Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 23 AS 29/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 1409/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 149/12 B
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.03.2010 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die dem Kläger zu gewährenden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 03.03.2006 bis zum 31.03.2007.
Der 1978 geborene Kläger beantragte erstmalig am 03.03.2006 bei dem Beklagten die Gewährung laufender Leistungen zur Grundsicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Beklagte nahm eine Bedarfsgemeinschaft des Klägers mit der 1977 geborenen Frau (W) an und bewilligte beiden mit Bescheid vom 27.03.2006 Leistungen für den Zeitraum vom 03.03.2006 bis 30.09.2006. Die Leistungen für den Kläger wurden mit monatlich 573,35 Euro festgesetzt (Regelleistung 311,00 Euro, Kosten für Unterkunft und Heizung 262,35 Euro).
Am 22.05.2006 trat Frau W in ein Beschäftigungsverhältnis (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme U e.V.: Gastronomischer Service für Besucher) ein. Nachweise über die Lohnzahlung wurden im Folgenden nicht überreicht, Schreiben des Beklagten gingen als unzustellbar an diesen zurück. Zum Juli 2006 stellte der Beklagte die Zahlung von Leistungen ein. Am 14.07.2006 fragte der Kläger bei dem Beklagten nach seiner Leistung nach und verwehrte sich gegen eine Anrechnung von Einkommen der Frau W. Der Beklagte hob gegenüber Frau W den Bewilligungsbescheid vom 27.03.2006 mit Bescheid vom 25.08.2006 für die Zeit von Juli bis September 2006 wegen der Erzielung von Arbeitseinkommen auf. In dem vom Kläger wegen dieser Leistungen ab 20.07.2006 geführten Eilverfahren verpflichtete das SG Düsseldorf den Beklagten mit Beschluss vom 10.10.2006, für die Zeit ab Antragstellung bis Ende September 2006 vorläufig einen Betrag von 240,00 Euro zu zahlen. Einen zunächst gegen den Bescheid vom 25.08.2006 eingelegten Widerspruch nahm der Kläger mit Schreiben vom 01.12.2006 zurück, nachdem der Beklagte die für ihn im Bescheid vom 27.03.2006 festgesetzten Leistungen für die Monate Juli bis September 2006 nachgezahlt hatte, weil er davon ausging, dass die Aufhebung lediglich gegenüber Frau W, nicht aber gegenüber dem Kläger ergangen sei.
Am 16.08.2006 stellte der Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 16.11.2006 ab, da die Hilfebedürftigkeit des Klägers mangels Vorlage von Lohneinkünften der Frau W nicht nachgewiesen sei.
Einen weiteren Antrag des Klägers vom 04.09.2006 auf Überprüfung der Leistungsgewährungen ab Januar 2006 unter Hinweis darauf, dass er mit Frau W nicht in Bedarfsgemeinschaft lebe, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12.12.2006 ab.
Auf die gegen beide Bescheide gerichteten Widersprüche des Klägers erließ der Beklagte am 11.01.2007 einen Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid. Unter Berücksichtigung der nunmehr vorgelegten Lohnnachweise der Frau W (Verdienst monatlich 1.001,72 Euro netto) wurden dem Kläger Leistungen für den Zeitraum Oktober 2006 bis März 2007 in Höhe von monatlich 171,64 Euro bewilligt und die Widersprüche im Übrigen zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 23.01.2007 Klage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben und Leistungen ohne Annahme einer Bedarfsgemeinschaft mit Frau W ab März 2006 begehrt.
Das SG hat den Kläger in einem Erörterungstermin am 16.11.2007 gehört sowie Frau W als Zeugin vernommen. Anschließend hat es eine Auskunft des ehemaligen Vermieters des Klägers und der Frau W vom 28.12.2007 eingeholt.
Mit Urteil vom 24.03.2010 hat das SG den Beklagten verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum Oktober 2006 bis März 2007 monatlich weitere 0,36 Euro zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Überzeugung der Kammer seien der Kläger und Frau W im streitigen Zeitraum als Partner einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne sowohl des § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II a.F. als auch in der ab 01.08.2006 geltenden Fassung (n.F.) anzusehen. Nach eigenen Angaben seien der Kläger und Frau W ein Paar mit intimen Kontakten und zum 01.01.2006 aus Zuneigung zueinander in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Die erste Wohnung und auch folgende Wohnungen seien von beiden ohne Einschränkung gemeinsam genutzt worden. Der Bevollmächtigte des Klägers habe beide in einem Schreiben vom 07.11.2006 als Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft bezeichnet, in der gemeinsam das Wohnzimmer, das Schlafzimmer und die Küche genutzt würden. Nach verständiger Würdigung sei darüber hinaus ein wechselseitiger Einstandswille anzunehmen. Dies resultiere zum Einen daraus, dass die Verbindung des Klägers mit Frau W aufgrund der wirtschaftlichen und emotionalen Verflechtung keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulasse und als "eheähnlich" bezeichnet werden müsse. Anhaltspunkte dafür, dass die Verbindung der Partner nicht auf Dauer angelegt sei, könnten nicht gefunden werden. Für den Zeitraum Oktober 2006 bis März 2007 ergebe sich aufgrund der Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 S. 2 SGB II ein Leistungsbetrag von 172,00 Euro anstelle der vom Beklagten festgesetzten 171,64 Euro.
