie konnte sich deshalb darauf beschränken zu prüfen, ob die Beklagte berechtigt war, die auf Blatt 72 bis 75 der Gerichtsakte einzeln aufgeschlüsselten Rechnungsbeträge um jeweils ein Prozent zu kürzen.

Rechtsgrundlage für einen Einbehalt ist § 140d Absatz 1 Satz 1 SGB V in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung. Danach hat jede Krankenkasse in den Jahren 2004 bis 2006 jeweils Mittel bis zu eins vom Hundert von der nach § 85 Absatz 2 an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichtenden Gesamtvergütung sowie von den Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung einzubehalten, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung der nach § 140b geschlossenen Verträge erforderlich sind. Gemäß § 140b Absatz 1 in Verbindung mit § 140a Absatz 1 SGB V sind die Krankenkassen berechtigt, Verträge über eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende oder interdisziplinär fachübergreifende Versorgung mit

einzelnen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten und Zahnärzten, sonstigen nach dem vierten Kapitel zur Versorgung der Versicherten berechtigten Leistungserbringern oder deren Gemeinschaften,

Trägern zugelassener Krankernhäuser, soweit sie zur Versorgung berechtigt sind, Trägern von stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, soweit mit ihnen ein Versorgungsvertrag nach § 111 Absatz 2 besteht, Trägern von ambulanten Rehabilitationseinrichtungen oder deren Gemeinschaften,

Trägern von Einrichtungen nach § 95 Absatz 1 Satz 2 oder deren Gemeinschaften,

Trägern von Einrichtungen, die eine integrierte Versorgung nach § 140a durch zur Versorgung der Versicherten nach dem Vierten Kapitel berechtigte Leistungserbringer anbieten und

Gemeinschaften der vorgenannten Leistungserbringer und deren Gemeinschaften

zu schließen.

Auf Basis dieser Maßstäbe konnte die Kammer nicht erkennen, dass die Beklagte zum Einbehalt berechtigt war. Dabei ist in drei Verträgen schon nicht von einem wirksamen Vertragsschluss auszugehen (hierzu unter I.) und in zwei Fällen ist der Einbehalt jedenfalls nicht erweislich erforderlich, so dass es auf die Frage, ob es sich tatsächlich um Verträge zur integrierten Versorgung in dem oben genannten Sinne handelt, nicht ankommt (hierzu unter II.). In zwei Fällen der ersten Fallgruppe scheidet ein Abzug nach Ansicht der Kammer auch noch aus weiteren Gründen aus (hierzu unter III.).

I. Die Kammer geht auf Grund des Wortlautes von § 140d Absatz 1 Satz 1 SGB V und in Übereinstimmung mit der bundessozialgerichtlichen Rechtsprechung davon aus, dass die Krankenkassen nur dann berechtigt waren, Absetzungen von den Rechnungen für voll- und teilstationäre Behandlungen vorzunehmen, wenn die Vertragspartner rechtlich in der Lage waren, Leistungen der integrierten Versorgung zu erbringen, weil erst dann Verträge im Sinne des § 140b SGB V geschlossen worden sind, (vgl. hierzu Urteile des Bundessozialgerichts vom 25. November 2010, Az: B 3 KR 6/10 R, Rn. 18 und vom 2. November 2010, Az: B 1 KR 11/10 R, Rn. 27). Dies ist im hier streitigen Zeitraum jedoch nur bedingt der Fall.

Nach Ansicht der Kammer ist ein Vertrag zur integrierten Versorgung erst dann geschlossen, wenn die niedergelassenen Fachärzte in die geschlossenen Integrationsverträge aus 2004 wirksam einbezogen worden sind. Erst zu diesem Zeitpunkt waren die Beteiligten der Verträge rechtlich in der Lage, Leistungen zur integrierten Versorgung zu erbringen, vgl. zu diesem Erfordernis auch die Urteile des Bundessozialgerichts, aaO.

Legt man dies zu Grunde, so handelt es sich in drei der fünf genannten Verträge nicht um wirksam geschlossene Integrationsverträge.

