Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 17 R 277/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 416/12 ER
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 17.01.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 02.01.2012 wird insgesamt auch bezüglich des Zeitraumes vom 01.12.2005 bis 31.01.2007 und bezüglich der Erhebung vom Säumniszuschlägen angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 1.930,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begeht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Anfechtungsrechtsbehelfs gegen einen auf § 28 p des 4. Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) gestützten Bescheides, mit dem die Antragsgegnerin auch für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.01.2007 Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert und Säumniszuschläge gefordert hat.
Die Antragstellerin ist im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätig. Sie war in dem oben genannten Betriebsprüfungszeitraum im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gemäß § 1 Arbeitsnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Weiterhin wurde ihr für diesen Zeitraum eine unbefristete Genehmigung i.S.d. § 2 Abs. 5 AÜG von Seiten der Bundesagentur für Arbeit erteilt.
In den Arbeitsverträgen der beschäftigten Leiharbeitnehmer wird für den Zeitraum von Dezember 2005 bis Januar 2007 auf keinen Tarifvertrag verwiesen. Für diesen Zeitraum ist die Beitragsberechnung in Höhe des Equal-pay-Lohnes vorzunehmen. Auf Basis der im Arbeitsvertrag vorgesehenen Vergütung hat die Antragstellerin Beiträge für die bei ihr beschäftigten Leiharbeitnehmer gezahlt sowie Meldungen und Beitragsnachweise zur Sozialversicherung abgegeben.
Mit Schreiben vom 24.06.2011 hat die Antragsgegnerin für die Zeit vom 23.08.2011 bis 02.09.2011 eine Betriebsprüfung angekündigt für den Prüfzeitraum ab dem 01.12.2005 bis zum 31.012.2009.
Mit Bescheid vom 02.01.2012 macht die Antragsgegnerin sowohl Nachforderungen für den Zeitraum vom 01.02.2007 bis 31.012.2009 als auch für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.01.2007 geltend. Der Nachforderungsbetrag beträgt insgesamt 29.648,19 EUR, wobei ein Betrag von 7.720,24 EUR auf den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.01.2007 entfällt. Da für diesen Zeitraum die Beitragsberechnung in Höhe des Equal-pay-Lohnes vorzunehmen sei, seien die Beiträge zur Sozialversicherung auf Grundlage der Differenz zwischen dem von der Antragstellerin gemeldeten und dem Beitragsanspruch zugrunde gelegten Arbeitsentgelt und dem vergleichbaren Arbeitsentgelt eines Stammarbeitnehmers in dem jeweiligen Entleihbetrieb und Überlassungszeitraum für jeden Leiharbeitnehmer individuell nachzuerheben. Dabei ist die Ermittlung der Arbeitsentgelte unter Berücksichtigung von individuellen arbeitgeberspezifischen Gruppen ermittelt worden und zwar teilweise unter Berücksichtigung der von den Entleihfirmen mitgeteilten üblichen Lohnansprüche anhand der jeweils ausgewiesenen Stundenlöhne unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. In den Fällen, in denen die Entleihfirmen keine Auskünfte erteilt haben, sind die Löhne von der Antragsgegnerin auf Grundlage einer Schätzung ermittelt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides vom 02.01.2012 Bezug genommen.
Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 17.01.2012 Widerspruch und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Zur Begründung des Anfechtungsrechtsbehelfs und des Antrages auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung macht die Antragstellerin geltend, sie habe keine positive Kenntnis von Ihrer Zahlungspflicht gehabt. Bezüglich eines Prüfungszeitraums vom 01.01.2003 bis 31.12.2007 sei bereits eine Betriebsprüfung erfolgt, aufgrund derer ein Bescheid vom 14.01.2008 ergangen sei. Hierdurch sei ein Vertrauenstatbestand gesetzt worden, außerdem habe eine unbefristete Genehmigung i. S. d. § 2 Abs. 5 AÜG bestanden. Ferner seien die Zahlen, die der Beitragsnachforderung für diesem Zeitraum zugrunde lägen, lediglich geschätzte Zahlen, da für diesen Zeitraum kaum noch Informationen hätten ermittelt werden können, was ein vergleichbarer Arbeitnehmer bei den Entleiherbetrieben in diesem Zeitraum verdient hätte.
