L 3 SB 864/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 1888/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 864/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 hat.

Der 1957 geborene Kläger stellte am 28.12.2009 den Erstantrag nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Nach Auswertung des Befundberichts des behandelnden Facharztes für Innere Medizin Ambraß stellte der Beklagte mit Bescheid vom 26.02.2010 den GdB des Klägers mit 30 seit Antragstellung fest (psychovegetatives Erschöpfungs-Syndrom und Diabetes mellitus ( Einzel-GdB je 20 ), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Ohrgeräusche (Tinnitus) ( Einzel-GdB je 10 )).

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 11.03.2010 Widerspruch ein mit der Begründung, nicht berücksichtigt sei ein nunmehr insulinpflichtiger Diabetes mellitus. Hierzu legte er ein ärztliches Attest des Arztes Ambraß vom 09.03.2010 vor. Nach Einholung einer weiterer ärztlicher Auskünfte vom 28.04.2010 und 20.05.2010 gelangte Dr. Engelhard in der gutachtlichen Stellungnahme vom 09.06.2010 zu der Beurteilung, der Einzel-GdB für den Diabetes mellitus sei auf 30 zu erhöhen, der Gesamt-GdB betrage nunmehr 40.

Mit Teil-Abhilfebescheid vom 16.06.2010 stellte der Beklagte den GdB des Klägers mit 40 seit Antragstellung fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2010 wies er den Widerspruch im Übrigen zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 28.07.2010 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört. Der Arzt Ambraß hat in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 16.02.2011 mitgeteilt, beim Kläger bestehe ein fortgeschrittener Diabetes mellitus Typ II b, der neben einer oralen Antikoagulationstherapie mit abendlicher Subkutangabe eines Langzeitinsulins behandelt werde. Daneben bestünden deutliche Stimmungsschwankungen mit Burning-out-Syndrom. Im Oktober 2007 sei die Verdachtsdiagnose einer koronaren Herzerkrankung gestellt worden. Im Juni 2009 habe der Kläger wegen einer Lumboischialgie in ärztlicher Behandlung gestanden. Aufgrund der depressiven Entwicklung und des derzeit noch nicht intensivierten, insulinpflichtigen Diabetes mellitus sei der GdB derzeit mit mindestens 40 festzustellen. Der Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dreier teilte unter dem 19.05.2011 mit, der Kläger habe sich bisher zu zwei psychotherapeutischen Vorgesprächen in seiner Praxis eingefunden. Beim Kläger bestehe eine mittelgradige depressive Episode mit verminderter Belastbarkeit, bedingt durch gemindertes Antriebsvermögen, eingeschränkte Konzentration und Durchhaltekraft, vielfache Grübelneigung und erheblicher innerer Unruhe. Zum aktuellen Zeitpunkt könne nicht von anhaltenden Behinderungen oder persistierenden Funktionsbeeinträchtigungen im Sinne eines GdB ausgegangen werden, da zunächst eine Behandlung durchzuführen sei. Aktuell bestehe Arbeitsfähigkeit.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Dr. Bielitz ein psychiatrisch-schmerzpsychologisches Sachverständigengutachten erstattet. Im Gutachten vom 29.09.2011 hat dieser ausgeführt, auf psychiatrischem Fachgebiet bestehe beim Kläger eine allenfalls leichte Anpassungsproblematik im Sinne einer anhaltenden affektiven Störung bei narzisstischer Kränkung am Arbeitsplatz sowie eine Nikotinabhängigkeit. Daneben bestehe ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, der mit einem GdB von 30 ordentlich beurteilt sei. Die seelische Störung bedinge einen GdB von 10, weil nach den Angaben des Klägers eine Stabilisierungstendenz eingetreten und er eine Psychotherapie begonnen habe. Keinesfalls könne eine höhere Einstufung erfolgen, da der Kläger bis zu 10 Stunden täglich arbeite, dies auch toleriere und in der Lage sei, sein Leben mit ausreichend Antrieb und Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in die Hand zu nehmen. Eine Depression im eigentlichen Sinne liege nicht vor. Er halte einen Gesamt-GdB von 30 - 40 seit Dezember 2009 für ausreichend.

