Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
45
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 45 KR 90253/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 KR 6/12
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 6.533,59 EUR nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 19. Dezember 2008 für erbrachte vollstationäre Behandlungen zu Gunsten der auf Blatt 157 – 161 der Gerichtsakte bis einschließlich G. Sch. genannten und bei der Beklagten versicherten Patienten zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Der Streitwert wird auf 6.533,59 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Beklagte berechtigt war, Rechnungen für vollstationäre Behandlungen der bei ihr Versicherten in der Zeit vom 1. September 2004 bis einschließlich 2. November 2004 um jeweils eins vom Hundert zu kürzen.
Die Klägerin betreibt an den Standorten S. und G. Plankrankenhäuser im Sinne von § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V). In diesen Kliniken wurden im Jahr 2004 eine Vielzahl von Patienten behandelt, die bei der Beklagten versichert waren. Dies betrifft auch die auf Blatt 157 bis 161 der Gerichtsakte benannten Versicherten bis einschließlich Frau G. Sch., Fallnummer [ ...]. Für deren Behandlung erstellte die Klägerin diverse Rechnungen, welche die Beklagte auch bezahlte, weil Grund und Höhe der einzelnen Vergütungsansprüche zwischen den Beteiligten im Wesentlichen unstreitig sind. Streitig ist allein, ob die Beklagte berechtigt war, diese Rechnungen um jeweils eins vom Hundert des Rechnungsbetrages zu kürzen.
Hintergrund ist die Tatsache, dass die Beklagte im Jahr 2004 drei Verträge zur integrierten Versorgung gemäß § 140a ff. SGB V abgeschlossen hatte und die Einbehalte von Krankenhausrechnungen zur Finanzierung der neuen Versorgungsformen "I. M.", "I. H." und "I. D." nutzen wollte.
Die Klägerin bezweifelte jedoch die Berechtigung der Beklagten zu einem solchen Einbehalt, weil sie die Auffassung vertrat, dass diese Verträge nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprächen und der Einbehalt somit rechtswidrig erfolgt sei. Sie forderte die Beklagte deshalb mit Schreiben vom 10. Oktober 2008 auf, die Verträge zur integrierten Versorgung, welche sie zur Rechnungskürzung berechtigen würden, bis zum 27. Oktober 2008 zu übersenden. Dieser Aufforderung kam diese nicht nach.
Daraufhin hat die Klägerin am 18. Dezember 2008 Klage zum Sozialgericht erhoben. Zur Begründung hat sie unter anderem ausgeführt, dass die Beklagte außergerichtlich nicht den Nachweis erbracht habe, zum Einbehalt der einzelnen Rechnungsbestandteile berechtigt gewesen zu sein. Auch seien die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Verträge bzw. Vertragsauszüge nicht geeignet, dies nachzuholen. Sie vertritt die Ansicht, dass die Beklagte keine rechtswirksamen Verträge zur integrierten Versorgung geschlossen habe, so dass jeder Behandlungsfall vollständig vergütet werden müsse.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zur verurteilen, an sie weitere 6.533,59 EUR nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 19. Dezember 2008 für erbrachte vollstationäre Behandlungen zu Gunsten der auf Blatt 157 – 161 der Gerichtsakte bis einschließlich Frau G. Sch. genannten und bei der Beklagten versicherten Patienten zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt zusammengefasst die Ansicht, dass sie wirksame Verträge zur integrierten Versorgung geschlossen und dies im sozialgerichtlichen Verfahren auch nachgewiesen habe. Im Fall des Vertrages "I. M." könne bei der Beurteilung des Vertrages auch auf Kooperationsverträge aus den Jahren vor Abschluss des "Integra-Vertrages" zurückgegriffen werden, weil die Kooperationen zwischen niedergelassenen Ärzten und der Vertragspartnerin der Beklagten im Rahmen dieses Modellprojekts fortgesetzt worden seien.
Sie sei deshalb berechtigt gewesen, die Rechnungen für die von der Klägerin benannten Behandlungsfälle jeweils in Höhe von eins vom Hundert zu kürzen.
Die Kammer hat die Beklagte mehrfach - zuletzt mit Schreiben vom 21. November 2011 - aufgefordert, die vollständigen Integrationsverträge einschließlich der in Umsetzung dieser Verträge geschlossenen Kooperationsvereinbarungen vorzulegen. Dem ist die Beklagte nach anfänglicher Weigerung in dem aus der Akte ersichtlichen Umfang nachgekommen. Auf die vorgelegten Verträge bzw. Vertragsauszüge "I. M.", "I. D." und "I. H." sowie die als Anlagen zu den Schriftsätzen der Beklagten vom 23. und 24. November 2011 vorgelegten weiteren Unterlagen, insbesondere auf die Kooperationsverträge aus den Jahren 2002 bis 2004 wird ausdrücklich Bezug genommen. Die Beklagte hat darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung insgesamt sechs Schreiben des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen e.V. (vdak) vom 17. und 18. Dezember 2003 und 28. Januar 2004 vorgelegt, mit denen dieser auch im Namen der Beklagten "Verträge über die integrierte Versorgung" aus den Jahren 2002 und 2003 mit den jeweiligen Kliniken zum 31. Dezember 2003 kündigte. Auf Blatt 176 bis 184 der Gerichtsakte wird Bezug genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen, welche der Kammer in der mündlichen Verhandlung vorlagen und Gegenstand ihrer Beratung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Absatz 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da es sich vorliegend um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem die Beklagte nicht berechtigt ist, einseitig durch Verwaltungsakt Regelungen zu treffen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Mai 2000, Az: B 3 KR 33/99 R sowie Urteil vom 16. Dezember 2008, Az: B 1 KN 2/08 KR R, jeweils mit weiteren Nachweisen). Ein Vorverfahren war aus diesem Grund nicht erforderlich und eine Klagefrist nicht einzuhalten (BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 4 und BSGE 86,166 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1; st. Rspr.).
Auch der Klagegegenstand war zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer hinreichend bestimmt, so dass die Reichweite einer Bindungswirkung eines Urteils, vgl. § 141 SGG, hinreichend geklärt ist. Aus den Erklärungen des Prozessbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass diejenigen restlichen Vergütungsansprüche für Behandlungsfälle streitgegenständlich sein sollen, die auf Blatt 157 bis 161 der Gerichtsakte und dort bis zur Patientin G. Sch., Fallnummer [ ...], genannt werden. Weitergehende Ansprüche werden in diesem Verfahren nicht geltend gemacht.
Die Klage ist auch vollumfänglich begründet. Der Klägerin stehen für die genannten Behandlungen weitergehende Vergütungsansprüche in der eingeklagten Höhe zu, die seit Rechtshängigkeit in Höhe von fünf Prozent per anno zu verzinsen sind.
Die Rechtsgrundlage für die Vergütungsansprüche ist § 109 Absatz 4 Satz 3 SGB V, da diese nicht von einer Kostenzusage der jeweiligen Krankenkasse abhängen und unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den bei einer gesetzlichen Krankenkasse Versicherten entstehen, wenn die Versorgung gemäß § 39 Absatz 1 Satz 2 SGB V medizinisch erforderlich ist. Mit der Versorgungspflicht der Kliniken korrespondiert deren Vergütungsanspruch, vgl. § 109 Absatz 4 Satz 2 und 3 SGB V. Ergänzend beruht der Anspruch in seiner Höhe auch auf §§1,7 und 9 Absatz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in Verbindung mit der Anlage 1 Teil 1 der Fallpauschalenverordnung 2004 sowie § 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG). Gemäß § 1 Absatz 1 KHEntgG werden unter anderem vollstationäre Leistungen der Kliniken nach diesem Gesetz und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz vergütet.