Außerdem seien alle im Jahre 2006 fällig gewordenen Beitragsforderungen verjährt. Es sei auch keine Hemmung der Verjährung eingetreten. Eine Erhebung von Säumniszuschägen komme nicht in Betracht, da kein schuldhaftes Verhalten unterstellt werden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Widerspruchsschreibens der Antragstellerin vom 17.01.2012 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 27.02.2012 setzte die Antragsgegnerin bezüglich des Zeitraumes vom 01.02.2007 bis zum 31.12.2009 die Vollziehung für die Dauer des Widerspruchsverfahrens aus. Dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung für den Nachberechnungszeitraum vom 01.12.2005 bis 31.01.2007 wurde nicht entsprochen, da in diesem Zeitraum Beiträge wegen des Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nachberechnet werden müssten.
Am 08.03.2012 hat die Antragstellerin das Sozialgericht Detmold um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ersucht. Zur Begründung vertieft sie die Ausführungen im Widerspruchsverfahren. Ergänzend weist sie darauf hin, dass es der Antragsgegnerin nach dem auch im Sozialrecht anzuwendenden allgemeinen Grundsatz des Vertrauensschutzes verwehrt sei, Beiträge für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.01.2007 nachzufordern. Die Antragstellerin sei für diesen Zeitraum bereits von Seiten der Antragsgegnerin geprüft worden und aufgrund dieser Prüfung sei der Bescheid vom 14.01.2008 erlassen worden. Aufgrund der Bestandskraft des den früheren Prüfzeitraum abschließenden Nachforderungsbescheides hätte eine denselben Zeitraum betreffenden Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen nur unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 1, 10. Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erfolgen können, nämlich erst nach Rücknahme des Vorprüfungsbescheides. Sie weist diesbezüglich auf ein Urteil des LSG Bayern vom 18.01.2011, Az.: L 5 R 752/08, hin.
Auch habe die Antragsgegnerin nicht den Nachweis geführt, dass die Antragstellerin von ihrer Beitragsentrichtungspflicht wusste und die Nichtentrichtung der Beiträge auf dieser Grundlage billigend in Kauf genommen habe.
Ferner seien die geschuldeten Entgelte nicht hinreichend ermittelt worden. Es handele sich überwiegend um Beträge, die im Wege der Schätzung ermittelt worden seien, die gewählte Schätzungsmethode sei jedoch nicht geeignet, den Nachweis dahingehend zu führen, dass in dem streitigen Zeitraum von Seiten der Antragstellerin nicht die geschuldeten Entgelte entrichtet worden seien.
Die Nichtaussetzung der Vollziehung habe eine unbillige Härte für die Antragstellerin zur Folge.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 17.01.2012 gegen den Bescheid vom 02.01.2012 insgesamt auch bezüglich des Zeitraumes vom 01.12.2005 bis 31.01.2007 und der Erhebung von Säumniszuschlägen anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung seien nicht gegeben.
In der Zeit vom 01.12.2005 bis zum 31.01.2007 habe die Antragstellerin gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes verstoßen. Der Anspruch der Beschäftigten der Antragstellerin auf ein höheres Arbeitsentgelt ergäbe sich dem Grunde und der Höhe nach aus §§ 9, Abs. 2 AÜG i.V.m. 10 Abs. 4 AÜG. Danach habe der Arbeitnehmer Anspruch auf ein Arbeitsentgelt eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers in dem Entleihbetrieb. Versicherungs- und Beitragspflicht entstünden, sobald eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt werde. Die Entstehung der Versicherungspflicht und der Beitragspflicht und auch die Beitragshöhe hingen nicht davon ab, ob und wann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das geschuldete Arbeitsentgelt tatsächlich zahle.