Zwar geht die Kammer davon aus, dass die Beklagte die Verträge "P. S.", "P. H.", und den "H." bereits im Jahr 2004 abschloss. Zu diesem Zeitpunkt waren die Vertragsschließenden rechtlich jedoch noch nicht in der Lage, Leistungen der integrierten Versorgung zu erbringen. Es fehlt nach Ansicht der Kammer zu diesem Zeitpunkt an einer vertraglichen Einbeziehung weiterer Leistungserbringer, vgl. hierzu § 2 des Vertrages "P. S.", §§ 1 und 2 des Vertrages "P. H." und § 2 der Anlage A zum Hauarztvertrag. Danach sollen die Leistungen im Rahmen der Praxisklinik – Modelle durch niedergelassene Ärzte erbracht werden, die mit der jeweiligen Praxisklinik kooperieren. Hierzu ist entweder der Abschluss einer Kooperationsvereinbarung (P. S.) oder eine Teilnahmeerklärung erforderlich (P.H. und H.). Die Beklagte hat trotz ausdrücklicher Aufforderungen u.a. im Hinweis vom 21. November 2011 nicht nachgewiesen, dass niedergelassene Ärzte mit den genannten Kliniken kooperieren bzw. ihre Teilnahme im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung erklärt haben. Sie hat diesbezüglich keine belastbaren Unterlagen vorgelegt. Die von ihr im Verfahren vorgelegten Ärztelisten, Rechnungen usw. sind nicht geeignet nachzuweisen, dass niedergelassene Fachärzte in die Verträge "P. S.", "P. H.", und den "H." einbezogen wurden.

Die Kammer sah sich auch nicht veranlasst, Beweisanregungen der Beklagten nachzugehen und Verträge und Erklärungen bei Dritten abzufordern. Sie vertritt die Ansicht, dass es zunächst Aufgabe der Beklagten ist, sich diese Unterlagen bei ihren Vertragspartnern, die im Besitz derselben sein müssen, zu beschaffen und sie der Kammer zur Verfügung zu stellen. Erst wenn dies aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, wäre ggf. eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung indiziert. Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte jedoch keinen Gebrauch gemacht. Sie hat noch nicht einmal substantiiert vorgetragen, dass sie sich bemüht habe, die Unterlagen zu beschaffen. Dies war auch nicht aussichtslos, weil davon auszugehen ist, dass die Vertragspartner der Beklagten auf Grund vertraglicher Nebenpflichten dazu verpflichtet sind, ihr diese Unterlagen zur Verfügung zu stellen, um die vom Gesetzgeber gewollte zweite Säule der Regelversorgung aufzubauen.

II. Die zweite Fallgruppe betrifft die Verträge "I. M." und "I. D.".

Diese schloss die Beklagte mit jeweils einer Klinik - [ ...] einerseits und jeweils mit der Rehabilitationseinrichtung für Orthopädie und Gynäkologie E. B. Sch. andererseits.

Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob es sich hierbei um Verträge zur integrierten Versorgung handelt (hierzu unter 1.), weil der Einbehalt für die nachweislich geschlossenen Verträge (hierzu unter 2.) nicht erwiesen erforderlich war (hierzu unter 3.).

1. Nach den obigen Ausführungen kommt in beiden Fällen lediglich ein Vertrag zur integrierten Versorgung in Form der Sektoren übergreifenden Versorgung im Sinne von § 140a Absatz 1 SGB V in Betracht, da eine interdisziplinär- fachübergreifende Versorgung offensichtlich nicht angestrebt wird.

Zielsetzung einer in diesem Sinne übergreifenden Versorgung ist es, die Leistungssektoren der Regelversorgung stärker zu verzahnen und hierdurch eine wirtschaftlichere Versorgung zu ermöglichen und darüber hinaus Doppeluntersuchungen für den Patienten sowie Behandlungsunterbrechungen zu vermeiden. Auf Grund dessen ist nach Auffassung der Kammer der Begriff der Sektoren übergreifenden Versorgung funktionell zu bestimmen. Übergreifend ist eine Versorgung demgemäß dann, wenn Leistungsprozesse, die in der traditionellen Regelversorgung inhaltlich und institutionell getrennt sind, verknüpft werden. Bereits aus der Gesetzesbegründung, [vgl. Bundestagsdrucksache (künftig Bt-Drs.) 14/1245, S. 55], wird deutlich, dass der Gesetzgeber die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung im Blick hatte, (vgl. hierzu auch die Urteile des Bundessozialgerichts vom 6. Februar 2008, Az: B 6 KA 27/07 R, R. 15 und 16, Az: B 6 KA 5/07 R, Rn. 17 und 18 sowie Az: B 6 KA 7/07 R, Rn. 17 und 18).