Legt man dies zu Grunde, so besteht in jedem Behandlungsfall der Vergütungsanspruch dem Grunde nach.
Die Beteiligten trugen in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend vor, dass der Ausgleich der einzelnen Behandlungsfälle nur insoweit streitig ist, als es um den Einbehalt in Höhe von eins vom Hundert zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung geht. Sowohl die korrekte Kodierung als auch die Notwendigkeit der vollstationären Behandlungen der bei der Beklagten versicherten Patienten ist zwischen ihnen unstreitig, so dass auch die Kammer keinen Zweifel am Bestehen der Vergütungsansprüche der Klägerin hat.
Sie konnte sich deshalb darauf beschränken zu prüfen, ob die Beklagte berechtigt war, die auf Blatt 157 bis 161 der Gerichtsakte einzeln aufgeschlüsselten Rechnungsbeträge um jeweils ein Prozent zu kürzen.
Rechtsgrundlage für einen Einbehalt ist § 140d Absatz 1 Satz 1 SGB V in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung. Danach hat jede Krankenkasse in den Jahren 2004 bis 2006 jeweils Mittel bis zu eins vom Hundert von der nach § 85 Absatz 2 an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichtenden Gesamtvergütung sowie von den Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung einzubehalten, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung der nach § 140b geschlossenen Verträge erforderlich sind. Gemäß § 140b Absatz 1 in Verbindung mit § 140a Absatz 1 SGB V sind die Krankenkassen berechtigt, Verträge über eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende oder interdisziplinär fachübergreifende Versorgung mit
einzelnen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten und Zahnärzten, sonstigen nach dem vierten Kapitel zur Versorgung der Versicherten berechtigten Leistungserbringern oder deren Gemeinschaften,
Trägern zugelassener Krankenhäuser, soweit sie zur Versorgung berechtigt sind, Trägern von stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, soweit mit ihnen ein Versorgungsvertrag nach § 111 Absatz 2 besteht, Trägern von ambulanten Rehabilitationseinrichtungen oder deren Gemeinschaften,
Trägern von Einrichtungen nach § 95 Absatz 1 Satz 2 oder deren Gemeinschaften,
Trägern von Einrichtungen, die eine integrierte Versorgung nach § 140a durch zur Versorgung der Versicherten nach dem Vierten Kapitel berechtigte Leistungserbringer anbieten und
Gemeinschaften der vorgenannten Leistungserbringer und deren Gemeinschaften
zu schließen.
Einzig in Betracht kommende Alternative ist in den vorliegenden Verträgen die Sektoren übergreifende Versorgung im Sinne von § 140a Absatz 1 SGB V, da eine interdisziplinär- fachübergreifende Versorgung offensichtlich nicht angestrebt wird.
Zielsetzung einer in diesem Sinne übergreifenden Versorgung ist es, die Leistungssektoren der Regelversorgung stärker zu verzahnen und hierdurch eine wirtschaftlichere Versorgung zu ermöglichen und darüber hinaus Doppeluntersuchungen für den Patienten sowie Behandlungsunterbrechungen zu vermeiden. Auf Grund dessen ist nach Auffassung der Kammer der Begriff der Sektoren übergreifenden Versorgung funktionell zu bestimmen. Übergreifend ist eine Versorgung demgemäß dann, wenn Leistungsprozesse, die in der traditionellen Regelversorgung inhaltlich und institutionell getrennt sind, verknüpft werden. Bereits aus der Gesetzesbegründung, [vgl. Bundestagsdrucksache (künftig Bt-Drs.) 14/1245, S. 55], wird deutlich, dass der Gesetzgeber die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung im Blick hatte, (vgl. hierzu auch die Urteile des Bundessozialgerichts vom 6. Februar 2008, Az: B 6 KA 27/07 R, R. 15 und 16, Az: B 6 KA 5/07 R, Rn. 17 und 18 sowie Az: B 6 KA 7/07 R, Rn. 17 und 18).
Auf Basis dieser Maßstäbe konnte die Kammer nicht erkennen, dass die Beklagte zum Einbehalt berechtigt war. Dabei konnte sie letztlich unentschieden lassen, ob es sich bei den von der Beklagten finanzierten Versorgungsmodellen "I. M.", "I. D." und "I. H." um solche zur integrierten Versorgung im Sinne der §§ 140a und 140b SGB V handelt, (dazu unter 1.), da Leistungen der integrierten Versorgung zum großen Teil rechtlich noch nicht erbracht werden konnten, weil es an wirksamen Verträgen fehlte, (dazu unter 2.) und die übrigen Einbehalte jedenfalls nicht erweislich erforderlich waren, um die Umsetzung der integrierten Versorgung zu finanzieren, (dazu unter 3.).
Die drei der Kammer vorgelegten Verträge, welche die Beklagte mit jeweils einer Klinik - einerseits und jeweils mit der Rehabilitationseinrichtung für Orthopädie und Gynäkologie E. B. Sch. andererseits schloss, zielen nach Ansicht der Kammer im Grundsatz auf eine integrierte Versorgung im Sinne des Gesetzes. Dabei geht sie davon aus, dass lediglich eine überschlägige - die Grundvoraussetzungen eines Vertrages über die integrierte Versorgung betreffende - Prüfung erforderlich ist, (vgl. hierzu auch die Urteile des Bundessozialgerichts vom 2. November 2010, Az: B 1 KR 11/10 R, Rn. 24 und vom 25. November 2010, Az: B 3 KR 6/10 R, Rn. 17).
Gerade die vom Gesetzgeber gesehene Verzahnung von ambulantem und stationären Sektor nehmen auch die von der Beklagten vorgelegten und inhaltsgleichen drei "Integra-Verträge" in den Blick. Aus einer Gesamtschau der jeweiligen Präambeln und den §§ 1 und 9 der Verträge zwischen der Beklagten und den jeweiligen Krankenhäusern der Versorgungsmodelle wird deutlich, dass Gegenstand der Verträge Operationen in der jeweiligen Klinik waren, welche jeweils durch einen niedergelassenen und vertraglich an die Klinik gebundenen Arzt erbracht werden sollten. In § 1 Absatz 1 der "Integra-Verträge" heißt es dazu, das Gegenstand der integrierten Versorgung Operationen der in der Anlage 1 dieser Vereinbarung aufgeführten Indikationen seien, die durch kooperierende Ärzte gemäß § 9 erbracht würden. Operateur konnte damit nur ein zugelassener Vertragarzt oder ein in der Klinik angestellter Arzt sein, der jedoch nach dem Gesamtzusammenhang des Akteninhalts auch die gesamte Operationsvorbereitung bereits im ambulanten Bereich durchführte, so dass in der Klinik keine Aufnahmeuntersuchung und ggf. Diagnostik mehr durchgeführt werden musste. So hat auch das Bundessozialgericht in in einem vergleichbaren Sachverhalt entschieden, dass es auf eine integrierte Versorgung hindeute, wenn eine interventionelle Versorgung mit postoperativer Nachsorge im überwachten Bett erbracht werde und es sich bei den Ärzten um Vertragsärzte handele, (vgl. hieru Urteil des Bundessozialgerichts vom 2. November 2010, Az: B 1 KR 11/10 R, Rn. 26).