Die Antragstellerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei anerkannt, dass die Prüfbehörden bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28 p SGB IV selbst in kleinen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet seien. Gegenstand der Betriebsprüfung im Jahre 2008 sei lediglich die Auswertung des Lohnsteuerprüfberichtes vom 19.03.2007 gewesen.
Eine Verjährung der Beiträge sei nicht eingetreten, da sie bedingt vorsätzlich vorenthalten worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Schriftsätze sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86 b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist statthaft. Hiernach kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen anordnen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Im vorliegenden Fall hatte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 27.02.2012 die Aussetzung der Vollziehung bezüglich des Zeitraumes vom 01.12.2005 bis zum 31.01.2007 abgelehnt.
Der Antrag ist auch begründet.
Das Gericht entscheidet über den Antrag nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung nach pflichtgemäßem Ermessen. Hierbei sind die widerstreitenden Interessen der Beteiligten, namentlich das Aussetzungsinteresse des Antragstellers einerseits und das öffentliche Vollzugsinteresse an der Vollziehung des Bescheides andererseits gegeneinander abzuwägen. Ausgehend von der in § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG normierten sofortigen Vollziehbarkeit der Erhebung von Beitragsforderungen liegt das Aussetzungsinteresse regelmäßig nur dann, wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Leistungspflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hat (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer in Kommentar zum SGG, 10. Auflage, Rd. Nr. 86 b 12 g).
Hier überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Antragsgegnerin vom 02.01.2012 bestehen. Nach der zu treffenden Prognoseentscheidung ist davon auszugehen, dass der Hauptsache-Rechtsbehelf Erfolg haben wird.
Gemäß § 28 p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihren Meldepflichten und ihren sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamt-Sozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Hierbei prüfen sie insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28 a SGB IV). Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung-Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern (§ 28 p Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 1 SGB IV).
Die Antragsgegnerin hat mit Bescheid vom 02.01.2012 eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die bei der Antragstellerin beschäftigten Leiharbeitnehmer festgestellt. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Dahinstehen kann, ob die Beitragsforderung an sich gerechtfertigt ist. Die hiergegen seitens der Antragstellerin vorgebrachten Argumente bzgl. einer Schätzung der Beiträge greifen nach summarischer Prüfung nicht durch. Insoweit ist die Antragsgegnerin zutreffend davon ausgegangen, dass die Beiträge zur Sozialversicherung aufgrund der geschuldeten Entgelte zu errechnen sind und die Differenzbeträge nachzuberechnen sind. Einer Schätzung der Lohndifferenz stehen jedenfalls bei summarischer Prüfung keine ernsthaften Zweifel entgegen.
Das Gericht hat nach gebotener summarischer Prüfung deshalb ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, da die Antragsgegnerin es versäumt hat, zunächst den bestandkräftigen Bescheid vom 14.01.2008 gemäß § 44 ff 10. Buch (SGB X) aufzuheben.
Soweit sich im Einzelfall sich ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt aufgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und insoweit deshalb Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) und der rechtswidrig ist, nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtwidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, sobald der Begünstigte auf dem Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse einer Rücknahme schutzwürdig ist.