Mit Urteil vom 19.01.2011 hat das SG die auf Zuerkennung eines GdB von 50 gerichtete Klage abgewiesen.

Gegen das am 30.01.2012 zugestellte, mit Beschluss vom 14.02.2012 hinsichtlich des Verkündungsdatums berichtigte Urteil hat der Kläger am 27.02.2012 Berufung eingelegt, ohne diese zu begründen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Januar 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 26. Februar 2010 und des Teil-Abhilfebescheides vom 16. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2010 zu verpflichten, bei ihm einen Grad der Behinderung von 50 ab Antragstellung festzustellen.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Verfügung vom 29.03.2012 hat das Gericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter und ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden wolle, und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 30.04.2012 gegeben.

II.

Der Senat konnte über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Er hält die Berufung einstimmig für unbegründet. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zwar verfolgt der Kläger sein auf Feststellung eines GdB von 50 gerichtetes Begehren auch im Berufungsverfahren mit der - allein - statthaften kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG weiter. Das angegriffene Urteil des SG ist in der Sache jedoch nicht zu beanstanden. Denn der Kläger hat über den Teil-Abhilfebescheid vom 16.06.2010 hinaus, mit dem der GdB mit 40 festgestellt worden ist, keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB.

Zur Darstellung der rechtlichen Grundlagen wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen. Das SG hat im angefochtenen Urteil auch zutreffend ausgeführt, dass aufgrund des Therapieumfangs der insulinpflichtige Diabetes mellitus mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten ist. Auch hierauf wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

Zur Überzeugung des Senats sind die Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers auf psychiatrischem Fachgebiet lediglich mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Hierbei handelt es sich um eine allenfalls leichte Anpassungsproblematik im Sinne einer anhaltenden affektiven Störung bei narzisstischer Kränkung am Arbeitsplatz. Der Senat stützt sich hierbei auf die Beurteilung des Sachverständigen Dr. Bielitz im Gutachten vom 29.09.2011. Dr. Bielitz hat eine allenfalls leichte Herabstimmung feststellen können, nicht dagegen eine Depression im eigentlichen Sinne. Nachdem der Kläger eine Psychotherapie begonnen hat ist bei ihm eine Stabilisierungstendenz eingetreten, so dass die von dem Arzt Dreier im Mai 2011 diagnostizierte mittelgradige depressive Episode nicht mehr vorliegt. Die seelische Störung ist danach zutreffend mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet.

Weitere, einen Einzel-GdB von mindestens 10 bedingende Gesundheitsbeeinträchtigungen, liegen beim Kläger nicht - mehr - vor. Das Vorliegen von Ohrgeräuschen (Tinnitus), die in der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. Engelhard vom 09.06.2010 noch mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet worden waren, hat weder der Arzt Ambraß in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 16.02.2011 angegeben noch hat der Kläger solche gegenüber dem Sachverständigen Dr. Bielitz berichtet. Auch eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, die Dr. Engelhard mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet hat, ist nicht mehr feststellbar. Der Arzt Ambraß hat in der sachverständigen Zeugenaussage lediglich über eine im Juni 2009 stattgehabte lokalsymptomatische Therapie bei Lumboischialgie berichtet. Bei der orientierenden gutachterlichen Untersuchung durch Dr. Bielitz war die normalgeschwungene Wirbelsäule gut beweglich und indolent, der Finger-Boden-Abstand betrug 0 cm.

Unter Zugrundelegung eines Einzel-GdB vom 30 für den insulinpflichtigen Diabetes mellitus und eines Einzel-GdB von 10 für eine anhaltende affektive Störung ist ein höherer als der zuerkannte GdB von 40 nicht zu rechtfertigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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