L 7 SO 22/10 B ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 25 SO 203/09 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 SO 22/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Dem durch eine Anzeige nach § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Anspruch genommenen Drittschuldner steht
ein eigener Anspruch auf fehlerfreie Ermessenausübung gegenüber dem Sozialhilfeträger zu. Daher kann das
Rechtschutzbedürfnis für eine gegen die Überleitungsanzeige gerichtete Anfechtungsklage nicht verneint
werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.05.1993 - 5 C 7/91).

2. Liegen zur Höhe der übergeleiteten Forderung keine Angaben vor, ist gemäß §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG vom Auffangstreitwert auszugehen, der in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes zu halbieren ist.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 21. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerinnen und Beschwerdeführerinnen tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsgegner) geltend gemachten Überleitungsanspruch gemäß § 93 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Der Antragsgegner gewährte dem leistungsberechtigten, seit 26.01.2007 unter Betreuung stehenden und u.a. wegen psychischer Erkrankung erwerbsunfähigen P E (im Folgenden: E.) aufgrund eines Bewilligungsbescheides vom 06.05.2009 und entsprechender Folgebescheide ab 01.05.2009 Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 35 SGB XII).

Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung zur Leistungsgewährung erhielt der Antragsgegner Kenntnis von diversen Versicherungen, die zugunsten des E. bestanden, u.a. eine Top-Berufsunfähigkeitsversicherung Nr. 602003800 bei der Sp -Versicherung Sachsen Lebensversicherung AG. Mit Schreiben vom 11.07.2009 hatten die Betreuer des E. gegenüber dem Versicherungsunternehmen erklärt, dass Erstattungsansprüche, die dem Versicherten aus der Vertragsbeendigung zustünden, bereits jetzt an das Sozialamt A abgetreten würden.

Ohne vorherige Anhörung zeigte der Antragsgegner mit an die Sp -Versicherung Sachsen, Frau A , gerichtetem Bescheid vom 07.05.2009 an, dass der dem Grunde nach bestehende Anspruch des E. auf eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente für die Dauer der Gewährung der Sozialhilfeleistungen gemäß § 93 SGB XII auf den Träger der Sozialhilfe übergeleitet werde. Die Überleitung werde begrenzt durch die Höhe der Sozialhilfeaufwendungen. Die Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente sei als vorrangige Leistung als Einkommen nach § 82 SGB XII auf die Hilfe zum Lebensunterhalt anzurechnen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Überleitungsanzeige lägen vor. Von einer Überleitung werde auch nicht aus Zweckmäßigkeitsgründen abgesehen worden. Sie sei geboten, um den Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe gemäß § 2 SGB XII wiederherzustellen. Es seien keine Gründe vorgetragen, die im Rahmen des Ermessens eine andere Entscheidung geböten oder einen Verzicht auf die Überleitung rechtfertigten. Im Bescheid waren der Name, das Geburtsdatum und die Anschrift des E. angegeben.

Mit Schreiben der Antragstellerin zu 2 vom 27.05.2009 teilte diese mit, dass eine Zuordnung der Überleitungsanzeige mangels Bestimmtheit des Adressaten nicht möglich sei. Unter dem Dach der S.V. Holding bestünden die Sp -Versicherung Sachsen Allgemeine Versicherung AG und die Sp -Versicherung Sachsen Lebensversicherung AG. Frau A sei für beide Unternehmen nicht vertretungsberechtigt. Sie gingen daher davon aus, dass der Bescheid nichtig sei. Vorsorglich werde Widerspruch erhoben, auch im Auftrag der Sp -Versicherung Sachsen Lebensversicherung AG. Eine Anhörung habe nicht stattgefunden.