Die Antragsgegnerin hatte schon mit Bescheid vom 14.01.2008 über den Prüfzeitraum vom 01.01.2003 bis 31.12.2007 entschieden und einen Beitragsbescheid nach § 28 p SGB IV erlassen. Dieser Bescheid war nach § 28 p SGB IV, § 7 Abs. 4 Satz 1 BVV in Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes nach § 33 SGB X so zu verstehen, dass das durchgeführte Betriebsprüfungsverfahren für die Zeit von 2003 bis 2007 die dortigen Beanstandungen ergeben hat. Wollte die Antragsgegnerin einen weiteren Bescheid erlassen mit dem Inhalt, dass das Betriebsprüfungsverfahren für die Zeit vom 01.12.2005 bis 31.01.2007 weitere, über die damals getroffenen hinausgehenden Beanstandungen und Nachforderungen ergeben hat, bestünde die Gefahr, dass zwei, den identischen Gegenstand regelnde Bescheide mit sich widersprechendem Inhalt ergehen würden. Der Bescheid vom 14.01.2008 ist bestandskräftig geworden. Er war gegebenenfalls von Anfang an rechtswidrig, weil er die Beitragsnachzahlungspflicht im Hinblick auf die tatsächlich geschuldeten Entgelte nicht richtig festgestellt hatte. Nach einer Entscheidung des LSG Bayern vom 22.03.2012, L 5 R 138/12 B ER, entbinden Stichprobenprüfungen nicht davon, ursprüngliche Bescheide nach § 45 SGB X zurückzunehmen (so auch LSG Bayern vom 18.01.2011, L 5 R 752/08).
Die Antragsgegnerin hat in ihrem Bescheid vom 02.01.2012 nicht auf den früheren Bescheid Bezug genommen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin die Vorgaben des § 45 SGB X beachtet hat. Ohne eine vorherige Rücknahme des zuerst ergangenen Bescheides vom 14.01.2008 konnte die Beklagte keinen weiteren Bescheid erlassen. Ob die Voraussetzungen für eine ‚Rücknahme nach § 45 SGB X vorlagen, kann dahinstehen, jedenfalls ist der zuerst ergangene Bescheid nicht zurückgenommen worden.
Das Argument der Antragsgegnerin, dass das BSG in ständiger Rechtsprechung u. a. mit Urteilen vom 14. Juli 2004, Az.: B 12 KR 1/04 R bzw. vom 22. Februar 1980, Az.: 12 RK 34/79 und weiteren Urteilen entschieden hat, dass die Prüfbehörden bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28 p SGB IV selbst in kleinen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet sind und die Prüfung der Aufzeichnungen nach §§ 8 und 9 Verfahrensordnung (BVV) auf Stichproben beschränkt werden kann, kann die Rücknahme eines Betriebsprüfungsbescheides nicht ersetzen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem BSG-Urteil vom 14.07.2004, B 12 KR 1/04 R, dort hatte das BSG für den entschiedenen Fall einen rückwirkenden Beitragsnachforderung lediglich die Voraussetzungen einer Verwirkung verneint, die die nachträgliche Beitragsgeltendmachung verhindert hätte. Diese Entscheidung beinhaltet jedoch keine Aussage dazu, dass die §§ 44 ff SGB X im Falle von Stichprobenprüfungen keine Geltung hätten.
Im vorliegenden Fall kann wohl nicht von einer groben Fahrlässigkeit der Antragstellerin ausgegangen werden. Es liegen auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragstellerin die ihr vorliegende Sorgfalt im besonderen Maße verletzt hätte.
Selbst wenn die Antragsgegnerin den Bescheid vom 14.01.2008 wirksam zurückgenommen hätte, hätte sie für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.12.2006 keine Beiträge nachfordern können, da zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 02.01.2012 alle Beitragsforderungen, die im Jahre 2006 fällig geworden sind, gemäß § 25 Abs. 1 SGB IV verjährt waren. Ansprüche auf Beiträge verjähren nach § 25 Abs. 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Im vorliegenden Fall ist kein vorsätzliches Verhalten der Antragstellerin, auch kein bedingter Vorsatz, erkennbar.