Gegen das ihm am 23.06.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.07.2011 Berufung eingelegt und sein Begehren weiter verfolgt. Nach der ab 01.08.2006 geltenden Vermutungsregel des § 7 Abs. 3a SGB II werde ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen vermutet, wenn Partner 1. länger als ein Jahr zusammenleben, 2. mit einem Kind zusammenleben, 3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder 4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des Anderen zu verfügen. Bis 31.12.2006 habe keine dieser Voraussetzungen vorgelegen. Von der Vermutungsregel könne nur bei Vorliegen besonders wichtiger Gründe abgewichen werden, die hier weder vorgelegen hätten noch vom Gericht oder Beklagten angenommen worden seien. Ihm und seiner Freundin habe eine Erprobungszeit zugebilligt werden müssen, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass er unmittelbar vor dem Zusammenzug längere Zeit obdachlos gewesen sei und erst eine eigene geregelte Lebensführung zu erfahren gehabt habe. Für die Zeit ab 01.01.2007 werde darauf aufmerksam gemacht, dass Frau W für den Zeitraum seiner Unterfinanzierung nicht bereit gewesen sei, seine hälftigen Mietzahlungen zu übernehmen. Auch dieser Aspekt spreche gegen die Annahme eines Einstandswillens. Selbst wenn aber eine Bedarfsgemeinschaft angenommen werde, habe der Beklagte unzulässigerweise von dem ihm zustehenden Leistungsbetrag von 343,28 Euro die Hälfte mit dem Hinweis einbehalten, Frau W begehre ja keine Leistungen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.03.2010 aufzuheben, die Bescheide des Beklagten vom 16.11.2006 und 12.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in bestimmungsgemäßer Höhe ohne die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft mit Frau W ab März 2006 zu erbringen,
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, an ihn für den Zeitraum 01.10.2006 bis 31.03.2007 einen Betrag von 1.029,84 Euro nachzuzahlen und hinsichtlich dieses Antrags Frau W als Klägerin zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Das Gericht hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung hält der Senat nicht für erforderlich. Das Rechtsmittel wird daher ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen, nachdem die Beteiligten dazu gehört worden sind (§ 153 Abs. 4 SGG).
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 12.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2007 und Rücknahme des Bescheides vom 27.03.2006 gemäß § 44 SGB X sowie Zahlung von höheren monatlichen Leistungen als 573,35 Euro im Zeitraum März bis September 2006 noch einen Anspruch auf Änderung des Bescheides vom 16.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2007 unter Berücksichtigung der Festsetzung im angefochtenen Urteil des SG vom 24.03.2010 und Zahlung von höheren Leistungen als 172,00 Euro im Zeitraum Oktober 2006 bis März 2007. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren vermag nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen.
Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, eine Bedarfsgemeinschaft zwischen ihm und Frau W könne im streitigen Zeitraum jedenfalls bis Dezember 2006 bereits deshalb nicht angenommen werden, weil bis zu diesem Zeitpunkt keiner der Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3a SGB II erfüllt sei, verkennt er die rechtliche Ausgestaltung des § 7 SGB II. Eine Bedarfsgemeinschaft ist - unabhängig von den (erst mit Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl I, 1706, mit Wirkung ab 01.08.2006 in das SGB II eingefügten) Vermutungstatbeständen - dann anzunehmen, wenn die Gesamtschau aller bekannten Lebensumstände dafür spricht, dass zwei Personen, die in einem gemeinsamen Haushalt leben, nicht lediglich eine Haushalts- oder Wirtschaftsgemeinschaft, sondern eine eheähnliche Lebensgemeinschaft (Gesetzesfassung des § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II bis 31.07.2006) bzw. eine Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft (Gesetzesfassung des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II ab 01.08.2006) bilden. Entgegen wohl der Auffassung des Klägers kann aus dem (erst zum 01.08.2006 eingefügten) Vermutungstatbestand des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II nicht im Umkehrschluss herausgelesen werden, dass neu zusammenziehenden jedenfalls zumindest während des ersten Jahres des Zusammenlebens eine "Erprobungszeit" zugebilligt werden müsse, in dem jedenfalls noch keine Bedarfsgemeinschaft angenommen werden könne. Vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Umstände auf eine eheähnliche Lebens- bzw. Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft schließen lassen oder ob die Lebenspartner sich tatsächlich (zunächst) nur "erproben" wollen. Bei verständiger Würdigung der von dem Kläger und Frau W im Laufe des Verwaltungsverfahrens und auch bei ihrer Befragung vor dem Sozialgericht getätigten Aussagen über ihre Lebensgestaltung sowie den weiteren diesbezüglichen, objektiv aus dem Aktenstand erkennbaren Indizien ist im gesamten streitigen Zeitraum ein wechselseitiger Wille des Klägers und der Frau W dahingehend anzunehmen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Im Zeitraum ab Januar 2007 greift darüber hinaus die gesetzliche Vermutung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II.
