S 18 AS 1152/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 AS 1152/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine höhere Kostenerstattung gem. § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) für ein erfolgreiches Widerspruchsverfahren unter Berücksichtigung des Anfalls einer Erledigungsgebühr.

Die Klägerin war bei der Fa. S GmbH & Co. KG beschäftigt und bezog zu dieser Zeit keine Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von der Beklagten. Mit Schreiben vom 18.08.2009 kündigte der Arbeitgeber der Klägerin fristlos. Gegen die Kün-digung erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Osnabrück (Az: 3 Ca 592/09). Am 25.09.2009 beantragte die Klägerin für sich, ihren Ehemann und die drei gemeinsamen Kinder Leistungen nach dem SGB II bei der Beklagten.

Mit Bescheid vom 29.09.2009 bewilligte die Agentur für Arbeit I der Klägerin Arbeitslo-sengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) ab dem 06.11.2009, die Zeit vom 20.08.2009 bis zum 05.11.2009 blieb zunächst unbeschieden. Mit Änderungs-bescheid vom 06.11.2009 stellte die Agentur für Arbeit den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen wegen Arbeitsaufgabe für die Zeit vom 20.08.2009 bis zum 05.11.2009 fest.

Mit Bescheid vom 13.11.2009 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin den Eintritt einer Absenkung des Anspruches auf Arbeitslosengeld II in Höhe von 30 % der auf sie entfal-lenden Regelleistung für die Zeit vom 25.09.2009 bis zum 05.11.2009 fest. Den monatli-chen Absenkungsbetrag stellte die Beklagte mit 97,00 EUR fest. Dies begründete sie damit, dass aufgrund der Sperrzeit der Agentur für Arbeit eine Absenkung nach § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II a.F. eingetreten sei.

Mit Bescheid vom 18.11.2009 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld II für die Klägerin, den Ehemann und die drei Kinder für Oktober 2009, hierbei fand die Absenkung von 97,00 EUR bei der Klägerin Berücksichtigung. Mit weiteren Bescheiden vom selben Tag lehnte die Beklagte für die Zeit vom 26.09.2009 bis 30.09.2009 und die Zeit ab dem 01.11.2009 eine Leistungsgewährung nach dem SGB II mangels Hilfebedürftigkeit ab.

Gegen den Bescheid vom 13.11.2009 erhob die Klägerin anwaltlich vertreten Wider-spruch. Diesen begründete sie mit Schreiben, welches am 18.01.2010 bei der Beklagten einging, damit, dass die Voraussetzungen für eine Sperrzeit bereits nicht vorliegen wür-den. Es habe kein vertragswidriges Verhalten bestanden. Dies ergebe sich aus einem entsprechenden arbeitsgerichtlichen Vergleich. Auch habe die Beklagte nicht ungeprüft die Sperrzeitentscheidung übernehmen dürfen. Mit Schreiben vom 23.02.2010 teilte die Klägerin mit, dass die Agentur für Arbeit im Verfahren gegen die Sperrzeit ein Anerkenntnis abgegeben habe.

Bereits am 14.01.2010 hat das Arbeitsgericht Osnabrück durch Beschluss festgestellt, dass das Kündigungsschutzverfahren durch Abschluss eines Vergleiches erledigt ist. Ausweislich des Vergleiches endete das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei ihrem Arbeit-geber durch arbeitgeberseitige, ordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Ablauf des 31.10.2009. Mit Bescheid vom 02.02.2010 hatte die Agentur für Arbeit die Bewilligung von Arbeitslosengeld nach dem SGB III geändert und ohne Eintritt einer Sperrzeit für die Zeit ab dem 01.11.2009 Arbeitslosengeld gewährt. Bis zum 31.10.2009 hat sie ein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruches wegen Erhalt von Arbeitsentgelt festgestellt.

Mit Schreiben vom 03.05.2010 forderte die Beklagte die Übersendung von Nachweisen hinsichtlich des Anerkenntnisses der Agentur für Arbeit. Mit Schreiben vom 07.05.2010 übersandte die Klägerin eine Kopie des Beschlusses des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 14.01.2010.