Die Antragsgegnerin hat ein solches Verhalten der Antragstellerin lediglich behauptet, jedoch nicht nachgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwG0). Der Streitwert beruht auf §§ 63, Abs. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass hier nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Streit stand. Deswegen wird ¼ des Hauptsachestreitwertes einschließlich Säumniszuschläge zugrunde gelegt, vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.07.2009, L 8 B 5/09 R ER.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 1.930,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begeht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Anfechtungsrechtsbehelfs gegen einen auf § 28 p des 4. Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) gestützten Bescheides, mit dem die Antragsgegnerin auch für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.01.2007 Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert und Säumniszuschläge gefordert hat.
Die Antragstellerin ist im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätig. Sie war in dem oben genannten Betriebsprüfungszeitraum im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gemäß § 1 Arbeitsnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Weiterhin wurde ihr für diesen Zeitraum eine unbefristete Genehmigung i.S.d. § 2 Abs. 5 AÜG von Seiten der Bundesagentur für Arbeit erteilt.
In den Arbeitsverträgen der beschäftigten Leiharbeitnehmer wird für den Zeitraum von Dezember 2005 bis Januar 2007 auf keinen Tarifvertrag verwiesen. Für diesen Zeitraum ist die Beitragsberechnung in Höhe des Equal-pay-Lohnes vorzunehmen. Auf Basis der im Arbeitsvertrag vorgesehenen Vergütung hat die Antragstellerin Beiträge für die bei ihr beschäftigten Leiharbeitnehmer gezahlt sowie Meldungen und Beitragsnachweise zur Sozialversicherung abgegeben.
Mit Schreiben vom 24.06.2011 hat die Antragsgegnerin für die Zeit vom 23.08.2011 bis 02.09.2011 eine Betriebsprüfung angekündigt für den Prüfzeitraum ab dem 01.12.2005 bis zum 31.012.2009.
Mit Bescheid vom 02.01.2012 macht die Antragsgegnerin sowohl Nachforderungen für den Zeitraum vom 01.02.2007 bis 31.012.2009 als auch für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.01.2007 geltend. Der Nachforderungsbetrag beträgt insgesamt 29.648,19 EUR, wobei ein Betrag von 7.720,24 EUR auf den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.01.2007 entfällt. Da für diesen Zeitraum die Beitragsberechnung in Höhe des Equal-pay-Lohnes vorzunehmen sei, seien die Beiträge zur Sozialversicherung auf Grundlage der Differenz zwischen dem von der Antragstellerin gemeldeten und dem Beitragsanspruch zugrunde gelegten Arbeitsentgelt und dem vergleichbaren Arbeitsentgelt eines Stammarbeitnehmers in dem jeweiligen Entleihbetrieb und Überlassungszeitraum für jeden Leiharbeitnehmer individuell nachzuerheben. Dabei ist die Ermittlung der Arbeitsentgelte unter Berücksichtigung von individuellen arbeitgeberspezifischen Gruppen ermittelt worden und zwar teilweise unter Berücksichtigung der von den Entleihfirmen mitgeteilten üblichen Lohnansprüche anhand der jeweils ausgewiesenen Stundenlöhne unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. In den Fällen, in denen die Entleihfirmen keine Auskünfte erteilt haben, sind die Löhne von der Antragsgegnerin auf Grundlage einer Schätzung ermittelt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides vom 02.01.2012 Bezug genommen.
Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 17.01.2012 Widerspruch und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Zur Begründung des Anfechtungsrechtsbehelfs und des Antrages auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung macht die Antragstellerin geltend, sie habe keine positive Kenntnis von Ihrer Zahlungspflicht gehabt. Bezüglich eines Prüfungszeitraums vom 01.01.2003 bis 31.12.2007 sei bereits eine Betriebsprüfung erfolgt, aufgrund derer ein Bescheid vom 14.01.2008 ergangen sei. Hierdurch sei ein Vertrauenstatbestand gesetzt worden, außerdem habe eine unbefristete Genehmigung i. S. d. § 2 Abs. 5 AÜG bestanden. Ferner seien die Zahlen, die der Beitragsnachforderung für diesem Zeitraum zugrunde lägen, lediglich geschätzte Zahlen, da für diesen Zeitraum kaum noch Informationen hätten ermittelt werden können, was ein vergleichbarer Arbeitnehmer bei den Entleiherbetrieben in diesem Zeitraum verdient hätte.
