Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 105/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 241/12
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin zu 1) die seit November 2010 erbrachten Aufwendungen für die Grundsicherung des Hilfeempfängers I.B. nach dem Vierten Kapitel des SGB XII in Höhe von 7.530,87 EUR zu erstatten. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Hilfeempfänger I.B. auch künftig bei entsprechendem Bedarf Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu gewähren, solange dieser Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel des SGB XII im Rahmen ambulant betreuten Wohnens erhält. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1) und der Beklagte je zur Hälfte. Der Streitwert wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, welcher Sozialhilfeträger für die dem Hilfeempfänger (HE) I.B. seit November 2010 gewährten und künftig zustehenden Leistungen der Grundsicherung (GSi) im Alter, der Hilfe zur Pflege und der Kurzzeitpflege zuständig ist. Für bisher erbrachte Aufwendungen machen die Kläger Erstattungsansprüche geltend, die Klägerin zu 1) in Höhe von 7.530,87 EUR für GSi-Leistungen und 6.757,67 EUR für Leistungen der Hilfe zu Pflege, der Kläger zu 2) in Höhe von 270,65 EUR für Kurzzeitpflege.
Der am 00.00.0000 geborene HE ist als Schwerbehinderter anerkannt nach einem Grad der Behinderung (seit 1985) von 100. Er leidet u.a. an einer Persönlichkeitsstörung und ist erheblich pflegebedürftig (Pflegestufe I). Er steht unter gerichtlich angeordneter Betreuung und bezieht Regelaltersrente.
Die Beigeladene zu 2) hatte dem HE ab 2004 Leistungen der GSi im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches (SGB XII) gewährt. Der HE war seit Oktober 2004 in Kiel ansässig. Im Oktober 2006 verließ er seine Wohnung in Kiel. Er suchte eine Reihe von Orten in Deutschland auf. Er befand sich vom 20.11. bis 28.12.2006 in einem Krankenhaus in Münster, vom 28.12. bis 31.12.2006 in einem Hotel in Köln, vom 31.12.2006 bis 04.01.2007 in einem Krankenhaus in Köln, vom 04.01. bis 08.01.2007 in einer Jugendherberge in Bonn, vom 08.01. bis 11.01.2007 in einem Krankenhaus in Mainz, vom 11.01. bis 14.01.2007 nach einer Übernachtung im Zug in einer Jugendherberge in Konstanz und vom 14.01. bis 07.02.2007 in einem Krankenhaus in Stuttgart. Vom 07.02. bis 08.02.2007 fuhr der HE mit einem Zug nach Heiligenhafen. Am 08.02.2007 suchte er dort die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie auf. Er wurde dort stationär aufgenommen und bis zum 02.05.2007 behandelt. Die Ärzte stellten ausweislich ihres Entlassungsberichtes vom 11.09.2007 eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen bei angegebener Traumatisierung in der Kindheit, eigenanamnestisch dissoziative Fugue, ein leichtes hirnorganisches Psychosyndrom, fraglich infolge eines Schädelhirntraumas mit Polytrauma 1966, nachfolgend mit Armamputation links, wegen Phantomschmerzen stereotaktische Operationen mit Ausbildung einer spastischen Hemiparese rechts und eine arterielle Hypertonie fest. Nach der Entlassung aus der Klinik in Heiligenhafen lebte der HE vom 02.05. bis 31.08.2007 in einem Altenheim (Seniorenresidenz) in Burg/Fehmarn.
Am 31.08.2007 verließ der HE die Seniorenresidenz Burg/Fehmarn. Ab 01.09.2007 lebte er in einer Wohnung in Oldenburg, ... (Kreis Ostholstein). Ab 04.09.2007 wurde er durch die Brücke Ostholstein gGmbH im Rahmen von Eingliederungshilfe betreut. Mit Bescheid vom 17.09.2007 gewährte der Beklagte dem HE Eingliederungshilfeleistungen im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens, zunächst vom 04.09.2007 bis 31.03.2008; mit weiteren Bescheiden bewilligte er diese Leistung, die der HE bis zum 15.07.2010 erhielt. Darüber hinaus bezog der HE von dem Beklagten seit 01.09.2007 ergänzende GSi-Leistungen nach SGB XII (Bescheid vom 27.08.2007), zuletzt bewilligt durch Bescheid vom 13.04., 01.07., 20.08. und 24.08.2010 für die Zeit vom 01.07. bzw. 01.09.2010 bis 30.06.2011. Die letzte GSi-Zahlung an den HE erfolgte seitens des Beklagten am 24.09.2010 für den Monat Oktober 2010.
Ausweislich eines Telefonvermerks erhielt der Beklagte bereits am 20.08.2010 von der Klinik Halle (Saale) die Mitteilung, dass der HE dort seit 25.07.2010 untergebracht sei, nach seinen Angaben gerne nach Sachsen-Anhalt ziehen würde und die Wohnung in Oldenburg bereits gekündigt habe. Der Beklagte erklärte der Klinik, dass eine Weiterzahlung der Kosten der alten Wohnung nicht möglich sei, wenn der HE eine neue in Sachsen-Anhalt beziehen wolle. Daraufhin wollte die Sozialarbeiterin der Klinik die Angelegenheit nochmals mit dem HE besprechen.
In Kenntnis dieser Umstände kürzte der Beklagte die GSi-Leistungen des HE um einen Verpflegungsanteil in der Klink, übernahm aber weiter die Kosten der Wohnung in Oldenburg. Vom 25.07. bis 02.09.2010 dauerte der stationäre Aufenthalt des HE in der Klinik Halle (Saale). Nach den im Entlassungsbericht der Klinik wiedergegebenen Angaben des HE, die dieser dort machte, habe er "die Zelte in Oldenburg abgebrochen"; er habe drei Wochen vor dem Klinikaufenthalt in Hotels und Jugendherbergen gelebt (Bordeaux, Straßburg, Dresden), zuletzt in Halle in einer Jugendherberge; er habe noch Wohnungen in Euskirchen, Oldenburg und Hamburg.
Am 10.09.2010 kam der HE am Hauptbahnhof in Düren an, wurde dort hilfebedürftig aufgegriffen und in die Rheinischen Kliniken Düren gebracht. Dort hielt er sich zur stationären Behandlung vom 10.09. bis 15.10.2010 auf.
Kurz vor Ende des stationären Aufenthalts beantragte der HE am 07.10.2010 bei dem Beigeladenen zu 1) Leistungen im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens ab 15.10.2010. Am 12.10.2010 unterschrieb der HE einen Wohnungs(unter)mietvertrag über ein Mietverhältnis mit der WAF (Wohnen-Arbeit-Freizeit) GmbH & Co KG, einem anerkannten Anbieter des betreuten Wohnens. Der Beigeladene zu 1) bewilligte durch Bescheid vom 15.06.2011 Eingliederungshilfe im Rahmen ambulant betreuten Wohnens ab 15.10.2010 in Form von vier Fachleistungsstunden (FLS) wöchentlich zunächst bis 30.09.2011.
Am 14.10.2010 beantragte der HE bei der Klägerin zu 1) GSi-Leistungen. Die Klägerin zu 1) leitete den Antrag an den Beklagten weiter, der die Antragsunterlagen jedoch an die Klägerin zu 1) zurücksandte. Durch Bescheid vom 27.10.2010 (und Widerspruchsbescheid vom 21.01.2011) hob der Beklagte gegenüber dem HE die Entscheidung vom 20.08.2011 über die Bewilligung von GSi-Leistungen mit Wirkung ab 01.11.2010 auf mit der Begründung, der HE habe am 15.10.2010 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten aufgegeben, weshalb ab diesem Zeitpunkt seine Zuständigkeit für GSI-Leistungen nicht mehr gegeben sei. Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass sich seine Zuständigkeit auch nicht aus § 98 Abs. 5 SGB XII ergebe, da der HE ab 15.10.2010 keine Leistungen des ambulant betreuten Wohnens erhalten habe.
Durch Bescheid vom 11. und 12.11.2010 bewilligte die Klägerin zu 1) dem HE GSi-Leistungen ab 01.10.2010; sie wies daraufhin, dass die Leistungen wegen noch nicht geklärter Zuständigkeit vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung erbracht würden.
Am 04.01.2011 beantragte der HE bei der Klägerin Hilfe zur (ambulanten) Pflege. Die Klägerin zu 1) bewilligte diese Leistung durch Bescheid vom 12.04.2011. Der HE erhält seit März 2011 fortlaufend Leistungen eines ambulanten Pflegedienstes.
Am 19.01.2011 beantragte der HE bei dem Kläger zu 2) die Übernahme ungedeckte (stationärer) Kurzzeitpflegekosten. Vom 20.01. bis 31.01.2011 befand sich der HE in der stationären Kurzzeitpflege. Der Kläger zu 2) bewilligte ihm durch Bescheid vom 23.05.2011 die Kosten der Kurzzeitpflege.
Die Klägerin zu 1) beantragte am 12.11. bzw. 12.04.2011 bei dem Beklagten die Erstattung ihrer erbrachten Aufwendungen für die GSi bzw. die Hilfe zur (ambulanten) Pflege des HE; der Kläger zu 2) beantragte beim Beklagten am 23.05.2011 die Erstattung seiner Aufwendungen für die Kurzzeitpflege des HE. Durch Schreiben vom 17.02., 09.05. und 16.06.2011 lehnte der Beklagte die Kostenerstattungsanträge ab.
Am 11.07.2011 haben die Kläger Klage erhoben mit dem Begehren, die erbrachten Aufwendungen für GSi und Hilfe zur Pflege zu erstatten und die künftige Leistungszuständigkeit festzustellen.