Mit an die Sp -Versicherung Sachsen gerichtetem Widerspruchsbescheid vom 24.11.2009 wies der Antragsgegner den Widerspruch als unbegründet zurück. Darin ist abermals Name und Geburtsdatum des E. sowie die Versicherungsnummer angegeben. E. mache aus seiner Top-Berufsunfähigkeitsversicherung Nr. 602003800 eine Berufsunfähigkeitsrente geltend. Diesen Anspruch habe der Antragsgegner mit Bescheid vom 07.05.2009 übergeleitet. Ob von der "Kann-Bestimmung" des § 93 SGB XII Gebrauch gemacht werde, liege im pflichtgemäßen Ermessen des Trägers der Sozialhilfe. Die Überleitung sei geboten, weil E. seinen Lebensunterhalt nicht ohne Sozialhilfeleistungen sicher stellen könne. Sozialhilferechtliche Gesichtpunkte, die ein Absehen von der Überleitung gebieten würden, seien nicht ersichtlich.

Dagegen haben die Antragstellerinnen am 28.12.2009 Nichtigkeits- und hilfsweise Anfechtungsklage zum Sozialgericht Chemnitz erhoben und gleichzeitig vorläufigen Rechschutz beantragt. Der Bescheid vom 07.05.2009 sei nichtig, jedenfalls rechtswidrig, weil er nicht erkennen lasse, gegen wen er sich richten solle. Er sei auch nicht wirksam bekannt gegeben und rechtswidrig, weil der als übergeleitet behauptete Anspruch nicht bestehe. Dem ist der Antragsgegner entgegen getreten: Die Betreuer der E. hätten in dieser Angelegenheit immer mit Frau K A korrespondiert. Auf deren Schreiben sei immer die Adresse Sp -Versicherung Sachsen, A. d ... F , D angegeben gewesen, ohne dass zum Ausdruck gebracht worden sei, dass man sich an die Sp -Versicherung Sachsen Lebensversicherung AG zu wenden habe. Aufgrund des Namens und des Sachverhalts Berufsunfähigkeit sei der Inhaltsadressat eindeutig zu ermitteln gewesen.

Mit Beschluss vom 21.01.2010 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Es sei bereits kein Rechtschutzinteresse der Antragstellerinnen dargetan oder sonst ersichtlich. Unabhängig von der Frage der Rechtswidrigkeit wäre eine Rechtsverletzung erforderlich. Es sei für die Antragstellerinnen jedoch unerheblich, ob sie die Leistungen aus dem Ver¬sicherungsverhältnis an den Versicherten oder an den Sozialhilfeträger zu erbringen hätten.

Gegen den am 26.01.2010 zugestellten Beschluss richtet sich die am 26.02.2010 beim Sozialgericht und am 04.03.2010 beim Sächsischen Landessozialgericht eingegangene Beschwerde der Antragstellerinnen. Es bestehe fraglos ein Rechtschutzinteresse, weil der angebliche Schuldner einer Versicherungsleistung immer ein Interesse daran habe zu wissen, wer sein Gläubiger sei. Das sei nicht nur für die Frage danach wesentlich, wem gegenüber er erfüllen müsse, sondern auch dafür, welche Einwendungen aus welchem Rechtsverhältnis er gegen die in Rede stehende Forderung vorbringen könne. Der Verwaltungsakt sei jedenfalls dann nichtig, wenn sich aus ihm selbst nicht ergebe, wer der Adressat sein solle. Eine Sp -Versicherung Sachsen gebe es (auch) als juristische Person nicht. Der angebliche – in Wahrheit aber nicht bestehende – Anspruch könne sich schon nicht gegen beide Antragstellerinnen richten.

Die Antragstellerinnen beantragen sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 21.01.2010 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen gen Bescheid des Antragsgegners vom 07.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2009 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und bezieht sich auf sein bisheriges Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist zulässig, aber unbegründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag auf Wiederherstellung des kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Bescheides vom 07.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2009 abgelehnt. Denn die Anzeige der Überleitung ist nach der summarischen Prüfung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 86b Abs. 1 SGG nicht zu beanstanden.