Außerdem seien alle im Jahre 2006 fällig gewordenen Beitragsforderungen verjährt. Es sei auch keine Hemmung der Verjährung eingetreten. Eine Erhebung von Säumniszuschägen komme nicht in Betracht, da kein schuldhaftes Verhalten unterstellt werden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Widerspruchsschreibens der Antragstellerin vom 17.01.2012 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 27.02.2012 setzte die Antragsgegnerin bezüglich des Zeitraumes vom 01.02.2007 bis zum 31.12.2009 die Vollziehung für die Dauer des Widerspruchsverfahrens aus. Dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung für den Nachberechnungszeitraum vom 01.12.2005 bis 31.01.2007 wurde nicht entsprochen, da in diesem Zeitraum Beiträge wegen des Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nachberechnet werden müssten.
Am 08.03.2012 hat die Antragstellerin das Sozialgericht Detmold um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ersucht. Zur Begründung vertieft sie die Ausführungen im Widerspruchsverfahren. Ergänzend weist sie darauf hin, dass es der Antragsgegnerin nach dem auch im Sozialrecht anzuwendenden allgemeinen Grundsatz des Vertrauensschutzes verwehrt sei, Beiträge für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.01.2007 nachzufordern. Die Antragstellerin sei für diesen Zeitraum bereits von Seiten der Antragsgegnerin geprüft worden und aufgrund dieser Prüfung sei der Bescheid vom 14.01.2008 erlassen worden. Aufgrund der Bestandskraft des den früheren Prüfzeitraum abschließenden Nachforderungsbescheides hätte eine denselben Zeitraum betreffenden Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen nur unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 1, 10. Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erfolgen können, nämlich erst nach Rücknahme des Vorprüfungsbescheides. Sie weist diesbezüglich auf ein Urteil des LSG Bayern vom 18.01.2011, Az.: L 5 R 752/08, hin.
Auch habe die Antragsgegnerin nicht den Nachweis geführt, dass die Antragstellerin von ihrer Beitragsentrichtungspflicht wusste und die Nichtentrichtung der Beiträge auf dieser Grundlage billigend in Kauf genommen habe.
Ferner seien die geschuldeten Entgelte nicht hinreichend ermittelt worden. Es handele sich überwiegend um Beträge, die im Wege der Schätzung ermittelt worden seien, die gewählte Schätzungsmethode sei jedoch nicht geeignet, den Nachweis dahingehend zu führen, dass in dem streitigen Zeitraum von Seiten der Antragstellerin nicht die geschuldeten Entgelte entrichtet worden seien.
Die Nichtaussetzung der Vollziehung habe eine unbillige Härte für die Antragstellerin zur Folge.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 17.01.2012 gegen den Bescheid vom 02.01.2012 insgesamt auch bezüglich des Zeitraumes vom 01.12.2005 bis 31.01.2007 und der Erhebung von Säumniszuschlägen anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung seien nicht gegeben.
In der Zeit vom 01.12.2005 bis zum 31.01.2007 habe die Antragstellerin gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes verstoßen. Der Anspruch der Beschäftigten der Antragstellerin auf ein höheres Arbeitsentgelt ergäbe sich dem Grunde und der Höhe nach aus §§ 9, Abs. 2 AÜG i.V.m. 10 Abs. 4 AÜG. Danach habe der Arbeitnehmer Anspruch auf ein Arbeitsentgelt eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers in dem Entleihbetrieb. Versicherungs- und Beitragspflicht entstünden, sobald eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt werde. Die Entstehung der Versicherungspflicht und der Beitragspflicht und auch die Beitragshöhe hingen nicht davon ab, ob und wann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das geschuldete Arbeitsentgelt tatsächlich zahle.