Nach dem eigenen Vortrag des Klägers lebt dieser mit Frau W seit Januar 2006 in einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft. Die Ausprägung der tatsächlichen Lebensumstände dieser Gemeinschaft zeigt, dass diese über ein bloßes Wirtschaften nebeneinander deutlich hinausging. So gab der Kläger im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht an, dass er und Frau W im November 2005 "ein Paar" geworden seien. Der Einzug in eine gemeinsame Wohnung im Januar 2006 erfolgte nach den Angaben von Frau W "aus Zuneigung zueinander". Die Wohnung wurde vom Kläger und Frau W gemeinsam zum Januar 2006 angemietet. Bereits die hierdurch eingegangene gemeinsame finanzielle Verpflichtung lässt auf ein gegenseitiges füreinander Einstehen schließen. Dies gilt um so mehr als der Mietvertrag zu einer Zeit abgeschlossen wurde, als der Kläger, der zuvor obdachlos gewesen war, nach seinen eigenen Angaben noch über kein regelmäßiges Einkommen verfügte. In den Monaten Januar und Februar 2006 mussten Lebensunterhalt und Mietkosten für beide Partner wohl vorrangig vom damaligen Einkommen der Frau W getragen werden, die damit gleich zu Anfang des Zusammenlebens ein Einstehen für den Kläger zeigte. Dass die partnerschaftliche Beziehung zwischen ihnen in dieser Art ausgeprägt war, sahen offensichtlich auch der Kläger und Frau W zunächst so. Im Antragsformular vom 03.03.2006 bezeichnete Frau W den Kläger als "Partner in eheähnlicher Gemeinschaft". Den hierauf ergangenen Bewilligungsbescheid vom 27.03.2006 beanstandete der Kläger in den Folgemonaten trotz der für eine Bedarfsgemeinschaft geminderten Regelleistung nicht.
Dass die Beziehung des Klägers zu Frau W von einem starken Vertrauen in sie geprägt war, zeigte sich weiterhin daran, dass Geldeingänge für den Kläger mangels eigenen Kontos zunächst auf das Konto von Frau W flossen. So wurde ihm von seiner Mutter bereits kurz nach dem Zusammenzug noch im Januar ein Betrag von 150 Euro als Geburtstagsgeschenk auf das Konto der Frau W überwiesen. Auch die Zahlungen des Beklagten erfolgten zunächst auf dieses Konto. Dabei ist in der konkret vorgetragenen Situation nicht nur davon auszugehen, dass Frau W die Zahlungseingänge quasi lediglich als "Zahlstelle" für den Kläger angenommen hat. Vielmehr hat die Zeugin nach ihren Angaben eigenverantwortlich und ohne Buchführung entschieden, welche Beträge der Kläger ihrer Auffassung nach "zum Leben benötigte" und ihm diese dann jeweils in Einzelbeträgen ausgehändigt. Ein solcher Spielraum, bei dem die dem Kläger tatsächlich konkret zustehenden Leistungen, die problemlos aus dem Leistungsbescheid abgelesen werden konnten, nicht genau weitergeleitet wurden, spricht für eine Befugnis der Frau W, im damaligen Zeitraum über beide Einkommen zu verfügen.
Auch die sonstige Ausgestaltung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Klägers und der Frau W ging über eine reine Haushaltsgemeinschaft hinaus. So erfolgte die Aufteilung von Zahlungen ebenso wie die Haushaltsführung ohne klare Trennung der jeweiligen Pflichten. Zimmer und Möbel wurden jeweils gemeinsam genutzt, Lebensmittel wurden abwechselnd ohne Festhalten der Einzelbeträge nach dem Prinzip, "ungefähr jeder die Hälfte" erworben, Putzmittel wurden gemeinsam angeschafft, einen Putzplan gab es nicht. Anschaffungen sonstiger Art (z.B. Spielkonsole, Wohnzimmertisch, Videos) wurden überwiegend von Frau W finanziert, aber als "gemeinsame Anschaffungen" angesehen. Vertragspartner bei den Stadtwerken in der zunächst bewohnten Wohnung N-straße war der Kläger. Zahlungen aber wurden auch hierauf von Frau W vorgenommen. Einzelne Berechnungen zu Miete und Energiekosten wurden offenbar nicht vorgenommen. Diese "lockere" Handhabung der Zahlungen und Haushaltspflichten ist ein gewichtiges Indiz für ein gegenseitiges füreinander Einstehen. Während in einer reinen Wohngemeinschaft eine mindestens ganz überwiegend klare Trennung von Zahlungs- und sonstigen Pflichten besteht, zeichnet sich die Einstandsgemeinschaft dadurch aus, dass die Ausgaben und die Pflichten variabel von demjenigen erbracht bzw. übernommen werden, der leistungsfähig(er) ist.
Für eine Einstandsgemeinschaft spricht weiter, dass der Kläger und Frau W nach dem gemeinsamen Bezug der Wohnung N-straße im streitigen Zeitraum zweimalig gemeinsam umgezogen sind, zunächst in eine Übergangswohnung in der Wiesenstraße, anschließend in die dortige Nachbarwohnung. Auch dies geschah nach Angaben des Klägers vor dem Hintergrund, dass er und Frau W weiter zusammen wohnen wollten, somit aus dem Wunsch der Aufrechterhaltung der partnerschaftlichen Beziehung heraus. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Lebensgemeinschaft zwischen Frau W und dem Kläger auch nach dem streitigen Zeitraum weiter bestanden hat und noch besteht und im Jahr 2007 ein erneuter gemeinsamer Umzug erfolgt ist.