Zwar könnte wegen der von den Antragstellerinnen geltend gemachten Nichtigkeit des Bescheides des Antragsgegners vom 07.05.2009 und zur Gewährung effektiven Rechtschutzes auch eine vorläufige Feststellung der Nichtigkeit oder jedenfalls eine Feststellung der aufschiebenden Wirkung der am 28.12.2009 erhobenen Klage in entsprechender Anwendung der prozessualen Vorschriften erwogen werden. Dies scheidet jedoch deswegen aus, weil der Bescheid vom 07.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2009 nicht nichtig ist.

Gemäß § 40 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Ein solcher, schwerwiegender Fehler, der u.a. in der absoluten Unbestimmtheit des Adressaten gesehen werden kann (vgl. Roos in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 40 RdNr. 9), liegt hier nicht vor. Es ist – spätestens seitdem der Antragsgegner mit dem Widerspruchsbescheid die Versicherungsnummer des Versicherungsvertrages mitgeteilt hat, aus dem Ansprüche des E. auf den Antragsgegner übergeleitet werden sollen – unzweifelhaft klar, welche Sp -Versicherung Sachsen gemeint ist. Die Antragstellerin zu 1 kann nicht mit der Begründung geltend machen, der Adressat der Überleitungsanzeige vom 07.05.2009 sei nicht bestimmt, weil es eine Sp -Versicherung Sachsen als juristische Person nicht gebe. Denn zum Einen ist aufgrund der Mitteilung der persönlichen Daten des E. einschließlich der Versicherungsnummer und der Art der Versicherung (Berufsunfähigkeit) eindeutig und unzweifelhaft bestimmbar, welche der unter dem Dach der S.V. Holding agierenden Sp -Versicherung Sachsen gemeint ist. Zum Anderen tritt sie selbst im Rechts- und Geschäftsverkehr unter einem Briefkopf mit Sp -Versicherung Sachsen auf, aus dem sich nur in der kleingedruckten Fußzeile ergibt, um welches von mehreren Versicherungsunternehmen es sich handelt. Zwar wäre es dem Antragsgegner ohne Weiteres anhand der in der Verwaltungsakte vorhandenen Unterlagen möglich gewesen, die ("richtige") Adressatin, nämlich die Antragstellerin zu 1, korrekt und vollständig zu bezeichnen. Dass dies nicht geschehen ist, ist wegen der Möglichkeit, das durch die Überleitungsanzeige vom 07.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2009 verpflichtete Versicherungsunternehmen eindeutig zu bestimmen, unschädlich und führt jedenfalls nicht zur Nichtigkeit des Bescheides. Auch an einer wirksamen Bekanntgabe gemäß § 37 Abs. 1 SGB X fehlt es nicht, weil die Überleitungsanzeige vom 07.05.2009 die Antragstellerin zu 1 unter ihrer Geschäftsadresse mit Willen des Antragsgegners erreicht hat.

Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auf Antrag, der auch schon vor Klageerhebung zulässig ist, die aufschiebende Wirkung in den Fällen ganz oder teilweise anordnen, in denen gemäß § 86a Abs. 2 SGG Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Dabei entscheidet das Gericht aufgrund einer Interessenabwägung, bei der die in § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG aufgestellten Kriterien herangezogen werden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b RdNr. 12b m.w.N.). Da der Gesetzgeber mit § 93 Abs. 3 SGB XII i.V.m. § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG geregelt hat, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Verwaltungsakt, der den Übergang des Anspruchs bewirkt, keine aufschiebende Wirkung haben, kommt die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Der Antragstellerin zu 2 fehlt insoweit schon eine Antragsbefugnis, denn sie sollte durch die Überleitungsanzeige vom 07.05.2012 – auch nach dem Willen des Antragsgegners – nicht verpflichtet werden. Die Überleitungsanzeige war nicht für sie, sondern für das Versicherungsunternehmen der Sp -Versicherung Sachsen bestimmt, bei dem E. die Top-Berufsunfähigkeitsversicherung Nr. 602003800 abgeschlossen hatte und deswegen (ggf.) Ansprüche auf eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente geltend machen kann. Dies und dass sie nicht gemeint war, war für die Antragstellerin zu 2 auch ohne Weiteres erkennbar, denn anders lässt sich nicht erklären, dass sie mit Schreiben vom 27.05.2009 vorsorglich auch im Auftrag der Antragstellerin zu 1 Widerspruch gegen den Bescheid vom 07.05.2009 erhoben hat. Wenn es sich um eine (Berufsunfähigkeits-)¬Versicherung ihres Unternehmen gehandelt hätte – was wohl über die mitgeteilten Daten (Name, Adresse und Geburtsdatum des E.) ohne Weiteres zu ermitteln gewesen wäre –, hätte für einen vorsorglichen Widerspruch im Auftrag der Antragstellerin zu 1 kein Anlass bestanden.