Die Antragstellerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei anerkannt, dass die Prüfbehörden bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28 p SGB IV selbst in kleinen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet seien. Gegenstand der Betriebsprüfung im Jahre 2008 sei lediglich die Auswertung des Lohnsteuerprüfberichtes vom 19.03.2007 gewesen.
Eine Verjährung der Beiträge sei nicht eingetreten, da sie bedingt vorsätzlich vorenthalten worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Schriftsätze sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86 b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist statthaft. Hiernach kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen anordnen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Im vorliegenden Fall hatte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 27.02.2012 die Aussetzung der Vollziehung bezüglich des Zeitraumes vom 01.12.2005 bis zum 31.01.2007 abgelehnt.
Der Antrag ist auch begründet.
Das Gericht entscheidet über den Antrag nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung nach pflichtgemäßem Ermessen. Hierbei sind die widerstreitenden Interessen der Beteiligten, namentlich das Aussetzungsinteresse des Antragstellers einerseits und das öffentliche Vollzugsinteresse an der Vollziehung des Bescheides andererseits gegeneinander abzuwägen. Ausgehend von der in § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG normierten sofortigen Vollziehbarkeit der Erhebung von Beitragsforderungen liegt das Aussetzungsinteresse regelmäßig nur dann, wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Leistungspflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hat (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer in Kommentar zum SGG, 10. Auflage, Rd. Nr. 86 b 12 g).
Hier überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Antragsgegnerin vom 02.01.2012 bestehen. Nach der zu treffenden Prognoseentscheidung ist davon auszugehen, dass der Hauptsache-Rechtsbehelf Erfolg haben wird.
Gemäß § 28 p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihren Meldepflichten und ihren sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamt-Sozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Hierbei prüfen sie insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28 a SGB IV). Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung-Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern (§ 28 p Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 1 SGB IV).
Die Antragsgegnerin hat mit Bescheid vom 02.01.2012 eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die bei der Antragstellerin beschäftigten Leiharbeitnehmer festgestellt. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Dahinstehen kann, ob die Beitragsforderung an sich gerechtfertigt ist. Die hiergegen seitens der Antragstellerin vorgebrachten Argumente bzgl. einer Schätzung der Beiträge greifen nach summarischer Prüfung nicht durch. Insoweit ist die Antragsgegnerin zutreffend davon ausgegangen, dass die Beiträge zur Sozialversicherung aufgrund der geschuldeten Entgelte zu errechnen sind und die Differenzbeträge nachzuberechnen sind. Einer Schätzung der Lohndifferenz stehen jedenfalls bei summarischer Prüfung keine ernsthaften Zweifel entgegen.
Das Gericht hat nach gebotener summarischer Prüfung deshalb ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, da die Antragsgegnerin es versäumt hat, zunächst den bestandkräftigen Bescheid vom 14.01.2008 gemäß § 44 ff 10. Buch (SGB X) aufzuheben.
Soweit sich im Einzelfall sich ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt aufgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und insoweit deshalb Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) und der rechtswidrig ist, nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtwidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, sobald der Begünstigte auf dem Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse einer Rücknahme schutzwürdig ist.