Legt man dies zu Grunde zielen die Verträge "I. M." und "I. D." im Grundsatz auf eine integrierte Versorgung im Sinne des Gesetzes. Dabei geht die Kammer davon aus, dass lediglich eine überschlägige - die Grundvoraussetzungen eines Vertrages über die integrierte Versorgung betreffende - Prüfung erforderlich ist, (vgl. hierzu auch Urteile des Bundessozialgericht in seinen Urteilen vom 2. November 2010, Az: B 1 KR 11/10 R, Rn. 24 und vom 25. November 2010, Az: B 3 KR 6/10 R, Rn. 17).

Gerade diese vom Gesetzgeber gesehene Verzahnung von ambulantem und stationärem Sektor nehmen auch die von der Beklagten vorgelegten und letztlich in dieser Hinsicht ähnlichen "Integra-Verträge" in den Blick. Aus einer Gesamtschau der jeweiligen Präambeln und den §§ 1 und 9 des Vertrages "I. M." bzw. der §§ 1, 2 und 4 des Vertrages "I. D." zwischen der Beklagten und den jeweiligen Krankenhäusern der Versorgungsmodelle wird deutlich, dass Gegenstand der Verträge Operationen in der jeweiligen Klinik waren, welche jeweils durch einen niedergelassenen und vertraglich an die Klinik gebundenen Arzt erbracht werden sollten. In § 1 Absatz 1 des Vertrages "I. M." heißt es dazu, das Gegenstand der integrierten Versorgung Operationen der in der Anlage 1 dieser Vereinbarung aufgeführten Indikationen seien, die durch kooperierende Ärzte gemäß § 9 erbracht würden. Operateur konnte damit nur ein zugelassener Vertragarzt oder ein in der Klinik angestellter Arzt sein, der jedoch nach dem Gesamtzusammenhang des Akteninhalts auch die gesamte Operationsvorbereitung bereits im ambulanten Bereich durchführte, so dass in der Klinik keine Aufnahmeuntersuchung und ggf. Diagnostik mehr durchgeführt werden musste. Eine vergleichbare Regelung trifft dabei § 4 des Vertrages "I. D.".

So hat auch das Bundessozialgericht in einem vergleichbaren Sachverhalt entschieden, dass es auf eine integrierte Versorgung hindeute, wenn eine interventionelle Versorgung mit postoperativer Nachsorge im überwachten Bett erbracht werde und es sich bei den Ärzten um Vertragsärzte handele, (vgl. hierzu Urteil des Bundessozialgerichts vom 2. November 2010, Az: B 1 KR 11/10 R, Rn. 26).