Soweit der Kläger selbst eine Bedarfsgemeinschaft verneint, vermag dies nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen, sondern ist vielmehr unter Berücksichtigung der o.g. Indizien als "Schutzbehauptung" anzusehen, um der Anrechnung von Einkommen der Frau W auf seinen Leistungsanspruch zu entgehen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Kläger der Annahme einer Bedarfsgemeinschaft erstmalig zu dem Zeitpunkt widersprochen hat, als eine solche Anrechnung von Einkommen im Raume stand. Dass Frau W - wie vom Kläger im Berufungsverfahren vorgetragen - für den Zeitraum seiner Unterfinanzierung nicht bereit gewesen sei, seine hälftigen Mietzahlungen zu übernehmen, hat sich im Gerichtsverfahren nicht bestätigen lassen. Dabei kann dahinstehen, inwieweit die Angaben des Vermieters, die Bedenken begegnen, herangezogen werden können, denn bereits nach den Angaben der Frau W stellte sich der Sachverhalt so dar, dass die Mietzahlungen aus anderen Gründen (Zustände beim Vermieter) irgendwann sowohl von Frau W als auch anderen Mietern des Hauses nicht mehr vorgenommen worden sind.
Auch mit seinem Hilfsbegehren, mit dem der Kläger sich dagegen wendet, dass der Beklagte "seinen Anspruch in Höhe von 343,28 Euro hälftig mit dem Hinweis einbehalten habe, Frau W begehre ja keine Leistungen", kann er nicht durchdringen. Falls der Kläger damit die Auffassung zum Ausdruck bringen will, das Einkommen von Frau W sei zunächst allein bei dieser und lediglich mit dem Rest bei ihm selbst anzurechnen, verkennt er, dass die Bedarfsdeckung nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nach der sogenannten horizontalen Methode (Bedarfsanteilsmethode) vorzunehmen ist und keine vertikale Einkommensanrechnung stattfindet (vgl. Wolff-Dellen in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl. 2011, § 9 Rn 27 unter Hinweis z.B. auf BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 90/10 R Rn 19 m.w.N., vgl. auch Urteil vom 18.06.2008 - B 14 AS 55/07 R Rn 23). Zu Recht hat der Beklagte daher im ersten Schritt den Bedarf aller Einzelmitglieder der Bedarfsgemeinschaft bestimmt, diesen dann dem anzurechnenden Einkommen gegenübergestellt und schließlich den ungedeckten Bedarf entsprechend dem persönlichen Hilfebedarf (hier: hälftig) auf den Kläger und Frau W verteilt. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass diese Berechnung noch zugunsten des Klägers ausgefallen ist, weil der Beklagte von dem Nettoeinkommen der Frau W von 1.001,72 Euro lediglich 721,72 Euro angerechnet hat, obgleich unter Berücksichtigung von §§ 11, 30 SGB II in der Fassung des Freibetragsneuregelungsgesetzes vom 14.08.2005 741,55 Euro anzusetzen gewesen wären (Freibetrag gem. § 11 Abs. 2 S. 2: 100 Euro, Freibetrag gem. § 30 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II: 140 Euro, Freibetrag gem. § 30 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II: 20,17 Euro). Unter Berücksichtigung des Gesamtbedarfs der Bedarfsgemeinschaft von 1.065,00 Euro hat der ungedeckte Bedarf damit 323,45 Euro betragen, so dass der ungedeckte Bedarf des Klägers selbst gem. § 9 Abs. 2 S. 3 SGB II lediglich 161,73 Euro, gerundet gem. § 41 Abs. 2 SGB II a.F. 162,00 Euro betragen hat. Dies konnte jedoch vom Senat ebenso wenig berücksichtigt werden wie die Tatsache, dass der Kläger auch in den Monaten Juni bis September 2006 wegen fehlender Anrechnung des Einkommens der Frau W zu hohe Leistungen erhalten hat und der Tatsache, dass der Beklagte bei der Nachzahlung der Beträge für Juli bis September 2006 übersehen hat, dass er für denselben Zeitraum bereits zuvor aufgrund des sozialgerichtlichen Eilbeschlusses einen Betrag von 240,00 Euro ausgezahlt hatte.
Soweit der Kläger mit seinem Hilfsantrag so zu verstehen ist, dass er - von horizontaler Berechnung ausgehend - auch den Betrag ausgezahlt haben möchte, der Frau W ab Oktober 2007 zugestanden hätte, so fehlt ihm hierfür die Anspruchsberechtigung. Eine Klage- bzw. Berufungsänderung unter Aufnahme von Frau W in das Verfahren als weitere Klägerin ist eine unzulässige Klageänderung (§ 99 SGG). Weder hat der Beklagte in die Klageänderung (subjektive Klagehäufung) eingewilligt noch ist die Klageänderung sachdienlich. Während das Verfahren des Klägers entscheidungsreif ist, fehlt es für ein Leistungsbegehren der Frau W bisher an jeglichem Verwaltungsverfahren. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass eine positive Entscheidung des Beklagten mangels Leistungsantrags der Frau W für den Zeitraum ab Oktober 2006 im Hinblick auf die Vorschrift des § 37 Abs. 2 SGB II auch nicht zu erwarten steht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die dem Kläger zu gewährenden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 03.03.2006 bis zum 31.03.2007.