Die Antragsgegnerin hatte schon mit Bescheid vom 14.01.2008 über den Prüfzeitraum vom 01.01.2003 bis 31.12.2007 entschieden und einen Beitragsbescheid nach § 28 p SGB IV erlassen. Dieser Bescheid war nach § 28 p SGB IV, § 7 Abs. 4 Satz 1 BVV in Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes nach § 33 SGB X so zu verstehen, dass das durchgeführte Betriebsprüfungsverfahren für die Zeit von 2003 bis 2007 die dortigen Beanstandungen ergeben hat. Wollte die Antragsgegnerin einen weiteren Bescheid erlassen mit dem Inhalt, dass das Betriebsprüfungsverfahren für die Zeit vom 01.12.2005 bis 31.01.2007 weitere, über die damals getroffenen hinausgehenden Beanstandungen und Nachforderungen ergeben hat, bestünde die Gefahr, dass zwei, den identischen Gegenstand regelnde Bescheide mit sich widersprechendem Inhalt ergehen würden. Der Bescheid vom 14.01.2008 ist bestandskräftig geworden. Er war gegebenenfalls von Anfang an rechtswidrig, weil er die Beitragsnachzahlungspflicht im Hinblick auf die tatsächlich geschuldeten Entgelte nicht richtig festgestellt hatte. Nach einer Entscheidung des LSG Bayern vom 22.03.2012, L 5 R 138/12 B ER, entbinden Stichprobenprüfungen nicht davon, ursprüngliche Bescheide nach § 45 SGB X zurückzunehmen (so auch LSG Bayern vom 18.01.2011, L 5 R 752/08).
Die Antragsgegnerin hat in ihrem Bescheid vom 02.01.2012 nicht auf den früheren Bescheid Bezug genommen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin die Vorgaben des § 45 SGB X beachtet hat. Ohne eine vorherige Rücknahme des zuerst ergangenen Bescheides vom 14.01.2008 konnte die Beklagte keinen weiteren Bescheid erlassen. Ob die Voraussetzungen für eine ‚Rücknahme nach § 45 SGB X vorlagen, kann dahinstehen, jedenfalls ist der zuerst ergangene Bescheid nicht zurückgenommen worden.
Das Argument der Antragsgegnerin, dass das BSG in ständiger Rechtsprechung u. a. mit Urteilen vom 14. Juli 2004, Az.: B 12 KR 1/04 R bzw. vom 22. Februar 1980, Az.: 12 RK 34/79 und weiteren Urteilen entschieden hat, dass die Prüfbehörden bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28 p SGB IV selbst in kleinen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet sind und die Prüfung der Aufzeichnungen nach §§ 8 und 9 Verfahrensordnung (BVV) auf Stichproben beschränkt werden kann, kann die Rücknahme eines Betriebsprüfungsbescheides nicht ersetzen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem BSG-Urteil vom 14.07.2004, B 12 KR 1/04 R, dort hatte das BSG für den entschiedenen Fall einen rückwirkenden Beitragsnachforderung lediglich die Voraussetzungen einer Verwirkung verneint, die die nachträgliche Beitragsgeltendmachung verhindert hätte. Diese Entscheidung beinhaltet jedoch keine Aussage dazu, dass die §§ 44 ff SGB X im Falle von Stichprobenprüfungen keine Geltung hätten.
Im vorliegenden Fall kann wohl nicht von einer groben Fahrlässigkeit der Antragstellerin ausgegangen werden. Es liegen auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragstellerin die ihr vorliegende Sorgfalt im besonderen Maße verletzt hätte.
Selbst wenn die Antragsgegnerin den Bescheid vom 14.01.2008 wirksam zurückgenommen hätte, hätte sie für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.12.2006 keine Beiträge nachfordern können, da zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 02.01.2012 alle Beitragsforderungen, die im Jahre 2006 fällig geworden sind, gemäß § 25 Abs. 1 SGB IV verjährt waren. Ansprüche auf Beiträge verjähren nach § 25 Abs. 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Im vorliegenden Fall ist kein vorsätzliches Verhalten der Antragstellerin, auch kein bedingter Vorsatz, erkennbar.
Die Antragsgegnerin hat ein solches Verhalten der Antragstellerin lediglich behauptet, jedoch nicht nachgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwG0). Der Streitwert beruht auf §§ 63, Abs. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass hier nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Streit stand. Deswegen wird ¼ des Hauptsachestreitwertes einschließlich Säumniszuschläge zugrunde gelegt, vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.07.2009, L 8 B 5/09 R ER.
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