Anders bewertet die Kammer die Einbeziehung der Rehabilitationseinrichtung E. B. Sch. in die "Integra-Verträge". Insoweit geht sie nicht davon aus, dass die oben skizzierten Voraussetzungen für einen Vertrag zur integrierten Versorgung vorliegen. Sie konnte nicht erkennen, dass eine enge Verzahnung von verschiedenen Sektoren der Regelversorgung vorliegt. Nach dem Gesamtzusammenhang der Vertragstexte geht die Kammer davon aus, dass eine Verzahnung nur in Randbereichen und nicht im Kern erfolgt, (vgl. hierzu auch Urteil des Bundessozialgerichts vom 6. Februar 2008, Az: B 6 KA 27/07 R, Rn. 25 bis 27). Gemäß § 1 Absatz 4 des Vertrages mit der Klinik St. Elisabeth bzw. § 4 Absatz 5 erbringt die Rehabilitationseinrichtung für "Integra-Patienten" der Kliniken Anschlussrehabilitationsleistungen ggf. einschließlich der Unterkunft und Verpflegung, falls eine Indikation besteht, die in der Anlage 2 der Verträge genannt wird. Dabei ist das genaue Verfahren in § 1 Absätze 5 bis 8 bzw. 4 Absatz 6 bis 8 der Verträge geregelt. Nach Ansicht der Kammer ergibt sich hieraus keine wesentliche Abweichung von der traditionellen Regelversorgung. Auch in dieser wird eine Anschlussrehabilitation nach Antragstellung durch die behandelnden Ärzte und Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung bewilligt oder abgelehnt. Einziger Schnittpunkt zwischen der Behandlung der Patienten in der Klinik und ihrer Anschlussheilbehandlung ist nach Auffassung der Kammer die Organisation ihres Transports in die Rehabilitationsklinik am Tag ihrer Entlassung. Ein darüber hinausgehendes Zusammenwirken zwischen den Vertragspartnern ist nicht ersichtlich.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Budgetverantwortung, (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 6. Februar 2008, Az: B 6 KA 27/07 R, Rn. 25), weil für die Rehabilitationsleistungen gemäß § 4 Absatz 2 Vertrages "I. M." bzw. § 7 Absatz 3 des Vertrages "I. D." eine eigene Fallpauschale gezahlt wird. Die abweichende Vergütung von Rehabilitationsleistungen durch Fallpauschalen führt nicht zu einer Sektoren übergreifenden Versorgung, weil hierdurch keine engere Zusammenarbeit im Behandlungsmanagement erfolgt. Diese Abweichung beschränkt sich allein auf die Abrechnung.

Da die Kammer - wie bereits ausführlich dargelegt - davon ausgeht, dass die Krankenkassen nur dann berechtigt waren, Absetzungen von den Rechnungen für voll- und teilstationäre Behandlungen vorzunehmen, wenn die Vertragspartner rechtlich in der Lage waren, Leistungen der integrierten Versorgung zu erbringen, (vgl. hierzu die Urteile des Bundessozialgerichts vom 25. November 2010, Az: B 3 KR 6/10 R, Rn. 18 und vom 2. November 2010, Az: B 1 KR 11/10 R, Rn. 27), konnten Leistungen zur integrierten Versorgung in nur sehr begrenztem Umfang erbracht werden. Rechtlich abgesicherte Kooperationen zwischen der Klinik St. E. bzw. dem D. D. gGmbH sind nur teilweise nachgewiesen worden.

Die Kammer geht von folgenden Kooperationen der Kliniken mit niedergelassenen Ärzten aus:

Versorgungsmodell "I. M."

Herr Dr. W., [ ...] vom 27. Mai 2004

Herr Dr. H., [ ...] vom 21. Juni 2004

Herr Dr. V., [ ...] vom 1. November 2004

Versorgungsmodell "I. D."

Herr Dr. M., [ ...] vom 24. Juni 2004

Herr Dr. L., [ ...] vom 1. September 2004

Allein in diesem Umfang könnten wirksam Integrationsvereinbarungen zum jeweiligen Zeitpunkt geschlossen worden sein.

Die Kammer geht damit nicht davon aus, dass auch auf die vor 2004 geschlossenen Kooperationsvereinbarungen zurückgegriffen werden kann, weil diese sich nach ihrer Ansicht mit der der Beendigung der Modellprojekte erledigten. So ergibt sich bereits aus den gleich lautenden Präambeln der jeweiligen Kooperationsvereinbarungen, welche alle die Kooperation mit der Klinik St. M. aus dem Jahr 2002 betreffen, dass die Klinik Initiatorin eines Versorgungsmodells der integrierten Versorgung sei. Gerade dieses Modell wurde jedoch durch den neuen Integrationsvertrag ersetzt, so dass die bis dahin kooperierenden Ärzte nicht darüber hinaus mit den Vertragspartnern des inzwischen beendeten Modells in diesem Rahmen zusammenarbeiten konnten. Eine Kooperation kann sich nur auf ein konkretes Projekt beziehen.