Anders bewertet die Kammer die Einbeziehung der Rehabilitationseinrichtung E. B. Sch. in die "Integra-Verträge". Insoweit geht sie nicht davon aus, dass die oben skizzierten Voraussetzungen für einen Vertrag zur integrierten Versorgung vorliegen. Sie konnte nicht erkennen, dass eine enge Verzahnung von verschiedenen Sektoren der Regelversorgung vorliegt. Nach dem Gesamtzusammenhang der Vertragstexte geht die Kammer davon aus, dass eine Verzahnung nur in Randbereichen und nicht im Kern erfolgt, (vgl. hierzu auch Urteil des Bundessozialgerichts vom 6. Februar 2008, Az: B 6 KA 27/07 R, Rn. 25 bis 27). Gemäß § 1 Absatz 4 der Verträge erbringt die Rehabilitationseinrichtung für "Integra-Patienten" der Kliniken Anschlussrehabilitationsleistungen einschließlich der Unterkunft und Verpflegung, falls eine Indikation besteht, die in der Anlage 2 der Verträge genannt wird. Dabei ist das genaue Verfahren in § 1 Absätze 5 bis 8 der Verträge geregelt. Nach Ansicht der Kammer ergibt sich hieraus keine wesentliche Abweichung von der traditionellen Regelversorgung. Auch in dieser wird eine Anschlussrehabilitation nach Antragstellung durch die behandelnden Ärzte und Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung bewilligt oder abgelehnt. Einziger Schnittpunkt zwischen der Behandlung der Patienten in der Klinik und ihrer Anschlussheilbehandlung ist nach Auffassung der Kammer die Organisation ihres Transports in die Rehabilitationsklinik am Tag ihrer Entlassung. Ein darüber hinausgehendes Zusammenwirken zwischen den Vertragspartnern ist nicht ersichtlich.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Budgetverantwortung, (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 6. Februar 2008, Az: B 6 KA 27/07 R, Rn. 25), weil für die Rehabilitationsleistungen gemäß § 4 Absatz 2 des jeweiligen Vertrages eine eigene Fallpauschale gezahlt wird. Die abweichende Vergütung von Rehabilitationsleistungen durch Fallpauschalen führt nicht zu einer Sektoren übergreifenden Versorgung, weil hierdurch keine engere Zusammenarbeit im Behandlungsmanagement erfolgt. Diese Abweichung beschränkt sich allein auf die Abrechnung.
Die Kammer geht auf Grund des Wortlautes von § 140d Absatz 1 Satz 1 SGB V und in Übereinstimmung mit der bundessozialgerichtlichen Rechtsprechung davon aus, dass die Krankenkassen nur dann berechtigt waren, Absetzungen von den Rechnungen für voll- und teilstationäre Behandlungen vorzunehmen, wenn die Vertragspartner rechtlich in der Lage waren, Leistungen der integrierten Versorgung zu erbringen, weil erst dann Verträge im Sinne des § 140b SGB V geschlossen worden sind. Dies ist im hier streitigen Zeitraum jedoch nur bedingt der Fall.
Auf Grund der durch die Beklagte zum 31. Dezember 2003 ausgesprochenen Kündigungen endeten die Modellprojekte zur integrierten Versorgung zu diesem Zeitpunkt. Damit bestand ab dem 1. Januar 2004 nach Ansicht der Kammer (zunächst) ein vertragsloser Zustand.
Zwar wurden in der Folge die hier vorgelegten drei "Integra-Verträge" später unterschrieben, wobei unklar ist, wann dies genau geschah. Doch selbst wenn dies - wie die Beklagte auf Grundlage von vier Schreiben des vdaK vom 17. März 2004 bzw. 21. April 2004 vorträgt - zu diesem Zeitpunkt der Fall gewesen sein sollte, waren die Vertragsschließenden rechtlich noch nicht in der Lage, Leistungen der integrierten Versorgung zu erbringen. Es fehlt nach Ansicht der Kammer zu diesem Zeitpunkt an einer vertraglichen Einbeziehung der niedergelassenen Vertragsärzte, die in § 9 der jeweiligen Verträge angesprochen wird. Nach Ansicht der Kammer ist der Vertrag zur integrierten Versorgung erst dann geschlossen, wenn niedergelassene Ärzte in den Vertrag aus 2004 wirksam einbezogen worden sind. Erst zu diesem Zeitpunkt waren die Beteiligten der Verträge rechtlich in der Lage, Leistungen zur integrierten Versorgung zu erbringen, (vgl. hierzu die Urteile des Bundessozialgerichts vom 25. November 2010, Az: B 3 KR 6/10 R, Rn. 18 und vom 2. November 2010, Az: B 1 KR 11/10 R, Rn. 27). Zeitlich nachfolgend zu den behaupteten und zu Gunsten der Beklagten angenommenen Vertragsschlüssen im März und April 2004 wurden jedoch lediglich jeweils drei Kooperationsvereinbarungen geschlossen:
Versorgungsmodell "I. M."
Herr Dr. W., [ ...] vom 27. Mai 2004
Herr Dr. H., [ ...] vom 21. Juni 2004
Herr Dr. V., [ ...] vom 1. November 2004
Versorgungsmodell "I. D."
Herr Dr. M., [ ...] vom 24. Juni 2004
Frau Dr. S., [ ...] vom 12. August 2004
Herr Dr. L., [ ...] vom 1. September 2004
Versorgungsmodell "I. H."
Herr Dipl. med. S., [ ...] vom 10. Mai 2004
Herr Dipl. med. Sch., [ ...] vom 11. Mai 2004
Dipl. med. M., [ ...] vom 17. November 2004
Allein in diesem Umfang könnten wirksam Integrationsvereinbarungen zum jeweiligen Zeitpunkt geschlossen worden sein.
Die Kammer teilt damit nicht die Ansicht der Beklagten, es könne auch auf die vor 2004 geschlossenen Kooperationsvereinbarungen zurückgegriffen werden, weil diese sich nach ihrer Ansicht mit der Kündigung der ihnen zu Grunde liegenden früheren "Integra-Verträge" zum 31. Dezember 2003 erledigten. So ergibt sich bereits aus den gleich lautenden Präambeln der jeweiligen Kooperationsvereinbarungen, welche alle die Kooperation mit der Klinik St. M. aus dem Jahr 2002 betreffen, dass die Klinik Initiatorin eines Versorgungsmodells der integrierten Versorgung sei. Gerade dieses Modell wurde jedoch zum 31. Dezember 2003 beendet, so dass die bis dahin kooperierenden Ärzte nicht darüber hinaus mit den Vertragspartnern des inzwischen beendeten Modells in diesem Rahmen zusammenarbeiten konnten. Eine Kooperation kann sich nur auf ein konkretes Projekt beziehen.