Der 1978 geborene Kläger beantragte erstmalig am 03.03.2006 bei dem Beklagten die Gewährung laufender Leistungen zur Grundsicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Beklagte nahm eine Bedarfsgemeinschaft des Klägers mit der 1977 geborenen Frau (W) an und bewilligte beiden mit Bescheid vom 27.03.2006 Leistungen für den Zeitraum vom 03.03.2006 bis 30.09.2006. Die Leistungen für den Kläger wurden mit monatlich 573,35 Euro festgesetzt (Regelleistung 311,00 Euro, Kosten für Unterkunft und Heizung 262,35 Euro).
Am 22.05.2006 trat Frau W in ein Beschäftigungsverhältnis (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme U e.V.: Gastronomischer Service für Besucher) ein. Nachweise über die Lohnzahlung wurden im Folgenden nicht überreicht, Schreiben des Beklagten gingen als unzustellbar an diesen zurück. Zum Juli 2006 stellte der Beklagte die Zahlung von Leistungen ein. Am 14.07.2006 fragte der Kläger bei dem Beklagten nach seiner Leistung nach und verwehrte sich gegen eine Anrechnung von Einkommen der Frau W. Der Beklagte hob gegenüber Frau W den Bewilligungsbescheid vom 27.03.2006 mit Bescheid vom 25.08.2006 für die Zeit von Juli bis September 2006 wegen der Erzielung von Arbeitseinkommen auf. In dem vom Kläger wegen dieser Leistungen ab 20.07.2006 geführten Eilverfahren verpflichtete das SG Düsseldorf den Beklagten mit Beschluss vom 10.10.2006, für die Zeit ab Antragstellung bis Ende September 2006 vorläufig einen Betrag von 240,00 Euro zu zahlen. Einen zunächst gegen den Bescheid vom 25.08.2006 eingelegten Widerspruch nahm der Kläger mit Schreiben vom 01.12.2006 zurück, nachdem der Beklagte die für ihn im Bescheid vom 27.03.2006 festgesetzten Leistungen für die Monate Juli bis September 2006 nachgezahlt hatte, weil er davon ausging, dass die Aufhebung lediglich gegenüber Frau W, nicht aber gegenüber dem Kläger ergangen sei.
Am 16.08.2006 stellte der Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 16.11.2006 ab, da die Hilfebedürftigkeit des Klägers mangels Vorlage von Lohneinkünften der Frau W nicht nachgewiesen sei.
Einen weiteren Antrag des Klägers vom 04.09.2006 auf Überprüfung der Leistungsgewährungen ab Januar 2006 unter Hinweis darauf, dass er mit Frau W nicht in Bedarfsgemeinschaft lebe, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12.12.2006 ab.
Auf die gegen beide Bescheide gerichteten Widersprüche des Klägers erließ der Beklagte am 11.01.2007 einen Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid. Unter Berücksichtigung der nunmehr vorgelegten Lohnnachweise der Frau W (Verdienst monatlich 1.001,72 Euro netto) wurden dem Kläger Leistungen für den Zeitraum Oktober 2006 bis März 2007 in Höhe von monatlich 171,64 Euro bewilligt und die Widersprüche im Übrigen zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 23.01.2007 Klage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben und Leistungen ohne Annahme einer Bedarfsgemeinschaft mit Frau W ab März 2006 begehrt.
Das SG hat den Kläger in einem Erörterungstermin am 16.11.2007 gehört sowie Frau W als Zeugin vernommen. Anschließend hat es eine Auskunft des ehemaligen Vermieters des Klägers und der Frau W vom 28.12.2007 eingeholt.
Mit Urteil vom 24.03.2010 hat das SG den Beklagten verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum Oktober 2006 bis März 2007 monatlich weitere 0,36 Euro zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Überzeugung der Kammer seien der Kläger und Frau W im streitigen Zeitraum als Partner einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne sowohl des § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II a.F. als auch in der ab 01.08.2006 geltenden Fassung (n.F.) anzusehen. Nach eigenen Angaben seien der Kläger und Frau W ein Paar mit intimen Kontakten und zum 01.01.2006 aus Zuneigung zueinander in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Die erste Wohnung und auch folgende Wohnungen seien von beiden ohne Einschränkung gemeinsam genutzt worden. Der Bevollmächtigte des Klägers habe beide in einem Schreiben vom 07.11.2006 als Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft bezeichnet, in der gemeinsam das Wohnzimmer, das Schlafzimmer und die Küche genutzt würden. Nach verständiger Würdigung sei darüber hinaus ein wechselseitiger Einstandswille anzunehmen. Dies resultiere zum Einen daraus, dass die Verbindung des Klägers mit Frau W aufgrund der wirtschaftlichen und emotionalen Verflechtung keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulasse und als "eheähnlich" bezeichnet werden müsse. Anhaltspunkte dafür, dass die Verbindung der Partner nicht auf Dauer angelegt sei, könnten nicht gefunden werden. Für den Zeitraum Oktober 2006 bis März 2007 ergebe sich aufgrund der Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 S. 2 SGB II ein Leistungsbetrag von 172,00 Euro anstelle der vom Beklagten festgesetzten 171,64 Euro.