Die Kammer konnte sich auch nicht davon überzeugen, dass die Kooperationen rechtlich neu geregelt wurden. Insbesondere reichte die Beklagte trotz mehrfacher und deutlicher Aufforderungen zur Vorlage der Integrationsverträge zum Teil unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom November 2010 keine Überleitungs- oder Anpassungsverträge zur Akte, obwohl diese, so sie geschlossen worden sein sollten, ihr vorliegen müssten. Gemäß § 9 Absatz 2 des Integra-Vertrages M. ist der Abschluss von Kooperationsvereinbarungen der Geschäftsstelle anzuzeigen, die den Koordinierungsausschuss informiert. Hier ist aber gemäß § 12 Absatz 2 zumindest ein Vertreter der Beklagten Mitglied. Darüber hinaus bestimmt § 11 Absatz 2 des Integra-Vertrages, dass die Geschäftsstelle die teilnehmenden Krankenkassen und damit auch die Beklagte über alle Vorgänge unterrichtet.

Demgemäß waren die Beteiligten nur ansatzweise rechtlich in der Lage, Leistungen im Rahmen der integrierten Versorgung zu erbringen.

Die Kammer konnte sich auf Basis der allenfalls wirksam geschlossenen Verträge auch nicht davon überzeugen, dass der geltend gemachte Einbehalt in dem Sinne erforderlich war, dass diese Mittel also für die Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung benötigt wurden. Die Beklagte meldete an die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH (BQS), für 2005 folgende Daten:

[ ...]

Dabei ist anzumerken, dass der Vertrag Dr. St. erst im Jahr 2006 geschlossen wurde und schon deshalb für 2005 keine Berechtigung zum Einbehalt bieten kann.

Weiterhin geht die Kammer davon aus, dass von einer weiten Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Erforderlichkeit im Sinne von § 140d Absatz 1 Satz 1 SGB V auszugehen ist, wobei unentschieden bleiben kann, ob hier eine Einschätzungsprärogative der Beklagten bestand, (vgl. hierzu auch Urteil des Landessozialgerichts Sachsen, vom 24. Juni 2009, L 1 KR 76/08, Rn. 35 und 36). Jedenfalls ist dem LSG zuzugeben, dass im Jahr 2004 nur geringe Erfahrungen mit der integrierten Versorgung bestanden, so dass sich die Prognosen auf Schätzungen stützen mussten. Konkret wurden vor 2004 allenfalls Behandlungen in Magdeburg zu Lasten der Beklagten erbracht. Doch selbst bei dieser großzügigen Sichtweise konnte sich die Kammer nicht von der Erforderlichkeit des Einbehalts zur Finanzierung der möglichen integrierten Versorgung überzeugen, weil sie auf der Basis der vorliegenden Unterlagen die Zahlen nicht nachvollziehen kann. Die Beklagte hat nicht dargelegt, welche Fallzahlen sie wie ermittelt hat und welche Vergütungsvolumina für die jeweiligen Versorgungsmodelle hieraus resultieren. Die Kammer sah sich auch nicht in der Lage, dies selbst zu ermitteln, da die Beklagte trotz mehrfacher und eindeutiger Aufforderungen keine vollständigen Fall- und Vergütungszahlen vorgelegt hat, so dass es der Kammer an Anknüpfungstatsachen fehlt, um diese Schätzung überprüfen zu können, vgl. zum Erfordernis von Anknüpfungstatsachen u.a. Greger in: Zöller, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 27. Auflage, zu § 287, Rn. 1-4 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung.

Sie konnte deshalb schon nicht nachvollziehen, ob die angenommenen Zahlen mit den "Integra-Verträgen" 2005 und den darauf basierenden - im Anschluss geschlossenen Kooperationsvereinbarungen - schlüssig sind, ob insbesondere die angenommenen Fallzahlen im Rahmen der integrierten Versorgung überhaupt rechtlich erbracht werden konnten. Im Übrigen erschließt sich der Kammer aber auch nicht wie mit drei kooperierenden Ärzten die bereits genannten Fallzahlen erreicht werden konnten. Zudem konnte die Kammer nicht erkennen, welche Fallzahlen überhaupt zu Grunde gelegt wurden, weil die Anlagen A 1 und A 2 zum Vertrag völlig fehlen.