Die Kammer konnte sich auch nicht davon überzeugen, dass die Kooperationen rechtlich neu geregelt wurden. Insbesondere reichte die Beklagte trotz mehrfacher und deutlicher Aufforderungen zur Vorlage der Integrationsverträge zum Teil unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom November 2010 keine Überleitungs- oder Anpassungsverträge zur Akte, obwohl diese, so sie geschlossen worden sein sollten, ihr vorliegen müssten. Gemäß § 9 Absatz 2 des jeweiligen Integra-Vertrages ist der Abschluss von Kooperationsvereinbarungen der Geschäftsstelle anzuzeigen, die den Koordinierungsausschuss informiert. Hier ist aber gemäß § 12 Absatz 2 zumindest ein Vertreter der Beklagten Mitglied. Darüber hinaus bestimmt § 11 Absatz 2 der Integra- Verträge, dass die Geschäftsstelle die teilnehmenden Krankenkassen und damit auch die Beklagte über alle Vorgänge unterrichtet.
Soweit im Fall des Versorgungsmodells "I. D." auch Verträge ohne Datumsangabe vorgelegt wurden, sind diese im Ergebnis nicht anders zu beurteilen. Es ist nicht bekannt, wann sie geschlossen wurden und damit durch die behandelnden Ärzte Leistungen der integrierten Versorgung erbracht werden durften.
Demgemäß waren die Beteiligten nur ansatzweise rechtlich in der Lage, Leistungen im Rahmen der integrierten Versorgung zu erbringen.
Die Kammer konnte sich auf Basis der allenfalls wirksam geschlossenen Verträge auch nicht davon überzeugen, dass der geltend gemachte Einbehalt in dem Sinne erforderlich war, dass diese Mittel für die Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung benötigt wurden. Die Beklagte meldete an die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH (BQS), für 2004 und 2005 folgende Daten:
[ ...]
Dabei geht die Kammer davon aus, dass von einer weiten Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Erforderlichkeit im Sinne von § 140d Absatz 1 Satz 1 SGB V auszugehen ist, wobei unentschieden bleiben kann, ob hier eine Einschätzungsprärogative der Beklagten bestand, (vgl. hierzu auch Urteil des Landessozialgerichts Sachsen, vom 24. Juni 2009, L 1 KR 76/08, Rn. 35 und 36). Jedenfalls ist dem LSG zuzugeben, dass im Jahr 2004 nur geringe Erfahrungen mit der integrierten Versorgung bestanden, so dass sich die Prognosen auf Schätzungen stützen mussten. Konkret wurden vor 2004 im Rahmen dieser Versorgungsform allenfalls Behandlungen in M. zu Lasten der Beklagten erbracht. Doch selbst bei dieser großzügigen Sichtweise konnte sich die Kammer nicht von der Erforderlichkeit der Einbehalte zur Finanzierung der möglichen integrierten Versorgung überzeugen, weil sie auf der Basis der vorliegenden Unterlagen die Zahlen nicht nachvollziehen kann. Die Beklagte hat nicht dargelegt, welche Fallzahlen sie wie ermittelt hat und welche Vergütungsvolumina für die jeweiligen Versorgungsmodelle hieraus resultieren. Die Kammer sah sich auch nicht in der Lage, dies selbst zu ermitteln, da die Beklagte trotz mehrfacher und eindeutiger Aufforderungen keine vollständigen und ungeschwärzten Fall- und Vergütungszahlen vorgelegt hat, so dass es der Kammer an Anknüpfungstatsachen fehlt, um diese Schätzung überprüfen zu können, vgl. zum Erfordernis von Anknüpfungstatsachen u.a.
Greger in: Zöller, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 27. Auflage, zu § 287, Rn. 1-4 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung.
Sie konnte deshalb schon nicht nachvollziehen, ob die angenommenen Zahlen mit den "Integra-Verträgen" 2004 und den darauf basierenden - im Anschluss geschlossenen Kooperationsvereinbarungen - schlüssig sind, ob insbesondere die angenommenen Fallzahlen im Rahmen der integrierten Versorgung überhaupt rechtlich erbracht werden konnten. Dabei war insbesondere zu berücksichtigen, dass die Kooperationsverträge zu unterschiedlichen Zeitpunkten geschlossen wurden und damit zumindest teilweise erst nach Beginn des Einbehalts am 1. September 2004. So wurde die Kooperationsvereinbarung mit Herrn Dipl. med. M., [ ...], im Rahmen des Versorgungsmodells "I. H." am 17. November 2004 und diejenige mit Herrn Dr. V., [ ...], im Rahmen des Projektes "I. M." am 1. November 2004 geschlossen.
Darüber hinaus ging die Beklagte auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung davon aus, dass es sich bei der Einbeziehung der Rehabilitationseinrichtung E. B.-Sch. um eine Form der integrierten Versorgung handele, so dass auch dies in den Fall- und Vergütungszahlen berücksichtigt worden ist. Diese Auffassung teilt die Kammer jedoch nicht. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, in welcher Form hier Implantationen von Hüft- bzw. Kniegelenksendoprothesen im Rahmen der integrierten Versorgung hätten erbracht werden können. Aus § 1 Absatz 4 der "Integra-Verträge" ergibt sich, dass Rehabilitationsleistungen (nur) für Integra-Patienten der jeweiligen Kliniken erbracht werden sollen. In keinem der praktizierten Versorgungsmodelle lagen jedoch Kooperationsvereinbarungen aus 2004 vor, welche diese Form der Versorgung ermöglichen könnten. Weder Chirurgen noch Orthopäden sind Vertragspartner geworden, die allenfalls die Implantationen hätten vornehmen können.
Gegen die Plausibilität der ermittelten Zahlen im Versorgungsmodell "I. M." spricht darüber hinaus die Tatsache, dass die Beklagte die Kooperationsverträge aus früheren Jahren berücksichtigt hat, was nach den obigen Ausführungen nicht zulässig war. Die zahlenmäßig in hohem Umfang geschlossenen Kooperationsvereinbarungen aus dem Jahr 2002 haben nach Ansicht der Kammer die Prognose der Fallzahlen und des Vergütungsvolumens beeinflusst, so dass diese Zahlen nicht schlüssig sind, um den Finanzierungsbedarf nachzuweisen.
Da damit der Einbehalt von Rechnungen der vollstationären Behandlung nicht gerechtfertigt ist, war noch zu prüfen, ob die Forderung in ihrer Höhe besteht. Hiervon ist die Kammer im Ergebnis überzeugt, da die Summe der Einbehalte, die auf Blatt 157 bis 161 der Gerichtsakte bis zur Patientin Gitta Schulz, Fallnummer 196585, genannt sind, die Klageforderung übersteigt. Bis zu dieser Rechnung hat die Beklagte insgesamt 6.555,56 EUR einbehalten, so dass die Klage auch der Höhe nach begründet war.
Der Zinsanspruch ergibt sich in der eingeklagten Höhe unter dem Gesichtspunkt der Prozesszinsen aus § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit §§ 291 und 288 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie § 8 der 2004 geltenden Budget- und Entgeltvereinbarung. Für die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, soweit keine speziellen sozialrechtlichen Regelungen erlassen wurden, (vgl. u.a. Urteil des Bundessozialgerichts vom 8. September 2009, Az: B 1 KR 8/09 R, Rn. 14). Da sich die Beteiligten in § 8 der Budget- und Entgeltvereinbarung auf Verzugszinsen geeinigt haben, ist hierauf zurückzugreifen, da die Vorschrift des § 288 BGB dispositiv ist.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 197a Absatz 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Absatz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da die Beklagte vollständig unterlag.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus dem bezifferten Klageantrag, vgl. §§ 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Beklagte berechtigt war, Rechnungen für vollstationäre Behandlungen der bei ihr Versicherten in der Zeit vom 1. September 2004 bis einschließlich 2. November 2004 um jeweils eins vom Hundert zu kürzen.