Die Kläger sind der Auffassung, die Zuständigkeit des Beklagten ergebe sich aus § 98 Abs. 5 SGB XII, denn dieser sei für die geltend gemachten Sozialhilfeleistungen zuletzt vor Eintritt des HE in die ambulant betreute Wohnform am 15.10.2010 zuständig gewesen; dies gelte auch im Hinblick auf den unmittelbar vorausgegangenen stationären Aufenthalt in Düren. Der Beklagte habe dem HE noch bis 31.10.2010 GSi-Leistungen bewilligt und gewährt; eine vorübergehende örtliche Abwesenheit bzw. ein vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung führe nicht grundsätzlich bzw. zwangsläufig zu einer Aufgabe des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts. Ein Erstattungsanspruch für Oktober 2010 entfalle nur deshalb, weil der Beklagte bereits vor Kenntnis von der Leistung der Klägerin zu 1) tatsächlich noch Leistungen für diesen Monat erbracht habe. Für den Fall, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt des HE (mehr als zwei Monate) vor der Aufnahme in die Dürener Klinik nicht anzunehmen sei, machen die Kläger ihre Aufwendungsersatzansprüche hilfsweise gegen die Beigeladenen geltend. Soweit es für die Hilfe zur Pflege auf den tatsächlichen Aufenthalt des HE zuletzt vor dem Beginn des ambulant betreuten Wohnens ankommt, besteht nach Auffassung der Kläger ebenfalls die örtliche Zuständigkeit des Beklagten, hilfsweise der Beigeladenen, nach § 98 Abs. 5 SGB 12; der Gesetzgeber wolle mit dieser Bestimmung die Träger der Sozialhilfe, in deren Bereich sich die ambulant betreute Wohnmöglichkeit befinde, vor (ungerechtfertigten) Kostenbelastungen schützen. Die Kläger meinen, es sei ausgeschlossen, dass in einer Sozialhilfeangelegenheit verschiedene örtliche Sozialhilfeträger örtlich zuständig sein könnten.
Die Klägerin zu 1) beantragt den Beklagten, hilfsweise den Beigeladenen zu 1), hilfsweise die Beigeladene zu 2) zu verurteilen, der Klägerin zu 1) die seit November 2010 erbrachten Aufwendungen für die Grundsicherung des Hilfeempfängers I.B. nach dem Vierten Kapitel des SGB XII in Höhe von 7.530,87 EUR zu erstatten, die seit März 2011 erbrachten Aufwendungen für die Hilfe zur ambulanten Pflege des Hilfeempfängers I.B. nach dem Siebten Kapitel des SGB XII in Höhe von 6.757,67 EUR zu erstatten, festzustellen, dass der Beklagte, hilfsweise der Beigeladenen zu 1), hilfsweise die Beigeladene zu 2) verpflichtet ist, dem Hilfeempfänger I.B. auch künftig bei entsprechendem Bedarf Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel bzw. der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII zu gewähren, solange dieser Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel des SGB XII im Rahmen ambulant betreuten Wohnens erhält.
Der Kläger zu 2) beantragt,
den Beklagten, hilfsweise den Beigeladenen zu 1), hilfsweise die Beigeladene zu 2) zu verurteilen, dem Kläger zu 2) die für die Zeit vom 20.01. bis 31.01.2011 erbrachten Aufwendungen für die stationäre Kurzzeitpflege des Hilfeempfängers I.B. in Höhe von 270,65 EUR zu erstatten, festzustellen, dass der Beklagte, hilfsweise der Beigeladenen zu 1), hilfsweise die Beigeladene zu 2) verpflichtet ist, dem Hilfeempfänger I.B. auch künftig bei entsprechendem Bedarf Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel bzw. der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII zu gewähren, solange dieser Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel des SGB XII im Rahmen ambulant betreuten Wohnens erhält.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Der Beklagte meint, alle Indizien sprechen dafür, dass der HE seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich des Beklagten bereits "geraume Zeit" vor Einzug in ambulant betreute Wohnmöglichkeit bzw. die Aufnahme in die Dürener Klinik aufgegeben habe. Aus dem Umstand, dass die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung ihm gegenüber erst ab 01.11.2010 erfolgt sei, könne nicht geschlossen werden, dass der Beklagte bis dahin seine Zuständigkeit anerkannt und sich der HE bis dahin im Kreis Ostholstein aufgehalten habe. Ein am 20.08.2010 an die Oldenburger Anschrift des HE gesandter Leistungsbescheid sei mit dem Vermerk "Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" zurückgekommen. Auch die Angaben des HE gegenüber den Ärzten der Klinik in Halle sprächen dafür, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Oldenburg aufgegeben habe. Der Beklagte meint, die melderechtlichen Verhältnisse stellten zwar ein Indiz, aber keinen Beweis für einen gewöhnlichen Aufenthalt dar; dieser finde auch nicht stets erst mit der Kündigung einer Wohnung sein Ende. Der Beklagte hat ein (nicht rechtskräftiges) Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 27.10.2011 (S 32 SO 58/09) vorgelegt, durch das die Beigeladene zu 2) verurteilt worden ist, dem Beklagten Aufwendungen für den HE aus dem Jahre 2007 für Eingliederungshilfe im ambulant betreuten Wohnen und Heimkosten in Höhe von ca. 25.000,00 EUR zu erstatten. Der Beklagte meint weiter, aus den Angaben der Klinik Halle im Entlassungsbericht ergebe sich, dass der HE damals den Status eines Nichtsesshaften/Durchreisenden gehabt habe; er gehe davon aus, dass dies auch schon seit 10.07.2010 (zwei Monate vor Aufnahme in die Dürener Klinik) so gewesen sei und er seitdem keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr in Oldenburg gehabt habe.
Der Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klagen, soweit sie sich hilfsweise gegen ihn richten, abzuweisen.
Er hat am 04.06.2011 die Weitergewährung der Eingliederungshilfe im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens in Form von drei FLS für die Zeit vom 01.10.2011 bis 30.09.2012 zugesichert.
Die Beigeladene zu 2) beantragt dem Sinn ihres schriftlichen Vorbringens nach,
die Klagen, soweit sie sich hilfsweise gegen sie richten, abzuweisen.
Sie meint ebenfalls, der HE habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Oldenburg mehr als zwei Monate vor seiner Aufnahme in die Dürener Klinik aufgegeben. Aus diversen Kontoauszügen und Abhebungsdaten schließt sie, dass dies schon Ende Mai 2010 der Fall gewesen sei. Die Beigeladene zu 2) hält die Klägerin zu 1) für alle dem HE erbrachten und zu erbringenden Leistungen für zuständig.
Das Gericht hat Auskünfte der Einwohnermeldeämter der Städte Düren und Oldenburg eingeholt; diese haben übereinstimmend mitgeteilt, er HE sei zuletzt in der in 23758 Oldenburg wohnhaft gewesen und ab 15.10.2010 in die. in 52349 Düren verzogen. Desweiteren hat das Gericht den Entlassungsbericht der Uniklinik Halle vom 08.09.2010 über den dortigen stationären Aufenthalt des HE vom 25.07. bis 02.09.2010 beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beteiligten, die den HE betreffen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Obwohl für den Beklagten und die Beigeladene zu 2) im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, konnte die Kammer verhandeln und entscheiden, weil die Beteiligten ordnungsgemäß geladen und auf die Möglichkeit dieser Verfahrensweise hingewiesen worden sind.
Die Klagen sind als kombinierte Leistungs- und Feststellungsklagen zulässig. Es handelt sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Der Feststellungsantrag ist in entsprechender Anwendung von § 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG zulässig; zwar sind die Beteiligten keine "Versicherungsträger der Sozialversicherung", wohl aber Sozialleistungsträger. Unabhängig davon folgt die Zulässigkeit des Feststellungsantrags auch aus § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Das berechtigte Interesse insbesondere der Klägerin zu 1) an der baldigen Feststellung ergibt sich daraus, dass sie Leistungen in erheblicher Höhe vorläufig geleistet hat und weiter leistet.
Die Klagen sind jedoch im Hauptantrag gegenüber der Beklagten nur teilweise, nämlich in Bezug auf die GSi-Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII , begründet, im Übrigen aber – auch gegenüber den Beigeladenen – unbegründet.
A. Erstattungsbegehren
1. Leistungen der Grundsicherung (GSi) nach dem 4. Kapitel des SGB XII
Die Klägerin zu 1) erbringt seit Oktober 2010 GSi-Leistungen an den HE als unzuständiger Leistungsträger. Ihre Erstattungsansprüche ergeben sich nicht aus § 105 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), weil die Voraussetzungen nach § 102 SGB X vorliegen. Da der HE seit 15.10.2010 einen Anspruch auf GSi nach dem 4. Kapitel des SGB XII hat und zwischen den Beteiligten streitig ist, wer von ihnen zur Leistung verpflichtet ist, erbringt die Klägerin zu 1) die Sozialhilfe gem. § 43 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) als zuerst angegangene Leistungsträgerin vorläufig. Zur Leistung verpflichtet – und deshalb gem. § 102 Abs. 1 SGB X gegenüber der Klägerin zu 1) erstattungspflichtig – war und ist jedoch der Beklagte. Denn er ist der für die GSi des HE sachlich und örtlich zuständige Leistungsträger.
Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten als Kreis folgt aus § 97 Abs. 1 SGB XII und § 1 Abs. 1 des schleswig-holsteinischen Gesetz zur Ausführung des SGB XII vom 17.12.2010 (GVOBl. 2010, 789, 813). Danach sind für die Sozialhilfe grundsätzlich – soweit nicht der überörtliche Träger zuständig ist – die örtlichen Träger der Sozialhilfe, das sind die kreisfreien Städte und Kreise (§ 3 Abs. 2 SGB XII), sachlich zuständig. Eine von diesem Grundsatz abweichende sachliche Zuständigkeit folgt auch nicht aus § 98 Abs. 5 SGB XII. Denn diese Regelung betrifft ausschließlich die örtliche Zuständigkeit; die sachliche Zuständigkeit des örtlichen bzw. überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird durch § 98 Abs. 5 SGB XII nicht berührt (so ausdrücklich: BR-Drucksache 617/06, S. 21 zur Änderung des § 98 Abs. 5 Satz 1).
Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten folgt aus § 98 SGB XII. Allerdings bestimmt Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift, dass für Leistungen der GSi im Alter und bei Erwerbsminderung der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der gewöhnliche Aufenthalt des Leistungsberechtigten liegt, örtlich zuständig ist. Allein hiernach wäre die Klägerin zu 1) örtlich zuständig, da die HE ab 15.10.2010 im Bereich der Klägerin eine Wohnung bezogen hat und seitdem dort ständig – nicht nur vorübergehend – lebt (vgl. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I). § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII in der hier maßgeblichen Fassung durch Art. 1 Nr. 18 des "Gesetz zur Änderung des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze" vom 02.12.2006 (BGBl. I S. 2670) trifft jedoch eine von dem Grundsatz des Abs. 1 Satz 2 abweichende Zuständigkeitsregelung: "Für Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem Sechsten und Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre."
Die Formulierung "Leistungen nach diesem Buch" verdeutlicht, dass mit der Anknüpfung der örtlichen Zuständigkeit an die vorhergehende örtliche Zuständigkeit alle Leistungen nach dem SGB XII betroffen sind (BR-Drucksache 617/06, S. 21). Von der Sonderregelung des § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII sind nur Fälle erfasst, in denen die Hilfeempfänger Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege oder Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten ("Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel") im Formen ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten tatsächlich erhalten. Der Begriff der "ambulant betreuten Wohnmöglichkeit" ist im Gesetz nicht definiert. Beim betreuten Wohnen ist weniger auf die Wohnform als auf Art und Zielsetzung der Betreuungsleistungen abzustellen. Eine betreute Wohnmöglichkeit liegt nur dann vor, wenn fachlich geschulte Personen Betreuungsleistungen erbringen, die darauf gerichtet sind, dem Leistungsberechtigten Fähigkeiten und Kenntnisse zum selbstbestimmten Leben zu vermitteln. Dabei darf es sich nicht um sporadische, situativ bedingte Betreuungsleistungen handeln; vielmehr müssen diese in einer regelmäßigen Form erbracht werden und in eine Gesamtkonzeption eingebunden sein, die auf die Verwirklichung einer möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung ausgerichtet sein muss. Unter diesen Voraussetzungen liegt eine betreute Wohnmöglichkeit auch dann vor, wenn Einzelpersonen in einer selbst angemieteten Wohnung leben. Die möglichen Hilfeleistungen, die das erforderliche Merkmal der Betreuung erfüllen, umfassen insbesondere die Vermittlung von Fähigkeiten, sich selbstständig in der Wohnung zurecht zu finden, die Wohnung eigenverantwortlich sauber zu halten, den sozialen Umgang mit den Mitbewohnern und anderen Mietern im Haus zu erlernen, eigene Interesse zu artikulieren und adäquat zu erledigen. Auch die Begleitung in die nähere Umgebung zu Einkäufen, notwendigen Arztbesuchen oder in der Nähe wohnenden Familienangehörigen kann z.B. den Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 6 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX) zugeordnet werden, wenn sie das Ziel verfolgt, die leistungsberechtigte Person so an ihre Umgebung zu gewöhnen, dass sie sich nach einer Orientierungs- und Trainingsphase möglichst selbstständig inner- und außerhalb der Wohnung bewegen kann (LSG NRW, Urteil vom 17.06.2010 – L 9 SO 15/09 – m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der HE lebt seit 15.10.2010 in einer selbst angemieteten Wohnung. Vermieterin ist die "WAF – Wohnen Arbeit Freizeit GmbH & Co. KG", eine anerkannte Anbieterin des Betreuten Wohnens. Der HE erhält vom Beigeladenen zu 1) seit 15.10.2010 Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel des SGB XII in Form von FLS, bis 30.09.2011 regelmäßig 4 Stunden, seit 01.10.2011 noch 3 Stunden pro Woche. Es handelt sich bei diesen FLS um Leistungen des ambulant betreuten Wohnens.
Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten nach § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII ergibt sich aus dem Umstand, dass der Beklagte zuletzt vor Eintritt des HE in diese Wohnform des ambulant betreuten Wohnens für die GSi-Leistungen – örtlich – zuständig war und zuständig gewesen wäre.
Der HE hat zuletzt vor dem 15.10.2010, nämlich vom 10.09. bis 15.10.2010, im Bereich der Klägerin zu 1) gelebt. Dies war in einer Einrichtung (Rheinischen Kliniken Düren) im Sinne von § 98 Abs. 2 SGB XII, in der der HE stationäre Leistungen der Sozialhilfe vom Beigeladenen zu 1) erhalten hat. Für Leistungen der GSi bestand eine tatsächliche Zuständigkeit ("zuständig war"), weil solche während der stationären Unterbringung in der Einrichtung vom Beklagten erbracht wurden. Noch am 24.09.2010 wies der Beklagte dem HE die GSi-Leistung für Oktober an; und erst mit Bescheid vom 27.10.2010 hob er die Entscheidung über die Bewilligung dieser Leistung mit Wirkung ab 01.11.2010 auf.
Selbst wenn die GSi-Leistung während des Aufenthalts in den Rheinischen Kliniken Düren – aus anderen als Zuständigkeitsgründen – zu Unrecht erbracht worden wären, hätte jedenfalls eine fiktive örtliche Zuständigkeit des Beklagten ("zuständig gewesen wäre") für diese Leistungen bestanden. Allerdings bestimmt § 109 SGB XII, dass als gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des 12. Kapitels, zu dem § 98 SGB XII gehört, nicht der Aufenthalt in einer Einrichtung im Sinne von § 98 Abs. 2 gilt. Entscheidend ist dann also, wo der gewöhnliche Aufenthalt des HE zuletzt vor dem Aufenthalt in der Einrichtung gewesen ist. Nach Auswertung der in den Akten befindlichen Unterlagen und unter Berücksichtigung aller ihr bekannt gewordenen Umstände ist die Kammer davon überzeugt, dass der gewöhnliche Aufenthalt des HE zuletzt vor Eintritt in die Wohnform des ambulant betreuten Wohnens unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 109 SGB XII in Oldenburg, mithin im Bereich des Beklagten war.
Nach der Legaldefinition des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er sich an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend aufhält. Ob ein gewöhnlicher Aufenthalt vorliegt, bestimmt sich in erster Linie nach objektiven Kriterien; subjektive Momente, z. B. der Wille, auf längere Dauer an dem betreffenden Ort zu verweilen, sind aber ebenfalls zu berücksichtigen (vgl. dazu Seewald in: Kasseler Kommentar § 30 SGB I, Rn. 19 ff.). Zuletzt vor der Aufnahme in die Rheinischen Kliniken Düren hatte der HE seine Wohnsitz in Oldenburg; er war dort unter der Anschrift " ... , 23758 Oldenburg" gemeldet. Ebenso wie zur Begründung ist auch zur Aufgabe eines gewöhnlichen Aufenthaltes ein entsprechender Wille erforderlich. Einen solchen gefestigten Willen des HE bestand zur Überzeugung der Kammer bis zu seinem Eintreffen in Düren und bis zu dem Zeitpunkt, als sich eine neue Lebensperspektive im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens in Düren abzeichnete, nicht. Ein solcher Wille kann insbesondere nicht aus den im Bericht des Universitätsklinikums Halle vom 08.09.2010 wiedergegebenen Äußerungen des HE, er habe "die Zelte in Oldenburg abgebrochen", sich auf die Reise gemacht, sei in Bordeaux, Straßburg, Dresden und Halle gewesen und habe sich rastlos und getrieben gefühlt, hergeleitet werden. Solche Phasen des Umherreisens gab es auch schon zu früheren Zeiten und sind eher Ausdruck des beim HE bestehenden Krankheitsbildes als eines geplanten, willensgesteuerten Vorgehens im Sinne der (Neu-)Bestimmung eines gewöhnlichen Aufenthaltes. Gerade die Äußerung, dass er sich rastlos und getrieben gefühlt habe, macht eher deutlich, dass sich der HE über seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Unklaren war. Das heißt aber auch, dass er noch keinen klaren und eindeutigen Entschluss gefasst hatte, den gewöhnlichen Aufenthalt in Oldenburg aufzugeben. Ein Indiz für einen fehlenden Aufgabewillen ist auch der Umstand, dass der HE in der Klinik Halle angegeben hatte, die Wohnung in Oldenburg bereits gekündigt zu haben und nach Sachsen-Anhalt ziehen zu wollen (vgl. Aktenvermerk des Beklagten über ein Telefonat mit der Klinik am 20.08.2010), eine Überprüfung seitens der Klinik danach aber ergab, dass der HE den Mietvertrag über die Wohnung in Oldenburg keineswegs gekündigt hatte und nach wie vor Wohngeld für die dort angemietet Wohnung bezog, die zudem noch "alle Besitztümer" des HE enthielt (vgl. Bericht des Universitätsklinikums Halle vom 08.09.2010, Seiten 2 und 5). Der Beklagte selbst war offenbar von der endgültigen Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts in Oldenburg nicht überzeugt. Noch am 24.08.2010 – 4 Tage nach dem Telefonat mit der Klinik und der Information über die angebliche Kündigung der Wohnung in Oldenburg – bewilligte er dem HE weiter GSi-Leistungen bis Juni 2011 (!) unter der bekannten Oldenburger Anschrift. Schließlich kommt auch dem Umstand, dass am 25.08.2010 an den HE unter der Oldenburger Anschrift gerichtete Post mit dem Vermerk "Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" zurückkam, allenfalls Indizwirkung, aber kein Beweis für die Aufgabe der Wohnung und des gewöhnlichen Aufenthalts in Oldenburg zu – weder für das Gericht noch offenbar für den Beklagten. Denn noch 4 Wochen später am 24.09.2010 wies der Beklagte dem HE die GSi-Leistungen für Oktober 2010 an in der Annahme, dass die Leistungsvoraussetzungen, also auch der gewöhnliche Aufenthalt in ihrem Bereich, noch bestanden. Letztlich ist der HE, wie die Einwohnermeldeämter Düren und Oldenburg mitgeteilt haben, erst am 15.10.2010 nach Düren verzogen. Unter Berücksichtigung aller Umstände geht die Kammer davon aus, dass der HE auch erst zu diesem Datum – die Zeiten der Aufenthalte in den Einrichtungen in Halle vom 25.07. bis 02.09.2010 und in
Düren vom 10.09. bis 15.10.2010 bleiben gemäß § 109 SGB XII außer Betracht – seinen gewöhnliche Aufenthalt in Oldenburg aufgegeben und in Düren begründet hat.