Gegen das ihm am 23.06.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.07.2011 Berufung eingelegt und sein Begehren weiter verfolgt. Nach der ab 01.08.2006 geltenden Vermutungsregel des § 7 Abs. 3a SGB II werde ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen vermutet, wenn Partner 1. länger als ein Jahr zusammenleben, 2. mit einem Kind zusammenleben, 3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder 4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des Anderen zu verfügen. Bis 31.12.2006 habe keine dieser Voraussetzungen vorgelegen. Von der Vermutungsregel könne nur bei Vorliegen besonders wichtiger Gründe abgewichen werden, die hier weder vorgelegen hätten noch vom Gericht oder Beklagten angenommen worden seien. Ihm und seiner Freundin habe eine Erprobungszeit zugebilligt werden müssen, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass er unmittelbar vor dem Zusammenzug längere Zeit obdachlos gewesen sei und erst eine eigene geregelte Lebensführung zu erfahren gehabt habe. Für die Zeit ab 01.01.2007 werde darauf aufmerksam gemacht, dass Frau W für den Zeitraum seiner Unterfinanzierung nicht bereit gewesen sei, seine hälftigen Mietzahlungen zu übernehmen. Auch dieser Aspekt spreche gegen die Annahme eines Einstandswillens. Selbst wenn aber eine Bedarfsgemeinschaft angenommen werde, habe der Beklagte unzulässigerweise von dem ihm zustehenden Leistungsbetrag von 343,28 Euro die Hälfte mit dem Hinweis einbehalten, Frau W begehre ja keine Leistungen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.03.2010 aufzuheben, die Bescheide des Beklagten vom 16.11.2006 und 12.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in bestimmungsgemäßer Höhe ohne die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft mit Frau W ab März 2006 zu erbringen,
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, an ihn für den Zeitraum 01.10.2006 bis 31.03.2007 einen Betrag von 1.029,84 Euro nachzuzahlen und hinsichtlich dieses Antrags Frau W als Klägerin zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Das Gericht hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung hält der Senat nicht für erforderlich. Das Rechtsmittel wird daher ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen, nachdem die Beteiligten dazu gehört worden sind (§ 153 Abs. 4 SGG).
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 12.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2007 und Rücknahme des Bescheides vom 27.03.2006 gemäß § 44 SGB X sowie Zahlung von höheren monatlichen Leistungen als 573,35 Euro im Zeitraum März bis September 2006 noch einen Anspruch auf Änderung des Bescheides vom 16.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2007 unter Berücksichtigung der Festsetzung im angefochtenen Urteil des SG vom 24.03.2010 und Zahlung von höheren Leistungen als 172,00 Euro im Zeitraum Oktober 2006 bis März 2007. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren vermag nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen.
Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, eine Bedarfsgemeinschaft zwischen ihm und Frau W könne im streitigen Zeitraum jedenfalls bis Dezember 2006 bereits deshalb nicht angenommen werden, weil bis zu diesem Zeitpunkt keiner der Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3a SGB II erfüllt sei, verkennt er die rechtliche Ausgestaltung des § 7 SGB II. Eine Bedarfsgemeinschaft ist - unabhängig von den (erst mit Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl I, 1706, mit Wirkung ab 01.08.2006 in das SGB II eingefügten) Vermutungstatbeständen - dann anzunehmen, wenn die Gesamtschau aller bekannten Lebensumstände dafür spricht, dass zwei Personen, die in einem gemeinsamen Haushalt leben, nicht lediglich eine Haushalts- oder Wirtschaftsgemeinschaft, sondern eine eheähnliche Lebensgemeinschaft (Gesetzesfassung des § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II bis 31.07.2006) bzw. eine Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft (Gesetzesfassung des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II ab 01.08.2006) bilden. Entgegen wohl der Auffassung des Klägers kann aus dem (erst zum 01.08.2006 eingefügten) Vermutungstatbestand des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II nicht im Umkehrschluss herausgelesen werden, dass neu zusammenziehenden jedenfalls zumindest während des ersten Jahres des Zusammenlebens eine "Erprobungszeit" zugebilligt werden müsse, in dem jedenfalls noch keine Bedarfsgemeinschaft angenommen werden könne. Vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Umstände auf eine eheähnliche Lebens- bzw. Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft schließen lassen oder ob die Lebenspartner sich tatsächlich (zunächst) nur "erproben" wollen. Bei verständiger Würdigung der von dem Kläger und Frau W im Laufe des Verwaltungsverfahrens und auch bei ihrer Befragung vor dem Sozialgericht getätigten Aussagen über ihre Lebensgestaltung sowie den weiteren diesbezüglichen, objektiv aus dem Aktenstand erkennbaren Indizien ist im gesamten streitigen Zeitraum ein wechselseitiger Wille des Klägers und der Frau W dahingehend anzunehmen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Im Zeitraum ab Januar 2007 greift darüber hinaus die gesetzliche Vermutung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II.