Die Klägerin betreibt an den Standorten S. und G. Plankrankenhäuser im Sinne von § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V). In diesen Kliniken wurden im Jahr 2004 eine Vielzahl von Patienten behandelt, die bei der Beklagten versichert waren. Dies betrifft auch die auf Blatt 157 bis 161 der Gerichtsakte benannten Versicherten bis einschließlich Frau G. Sch., Fallnummer [ ...]. Für deren Behandlung erstellte die Klägerin diverse Rechnungen, welche die Beklagte auch bezahlte, weil Grund und Höhe der einzelnen Vergütungsansprüche zwischen den Beteiligten im Wesentlichen unstreitig sind. Streitig ist allein, ob die Beklagte berechtigt war, diese Rechnungen um jeweils eins vom Hundert des Rechnungsbetrages zu kürzen.
Hintergrund ist die Tatsache, dass die Beklagte im Jahr 2004 drei Verträge zur integrierten Versorgung gemäß § 140a ff. SGB V abgeschlossen hatte und die Einbehalte von Krankenhausrechnungen zur Finanzierung der neuen Versorgungsformen "I. M.", "I. H." und "I. D." nutzen wollte.
Die Klägerin bezweifelte jedoch die Berechtigung der Beklagten zu einem solchen Einbehalt, weil sie die Auffassung vertrat, dass diese Verträge nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprächen und der Einbehalt somit rechtswidrig erfolgt sei. Sie forderte die Beklagte deshalb mit Schreiben vom 10. Oktober 2008 auf, die Verträge zur integrierten Versorgung, welche sie zur Rechnungskürzung berechtigen würden, bis zum 27. Oktober 2008 zu übersenden. Dieser Aufforderung kam diese nicht nach.
Daraufhin hat die Klägerin am 18. Dezember 2008 Klage zum Sozialgericht erhoben. Zur Begründung hat sie unter anderem ausgeführt, dass die Beklagte außergerichtlich nicht den Nachweis erbracht habe, zum Einbehalt der einzelnen Rechnungsbestandteile berechtigt gewesen zu sein. Auch seien die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Verträge bzw. Vertragsauszüge nicht geeignet, dies nachzuholen. Sie vertritt die Ansicht, dass die Beklagte keine rechtswirksamen Verträge zur integrierten Versorgung geschlossen habe, so dass jeder Behandlungsfall vollständig vergütet werden müsse.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zur verurteilen, an sie weitere 6.533,59 EUR nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 19. Dezember 2008 für erbrachte vollstationäre Behandlungen zu Gunsten der auf Blatt 157 – 161 der Gerichtsakte bis einschließlich Frau G. Sch. genannten und bei der Beklagten versicherten Patienten zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt zusammengefasst die Ansicht, dass sie wirksame Verträge zur integrierten Versorgung geschlossen und dies im sozialgerichtlichen Verfahren auch nachgewiesen habe. Im Fall des Vertrages "I. M." könne bei der Beurteilung des Vertrages auch auf Kooperationsverträge aus den Jahren vor Abschluss des "Integra-Vertrages" zurückgegriffen werden, weil die Kooperationen zwischen niedergelassenen Ärzten und der Vertragspartnerin der Beklagten im Rahmen dieses Modellprojekts fortgesetzt worden seien.
Sie sei deshalb berechtigt gewesen, die Rechnungen für die von der Klägerin benannten Behandlungsfälle jeweils in Höhe von eins vom Hundert zu kürzen.
Die Kammer hat die Beklagte mehrfach - zuletzt mit Schreiben vom 21. November 2011 - aufgefordert, die vollständigen Integrationsverträge einschließlich der in Umsetzung dieser Verträge geschlossenen Kooperationsvereinbarungen vorzulegen. Dem ist die Beklagte nach anfänglicher Weigerung in dem aus der Akte ersichtlichen Umfang nachgekommen. Auf die vorgelegten Verträge bzw. Vertragsauszüge "I. M.", "I. D." und "I. H." sowie die als Anlagen zu den Schriftsätzen der Beklagten vom 23. und 24. November 2011 vorgelegten weiteren Unterlagen, insbesondere auf die Kooperationsverträge aus den Jahren 2002 bis 2004 wird ausdrücklich Bezug genommen. Die Beklagte hat darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung insgesamt sechs Schreiben des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen e.V. (vdak) vom 17. und 18. Dezember 2003 und 28. Januar 2004 vorgelegt, mit denen dieser auch im Namen der Beklagten "Verträge über die integrierte Versorgung" aus den Jahren 2002 und 2003 mit den jeweiligen Kliniken zum 31. Dezember 2003 kündigte. Auf Blatt 176 bis 184 der Gerichtsakte wird Bezug genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen, welche der Kammer in der mündlichen Verhandlung vorlagen und Gegenstand ihrer Beratung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Absatz 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da es sich vorliegend um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem die Beklagte nicht berechtigt ist, einseitig durch Verwaltungsakt Regelungen zu treffen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Mai 2000, Az: B 3 KR 33/99 R sowie Urteil vom 16. Dezember 2008, Az: B 1 KN 2/08 KR R, jeweils mit weiteren Nachweisen). Ein Vorverfahren war aus diesem Grund nicht erforderlich und eine Klagefrist nicht einzuhalten (BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 4 und BSGE 86,166 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1; st. Rspr.).
Auch der Klagegegenstand war zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer hinreichend bestimmt, so dass die Reichweite einer Bindungswirkung eines Urteils, vgl. § 141 SGG, hinreichend geklärt ist. Aus den Erklärungen des Prozessbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass diejenigen restlichen Vergütungsansprüche für Behandlungsfälle streitgegenständlich sein sollen, die auf Blatt 157 bis 161 der Gerichtsakte und dort bis zur Patientin G. Sch., Fallnummer [ ...], genannt werden. Weitergehende Ansprüche werden in diesem Verfahren nicht geltend gemacht.
Die Klage ist auch vollumfänglich begründet. Der Klägerin stehen für die genannten Behandlungen weitergehende Vergütungsansprüche in der eingeklagten Höhe zu, die seit Rechtshängigkeit in Höhe von fünf Prozent per anno zu verzinsen sind.
Die Rechtsgrundlage für die Vergütungsansprüche ist § 109 Absatz 4 Satz 3 SGB V, da diese nicht von einer Kostenzusage der jeweiligen Krankenkasse abhängen und unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den bei einer gesetzlichen Krankenkasse Versicherten entstehen, wenn die Versorgung gemäß § 39 Absatz 1 Satz 2 SGB V medizinisch erforderlich ist. Mit der Versorgungspflicht der Kliniken korrespondiert deren Vergütungsanspruch, vgl. § 109 Absatz 4 Satz 2 und 3 SGB V. Ergänzend beruht der Anspruch in seiner Höhe auch auf §§1,7 und 9 Absatz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in Verbindung mit der Anlage 1 Teil 1 der Fallpauschalenverordnung 2004 sowie § 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG). Gemäß § 1 Absatz 1 KHEntgG werden unter anderem vollstationäre Leistungen der Kliniken nach diesem Gesetz und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz vergütet.