Mit Abhilfebescheid vom 15.07.2010 hob die Beklagte ihre Absenkungsentscheidung vom 13.11.2009 auf und entschied, dass die Kosten der Klägerin für das Widerspruchsverfah-ren, soweit notwendig, erstattet werden. Dies gelte auch für Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts.

Am 21.10.2010 ging eine Kostenrechnung für das Widerspruchsverfahren über 653,91 EUR bei der Beklagten ein. Diese setzte sich zusammen aus einer Geschäftsgebühr (Nr. 2400 VV RVG) von 240,00 EUR, einer Erledigungsgebühr (Nr. 1005 VV RVG) von 280,00 EUR, einer Post- und Telekommunikationsentgeltpauschale (Nr. 7002 VV RVG) von 20,00 EUR und einer Dokumentenpauschale für 19 Ablichtungen (Nr. 7000 VV RVG) von 9,50 EUR sowie der Umsatzsteuer von 104,41 EUR.

Mit Bescheid vom 16.03.2011 setzte die Beklagte die zu erstattenden Kosten mit 320,71 EUR fest. Dies begründete sie damit, dass die Erledigungsgebühr nicht angefallen sei. Die Übersendung von Unterlagen im Widerspruchsverfahren sei Teil der Widerspruchsbe-gründung und könne nicht die Erledigungsgebühr auslösen.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, den sie damit begründete, dass die Übersen-dung nicht präsenter Beweismittel eine überobligatorische Tätigkeit sei und daher die Erledigungsgebühr anfalle.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbe-gründet zurück. Die Übersendung des vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleiches sei durch die Geschäftsgebühr abgedeckt. Hierin liege keine über das normale Maß hin-ausgehende anwaltliche Mitwirkung im konkreten Verfahren.

Hiergegen erhoben die Klägerin Klage.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Erledigungsgebühr angefallen sei. Es sei eine überobligatorische Tätigkeit entfaltet worden, die kausal für die Abhilfeentscheidung gewesen sei. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen selbst zu ermitteln; soweit sie dann an Stelle von eigenen Ermittlungen die Übersendung von Nachweisen fordere, handele es sich um eine Tätigkeit, die überobligatorisch sei. Der vorliegende Fall sei insbesondere nicht mit der Entscheidung des BSG zum Aktenzeichen B 11 AL 14/09 R vergleichbar.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 16.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten des Wider-spruchsverfahrens auf 653,91 EUR festzusetzten und weitere 333,20 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, ihre Entscheidung sei rechtmäßig. Hierzu verweist sie auf ihre Aus-führungen im Widerspruchsbescheid. Insbesondere sei die Anforderung der Unterlagen auch im Rahmen der Amtsermittlung zulässig und sei nicht als überobligatorisch anzusehen.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge-richtsakte und die zum Verfahren S 18 AS 2002/10 beigezogenen Verwaltungsakten Be-zug genommen. Diese lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid vom 16.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektiven Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klägerin hat keinen über den Betrag von 320,71 EUR hinausgehenden Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber der Beklagten.

Gem. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind die notwendigen Aufwendungen für die Rechtsver-folgung zu erstatten, soweit ein Widerspruch erfolgreich ist. Gem. § 63 Abs. 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gem. § 63 Abs. 3 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest.

Die Höhe der Vergütung des Rechtsanwalts (Gebühren und Auslagen) bestimmt sich nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetztes (RVG) gem. § 1 Abs. 1 RVG. Gem. § 3 Abs. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Gem. § 3 Abs. 2 RVG gilt Entsprechendes für eine Tätigkeit außerhalb des gerichtlichen Verfahrens. Da die Klägerin eine kostenprivilegierte Beteiligte im Sinn des § 183 Satz 1 SGG ist, findet das GKG gem. § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG keine Anwendung.

Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Ein-zelfall unter Berücksichtigung aller Umstände. Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem "Vergütungsverzeichnis", welches dem RVG als Anlage 1 angefügt ist (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG).