Anders als das Sozialgericht meint, ist der Antrag der Antragstellerin zu 1 allerdings nicht schon mangels Rechtsschutzbedürfnis abzulehnen gewesen. Denn die Überleitung nach § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII beschränkt sich eben nicht auf die bloße Überleitung des Anspruchs, sondern enthält darüber hinaus eine sozialhilferechtliche Regelung (so schon zu §§ 90, 91 Bundessozialhilfegesetz ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), vgl. Urteil vom 27.03.1968 – V C 3.67, zitiert nach Juris, RdNr. 21). Insbesondere kann in Fällen besonderer Härte von einer Überleitung abgesehen werden, was eine Berücksichtigung der Interessen des durch die Überleitungsanzeige Verpflichteten ungeachtet der Verhältnisse des Sozialhilfeempfängers erfordert. Insofern steht nicht nur dem Hilfeempfänger, sondern auch dem (vermeintlichen) Drittschuldner Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Überleitungsermessens durch den Sozialhilfeträger zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.05.1993 – 5 C 7/91, RdNr. 10).

Die Überleitungsanzeige vom 07.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2009 ist auch nicht allein deswegen rechtswidrig, weil eine vorherige Anhörung (§ 24 Abs 1 SGB X) der Antragstellerin zu 1 vor Erlass des angegriffenen Bescheides bisher nicht stattgefunden hat. Denn nach § 41 Abs. 2 SGB X besteht die Möglichkeit der Heilung dieses Verfahrensfehlers, so dass die Anhörung nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X noch bis zur letzten Tatsacheninstanz des Gerichtsverfahrens nachgeholt werden kann (vgl. z.B. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 07.07.2011 – B 14 AS 144/10 R, RdNr. 23).

Auch sonst bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Bescheid des Antragsgegners vom 07.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2009 offensichtlich rechtswidrig sein könnte.

Hat eine leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen anderen, der kein Leistungsträger i.S. des § 12 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ist, kann der Träger der Sozialhilfe durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht (§ 93 Abs 1 Satz 1 SGB XII). § 93 SGB XII, der weitgehend dem ehemaligen § 90 Bundessozialhilfegesetz (vgl. Münder in LPK-SGB XII, § 93 RdNrn. 1, 2) entspricht, bezweckt, den Nachrang der Sozialhilfe gemäß § 2 SGB XII wiederherzustellen.

Die Voraussetzungen für den Übergang von Ansprüchen liegen hier vor. E. hat als leistungsberechtigte Person zumindest seit 01.05.2009 Hilfe zum Lebensunterhalt vom Antragsgegner erhalten. Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Bewilligung bestehen nicht, so dass offen gelassen werden kann, ob Voraussetzung für den Übergang von Ansprüchen auch die Rechtmäßigkeit der Leistungsbewilligung an den Hilfeempfänger ist. Bei den übergeleiteten Ansprüchen handelt es sich auch um Ansprüche der leistungsberechtigten Person, nämlich des E., gegenüber einem Anderen (hier: der Antragstellerin zu 1), der kein Leistungsträger i.S. des § 12 SGB I ist.