Legt man dies zu Grunde, so besteht in jedem Behandlungsfall der Vergütungsanspruch dem Grunde nach.
Die Beteiligten trugen in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend vor, dass der Ausgleich der einzelnen Behandlungsfälle nur insoweit streitig ist, als es um den Einbehalt in Höhe von eins vom Hundert zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung geht. Sowohl die korrekte Kodierung als auch die Notwendigkeit der vollstationären Behandlungen der bei der Beklagten versicherten Patienten ist zwischen ihnen unstreitig, so dass auch die Kammer keinen Zweifel am Bestehen der Vergütungsansprüche der Klägerin hat.
Sie konnte sich deshalb darauf beschränken zu prüfen, ob die Beklagte berechtigt war, die auf Blatt 157 bis 161 der Gerichtsakte einzeln aufgeschlüsselten Rechnungsbeträge um jeweils ein Prozent zu kürzen.
Rechtsgrundlage für einen Einbehalt ist § 140d Absatz 1 Satz 1 SGB V in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung. Danach hat jede Krankenkasse in den Jahren 2004 bis 2006 jeweils Mittel bis zu eins vom Hundert von der nach § 85 Absatz 2 an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichtenden Gesamtvergütung sowie von den Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung einzubehalten, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung der nach § 140b geschlossenen Verträge erforderlich sind. Gemäß § 140b Absatz 1 in Verbindung mit § 140a Absatz 1 SGB V sind die Krankenkassen berechtigt, Verträge über eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende oder interdisziplinär fachübergreifende Versorgung mit
einzelnen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten und Zahnärzten, sonstigen nach dem vierten Kapitel zur Versorgung der Versicherten berechtigten Leistungserbringern oder deren Gemeinschaften,
Trägern zugelassener Krankenhäuser, soweit sie zur Versorgung berechtigt sind, Trägern von stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, soweit mit ihnen ein Versorgungsvertrag nach § 111 Absatz 2 besteht, Trägern von ambulanten Rehabilitationseinrichtungen oder deren Gemeinschaften,
Trägern von Einrichtungen nach § 95 Absatz 1 Satz 2 oder deren Gemeinschaften,
Trägern von Einrichtungen, die eine integrierte Versorgung nach § 140a durch zur Versorgung der Versicherten nach dem Vierten Kapitel berechtigte Leistungserbringer anbieten und
Gemeinschaften der vorgenannten Leistungserbringer und deren Gemeinschaften
zu schließen.
Einzig in Betracht kommende Alternative ist in den vorliegenden Verträgen die Sektoren übergreifende Versorgung im Sinne von § 140a Absatz 1 SGB V, da eine interdisziplinär- fachübergreifende Versorgung offensichtlich nicht angestrebt wird.
Zielsetzung einer in diesem Sinne übergreifenden Versorgung ist es, die Leistungssektoren der Regelversorgung stärker zu verzahnen und hierdurch eine wirtschaftlichere Versorgung zu ermöglichen und darüber hinaus Doppeluntersuchungen für den Patienten sowie Behandlungsunterbrechungen zu vermeiden. Auf Grund dessen ist nach Auffassung der Kammer der Begriff der Sektoren übergreifenden Versorgung funktionell zu bestimmen. Übergreifend ist eine Versorgung demgemäß dann, wenn Leistungsprozesse, die in der traditionellen Regelversorgung inhaltlich und institutionell getrennt sind, verknüpft werden. Bereits aus der Gesetzesbegründung, [vgl. Bundestagsdrucksache (künftig Bt-Drs.) 14/1245, S. 55], wird deutlich, dass der Gesetzgeber die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung im Blick hatte, (vgl. hierzu auch die Urteile des Bundessozialgerichts vom 6. Februar 2008, Az: B 6 KA 27/07 R, R. 15 und 16, Az: B 6 KA 5/07 R, Rn. 17 und 18 sowie Az: B 6 KA 7/07 R, Rn. 17 und 18).
Auf Basis dieser Maßstäbe konnte die Kammer nicht erkennen, dass die Beklagte zum Einbehalt berechtigt war. Dabei konnte sie letztlich unentschieden lassen, ob es sich bei den von der Beklagten finanzierten Versorgungsmodellen "I. M.", "I. D." und "I. H." um solche zur integrierten Versorgung im Sinne der §§ 140a und 140b SGB V handelt, (dazu unter 1.), da Leistungen der integrierten Versorgung zum großen Teil rechtlich noch nicht erbracht werden konnten, weil es an wirksamen Verträgen fehlte, (dazu unter 2.) und die übrigen Einbehalte jedenfalls nicht erweislich erforderlich waren, um die Umsetzung der integrierten Versorgung zu finanzieren, (dazu unter 3.).
Die drei der Kammer vorgelegten Verträge, welche die Beklagte mit jeweils einer Klinik - einerseits und jeweils mit der Rehabilitationseinrichtung für Orthopädie und Gynäkologie E. B. Sch. andererseits schloss, zielen nach Ansicht der Kammer im Grundsatz auf eine integrierte Versorgung im Sinne des Gesetzes. Dabei geht sie davon aus, dass lediglich eine überschlägige - die Grundvoraussetzungen eines Vertrages über die integrierte Versorgung betreffende - Prüfung erforderlich ist, (vgl. hierzu auch die Urteile des Bundessozialgerichts vom 2. November 2010, Az: B 1 KR 11/10 R, Rn. 24 und vom 25. November 2010, Az: B 3 KR 6/10 R, Rn. 17).
Gerade die vom Gesetzgeber gesehene Verzahnung von ambulantem und stationären Sektor nehmen auch die von der Beklagten vorgelegten und inhaltsgleichen drei "Integra-Verträge" in den Blick. Aus einer Gesamtschau der jeweiligen Präambeln und den §§ 1 und 9 der Verträge zwischen der Beklagten und den jeweiligen Krankenhäusern der Versorgungsmodelle wird deutlich, dass Gegenstand der Verträge Operationen in der jeweiligen Klinik waren, welche jeweils durch einen niedergelassenen und vertraglich an die Klinik gebundenen Arzt erbracht werden sollten. In § 1 Absatz 1 der "Integra-Verträge" heißt es dazu, das Gegenstand der integrierten Versorgung Operationen der in der Anlage 1 dieser Vereinbarung aufgeführten Indikationen seien, die durch kooperierende Ärzte gemäß § 9 erbracht würden. Operateur konnte damit nur ein zugelassener Vertragarzt oder ein in der Klinik angestellter Arzt sein, der jedoch nach dem Gesamtzusammenhang des Akteninhalts auch die gesamte Operationsvorbereitung bereits im ambulanten Bereich durchführte, so dass in der Klinik keine Aufnahmeuntersuchung und ggf. Diagnostik mehr durchgeführt werden musste. So hat auch das Bundessozialgericht in in einem vergleichbaren Sachverhalt entschieden, dass es auf eine integrierte Versorgung hindeute, wenn eine interventionelle Versorgung mit postoperativer Nachsorge im überwachten Bett erbracht werde und es sich bei den Ärzten um Vertragsärzte handele, (vgl. hieru Urteil des Bundessozialgerichts vom 2. November 2010, Az: B 1 KR 11/10 R, Rn. 26).