Aus demselben Grund konnte die Kammer auch nicht die Zahlen für das Versorgungsmodell "I.D." prüfen. Auch hierzu fehlen die entsprechenden Anlagen und damit alle Daten für eine weitergehende Prüfung.

Darüber hinaus ging die Beklagte auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung davon aus, dass es sich bei der Einbeziehung der Rehabilitationseinrichtung E. B. Sch. um eine Form der integrierten Versorgung handele, so dass auch dies in den Fall- und Vergütungszahlen berücksichtigt worden ist. Diese Auffassung teilt die Kammer jedoch nicht. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, in welcher Form hier Implantationen von Hüft- bzw. Kniegelenksendoprothesen im Rahmen der integrierten Versorgung hätten erbracht werden können. Aus § 1 Absatz 4 des Magdeburger "Integra-Vertrages" ergibt sich, dass Rehabilitationsleistungen (nur) für Integra-Patienten der jeweiligen Kliniken erbracht werden sollen. In keinem der praktizierten Versorgungsmodelle lagen jedoch Kooperationsvereinbarungen aus 2004 vor, welche diese Form der Versorgung ermöglichen könnten. Weder Chirurgen noch Orthopäden sind Vertragspartner geworden, die allenfalls die Implantationen hätten vornehmen können.

Gegen die Plausibilität der ermittelten Zahlen im Versorgungsmodell "I. M." spricht darüber hinaus die Tatsache, dass die Beklagte die Kooperationsverträge aus früheren Jahren berücksichtigt hat, was nach den obigen Ausführungen nicht zulässig war. Die zahlenmäßig in hohem Umfang geschlossenen Kooperationsvereinbarungen aus dem Jahr 2002 haben nach Ansicht der Kammer die Prognose der Fallzahlen und des Vergütungsvolumens beeinflusst, so dass diese Zahlen nicht schlüssig sind, um den Finanzierungsbedarf nachzuweisen.

III. Hinsichtlich des Vertrages "P. H." verneint die Kammer die Berechtigung zum Abzug auch aus einem weiteren Grund. § 6 des Vertrages bestimmt, dass für eine Übergangszeit nur an drei vom MDK abgenommenen Standorten der Praxisklinik Operationen durchgeführt werden dürfen. Damit wird aber der ambulante Sektor jedoch nicht verlassen. Die Kammer konnte sich nicht davon überzeugen, dass zwischenzeitlich eine hiervon abweichende Regelung getroffen wurde, insbesondere dass ein gemäß § 5 Absatz 2 des Vertrages als Wirksamkeitsvoraussetzung bezeichneter Kooperationsvertrag zwischen der Praxisklinik H. und dem Krankenhaus St. E. gemäß § 5 Absatz 1 geschlossen worden ist. Dies hatz die Beklagte weder vorgetragen, noch ist dies aus anderen Unterlagen ersichtlich, (vgl. hierzu auch Urteil des Bundessozialgerichts vom 2. November 2010, Az: B 1 KR 11/10 R, Rn. 28).

Da damit der Einbehalt von Rechnungen der vollstationären Behandlung nicht gerechtfertigt ist, war noch zu prüfen, ob die Forderung in ihrer Höhe besteht. Hiervon ist die Kammer im Ergebnis überzeugt, da die Summe der Einbehalte, die auf Blatt 72 bis 75 der Gerichtsakte der Klageforderung entspricht.

Der Zinsanspruch ergibt sich in der eingeklagten Höhe unter dem Gesichtspunkt der Prozesszinsen aus § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit §§ 291 und 288 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Für die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, soweit keine speziellen sozialrechtlichen Regelungen erlassen wurden, (vgl. u.a. Urteil des Bundessozialgerichts vom 8. September 2009, Az: B 1 KR 8/09 R, Rn. 14). Da sich die Beteiligten in ihrer 2005 geltenden Budget- und Entgeltvereinbarung nicht auf Verzugszinsen verständigt haben, ist auf die Vorschrift des § 288 BGB zurückzugreifen, der einen höheren Zinssatz ermöglicht.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 197a Absatz 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Absatz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da die Beklagte vollständig unterlag.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus dem bezifferten Klageantrag, vgl. §§ 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.
Rechtskraft
Aus
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