Streitig ist allerdings zwischen den Beteiligten, ob der überzuleitende Anspruch überhaupt besteht. Aus den in der Verwaltungsakte vorhandenen Schreiben ergibt sich, dass die Antragstellerin zu 1 darauf abstellt, dass ggf. mangels Geschäftsfähigkeit des E. zum damaligen Zeitpunkt kein wirksamer Vertragsschluss habe erfolgen können. Eine Überleitung ist aber nicht schon deshalb rechtswidrig, weil der übergeleitete Anspruch u.U. nicht besteht. Nur wenn der übergeleitete Anspruch offensichtlich ausgeschlossen ist, könnte eine dennoch erlassene, erkennbar sinnlose Überleitungsanzeige rechtswidrig sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.05.1993, a.a.O., RdNr. 14; BayLSG, Urteil vom 25.11.2010 – L 8 SO 136/10, RdNr. 31; HessLSG, Beschluss vom 01.11.2007 – L 9 SO 79/07 ER, RdNr. 6; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.08.2007 – L 23 B 150/07 SO, RdNr. 4LSG NRW, Beschluss vom 18.07.2007 – L 20 B 16/07 SO, RdNr. 2). Ein Fall der sog. Negativevidenz liegt hier jedoch nicht vor. Hinsichtlich der Frage, ob tatsächlich und ggf. in welcher Höhe ein Anspruch des E. gegen die Antragstellerin zu 1 besteht, ist die Zuständigkeit der Zivilgerichte gegeben. Da der Vertragsschluss bereits 2002 erfolgte und E. erst seit 2007 unter Betreuung steht, ist ein überleitbarer Rentenzahlungsanspruch des E. jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. Vom offensichtlichen Nichtbestehen eines Anspruches des E. gegen die Antragstellerin zu 1 kann damit nicht ausgegangen werden.

Der Antragsgegner hat auch das ihm zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Er hat bei seiner Entscheidung sowohl das öffentliche Interesse an einer Überleitung der Ansprüche wie auch die Interessen der Antragstellerin zu 1 gegenüber gestellt. Der Antragsgegner hat ausgeführt, sozialhilferechtliche Gesichtspunkte, die ein Absehen von der Überleitung gebieten würden, seien nicht ersichtlich. Weitere im Rahmen der Ermessenerwägung zu berücksichtigende Gesichtspunkte hat die Antragstellerin zu 1 nicht vorgebracht. Ihre Leistungsfähigkeit dürfte außer Zweifel stehen. Hinzu kommt, dass eine derartige Berufsunfähigkeitsversicherung gerade für Fälle der vorliegenden Art abgeschlossen wird, in denen den Versicherten eine Berufsausübung wegen gesundheitlicher Einschränkungen gleich welcher Art nicht mehr möglich ist. Ob ein Anspruch gegenüber der Antragstellerin zu 1 tatsächlich durchgesetzt werden kann, ist eine Frage der zivilrechtlichen Geltendmachung und Durchsetzbarkeit. Im Rahmen der Ermessensentscheidung sind zudem nicht die wirtschaftlichen, sondern vielmehr soziale und evtl. familiäre Verhältnisse zu berücksichtigen (vgl. BayLSG, Urteil vom 14.02.2008 – L 11 SO 20/07, RdNr. 28), die bei der Antragstellerin zu 1 als wirtschaftlichem Unternehmen nicht zum Tragen kommen können. Mangels anderweitiger bei einer Ermessensentscheidung zu berücksichtigender Gesichtspunkte ist dem Nachranggrundsatz der Sozialhilfe durch den Antragsgegner vorliegend zutreffend die entscheidende Bedeutung eingeräumt worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.05.1993, a.a.O., RdNr. 18; sog. intendiertes Ermessen: Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, § 93 RdNr. 16, m.w.N.).

Als Unterlegene haben die Antragstellerinnen gemäß § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Da zur Höhe der überzuleitenden Forderung keinerlei Angaben vorliegen, ist vom Auffangstreitwert auszugehen, der in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes zu halbieren ist (vgl. auch Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit 2009, Teil B Ziffer 7.1, Teil C Ziffer VII. 4., NZS 2009, 429, 491).

Dr. Anders Weinholtz Wagner
Rechtskraft
Aus
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