Die Zuständigkeit des Beklagten für die GSi-Leistungen, die der HE ab 15.10.2010 beanspruchen kann, besteht aber auch dann, wenn man der Auffassung des Beklagten folgen würde, der HE habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Oldenburg mit seinem Auszug aus der dortigen Wohnung und dem Beginn seiner Reise aufgegeben. Denn in der Folgezeit bis zum Bezug der Wohnung in Düren im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens am 15.10.2010 gab es keinen Ort, an dem sich der HE unter Umständen aufgehalten hat, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweilt hat. Solche Umständen könnten allenfalls für die Zeiträume der Aufenthalte in den Kliniken Halle und Düren bejaht werden können; jedoch gelten diese Aufenthalte gemäß § 109 SGB XII nicht als gewöhnliche Aufenthalte im Sinne der Zuständigkeitsnorm des § 98 SGB XII. Vor und nach dem Klinikaufenthalt in Halle reiste der HE "rastlos und getrieben" umher, machte an zahlreichen Orten Station, blieb nie längere Zeit und begründete daher bis zum 15.10.2010 nirgends einen "gewöhnlichen Aufenthalt".
Nach alledem hatte der HE zuletzt vor dem Eintritt in die Wohnform des ambulant betreuten Wohnens seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Oldenburg, sei es, weil er diesen erst am 15.10.2010 aufgegeben hat, sei es, weil er nach seinem Weggang aus Oldenburg bis zum 15.10.2010 keinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 98 Abs. 1 Satz 2 SGB XII begründet hat. Da die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers nach dieser Vorschrift aber allein vom gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten abhängt, war der Beklagte bis zuletzt vor dem Eintritt in das betreute Wohnen für GSi-Leistungen an den HE zuständig bzw. wäre zuständig gewesen. Da der HE unmittelbar nach dem stationären Aufenthalt in den Rheinischen Kliniken Düren noch am Entlassungstag in die Wohnform des ambulant betreuten Wohnens eingetreten ist und seitdem Leistungen nach dem 6. Kapitel im Rahmen dieses ambulant betreuten Wohnens erhält, ist der Beklagte auch ab 15.10.2010 gemäß § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII für die GSi-Leistungen an den HE weiter zuständig. Und diese – sachliche und örtliche – Zuständigkeit des Beklagten bleibt auch weiterhin bestehen, solange der HE Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel im Rahmen ambulant betreuten Wohnens erhält.
Zutreffend hat die Klägerin zu 1) ihr Erstattungsbegehren auf die Zeit ab November 2010 begrenzt, obwohl sie bereits im Oktober 2010 GSi-Leistungen erbracht hat. Denn der Beklagte hatte in Unkenntnis der Bewilligung der Klägerin zu 1) seinerzeit GSi-Leistungen für Oktober 2010 gewährt (vgl. §§ 103, 104, 105 SGB X, jeweils Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz).
2. Leistungen der Hilfe zur Pflege / Kurzzeitpflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII
Für die von der Klägerin zu 1) seit März 2011 erbrachten Leistungen der Hilfe zur (ambulanten) Pflege und von dem Kläger zu 2) vom 20.01. bis 31.01.2011 erbrachten Leistungen der Kurzzeitpflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII sind weder der Beklagte noch die Beigeladenen erstattungspflichtig, da die Kläger diese Sozialhilfeleistungen als – sachlich und örtlich – zuständige Leistungsträger erbringen bzw. erbracht haben.
Die allgemeine sachliche Zuständigkeit des Klägers zu 2) als Kreis folgt aus § 97 Abs. 1 SGB XII und § 1 des nordrhein-westfälischen Gesetz zur Ausführung des SGB XII vom 16.12.2004 – AG-SGB XII NRW (GV.NRW S. 816). Danach sind für die Sozialhilfe grundsätzlich – soweit nicht der überörtliche Träger zuständig ist – die örtlichen Träger der Sozialhilfe, das sind die kreisfreien Städte und Kreise (§ 3 Abs. 2 SGB XII), sachlich zuständig. Der Kläger zu 2) hat aufgrund der Ermächtigung in § 3 Abs. 1 AG-SGB XII NRW durch § 1 Abs. 1 der "Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII)" vom 29.12.2004 die ihm obliegenden Aufgaben auf die Städte und Gemeinden des Kreises delegiert, soweit in der Satzung nichts Abweichendes bestimmt ist. Aus § 2 Nr. 3 dieser Satzung ergibt sich, dass die sachliche Zuständigkeit für die Hilfe zur Pflege gem. § 61 ff. SGB XII, soweit es sich um stationäre, teilstationäre oder Kurzzeitpflege handelt, von der Aufgabenübertragung ausgenommen ist. Daraus folgt, dass der Kläger zu 2) für die Kurzzeitpflege, die Klägerin zu 1) für die (ambulante) Hilfe zur Pflege des HE sachlich zuständig ist.
Die örtlich Zuständigkeit der Kläger folgt aus § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Danach ist "für die Sozialhilfe" der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten, örtlich zuständig. Da das Gesetz – anders als für GSi-Leistung (§ 98 Abs. 1 Satz 2), für stationäre Leistungen (§ 98 Abs. 2) oder Bestattungskosten (§ 98 Abs. 3) – keine besondere Zuständigkeitsregelung trifft, gilt für die Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel die Grundregel des § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Der HE hat seit dem 10.09.2010 bis heute ununterbrochen, zunächst bis 15.10.2010 in den Rheinischen Kliniken, seit 15.10.2010 in der ambulant betreuten Wohnform, seinen tatsächlichen Aufenthalt im Bereich der Kläger. Daher ist die Klägerin zu 1) für die bewilligte und ab März 2011 gewährte Hilfe zur Pflege (ohne Kurzzeitpflege) und der Kläger zu 2) für die vom 20.01. bis 31.01.2011 gewährte Kurzzeitpflege örtlich zuständig (gewesen).
Eine hiervon abweichende örtliche Zuständigkeit ergibt sich – entgegen der Auffassung des Beklagten – für diese Leistungen (anders als für die GSi-Leistungen) – nicht aus § 98 Abs. 5 SGB XII. Denn die Kläger wären auch zuletzt vor dem Eintritt des HE in die Wohnform des ambulant betreuten Wohnens für die Leistungen nach dem 7. Kapitel des SGB XII (Hilfe zur Pflege) zuständig gewesen. Zuletzt vor dem 15.10.2010, nämlich vom 10.09.2010, als er auf dem Bahnhof Düren aufgegriffen und in die Rheinischen Kliniken Düren eingeliefert wurde, bis zur Entlassung aus dieser Einrichtung am 15.10.2010, hatte der HE seinen tatsächlichen Aufenthalt im Bereich der Kläger, eben in Düren. Zwar bestand zuletzt vor dem 15.10.2010 keine tatsächliche Zuständigkeit ("zuständig war") für Leistungen der Hilfe zur Pflege, weil solche während der stationären Unterbringung in der Einrichtung nicht zu erbringen waren und auch nicht erbracht wurden. Jedoch bestand eine fiktive örtliche Zuständigkeit der Kläger ("zuständig gewesen wäre") für die Leistungen nach dem 7. Kapitel, wenn solche in der Zeit vom 10.09. bis 15.10.2010 zu erbringen gewesen wären. Die (negative) Fiktion des § 109 SGB XII gilt nur im Hinblick auf einen gewöhnlichen Aufenthalt und ist nicht auf den tatsächlichen Aufenthalt erweiterbar. Dies bedeutet, dass der Aufenthalt in einer Einrichtung auch einen tatsächlichen Aufenthalt im Sinne der Zuständigkeitsnorm des § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII begründet.
B. Feststellungsbegehren
Auf das Feststellungsbegehren bezogen folgt aus den vorstehenden Ausführungen, dass der Beklagte auch künftig für die GSi-Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII an den HE zuständig ist, solange dieser Leistungen im Rahmen ambulant betreuten Wohnens erhält. In Bezug auf die Leistungen nach dem 7.Kapitel ("Hilfe zur Pflege") bleibt es jedoch – und insoweit waren die Klagen abzuweisen – bei der Zuständigkeit der Kläger, solange sich der HE in ihrem Bereich tatsächlich aufhält.
C. Kosten- und Streitwertentscheidung
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Klägerin zu 1) und der Beklagte waren mit ihren Anträgen jeweils ungefähr zur Hälfte erfolgreich bzw. unterlegen; der auf den Kläger zu 2) entfallende Anteil (270,65 EUR) des gesamten Streitgegenstandes kann im Rahmen der Kostenlastentscheidung vernachlässigt werden.