Nachdem die Beklagte die Hinzuziehung des Bevollmächtigten bereits inzident im Abhilfe¬bescheid vom 15.07.2010 und im angefochtenen Bescheid vom 16.03.2011 für notwendig erklärt hat, ist nur noch die Höhe der Vergütung selbst streitig. Die geltend gemachte Geschäftsgebühr von 240,00 EUR entspricht der Schwellengebühr nach Nr. 2400 VV RVG und ist ebenso wie die Post- und Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV RVG) von 20,00 EUR und die Pauschale für 19 Ablichtungen (Nr. 7000 VV RVG) von 9,50 EUR von der Klägerseite zutreffend beantragt und durch die Beklagte zutreffend festgesetzt worden. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Die klägerseitig geforderte Erledigungsgebühr (Nr. 1005 VV RVG) von 280,00 EUR ist nicht angefallen und durch die Beklagte zu Recht nicht festgesetzt worden. Nach der Rechtsprechung des BSG kann eine Gebühr für die Mitwirkung an der Erledi-gung eines isolierten Vorverfahrens nur beansprucht werden, wenn der Rechtsanwalt eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat (BSG, Urteil vom 05.05.2010, B 11 AL 14/09 R m.w.N.). Erforderlich ist eine qualifizierte auf die Erledigung gerichtete Mitwirkung, die über das Maß hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im Widerspruchsverfahren abgegolten wird (vgl. BSG SozR 4-1300 § 63 Nr. 8 Rn. 22). Eine solche qualifizierte, eine Erledigungsgebühr begründende Tätigkeit liegt beispielsweise vor, wenn der Rechtsanwalt zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen unaufgefordert neue Beweismittel beibringt (BSG SozR 4-1935 VV Nr. 1002 Nr. 1 Rn. 15). Dagegen bewegt sich die Vorlage präsenter Beweismittel noch im Rahmen der dem Widerspruchsführer ohnehin obliegenden Mitwirkung (§ 21 Abs 2 SGB X) und ist bereits mit der Geschäftsgebühr bzw. der Auslagenpauschale abgegolten (BSG, Urteil vom 02.10.2008, B 9/9a SB 3/07 R).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann in der durch den Bevollmächtigten der Klägerin vorgenommenen Übersendung des vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleichs keine die Gebühr nach Nr. 1005 VV RVG rechtfertigende besondere Tätigkeit gesehen werden. Die für den Vergleichsabschluss ausschlaggebende Tätigkeit ist nicht im Widerspruchsverfahren, sondern in einem anderen, von der Klägerin gesondert anhängig gemachten Verfahren entfaltet worden. Die Erledigungsgebühr entsteht bei Erledigung einer Rechtssache nach Aufhebung oder Änderung eines angefochtenen Verwaltungsakts, woraus deutlich wird, dass die anwaltliche Mitwirkung im konkreten Verfahren stattfinden muss und ein Tätigwerden in einem anderen Verfahren regelmäßig nicht ausreicht (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 05.05.2010, B 11 AL 14/09 R). Insofern kommt es nicht darauf an, dass der Fall der Klägerin nicht inhaltlich identisch mit der Fallkonstellation ist, welche dem vorgenannten Urteil des BSG zugrunde lag. Denn entscheidend ist, dass in der Tätigkeit des Bevollmächtigten keine Tätigkeit lag, die über das normale Maß in einem Widerspruchsverfahren hinausgeht. Denn sie erschöpfte sie neben der Einlegung und Begründung des schließlich erfolgreichen Widerspruches darin ein präsentes Beweismittel zu übersenden.

Insgesamt ergibt sich daher ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte von 320,71 EUR (240,00 EUR + 20,00 EUR + 9,50 EUR zzgl. 51,21 EUR Umsatzsteuer) der durch den Bescheid vom 16.03.2011 zutreffend festgesetzt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe die Berufung zuzulassen liegen nicht vor. Die Berufung ist zulassungsbedürftig, da der Berufungsstreitwert von 750,00 EUR (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) nicht erreicht wird. Zulassungsgründe im Sinne von § 144 Abs. 2 SGG liegen jedoch nicht vor, denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch weicht die Entscheidung von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab und beruht auf dieser Abweichung.
Rechtskraft
Aus
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