L 3 AL 406/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 1241/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 406/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Dezember 2011 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger führt das vorliegende Verfahren vor dem Hintergrund eines Antrages auf Förderung der Teilnahme eines Besuchs der Messe V. geführt.

Der am 18.01.1975 geborene Kläger stand mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er führte und führt deswegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte.

Am 07.11.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Förderung der Teilnahme an der am 09. und 10.11.2010 in S. stattfindenden Messe V ... Mit Bescheid vom 08.11.2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da der Messebesuch die Eingliederungschancen des Klägers nicht wesentlich erhöhe.

Hiergegen erhob der Kläger am 11.11.2010 Widerspruch. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 08.02.2011 mit, dass das Widerspruchsverfahren eingestellt werde, da sich das Begehren durch Zeitablauf erledigt habe.

Am 22.03.2011 hat der Kläger Klage zum SG erhoben und vorgetragen, die Beklagte sei verpflichtet, über den Widerspruch zu entscheiden. Eine Erledigung sei bereits deswegen nicht eingetreten, weil die Messe jährlich stattfinde.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten.

Nach Anhörung der Beteiligten (gerichtliches Schreiben vom 08.04.2011, dem Kläger am 12.04.2011 zugestellt) hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30.12.2011 abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, die vom Kläger am 26.04. und 30.08.2011 gestellten Befangenheitsanträge hinderten es nicht daran, in der Sache zu entscheiden, da sie offensichtlich rechtsmissbräuchlich seien. Die Anträge zielten einzig darauf ab, den Kammervorsitzenden vom vorliegenden Verfahren auszuschließen, um die Bearbeitung des Verfahrens durch einen anderen Richter zu erreichen. Auch dem Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht, den der Kläger gestellt habe, sei nicht zu entsprechen, da dieser gleichfalls als grob rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sei. Dem Kläger sei im März 2010 Einsicht in die gesamten Akten in den Räumlichkeiten seiner Wohnortgemeinde ermöglicht worden. Der Kläger habe hiervon keinen Gebrauch gemacht. Hieran zeigt sich, dass der Kläger mit den Anträgen lediglich die Beendigung des Rechtsstreits zu verhindern suche. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, über den Widerspruch des Klägers vom 11.11.2010 durch Widerspruchsbescheid zu entscheiden, da sich das Begehren durch Zeitablauf erledigt habe. Zu Recht habe sie das Widerspruchsverfahren eingestellt. Der Antrag des Klägers vom 07.11.2010 habe sich auf die Förderung der im Jahr 2010 stattfindenden Messe bezogen, weswegen unerheblich sei, ob die Messe im jährlichen Turnus stattfinde. Die Förderung eines Messebesuchs für das folgende Jahr sei neu zu beantragen. Die Feststellungsanträge des Klägers seien jedenfalls unbegründet, da die Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, die Teilnahme des Klägers an der Messe zu fördern. Das vom Kläger formulierte Unterlassungsbegehren sei in Ermangelung des erforderlichen qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Das SG hat seiner Entscheidung eine Rechtsmittelbelehrung des Inhalts angeschlossen, dass der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden könne.

Gegen den am 10.01.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.01.2012 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, das LSG sei nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz an die Rechtsmittelbelehrung des SG gebunden. Er verfolge seine Anträge vollumfänglich weiter. Der Gerichtsbescheid enthalte keine Begründung, das SG habe unzulässigerweise selbst über seine Befangenheitsgesuche entschieden. Seit dem 13.09.2011 befindet sich der Kläger in Untersuchungshaft.

Mit Schreiben vom 15.01.2012 hat der Kläger gegenüber dem SG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt und hierzu mitgeteilt, der Streitwert des Verfahrens belaufe sich seines Erachtens auf maximal 100,- EUR. Mit Beschluss vom 02.02.2012 hat das SG den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgelehnt. Auf eine Beschwerde des Klägers hiergegen - L 3 AL 1205/12 B - hat der erkennende Senat den Beschluss vom 02.02.2012 mit Beschluss vom 02.05.2012 aufgehoben.

Der Kläger beantragt (zweckdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Dezember 2011 aufzuheben und das Verfahren an das Sozialgericht Karlsruhe zurückzuverweisen,

hilfsweise,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Dezember 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über seinen Widerspruch vom 11. November 2010 zu entscheiden, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, den Besuch der Messe V. nebst Verpflegungsmehraufwand und Fahrtkosten zu fördern und dass das Verhalten der Beklagten rechtswidrig war sowie die Beklagte zu verpflichten, zukünftige Anträge und Widersprüche rechtzeitig vor den jeweiligen Ereignissen zu verbescheiden bzw. angemessene Abschläge oder Vorschüsse auszubezahlen.

Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Der Senat hat dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt Stuttgart Stammheim übersandt hat. Der Kläger hat hiervon am 17.04.2012 Gebrauch gemacht. Unter dem 02.05.2012 hat der Senat, auf einen Antrag des Klägers hin, ein Vorführungsersuchen an die Justizvollzugsanstalt Stuttgart gerichtet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2012 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg, sie ist als unzulässig zu verwerfen.

Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der sich in Untersuchungshaft befindliche Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 16.05.2012 nicht erschienen ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 21.09.2011 - L 3 AL 2514/10 -, Urteil vom 19.10.2011 - L 3 AL 3913/11 -; Beschlüsse des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12.03.2012 in den vom Kläger dort betriebenen Verfahren - B 11 AL 43/11 BH - und - B 11 AL 44/11 BH -). Soweit der Kläger beantragt hat, ihn zur mündlichen Verhandlung vorzuführen, hat der Senat dem entsprochen und unter dem 02.05.2012 ein Vorführungsersuchen an die Justizvollzugsanstalt Stuttgart gerichtet. Wenn sich der Kläger, dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, nunmehr kurzzeitig - am Sitzungstag - weigert, sich ausführen zu lassen, ist er wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris); der Senat ist nicht daran gehindert ist, in der Sache zu entscheiden.

Der Senat war nicht verpflichtet, dem Kläger, wie von ihm beantragt, eine Kopie der Verfahrens- und Verwaltungsakte zu fertigen und zur Verfügung zu stellen. Der Antrag ist, da der Kläger eine Kopie der gesamten Akte begehrt hat, ohne ihn auf konkrete Aktenteile zu begrenzen, rechtsmissbräuchlich (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 29.06.2011 - L 3 AL 1928/11 B -; Urteile des erkennenden Senats vom 21.09.2011, - L 3 AL 2514/10 -, - L 3 AL 2521/10 -). Der Senat hat dem Kläger, seinem Hilfsantrag entsprechend, die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt S. übersandt hat. Der Kläger hat hiervon am 17.04.2012 Gebrauch gemacht.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 30.12.2011 ist nicht statthaft. Gemäß § 143 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) findet die Berufung gegen Urteile und gegen Gerichtsbescheide, die gemäß § 105 Abs. 3 1. Halbsatz SGG als Urteil wirken, statt. Erforderlich ist hierbei, dass die anzufechtende Entscheidung ergangen ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 143, Rn. 2b). Da der Kläger mit Schreiben vom 15.01.2012 gegenüber dem SG zulässigerweise die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, die dies ablehnende Entscheidung des SG vom Senat mit Beschluss vom 02.05.2012 - L 3 AL 1205/12 B - aufgehoben wurde, mithin antragsgemäß eine mündliche Verhandlung vor dem SG durchzuführen sein wird, gilt der Gerichtsbescheid vom 30.12.2011 gemäß § 105 Abs. 3 2. Halbsatz SGG als nicht ergangen. Dies führt dazu, dass dem Berufungsverfahren keine anfechtbare Entscheidung zu Grunde liegt und das eingelegte Rechtsmittel unstatthaft ist.

Die Berufung wäre darüber hinaus auch ohne den parallelen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung unstatthaft, weil der nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,- EUR nicht erreicht ist (Beschluss des erkennenden Senats vom 02.05.2012 - L 3 AL 1205/12 B -) und auch keine laufenden Leistungen von mehr als einem Jahr gegenständlich sind.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid ist als unzulässig zu verwerfen.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Berufung auch unbegründet ist. Der Rechtsstreit wäre auch im Falle der Zulässigkeit der Berufung nicht, wie klägerseits sinngemäß beantragt, an das SG zurückzuverweisen. Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der ab dem 01.01.2012 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011 (BGBl. I S.3057) kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Ungeachtet davon, dass die vom Kläger angeführten Verfahrensfehler betreffend der Selbstentscheidung des SG über die Befangenheitsgesuche des Klägers und die nicht gewährte Übersendung von Kopien der Akten, wie der Senat bereits vielfach gegenüber dem Kläger entschieden hat, nicht vorliegen, scheidet eine Zurückverweisung des Verfahrens an das SG bereits deswegen aus, weil der Rechtsstreit in der Sache entscheidungsreif und eine Beweisaufnahme nicht erforderlich ist (vgl. Keller in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 159, Rn. 5b; Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.02.2005 - II ZR 220/03 - veröffentlicht in juris). Schließlich hat das SG die Klage auch inhaltlich zu Recht abgewiesen. Die Beklagte war nicht verpflichtet, noch über den Widerspruch des Klägers zu entscheiden, da sich das Begehren des Klägers infolge Zeitablaufs erledigt hatte. Die Feststellungsanträge waren bereits unzulässig, da der Kläger weder ein Fortsetzungsfeststellungs- noch ein Feststellungsinteresse für sich reklamieren kann. Im Hinblick auf das Begehren, die Beklagte zu verpflichten, zukünftige Anträge und Widersprüche rechtzeitig vor den jeweiligen Ereignissen zu verbescheiden bzw. angemessene Abschläge oder Vorschüsse auszubezahlen, fehlt das für eine vorbeugende Unterlassungsklage erforderliche qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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