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 1 bis 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Streitwert des Erstattungsantrags ergibt sich aus dem Wert der bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erbrachten (und mit dem Erstattungsantrag geltend gemachten) Aufwendungen, das waren 14.559,14 EUR. Den Klägern ging es jedoch nicht nur um die Erstattung der in der Vergangenheit erbrachten Aufwendungen, sondern um die grundsätzliche Feststellung der Leistungszuständigkeit auch für die Zukunft. Da nicht absehbar ist, wie lange diese Leistungen noch zu erbringen sein werden, und der Wert der bisher erbrachten Sozialhilfeleistungen für ein Jahr bei ca. 10.000 EUR liegt, hält es die Kammer für angemessen, für die Bestimmung des Streitwerts des Feststellungsbegehrens diesen Wert anzusetzen. Die Werte des Erstattungsstreitwerts und des Feststellungsstreitwerts zusammengerechnet (vgl. § 39 Abs. 1 GKG) ergeben den Gesamtstreitwert von (gerundet) 25.000,00 EUR.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, welcher Sozialhilfeträger für die dem Hilfeempfänger (HE) I.B. seit November 2010 gewährten und künftig zustehenden Leistungen der Grundsicherung (GSi) im Alter, der Hilfe zur Pflege und der Kurzzeitpflege zuständig ist. Für bisher erbrachte Aufwendungen machen die Kläger Erstattungsansprüche geltend, die Klägerin zu 1) in Höhe von 7.530,87 EUR für GSi-Leistungen und 6.757,67 EUR für Leistungen der Hilfe zu Pflege, der Kläger zu 2) in Höhe von 270,65 EUR für Kurzzeitpflege.
Der am 00.00.0000 geborene HE ist als Schwerbehinderter anerkannt nach einem Grad der Behinderung (seit 1985) von 100. Er leidet u.a. an einer Persönlichkeitsstörung und ist erheblich pflegebedürftig (Pflegestufe I). Er steht unter gerichtlich angeordneter Betreuung und bezieht Regelaltersrente.
Die Beigeladene zu 2) hatte dem HE ab 2004 Leistungen der GSi im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches (SGB XII) gewährt. Der HE war seit Oktober 2004 in Kiel ansässig. Im Oktober 2006 verließ er seine Wohnung in Kiel. Er suchte eine Reihe von Orten in Deutschland auf. Er befand sich vom 20.11. bis 28.12.2006 in einem Krankenhaus in Münster, vom 28.12. bis 31.12.2006 in einem Hotel in Köln, vom 31.12.2006 bis 04.01.2007 in einem Krankenhaus in Köln, vom 04.01. bis 08.01.2007 in einer Jugendherberge in Bonn, vom 08.01. bis 11.01.2007 in einem Krankenhaus in Mainz, vom 11.01. bis 14.01.2007 nach einer Übernachtung im Zug in einer Jugendherberge in Konstanz und vom 14.01. bis 07.02.2007 in einem Krankenhaus in Stuttgart. Vom 07.02. bis 08.02.2007 fuhr der HE mit einem Zug nach Heiligenhafen. Am 08.02.2007 suchte er dort die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie auf. Er wurde dort stationär aufgenommen und bis zum 02.05.2007 behandelt. Die Ärzte stellten ausweislich ihres Entlassungsberichtes vom 11.09.2007 eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen bei angegebener Traumatisierung in der Kindheit, eigenanamnestisch dissoziative Fugue, ein leichtes hirnorganisches Psychosyndrom, fraglich infolge eines Schädelhirntraumas mit Polytrauma 1966, nachfolgend mit Armamputation links, wegen Phantomschmerzen stereotaktische Operationen mit Ausbildung einer spastischen Hemiparese rechts und eine arterielle Hypertonie fest. Nach der Entlassung aus der Klinik in Heiligenhafen lebte der HE vom 02.05. bis 31.08.2007 in einem Altenheim (Seniorenresidenz) in Burg/Fehmarn.
Am 31.08.2007 verließ der HE die Seniorenresidenz Burg/Fehmarn. Ab 01.09.2007 lebte er in einer Wohnung in Oldenburg, ... (Kreis Ostholstein). Ab 04.09.2007 wurde er durch die Brücke Ostholstein gGmbH im Rahmen von Eingliederungshilfe betreut. Mit Bescheid vom 17.09.2007 gewährte der Beklagte dem HE Eingliederungshilfeleistungen im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens, zunächst vom 04.09.2007 bis 31.03.2008; mit weiteren Bescheiden bewilligte er diese Leistung, die der HE bis zum 15.07.2010 erhielt. Darüber hinaus bezog der HE von dem Beklagten seit 01.09.2007 ergänzende GSi-Leistungen nach SGB XII (Bescheid vom 27.08.2007), zuletzt bewilligt durch Bescheid vom 13.04., 01.07., 20.08. und 24.08.2010 für die Zeit vom 01.07. bzw. 01.09.2010 bis 30.06.2011. Die letzte GSi-Zahlung an den HE erfolgte seitens des Beklagten am 24.09.2010 für den Monat Oktober 2010.
Ausweislich eines Telefonvermerks erhielt der Beklagte bereits am 20.08.2010 von der Klinik Halle (Saale) die Mitteilung, dass der HE dort seit 25.07.2010 untergebracht sei, nach seinen Angaben gerne nach Sachsen-Anhalt ziehen würde und die Wohnung in Oldenburg bereits gekündigt habe. Der Beklagte erklärte der Klinik, dass eine Weiterzahlung der Kosten der alten Wohnung nicht möglich sei, wenn der HE eine neue in Sachsen-Anhalt beziehen wolle. Daraufhin wollte die Sozialarbeiterin der Klinik die Angelegenheit nochmals mit dem HE besprechen.
In Kenntnis dieser Umstände kürzte der Beklagte die GSi-Leistungen des HE um einen Verpflegungsanteil in der Klink, übernahm aber weiter die Kosten der Wohnung in Oldenburg. Vom 25.07. bis 02.09.2010 dauerte der stationäre Aufenthalt des HE in der Klinik Halle (Saale). Nach den im Entlassungsbericht der Klinik wiedergegebenen Angaben des HE, die dieser dort machte, habe er "die Zelte in Oldenburg abgebrochen"; er habe drei Wochen vor dem Klinikaufenthalt in Hotels und Jugendherbergen gelebt (Bordeaux, Straßburg, Dresden), zuletzt in Halle in einer Jugendherberge; er habe noch Wohnungen in Euskirchen, Oldenburg und Hamburg.
Am 10.09.2010 kam der HE am Hauptbahnhof in Düren an, wurde dort hilfebedürftig aufgegriffen und in die Rheinischen Kliniken Düren gebracht. Dort hielt er sich zur stationären Behandlung vom 10.09. bis 15.10.2010 auf.
Kurz vor Ende des stationären Aufenthalts beantragte der HE am 07.10.2010 bei dem Beigeladenen zu 1) Leistungen im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens ab 15.10.2010. Am 12.10.2010 unterschrieb der HE einen Wohnungs(unter)mietvertrag über ein Mietverhältnis mit der WAF (Wohnen-Arbeit-Freizeit) GmbH & Co KG, einem anerkannten Anbieter des betreuten Wohnens. Der Beigeladene zu 1) bewilligte durch Bescheid vom 15.06.2011 Eingliederungshilfe im Rahmen ambulant betreuten Wohnens ab 15.10.2010 in Form von vier Fachleistungsstunden (FLS) wöchentlich zunächst bis 30.09.2011.
Am 14.10.2010 beantragte der HE bei der Klägerin zu 1) GSi-Leistungen. Die Klägerin zu 1) leitete den Antrag an den Beklagten weiter, der die Antragsunterlagen jedoch an die Klägerin zu 1) zurücksandte. Durch Bescheid vom 27.10.2010 (und Widerspruchsbescheid vom 21.01.2011) hob der Beklagte gegenüber dem HE die Entscheidung vom 20.08.2011 über die Bewilligung von GSi-Leistungen mit Wirkung ab 01.11.2010 auf mit der Begründung, der HE habe am 15.10.2010 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten aufgegeben, weshalb ab diesem Zeitpunkt seine Zuständigkeit für GSI-Leistungen nicht mehr gegeben sei. Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass sich seine Zuständigkeit auch nicht aus § 98 Abs. 5 SGB XII ergebe, da der HE ab 15.10.2010 keine Leistungen des ambulant betreuten Wohnens erhalten habe.
Durch Bescheid vom 11. und 12.11.2010 bewilligte die Klägerin zu 1) dem HE GSi-Leistungen ab 01.10.2010; sie wies daraufhin, dass die Leistungen wegen noch nicht geklärter Zuständigkeit vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung erbracht würden.
Am 04.01.2011 beantragte der HE bei der Klägerin Hilfe zur (ambulanten) Pflege. Die Klägerin zu 1) bewilligte diese Leistung durch Bescheid vom 12.04.2011. Der HE erhält seit März 2011 fortlaufend Leistungen eines ambulanten Pflegedienstes.
Am 19.01.2011 beantragte der HE bei dem Kläger zu 2) die Übernahme ungedeckte (stationärer) Kurzzeitpflegekosten. Vom 20.01. bis 31.01.2011 befand sich der HE in der stationären Kurzzeitpflege. Der Kläger zu 2) bewilligte ihm durch Bescheid vom 23.05.2011 die Kosten der Kurzzeitpflege.
Die Klägerin zu 1) beantragte am 12.11. bzw. 12.04.2011 bei dem Beklagten die Erstattung ihrer erbrachten Aufwendungen für die GSi bzw. die Hilfe zur (ambulanten) Pflege des HE; der Kläger zu 2) beantragte beim Beklagten am 23.05.2011 die Erstattung seiner Aufwendungen für die Kurzzeitpflege des HE. Durch Schreiben vom 17.02., 09.05. und 16.06.2011 lehnte der Beklagte die Kostenerstattungsanträge ab.
Am 11.07.2011 haben die Kläger Klage erhoben mit dem Begehren, die erbrachten Aufwendungen für GSi und Hilfe zur Pflege zu erstatten und die künftige Leistungszuständigkeit festzustellen.