Anders bewertet die Kammer die Einbeziehung der Rehabilitationseinrichtung E. B. Sch. in die "Integra-Verträge". Insoweit geht sie nicht davon aus, dass die oben skizzierten Voraussetzungen für einen Vertrag zur integrierten Versorgung vorliegen. Sie konnte nicht erkennen, dass eine enge Verzahnung von verschiedenen Sektoren der Regelversorgung vorliegt. Nach dem Gesamtzusammenhang der Vertragstexte geht die Kammer davon aus, dass eine Verzahnung nur in Randbereichen und nicht im Kern erfolgt, (vgl. hierzu auch Urteil des Bundessozialgerichts vom 6. Februar 2008, Az: B 6 KA 27/07 R, Rn. 25 bis 27). Gemäß § 1 Absatz 4 der Verträge erbringt die Rehabilitationseinrichtung für "Integra-Patienten" der Kliniken Anschlussrehabilitationsleistungen einschließlich der Unterkunft und Verpflegung, falls eine Indikation besteht, die in der Anlage 2 der Verträge genannt wird. Dabei ist das genaue Verfahren in § 1 Absätze 5 bis 8 der Verträge geregelt. Nach Ansicht der Kammer ergibt sich hieraus keine wesentliche Abweichung von der traditionellen Regelversorgung. Auch in dieser wird eine Anschlussrehabilitation nach Antragstellung durch die behandelnden Ärzte und Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung bewilligt oder abgelehnt. Einziger Schnittpunkt zwischen der Behandlung der Patienten in der Klinik und ihrer Anschlussheilbehandlung ist nach Auffassung der Kammer die Organisation ihres Transports in die Rehabilitationsklinik am Tag ihrer Entlassung. Ein darüber hinausgehendes Zusammenwirken zwischen den Vertragspartnern ist nicht ersichtlich.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Budgetverantwortung, (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 6. Februar 2008, Az: B 6 KA 27/07 R, Rn. 25), weil für die Rehabilitationsleistungen gemäß § 4 Absatz 2 des jeweiligen Vertrages eine eigene Fallpauschale gezahlt wird. Die abweichende Vergütung von Rehabilitationsleistungen durch Fallpauschalen führt nicht zu einer Sektoren übergreifenden Versorgung, weil hierdurch keine engere Zusammenarbeit im Behandlungsmanagement erfolgt. Diese Abweichung beschränkt sich allein auf die Abrechnung.
Die Kammer geht auf Grund des Wortlautes von § 140d Absatz 1 Satz 1 SGB V und in Übereinstimmung mit der bundessozialgerichtlichen Rechtsprechung davon aus, dass die Krankenkassen nur dann berechtigt waren, Absetzungen von den Rechnungen für voll- und teilstationäre Behandlungen vorzunehmen, wenn die Vertragspartner rechtlich in der Lage waren, Leistungen der integrierten Versorgung zu erbringen, weil erst dann Verträge im Sinne des § 140b SGB V geschlossen worden sind. Dies ist im hier streitigen Zeitraum jedoch nur bedingt der Fall.
Auf Grund der durch die Beklagte zum 31. Dezember 2003 ausgesprochenen Kündigungen endeten die Modellprojekte zur integrierten Versorgung zu diesem Zeitpunkt. Damit bestand ab dem 1. Januar 2004 nach Ansicht der Kammer (zunächst) ein vertragsloser Zustand.
Zwar wurden in der Folge die hier vorgelegten drei "Integra-Verträge" später unterschrieben, wobei unklar ist, wann dies genau geschah. Doch selbst wenn dies - wie die Beklagte auf Grundlage von vier Schreiben des vdaK vom 17. März 2004 bzw. 21. April 2004 vorträgt - zu diesem Zeitpunkt der Fall gewesen sein sollte, waren die Vertragsschließenden rechtlich noch nicht in der Lage, Leistungen der integrierten Versorgung zu erbringen. Es fehlt nach Ansicht der Kammer zu diesem Zeitpunkt an einer vertraglichen Einbeziehung der niedergelassenen Vertragsärzte, die in § 9 der jeweiligen Verträge angesprochen wird. Nach Ansicht der Kammer ist der Vertrag zur integrierten Versorgung erst dann geschlossen, wenn niedergelassene Ärzte in den Vertrag aus 2004 wirksam einbezogen worden sind. Erst zu diesem Zeitpunkt waren die Beteiligten der Verträge rechtlich in der Lage, Leistungen zur integrierten Versorgung zu erbringen, (vgl. hierzu die Urteile des Bundessozialgerichts vom 25. November 2010, Az: B 3 KR 6/10 R, Rn. 18 und vom 2. November 2010, Az: B 1 KR 11/10 R, Rn. 27). Zeitlich nachfolgend zu den behaupteten und zu Gunsten der Beklagten angenommenen Vertragsschlüssen im März und April 2004 wurden jedoch lediglich jeweils drei Kooperationsvereinbarungen geschlossen:
Versorgungsmodell "I. M."
Herr Dr. W., [ ...] vom 27. Mai 2004
Herr Dr. H., [ ...] vom 21. Juni 2004
Herr Dr. V., [ ...] vom 1. November 2004
Versorgungsmodell "I. D."
Herr Dr. M., [ ...] vom 24. Juni 2004
Frau Dr. S., [ ...] vom 12. August 2004
Herr Dr. L., [ ...] vom 1. September 2004
Versorgungsmodell "I. H."
Herr Dipl. med. S., [ ...] vom 10. Mai 2004
Herr Dipl. med. Sch., [ ...] vom 11. Mai 2004
Dipl. med. M., [ ...] vom 17. November 2004
Allein in diesem Umfang könnten wirksam Integrationsvereinbarungen zum jeweiligen Zeitpunkt geschlossen worden sein.
Die Kammer teilt damit nicht die Ansicht der Beklagten, es könne auch auf die vor 2004 geschlossenen Kooperationsvereinbarungen zurückgegriffen werden, weil diese sich nach ihrer Ansicht mit der Kündigung der ihnen zu Grunde liegenden früheren "Integra-Verträge" zum 31. Dezember 2003 erledigten. So ergibt sich bereits aus den gleich lautenden Präambeln der jeweiligen Kooperationsvereinbarungen, welche alle die Kooperation mit der Klinik St. M. aus dem Jahr 2002 betreffen, dass die Klinik Initiatorin eines Versorgungsmodells der integrierten Versorgung sei. Gerade dieses Modell wurde jedoch zum 31. Dezember 2003 beendet, so dass die bis dahin kooperierenden Ärzte nicht darüber hinaus mit den Vertragspartnern des inzwischen beendeten Modells in diesem Rahmen zusammenarbeiten konnten. Eine Kooperation kann sich nur auf ein konkretes Projekt beziehen.