Nach dem eigenen Vortrag des Klägers lebt dieser mit Frau W seit Januar 2006 in einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft. Die Ausprägung der tatsächlichen Lebensumstände dieser Gemeinschaft zeigt, dass diese über ein bloßes Wirtschaften nebeneinander deutlich hinausging. So gab der Kläger im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht an, dass er und Frau W im November 2005 "ein Paar" geworden seien. Der Einzug in eine gemeinsame Wohnung im Januar 2006 erfolgte nach den Angaben von Frau W "aus Zuneigung zueinander". Die Wohnung wurde vom Kläger und Frau W gemeinsam zum Januar 2006 angemietet. Bereits die hierdurch eingegangene gemeinsame finanzielle Verpflichtung lässt auf ein gegenseitiges füreinander Einstehen schließen. Dies gilt um so mehr als der Mietvertrag zu einer Zeit abgeschlossen wurde, als der Kläger, der zuvor obdachlos gewesen war, nach seinen eigenen Angaben noch über kein regelmäßiges Einkommen verfügte. In den Monaten Januar und Februar 2006 mussten Lebensunterhalt und Mietkosten für beide Partner wohl vorrangig vom damaligen Einkommen der Frau W getragen werden, die damit gleich zu Anfang des Zusammenlebens ein Einstehen für den Kläger zeigte. Dass die partnerschaftliche Beziehung zwischen ihnen in dieser Art ausgeprägt war, sahen offensichtlich auch der Kläger und Frau W zunächst so. Im Antragsformular vom 03.03.2006 bezeichnete Frau W den Kläger als "Partner in eheähnlicher Gemeinschaft". Den hierauf ergangenen Bewilligungsbescheid vom 27.03.2006 beanstandete der Kläger in den Folgemonaten trotz der für eine Bedarfsgemeinschaft geminderten Regelleistung nicht.
Dass die Beziehung des Klägers zu Frau W von einem starken Vertrauen in sie geprägt war, zeigte sich weiterhin daran, dass Geldeingänge für den Kläger mangels eigenen Kontos zunächst auf das Konto von Frau W flossen. So wurde ihm von seiner Mutter bereits kurz nach dem Zusammenzug noch im Januar ein Betrag von 150 Euro als Geburtstagsgeschenk auf das Konto der Frau W überwiesen. Auch die Zahlungen des Beklagten erfolgten zunächst auf dieses Konto. Dabei ist in der konkret vorgetragenen Situation nicht nur davon auszugehen, dass Frau W die Zahlungseingänge quasi lediglich als "Zahlstelle" für den Kläger angenommen hat. Vielmehr hat die Zeugin nach ihren Angaben eigenverantwortlich und ohne Buchführung entschieden, welche Beträge der Kläger ihrer Auffassung nach "zum Leben benötigte" und ihm diese dann jeweils in Einzelbeträgen ausgehändigt. Ein solcher Spielraum, bei dem die dem Kläger tatsächlich konkret zustehenden Leistungen, die problemlos aus dem Leistungsbescheid abgelesen werden konnten, nicht genau weitergeleitet wurden, spricht für eine Befugnis der Frau W, im damaligen Zeitraum über beide Einkommen zu verfügen.
Auch die sonstige Ausgestaltung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Klägers und der Frau W ging über eine reine Haushaltsgemeinschaft hinaus. So erfolgte die Aufteilung von Zahlungen ebenso wie die Haushaltsführung ohne klare Trennung der jeweiligen Pflichten. Zimmer und Möbel wurden jeweils gemeinsam genutzt, Lebensmittel wurden abwechselnd ohne Festhalten der Einzelbeträge nach dem Prinzip, "ungefähr jeder die Hälfte" erworben, Putzmittel wurden gemeinsam angeschafft, einen Putzplan gab es nicht. Anschaffungen sonstiger Art (z.B. Spielkonsole, Wohnzimmertisch, Videos) wurden überwiegend von Frau W finanziert, aber als "gemeinsame Anschaffungen" angesehen. Vertragspartner bei den Stadtwerken in der zunächst bewohnten Wohnung N-straße war der Kläger. Zahlungen aber wurden auch hierauf von Frau W vorgenommen. Einzelne Berechnungen zu Miete und Energiekosten wurden offenbar nicht vorgenommen. Diese "lockere" Handhabung der Zahlungen und Haushaltspflichten ist ein gewichtiges Indiz für ein gegenseitiges füreinander Einstehen. Während in einer reinen Wohngemeinschaft eine mindestens ganz überwiegend klare Trennung von Zahlungs- und sonstigen Pflichten besteht, zeichnet sich die Einstandsgemeinschaft dadurch aus, dass die Ausgaben und die Pflichten variabel von demjenigen erbracht bzw. übernommen werden, der leistungsfähig(er) ist.
Für eine Einstandsgemeinschaft spricht weiter, dass der Kläger und Frau W nach dem gemeinsamen Bezug der Wohnung N-straße im streitigen Zeitraum zweimalig gemeinsam umgezogen sind, zunächst in eine Übergangswohnung in der Wiesenstraße, anschließend in die dortige Nachbarwohnung. Auch dies geschah nach Angaben des Klägers vor dem Hintergrund, dass er und Frau W weiter zusammen wohnen wollten, somit aus dem Wunsch der Aufrechterhaltung der partnerschaftlichen Beziehung heraus. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Lebensgemeinschaft zwischen Frau W und dem Kläger auch nach dem streitigen Zeitraum weiter bestanden hat und noch besteht und im Jahr 2007 ein erneuter gemeinsamer Umzug erfolgt ist.