Die Kläger sind der Auffassung, die Zuständigkeit des Beklagten ergebe sich aus § 98 Abs. 5 SGB XII, denn dieser sei für die geltend gemachten Sozialhilfeleistungen zuletzt vor Eintritt des HE in die ambulant betreute Wohnform am 15.10.2010 zuständig gewesen; dies gelte auch im Hinblick auf den unmittelbar vorausgegangenen stationären Aufenthalt in Düren. Der Beklagte habe dem HE noch bis 31.10.2010 GSi-Leistungen bewilligt und gewährt; eine vorübergehende örtliche Abwesenheit bzw. ein vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung führe nicht grundsätzlich bzw. zwangsläufig zu einer Aufgabe des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts. Ein Erstattungsanspruch für Oktober 2010 entfalle nur deshalb, weil der Beklagte bereits vor Kenntnis von der Leistung der Klägerin zu 1) tatsächlich noch Leistungen für diesen Monat erbracht habe. Für den Fall, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt des HE (mehr als zwei Monate) vor der Aufnahme in die Dürener Klinik nicht anzunehmen sei, machen die Kläger ihre Aufwendungsersatzansprüche hilfsweise gegen die Beigeladenen geltend. Soweit es für die Hilfe zur Pflege auf den tatsächlichen Aufenthalt des HE zuletzt vor dem Beginn des ambulant betreuten Wohnens ankommt, besteht nach Auffassung der Kläger ebenfalls die örtliche Zuständigkeit des Beklagten, hilfsweise der Beigeladenen, nach § 98 Abs. 5 SGB 12; der Gesetzgeber wolle mit dieser Bestimmung die Träger der Sozialhilfe, in deren Bereich sich die ambulant betreute Wohnmöglichkeit befinde, vor (ungerechtfertigten) Kostenbelastungen schützen. Die Kläger meinen, es sei ausgeschlossen, dass in einer Sozialhilfeangelegenheit verschiedene örtliche Sozialhilfeträger örtlich zuständig sein könnten.
Die Klägerin zu 1) beantragt den Beklagten, hilfsweise den Beigeladenen zu 1), hilfsweise die Beigeladene zu 2) zu verurteilen, der Klägerin zu 1) die seit November 2010 erbrachten Aufwendungen für die Grundsicherung des Hilfeempfängers I.B. nach dem Vierten Kapitel des SGB XII in Höhe von 7.530,87 EUR zu erstatten, die seit März 2011 erbrachten Aufwendungen für die Hilfe zur ambulanten Pflege des Hilfeempfängers I.B. nach dem Siebten Kapitel des SGB XII in Höhe von 6.757,67 EUR zu erstatten, festzustellen, dass der Beklagte, hilfsweise der Beigeladenen zu 1), hilfsweise die Beigeladene zu 2) verpflichtet ist, dem Hilfeempfänger I.B. auch künftig bei entsprechendem Bedarf Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel bzw. der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII zu gewähren, solange dieser Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel des SGB XII im Rahmen ambulant betreuten Wohnens erhält.
Der Kläger zu 2) beantragt,
den Beklagten, hilfsweise den Beigeladenen zu 1), hilfsweise die Beigeladene zu 2) zu verurteilen, dem Kläger zu 2) die für die Zeit vom 20.01. bis 31.01.2011 erbrachten Aufwendungen für die stationäre Kurzzeitpflege des Hilfeempfängers I.B. in Höhe von 270,65 EUR zu erstatten, festzustellen, dass der Beklagte, hilfsweise der Beigeladenen zu 1), hilfsweise die Beigeladene zu 2) verpflichtet ist, dem Hilfeempfänger I.B. auch künftig bei entsprechendem Bedarf Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel bzw. der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII zu gewähren, solange dieser Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel des SGB XII im Rahmen ambulant betreuten Wohnens erhält.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Der Beklagte meint, alle Indizien sprechen dafür, dass der HE seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich des Beklagten bereits "geraume Zeit" vor Einzug in ambulant betreute Wohnmöglichkeit bzw. die Aufnahme in die Dürener Klinik aufgegeben habe. Aus dem Umstand, dass die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung ihm gegenüber erst ab 01.11.2010 erfolgt sei, könne nicht geschlossen werden, dass der Beklagte bis dahin seine Zuständigkeit anerkannt und sich der HE bis dahin im Kreis Ostholstein aufgehalten habe. Ein am 20.08.2010 an die Oldenburger Anschrift des HE gesandter Leistungsbescheid sei mit dem Vermerk "Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" zurückgekommen. Auch die Angaben des HE gegenüber den Ärzten der Klinik in Halle sprächen dafür, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Oldenburg aufgegeben habe. Der Beklagte meint, die melderechtlichen Verhältnisse stellten zwar ein Indiz, aber keinen Beweis für einen gewöhnlichen Aufenthalt dar; dieser finde auch nicht stets erst mit der Kündigung einer Wohnung sein Ende. Der Beklagte hat ein (nicht rechtskräftiges) Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 27.10.2011 (S 32 SO 58/09) vorgelegt, durch das die Beigeladene zu 2) verurteilt worden ist, dem Beklagten Aufwendungen für den HE aus dem Jahre 2007 für Eingliederungshilfe im ambulant betreuten Wohnen und Heimkosten in Höhe von ca. 25.000,00 EUR zu erstatten. Der Beklagte meint weiter, aus den Angaben der Klinik Halle im Entlassungsbericht ergebe sich, dass der HE damals den Status eines Nichtsesshaften/Durchreisenden gehabt habe; er gehe davon aus, dass dies auch schon seit 10.07.2010 (zwei Monate vor Aufnahme in die Dürener Klinik) so gewesen sei und er seitdem keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr in Oldenburg gehabt habe.
Der Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klagen, soweit sie sich hilfsweise gegen ihn richten, abzuweisen.
Er hat am 04.06.2011 die Weitergewährung der Eingliederungshilfe im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens in Form von drei FLS für die Zeit vom 01.10.2011 bis 30.09.2012 zugesichert.
Die Beigeladene zu 2) beantragt dem Sinn ihres schriftlichen Vorbringens nach,
die Klagen, soweit sie sich hilfsweise gegen sie richten, abzuweisen.
Sie meint ebenfalls, der HE habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Oldenburg mehr als zwei Monate vor seiner Aufnahme in die Dürener Klinik aufgegeben. Aus diversen Kontoauszügen und Abhebungsdaten schließt sie, dass dies schon Ende Mai 2010 der Fall gewesen sei. Die Beigeladene zu 2) hält die Klägerin zu 1) für alle dem HE erbrachten und zu erbringenden Leistungen für zuständig.
Das Gericht hat Auskünfte der Einwohnermeldeämter der Städte Düren und Oldenburg eingeholt; diese haben übereinstimmend mitgeteilt, er HE sei zuletzt in der in 23758 Oldenburg wohnhaft gewesen und ab 15.10.2010 in die. in 52349 Düren verzogen. Desweiteren hat das Gericht den Entlassungsbericht der Uniklinik Halle vom 08.09.2010 über den dortigen stationären Aufenthalt des HE vom 25.07. bis 02.09.2010 beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beteiligten, die den HE betreffen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Obwohl für den Beklagten und die Beigeladene zu 2) im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, konnte die Kammer verhandeln und entscheiden, weil die Beteiligten ordnungsgemäß geladen und auf die Möglichkeit dieser Verfahrensweise hingewiesen worden sind.
Die Klagen sind als kombinierte Leistungs- und Feststellungsklagen zulässig. Es handelt sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Der Feststellungsantrag ist in entsprechender Anwendung von § 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG zulässig; zwar sind die Beteiligten keine "Versicherungsträger der Sozialversicherung", wohl aber Sozialleistungsträger. Unabhängig davon folgt die Zulässigkeit des Feststellungsantrags auch aus § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Das berechtigte Interesse insbesondere der Klägerin zu 1) an der baldigen Feststellung ergibt sich daraus, dass sie Leistungen in erheblicher Höhe vorläufig geleistet hat und weiter leistet.
Die Klagen sind jedoch im Hauptantrag gegenüber der Beklagten nur teilweise, nämlich in Bezug auf die GSi-Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII , begründet, im Übrigen aber – auch gegenüber den Beigeladenen – unbegründet.
A. Erstattungsbegehren
1. Leistungen der Grundsicherung (GSi) nach dem 4. Kapitel des SGB XII
Die Klägerin zu 1) erbringt seit Oktober 2010 GSi-Leistungen an den HE als unzuständiger Leistungsträger. Ihre Erstattungsansprüche ergeben sich nicht aus § 105 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), weil die Voraussetzungen nach § 102 SGB X vorliegen. Da der HE seit 15.10.2010 einen Anspruch auf GSi nach dem 4. Kapitel des SGB XII hat und zwischen den Beteiligten streitig ist, wer von ihnen zur Leistung verpflichtet ist, erbringt die Klägerin zu 1) die Sozialhilfe gem. § 43 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) als zuerst angegangene Leistungsträgerin vorläufig. Zur Leistung verpflichtet – und deshalb gem. § 102 Abs. 1 SGB X gegenüber der Klägerin zu 1) erstattungspflichtig – war und ist jedoch der Beklagte. Denn er ist der für die GSi des HE sachlich und örtlich zuständige Leistungsträger.
Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten als Kreis folgt aus § 97 Abs. 1 SGB XII und § 1 Abs. 1 des schleswig-holsteinischen Gesetz zur Ausführung des SGB XII vom 17.12.2010 (GVOBl. 2010, 789, 813). Danach sind für die Sozialhilfe grundsätzlich – soweit nicht der überörtliche Träger zuständig ist – die örtlichen Träger der Sozialhilfe, das sind die kreisfreien Städte und Kreise (§ 3 Abs. 2 SGB XII), sachlich zuständig. Eine von diesem Grundsatz abweichende sachliche Zuständigkeit folgt auch nicht aus § 98 Abs. 5 SGB XII. Denn diese Regelung betrifft ausschließlich die örtliche Zuständigkeit; die sachliche Zuständigkeit des örtlichen bzw. überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird durch § 98 Abs. 5 SGB XII nicht berührt (so ausdrücklich: BR-Drucksache 617/06, S. 21 zur Änderung des § 98 Abs. 5 Satz 1).
Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten folgt aus § 98 SGB XII. Allerdings bestimmt Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift, dass für Leistungen der GSi im Alter und bei Erwerbsminderung der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der gewöhnliche Aufenthalt des Leistungsberechtigten liegt, örtlich zuständig ist. Allein hiernach wäre die Klägerin zu 1) örtlich zuständig, da die HE ab 15.10.2010 im Bereich der Klägerin eine Wohnung bezogen hat und seitdem dort ständig – nicht nur vorübergehend – lebt (vgl. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I). § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII in der hier maßgeblichen Fassung durch Art. 1 Nr. 18 des "Gesetz zur Änderung des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze" vom 02.12.2006 (BGBl. I S. 2670) trifft jedoch eine von dem Grundsatz des Abs. 1 Satz 2 abweichende Zuständigkeitsregelung: "Für Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem Sechsten und Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre."
Die Formulierung "Leistungen nach diesem Buch" verdeutlicht, dass mit der Anknüpfung der örtlichen Zuständigkeit an die vorhergehende örtliche Zuständigkeit alle Leistungen nach dem SGB XII betroffen sind (BR-Drucksache 617/06, S. 21). Von der Sonderregelung des § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII sind nur Fälle erfasst, in denen die Hilfeempfänger Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege oder Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten ("Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel") im Formen ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten tatsächlich erhalten. Der Begriff der "ambulant betreuten Wohnmöglichkeit" ist im Gesetz nicht definiert. Beim betreuten Wohnen ist weniger auf die Wohnform als auf Art und Zielsetzung der Betreuungsleistungen abzustellen. Eine betreute Wohnmöglichkeit liegt nur dann vor, wenn fachlich geschulte Personen Betreuungsleistungen erbringen, die darauf gerichtet sind, dem Leistungsberechtigten Fähigkeiten und Kenntnisse zum selbstbestimmten Leben zu vermitteln. Dabei darf es sich nicht um sporadische, situativ bedingte Betreuungsleistungen handeln; vielmehr müssen diese in einer regelmäßigen Form erbracht werden und in eine Gesamtkonzeption eingebunden sein, die auf die Verwirklichung einer möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung ausgerichtet sein muss. Unter diesen Voraussetzungen liegt eine betreute Wohnmöglichkeit auch dann vor, wenn Einzelpersonen in einer selbst angemieteten Wohnung leben. Die möglichen Hilfeleistungen, die das erforderliche Merkmal der Betreuung erfüllen, umfassen insbesondere die Vermittlung von Fähigkeiten, sich selbstständig in der Wohnung zurecht zu finden, die Wohnung eigenverantwortlich sauber zu halten, den sozialen Umgang mit den Mitbewohnern und anderen Mietern im Haus zu erlernen, eigene Interesse zu artikulieren und adäquat zu erledigen. Auch die Begleitung in die nähere Umgebung zu Einkäufen, notwendigen Arztbesuchen oder in der Nähe wohnenden Familienangehörigen kann z.B. den Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 6 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX) zugeordnet werden, wenn sie das Ziel verfolgt, die leistungsberechtigte Person so an ihre Umgebung zu gewöhnen, dass sie sich nach einer Orientierungs- und Trainingsphase möglichst selbstständig inner- und außerhalb der Wohnung bewegen kann (LSG NRW, Urteil vom 17.06.2010 – L 9 SO 15/09 – m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der HE lebt seit 15.10.2010 in einer selbst angemieteten Wohnung. Vermieterin ist die "WAF – Wohnen Arbeit Freizeit GmbH & Co. KG", eine anerkannte Anbieterin des Betreuten Wohnens. Der HE erhält vom Beigeladenen zu 1) seit 15.10.2010 Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel des SGB XII in Form von FLS, bis 30.09.2011 regelmäßig 4 Stunden, seit 01.10.2011 noch 3 Stunden pro Woche. Es handelt sich bei diesen FLS um Leistungen des ambulant betreuten Wohnens.
Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten nach § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII ergibt sich aus dem Umstand, dass der Beklagte zuletzt vor Eintritt des HE in diese Wohnform des ambulant betreuten Wohnens für die GSi-Leistungen – örtlich – zuständig war und zuständig gewesen wäre.
Der HE hat zuletzt vor dem 15.10.2010, nämlich vom 10.09. bis 15.10.2010, im Bereich der Klägerin zu 1) gelebt. Dies war in einer Einrichtung (Rheinischen Kliniken Düren) im Sinne von § 98 Abs. 2 SGB XII, in der der HE stationäre Leistungen der Sozialhilfe vom Beigeladenen zu 1) erhalten hat. Für Leistungen der GSi bestand eine tatsächliche Zuständigkeit ("zuständig war"), weil solche während der stationären Unterbringung in der Einrichtung vom Beklagten erbracht wurden. Noch am 24.09.2010 wies der Beklagte dem HE die GSi-Leistung für Oktober an; und erst mit Bescheid vom 27.10.2010 hob er die Entscheidung über die Bewilligung dieser Leistung mit Wirkung ab 01.11.2010 auf.
Selbst wenn die GSi-Leistung während des Aufenthalts in den Rheinischen Kliniken Düren – aus anderen als Zuständigkeitsgründen – zu Unrecht erbracht worden wären, hätte jedenfalls eine fiktive örtliche Zuständigkeit des Beklagten ("zuständig gewesen wäre") für diese Leistungen bestanden. Allerdings bestimmt § 109 SGB XII, dass als gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des 12. Kapitels, zu dem § 98 SGB XII gehört, nicht der Aufenthalt in einer Einrichtung im Sinne von § 98 Abs. 2 gilt. Entscheidend ist dann also, wo der gewöhnliche Aufenthalt des HE zuletzt vor dem Aufenthalt in der Einrichtung gewesen ist. Nach Auswertung der in den Akten befindlichen Unterlagen und unter Berücksichtigung aller ihr bekannt gewordenen Umstände ist die Kammer davon überzeugt, dass der gewöhnliche Aufenthalt des HE zuletzt vor Eintritt in die Wohnform des ambulant betreuten Wohnens unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 109 SGB XII in Oldenburg, mithin im Bereich des Beklagten war.
Nach der Legaldefinition des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er sich an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend aufhält. Ob ein gewöhnlicher Aufenthalt vorliegt, bestimmt sich in erster Linie nach objektiven Kriterien; subjektive Momente, z. B. der Wille, auf längere Dauer an dem betreffenden Ort zu verweilen, sind aber ebenfalls zu berücksichtigen (vgl. dazu Seewald in: Kasseler Kommentar § 30 SGB I, Rn. 19 ff.). Zuletzt vor der Aufnahme in die Rheinischen Kliniken Düren hatte der HE seine Wohnsitz in Oldenburg; er war dort unter der Anschrift " ... , 23758 Oldenburg" gemeldet. Ebenso wie zur Begründung ist auch zur Aufgabe eines gewöhnlichen Aufenthaltes ein entsprechender Wille erforderlich. Einen solchen gefestigten Willen des HE bestand zur Überzeugung der Kammer bis zu seinem Eintreffen in Düren und bis zu dem Zeitpunkt, als sich eine neue Lebensperspektive im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens in Düren abzeichnete, nicht. Ein solcher Wille kann insbesondere nicht aus den im Bericht des Universitätsklinikums Halle vom 08.09.2010 wiedergegebenen Äußerungen des HE, er habe "die Zelte in Oldenburg abgebrochen", sich auf die Reise gemacht, sei in Bordeaux, Straßburg, Dresden und Halle gewesen und habe sich rastlos und getrieben gefühlt, hergeleitet werden. Solche Phasen des Umherreisens gab es auch schon zu früheren Zeiten und sind eher Ausdruck des beim HE bestehenden Krankheitsbildes als eines geplanten, willensgesteuerten Vorgehens im Sinne der (Neu-)Bestimmung eines gewöhnlichen Aufenthaltes. Gerade die Äußerung, dass er sich rastlos und getrieben gefühlt habe, macht eher deutlich, dass sich der HE über seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Unklaren war. Das heißt aber auch, dass er noch keinen klaren und eindeutigen Entschluss gefasst hatte, den gewöhnlichen Aufenthalt in Oldenburg aufzugeben. Ein Indiz für einen fehlenden Aufgabewillen ist auch der Umstand, dass der HE in der Klinik Halle angegeben hatte, die Wohnung in Oldenburg bereits gekündigt zu haben und nach Sachsen-Anhalt ziehen zu wollen (vgl. Aktenvermerk des Beklagten über ein Telefonat mit der Klinik am 20.08.2010), eine Überprüfung seitens der Klinik danach aber ergab, dass der HE den Mietvertrag über die Wohnung in Oldenburg keineswegs gekündigt hatte und nach wie vor Wohngeld für die dort angemietet Wohnung bezog, die zudem noch "alle Besitztümer" des HE enthielt (vgl. Bericht des Universitätsklinikums Halle vom 08.09.2010, Seiten 2 und 5). Der Beklagte selbst war offenbar von der endgültigen Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts in Oldenburg nicht überzeugt. Noch am 24.08.2010 – 4 Tage nach dem Telefonat mit der Klinik und der Information über die angebliche Kündigung der Wohnung in Oldenburg – bewilligte er dem HE weiter GSi-Leistungen bis Juni 2011 (!) unter der bekannten Oldenburger Anschrift. Schließlich kommt auch dem Umstand, dass am 25.08.2010 an den HE unter der Oldenburger Anschrift gerichtete Post mit dem Vermerk "Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" zurückkam, allenfalls Indizwirkung, aber kein Beweis für die Aufgabe der Wohnung und des gewöhnlichen Aufenthalts in Oldenburg zu – weder für das Gericht noch offenbar für den Beklagten. Denn noch 4 Wochen später am 24.09.2010 wies der Beklagte dem HE die GSi-Leistungen für Oktober 2010 an in der Annahme, dass die Leistungsvoraussetzungen, also auch der gewöhnliche Aufenthalt in ihrem Bereich, noch bestanden. Letztlich ist der HE, wie die Einwohnermeldeämter Düren und Oldenburg mitgeteilt haben, erst am 15.10.2010 nach Düren verzogen. Unter Berücksichtigung aller Umstände geht die Kammer davon aus, dass der HE auch erst zu diesem Datum – die Zeiten der Aufenthalte in den Einrichtungen in Halle vom 25.07. bis 02.09.2010 und in
Düren vom 10.09. bis 15.10.2010 bleiben gemäß § 109 SGB XII außer Betracht – seinen gewöhnliche Aufenthalt in Oldenburg aufgegeben und in Düren begründet hat.