Die Kammer konnte sich auch nicht davon überzeugen, dass die Kooperationen rechtlich neu geregelt wurden. Insbesondere reichte die Beklagte trotz mehrfacher und deutlicher Aufforderungen zur Vorlage der Integrationsverträge zum Teil unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom November 2010 keine Überleitungs- oder Anpassungsverträge zur Akte, obwohl diese, so sie geschlossen worden sein sollten, ihr vorliegen müssten. Gemäß § 9 Absatz 2 des jeweiligen Integra-Vertrages ist der Abschluss von Kooperationsvereinbarungen der Geschäftsstelle anzuzeigen, die den Koordinierungsausschuss informiert. Hier ist aber gemäß § 12 Absatz 2 zumindest ein Vertreter der Beklagten Mitglied. Darüber hinaus bestimmt § 11 Absatz 2 der Integra- Verträge, dass die Geschäftsstelle die teilnehmenden Krankenkassen und damit auch die Beklagte über alle Vorgänge unterrichtet.
Soweit im Fall des Versorgungsmodells "I. D." auch Verträge ohne Datumsangabe vorgelegt wurden, sind diese im Ergebnis nicht anders zu beurteilen. Es ist nicht bekannt, wann sie geschlossen wurden und damit durch die behandelnden Ärzte Leistungen der integrierten Versorgung erbracht werden durften.
Demgemäß waren die Beteiligten nur ansatzweise rechtlich in der Lage, Leistungen im Rahmen der integrierten Versorgung zu erbringen.
Die Kammer konnte sich auf Basis der allenfalls wirksam geschlossenen Verträge auch nicht davon überzeugen, dass der geltend gemachte Einbehalt in dem Sinne erforderlich war, dass diese Mittel für die Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung benötigt wurden. Die Beklagte meldete an die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH (BQS), für 2004 und 2005 folgende Daten:
[ ...]
Dabei geht die Kammer davon aus, dass von einer weiten Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Erforderlichkeit im Sinne von § 140d Absatz 1 Satz 1 SGB V auszugehen ist, wobei unentschieden bleiben kann, ob hier eine Einschätzungsprärogative der Beklagten bestand, (vgl. hierzu auch Urteil des Landessozialgerichts Sachsen, vom 24. Juni 2009, L 1 KR 76/08, Rn. 35 und 36). Jedenfalls ist dem LSG zuzugeben, dass im Jahr 2004 nur geringe Erfahrungen mit der integrierten Versorgung bestanden, so dass sich die Prognosen auf Schätzungen stützen mussten. Konkret wurden vor 2004 im Rahmen dieser Versorgungsform allenfalls Behandlungen in M. zu Lasten der Beklagten erbracht. Doch selbst bei dieser großzügigen Sichtweise konnte sich die Kammer nicht von der Erforderlichkeit der Einbehalte zur Finanzierung der möglichen integrierten Versorgung überzeugen, weil sie auf der Basis der vorliegenden Unterlagen die Zahlen nicht nachvollziehen kann. Die Beklagte hat nicht dargelegt, welche Fallzahlen sie wie ermittelt hat und welche Vergütungsvolumina für die jeweiligen Versorgungsmodelle hieraus resultieren. Die Kammer sah sich auch nicht in der Lage, dies selbst zu ermitteln, da die Beklagte trotz mehrfacher und eindeutiger Aufforderungen keine vollständigen und ungeschwärzten Fall- und Vergütungszahlen vorgelegt hat, so dass es der Kammer an Anknüpfungstatsachen fehlt, um diese Schätzung überprüfen zu können, vgl. zum Erfordernis von Anknüpfungstatsachen u.a.
Greger in: Zöller, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 27. Auflage, zu § 287, Rn. 1-4 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung.
Sie konnte deshalb schon nicht nachvollziehen, ob die angenommenen Zahlen mit den "Integra-Verträgen" 2004 und den darauf basierenden - im Anschluss geschlossenen Kooperationsvereinbarungen - schlüssig sind, ob insbesondere die angenommenen Fallzahlen im Rahmen der integrierten Versorgung überhaupt rechtlich erbracht werden konnten. Dabei war insbesondere zu berücksichtigen, dass die Kooperationsverträge zu unterschiedlichen Zeitpunkten geschlossen wurden und damit zumindest teilweise erst nach Beginn des Einbehalts am 1. September 2004. So wurde die Kooperationsvereinbarung mit Herrn Dipl. med. M., [ ...], im Rahmen des Versorgungsmodells "I. H." am 17. November 2004 und diejenige mit Herrn Dr. V., [ ...], im Rahmen des Projektes "I. M." am 1. November 2004 geschlossen.
Darüber hinaus ging die Beklagte auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung davon aus, dass es sich bei der Einbeziehung der Rehabilitationseinrichtung E. B.-Sch. um eine Form der integrierten Versorgung handele, so dass auch dies in den Fall- und Vergütungszahlen berücksichtigt worden ist. Diese Auffassung teilt die Kammer jedoch nicht. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, in welcher Form hier Implantationen von Hüft- bzw. Kniegelenksendoprothesen im Rahmen der integrierten Versorgung hätten erbracht werden können. Aus § 1 Absatz 4 der "Integra-Verträge" ergibt sich, dass Rehabilitationsleistungen (nur) für Integra-Patienten der jeweiligen Kliniken erbracht werden sollen. In keinem der praktizierten Versorgungsmodelle lagen jedoch Kooperationsvereinbarungen aus 2004 vor, welche diese Form der Versorgung ermöglichen könnten. Weder Chirurgen noch Orthopäden sind Vertragspartner geworden, die allenfalls die Implantationen hätten vornehmen können.
Gegen die Plausibilität der ermittelten Zahlen im Versorgungsmodell "I. M." spricht darüber hinaus die Tatsache, dass die Beklagte die Kooperationsverträge aus früheren Jahren berücksichtigt hat, was nach den obigen Ausführungen nicht zulässig war. Die zahlenmäßig in hohem Umfang geschlossenen Kooperationsvereinbarungen aus dem Jahr 2002 haben nach Ansicht der Kammer die Prognose der Fallzahlen und des Vergütungsvolumens beeinflusst, so dass diese Zahlen nicht schlüssig sind, um den Finanzierungsbedarf nachzuweisen.
Da damit der Einbehalt von Rechnungen der vollstationären Behandlung nicht gerechtfertigt ist, war noch zu prüfen, ob die Forderung in ihrer Höhe besteht. Hiervon ist die Kammer im Ergebnis überzeugt, da die Summe der Einbehalte, die auf Blatt 157 bis 161 der Gerichtsakte bis zur Patientin Gitta Schulz, Fallnummer 196585, genannt sind, die Klageforderung übersteigt. Bis zu dieser Rechnung hat die Beklagte insgesamt 6.555,56 EUR einbehalten, so dass die Klage auch der Höhe nach begründet war.
Der Zinsanspruch ergibt sich in der eingeklagten Höhe unter dem Gesichtspunkt der Prozesszinsen aus § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit §§ 291 und 288 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie § 8 der 2004 geltenden Budget- und Entgeltvereinbarung. Für die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, soweit keine speziellen sozialrechtlichen Regelungen erlassen wurden, (vgl. u.a. Urteil des Bundessozialgerichts vom 8. September 2009, Az: B 1 KR 8/09 R, Rn. 14). Da sich die Beteiligten in § 8 der Budget- und Entgeltvereinbarung auf Verzugszinsen geeinigt haben, ist hierauf zurückzugreifen, da die Vorschrift des § 288 BGB dispositiv ist.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 197a Absatz 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Absatz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da die Beklagte vollständig unterlag.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus dem bezifferten Klageantrag, vgl. §§ 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.
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