Soweit der Kläger selbst eine Bedarfsgemeinschaft verneint, vermag dies nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen, sondern ist vielmehr unter Berücksichtigung der o.g. Indizien als "Schutzbehauptung" anzusehen, um der Anrechnung von Einkommen der Frau W auf seinen Leistungsanspruch zu entgehen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Kläger der Annahme einer Bedarfsgemeinschaft erstmalig zu dem Zeitpunkt widersprochen hat, als eine solche Anrechnung von Einkommen im Raume stand. Dass Frau W - wie vom Kläger im Berufungsverfahren vorgetragen - für den Zeitraum seiner Unterfinanzierung nicht bereit gewesen sei, seine hälftigen Mietzahlungen zu übernehmen, hat sich im Gerichtsverfahren nicht bestätigen lassen. Dabei kann dahinstehen, inwieweit die Angaben des Vermieters, die Bedenken begegnen, herangezogen werden können, denn bereits nach den Angaben der Frau W stellte sich der Sachverhalt so dar, dass die Mietzahlungen aus anderen Gründen (Zustände beim Vermieter) irgendwann sowohl von Frau W als auch anderen Mietern des Hauses nicht mehr vorgenommen worden sind.
Auch mit seinem Hilfsbegehren, mit dem der Kläger sich dagegen wendet, dass der Beklagte "seinen Anspruch in Höhe von 343,28 Euro hälftig mit dem Hinweis einbehalten habe, Frau W begehre ja keine Leistungen", kann er nicht durchdringen. Falls der Kläger damit die Auffassung zum Ausdruck bringen will, das Einkommen von Frau W sei zunächst allein bei dieser und lediglich mit dem Rest bei ihm selbst anzurechnen, verkennt er, dass die Bedarfsdeckung nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nach der sogenannten horizontalen Methode (Bedarfsanteilsmethode) vorzunehmen ist und keine vertikale Einkommensanrechnung stattfindet (vgl. Wolff-Dellen in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl. 2011, § 9 Rn 27 unter Hinweis z.B. auf BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 90/10 R Rn 19 m.w.N., vgl. auch Urteil vom 18.06.2008 - B 14 AS 55/07 R Rn 23). Zu Recht hat der Beklagte daher im ersten Schritt den Bedarf aller Einzelmitglieder der Bedarfsgemeinschaft bestimmt, diesen dann dem anzurechnenden Einkommen gegenübergestellt und schließlich den ungedeckten Bedarf entsprechend dem persönlichen Hilfebedarf (hier: hälftig) auf den Kläger und Frau W verteilt. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass diese Berechnung noch zugunsten des Klägers ausgefallen ist, weil der Beklagte von dem Nettoeinkommen der Frau W von 1.001,72 Euro lediglich 721,72 Euro angerechnet hat, obgleich unter Berücksichtigung von §§ 11, 30 SGB II in der Fassung des Freibetragsneuregelungsgesetzes vom 14.08.2005 741,55 Euro anzusetzen gewesen wären (Freibetrag gem. § 11 Abs. 2 S. 2: 100 Euro, Freibetrag gem. § 30 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II: 140 Euro, Freibetrag gem. § 30 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II: 20,17 Euro). Unter Berücksichtigung des Gesamtbedarfs der Bedarfsgemeinschaft von 1.065,00 Euro hat der ungedeckte Bedarf damit 323,45 Euro betragen, so dass der ungedeckte Bedarf des Klägers selbst gem. § 9 Abs. 2 S. 3 SGB II lediglich 161,73 Euro, gerundet gem. § 41 Abs. 2 SGB II a.F. 162,00 Euro betragen hat. Dies konnte jedoch vom Senat ebenso wenig berücksichtigt werden wie die Tatsache, dass der Kläger auch in den Monaten Juni bis September 2006 wegen fehlender Anrechnung des Einkommens der Frau W zu hohe Leistungen erhalten hat und der Tatsache, dass der Beklagte bei der Nachzahlung der Beträge für Juli bis September 2006 übersehen hat, dass er für denselben Zeitraum bereits zuvor aufgrund des sozialgerichtlichen Eilbeschlusses einen Betrag von 240,00 Euro ausgezahlt hatte.
Soweit der Kläger mit seinem Hilfsantrag so zu verstehen ist, dass er - von horizontaler Berechnung ausgehend - auch den Betrag ausgezahlt haben möchte, der Frau W ab Oktober 2007 zugestanden hätte, so fehlt ihm hierfür die Anspruchsberechtigung. Eine Klage- bzw. Berufungsänderung unter Aufnahme von Frau W in das Verfahren als weitere Klägerin ist eine unzulässige Klageänderung (§ 99 SGG). Weder hat der Beklagte in die Klageänderung (subjektive Klagehäufung) eingewilligt noch ist die Klageänderung sachdienlich. Während das Verfahren des Klägers entscheidungsreif ist, fehlt es für ein Leistungsbegehren der Frau W bisher an jeglichem Verwaltungsverfahren. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass eine positive Entscheidung des Beklagten mangels Leistungsantrags der Frau W für den Zeitraum ab Oktober 2006 im Hinblick auf die Vorschrift des § 37 Abs. 2 SGB II auch nicht zu erwarten steht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Rechtskraft
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