Die Zuständigkeit des Beklagten für die GSi-Leistungen, die der HE ab 15.10.2010 beanspruchen kann, besteht aber auch dann, wenn man der Auffassung des Beklagten folgen würde, der HE habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Oldenburg mit seinem Auszug aus der dortigen Wohnung und dem Beginn seiner Reise aufgegeben. Denn in der Folgezeit bis zum Bezug der Wohnung in Düren im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens am 15.10.2010 gab es keinen Ort, an dem sich der HE unter Umständen aufgehalten hat, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweilt hat. Solche Umständen könnten allenfalls für die Zeiträume der Aufenthalte in den Kliniken Halle und Düren bejaht werden können; jedoch gelten diese Aufenthalte gemäß § 109 SGB XII nicht als gewöhnliche Aufenthalte im Sinne der Zuständigkeitsnorm des § 98 SGB XII. Vor und nach dem Klinikaufenthalt in Halle reiste der HE "rastlos und getrieben" umher, machte an zahlreichen Orten Station, blieb nie längere Zeit und begründete daher bis zum 15.10.2010 nirgends einen "gewöhnlichen Aufenthalt".
Nach alledem hatte der HE zuletzt vor dem Eintritt in die Wohnform des ambulant betreuten Wohnens seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Oldenburg, sei es, weil er diesen erst am 15.10.2010 aufgegeben hat, sei es, weil er nach seinem Weggang aus Oldenburg bis zum 15.10.2010 keinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 98 Abs. 1 Satz 2 SGB XII begründet hat. Da die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers nach dieser Vorschrift aber allein vom gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten abhängt, war der Beklagte bis zuletzt vor dem Eintritt in das betreute Wohnen für GSi-Leistungen an den HE zuständig bzw. wäre zuständig gewesen. Da der HE unmittelbar nach dem stationären Aufenthalt in den Rheinischen Kliniken Düren noch am Entlassungstag in die Wohnform des ambulant betreuten Wohnens eingetreten ist und seitdem Leistungen nach dem 6. Kapitel im Rahmen dieses ambulant betreuten Wohnens erhält, ist der Beklagte auch ab 15.10.2010 gemäß § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII für die GSi-Leistungen an den HE weiter zuständig. Und diese – sachliche und örtliche – Zuständigkeit des Beklagten bleibt auch weiterhin bestehen, solange der HE Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel im Rahmen ambulant betreuten Wohnens erhält.
Zutreffend hat die Klägerin zu 1) ihr Erstattungsbegehren auf die Zeit ab November 2010 begrenzt, obwohl sie bereits im Oktober 2010 GSi-Leistungen erbracht hat. Denn der Beklagte hatte in Unkenntnis der Bewilligung der Klägerin zu 1) seinerzeit GSi-Leistungen für Oktober 2010 gewährt (vgl. §§ 103, 104, 105 SGB X, jeweils Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz).
2. Leistungen der Hilfe zur Pflege / Kurzzeitpflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII
Für die von der Klägerin zu 1) seit März 2011 erbrachten Leistungen der Hilfe zur (ambulanten) Pflege und von dem Kläger zu 2) vom 20.01. bis 31.01.2011 erbrachten Leistungen der Kurzzeitpflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII sind weder der Beklagte noch die Beigeladenen erstattungspflichtig, da die Kläger diese Sozialhilfeleistungen als – sachlich und örtlich – zuständige Leistungsträger erbringen bzw. erbracht haben.
Die allgemeine sachliche Zuständigkeit des Klägers zu 2) als Kreis folgt aus § 97 Abs. 1 SGB XII und § 1 des nordrhein-westfälischen Gesetz zur Ausführung des SGB XII vom 16.12.2004 – AG-SGB XII NRW (GV.NRW S. 816). Danach sind für die Sozialhilfe grundsätzlich – soweit nicht der überörtliche Träger zuständig ist – die örtlichen Träger der Sozialhilfe, das sind die kreisfreien Städte und Kreise (§ 3 Abs. 2 SGB XII), sachlich zuständig. Der Kläger zu 2) hat aufgrund der Ermächtigung in § 3 Abs. 1 AG-SGB XII NRW durch § 1 Abs. 1 der "Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII)" vom 29.12.2004 die ihm obliegenden Aufgaben auf die Städte und Gemeinden des Kreises delegiert, soweit in der Satzung nichts Abweichendes bestimmt ist. Aus § 2 Nr. 3 dieser Satzung ergibt sich, dass die sachliche Zuständigkeit für die Hilfe zur Pflege gem. § 61 ff. SGB XII, soweit es sich um stationäre, teilstationäre oder Kurzzeitpflege handelt, von der Aufgabenübertragung ausgenommen ist. Daraus folgt, dass der Kläger zu 2) für die Kurzzeitpflege, die Klägerin zu 1) für die (ambulante) Hilfe zur Pflege des HE sachlich zuständig ist.
Die örtlich Zuständigkeit der Kläger folgt aus § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Danach ist "für die Sozialhilfe" der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten, örtlich zuständig. Da das Gesetz – anders als für GSi-Leistung (§ 98 Abs. 1 Satz 2), für stationäre Leistungen (§ 98 Abs. 2) oder Bestattungskosten (§ 98 Abs. 3) – keine besondere Zuständigkeitsregelung trifft, gilt für die Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel die Grundregel des § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Der HE hat seit dem 10.09.2010 bis heute ununterbrochen, zunächst bis 15.10.2010 in den Rheinischen Kliniken, seit 15.10.2010 in der ambulant betreuten Wohnform, seinen tatsächlichen Aufenthalt im Bereich der Kläger. Daher ist die Klägerin zu 1) für die bewilligte und ab März 2011 gewährte Hilfe zur Pflege (ohne Kurzzeitpflege) und der Kläger zu 2) für die vom 20.01. bis 31.01.2011 gewährte Kurzzeitpflege örtlich zuständig (gewesen).
Eine hiervon abweichende örtliche Zuständigkeit ergibt sich – entgegen der Auffassung des Beklagten – für diese Leistungen (anders als für die GSi-Leistungen) – nicht aus § 98 Abs. 5 SGB XII. Denn die Kläger wären auch zuletzt vor dem Eintritt des HE in die Wohnform des ambulant betreuten Wohnens für die Leistungen nach dem 7. Kapitel des SGB XII (Hilfe zur Pflege) zuständig gewesen. Zuletzt vor dem 15.10.2010, nämlich vom 10.09.2010, als er auf dem Bahnhof Düren aufgegriffen und in die Rheinischen Kliniken Düren eingeliefert wurde, bis zur Entlassung aus dieser Einrichtung am 15.10.2010, hatte der HE seinen tatsächlichen Aufenthalt im Bereich der Kläger, eben in Düren. Zwar bestand zuletzt vor dem 15.10.2010 keine tatsächliche Zuständigkeit ("zuständig war") für Leistungen der Hilfe zur Pflege, weil solche während der stationären Unterbringung in der Einrichtung nicht zu erbringen waren und auch nicht erbracht wurden. Jedoch bestand eine fiktive örtliche Zuständigkeit der Kläger ("zuständig gewesen wäre") für die Leistungen nach dem 7. Kapitel, wenn solche in der Zeit vom 10.09. bis 15.10.2010 zu erbringen gewesen wären. Die (negative) Fiktion des § 109 SGB XII gilt nur im Hinblick auf einen gewöhnlichen Aufenthalt und ist nicht auf den tatsächlichen Aufenthalt erweiterbar. Dies bedeutet, dass der Aufenthalt in einer Einrichtung auch einen tatsächlichen Aufenthalt im Sinne der Zuständigkeitsnorm des § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII begründet.
B. Feststellungsbegehren
Auf das Feststellungsbegehren bezogen folgt aus den vorstehenden Ausführungen, dass der Beklagte auch künftig für die GSi-Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII an den HE zuständig ist, solange dieser Leistungen im Rahmen ambulant betreuten Wohnens erhält. In Bezug auf die Leistungen nach dem 7.Kapitel ("Hilfe zur Pflege") bleibt es jedoch – und insoweit waren die Klagen abzuweisen – bei der Zuständigkeit der Kläger, solange sich der HE in ihrem Bereich tatsächlich aufhält.
C. Kosten- und Streitwertentscheidung
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Klägerin zu 1) und der Beklagte waren mit ihren Anträgen jeweils ungefähr zur Hälfte erfolgreich bzw. unterlegen; der auf den Kläger zu 2) entfallende Anteil (270,65 EUR) des gesamten Streitgegenstandes kann im Rahmen der Kostenlastentscheidung vernachlässigt werden.
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 1 bis 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Streitwert des Erstattungsantrags ergibt sich aus dem Wert der bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erbrachten (und mit dem Erstattungsantrag geltend gemachten) Aufwendungen, das waren 14.559,14 EUR. Den Klägern ging es jedoch nicht nur um die Erstattung der in der Vergangenheit erbrachten Aufwendungen, sondern um die grundsätzliche Feststellung der Leistungszuständigkeit auch für die Zukunft. Da nicht absehbar ist, wie lange diese Leistungen noch zu erbringen sein werden, und der Wert der bisher erbrachten Sozialhilfeleistungen für ein Jahr bei ca. 10.000 EUR liegt, hält es die Kammer für angemessen, für die Bestimmung des Streitwerts des Feststellungsbegehrens diesen Wert anzusetzen. Die Werte des Erstattungsstreitwerts und des Feststellungsstreitwerts zusammengerechnet (vgl. § 39 Abs. 1 GKG) ergeben den Gesamtstreitwert von (gerundet) 25.000,00 EUR.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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