Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 4519/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 4077/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Die 1951 geborene Klägerin war seit 1966 als Friseurin, zuletzt seit November 1978 als selbstständige Friseurmeisterin tätig. Sie ist hinsichtlich dieser Tätigkeit bei der Beklagten als Unternehmer pflichtversichert. Zum 01.01.2012 gab die Klägerin diese Tätigkeit auf.
Am 02.04.2001 teilte die Klägerin der Beklagten schriftlich das Vorliegen einer Allergie an der Haut und an den Schleimhäuten mit. Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren wegen des Vorliegens einer BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV ein. Sie holte weitere schriftliche Angaben der Klägerin zum Ausmaß und dem Verlauf der mitgeteilten Hauterkrankung ein und nahm hierzu medizinische Befundunterlagen zu den Akten. Die Beklagte gewährte der Klägerin im Verlaufe des Feststellungsverfahrens Heilbehandlung (Übernahme der Kosten einer hautfachärztlichen Behandlung). Anschließend holte die Beklagte die gewerbeärztliche Auskunft des Landdesgesundheitsamtes B.-W. (Dr. J.) vom 28.01.2003 ein, in der eine BK Nr. 5101 der BKV nicht zur Anerkennung vorgeschlagen wurde.
Mit Bescheid vom 24.02.2003 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit der Klägerin als Friseurin als schwere bzw. wiederholt rückfällige Hauterkrankung ein Kontaktekzem der Hände verursacht habe und anerkannte einen Anspruch auf Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet sind, dem Entstehen einer Berufskrankheit vorzubeugen. Die Anerkennung einer BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV wurde abgelehnt, da die Klägerin ihre berufliche Tätigkeit weiterhin ausüben könne, wenn sie die allgemeinen Maßnahmen des Hautschutzes und der Hautpflege konsequent beachte. Mit weiterem Bescheid vom 24.02.2003 übernahm die Beklagte die Kosten der hautfachärztlichen Behandlung (befristet bis 29.02.2004). Gegen diese Bescheide legte die Klägerin keinen Widerspruch ein.
Am 30.12.2003 bat die Klägerin die Beklagte schriftlich um Überprüfung des Vorliegens der BKen Nrn. 5101 und 2109 der Anlage zur BKV. Die Beklagte zog weitere Befundberichte zum Verlauf der Hauterkrankung der Klägerin und getesteter Arbeitsstoffe sowie hinsichtlich einer Wirbelsäulenerkrankung bei. Anschließend holte die Beklagte das hautfachärztliche Gutachten von Dr. O. vom 03.11.2006 ein. Dr. O. gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, es sei eine stark positive epikutane Sensibilisierung auf Nickelsulfat und eine schwächere Reaktion auf Kobaltchlorid festgestellt worden. Dagegen seien sämtliche übrigen Epikutantests, inklusive zahlreicher beruflicher Kontaktsubstanzen, negativ gewesen. Zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung habe kein krankhafter Hautbefund festgestellt werden können, obwohl die Klägerin im normalen Umfang ihrem Beruf als Friseurmeisterin nachgegangen sei. Anamnestisch beschriebene und auch in früheren Befunden dokumentierte gering- bis mäßiggradige Hautveränderungen könnten allerdings mit der beruflichen Tätigkeit in Zusammenhang gestanden haben. Eine schwere bzw. wiederholt rückfällige Hauterkrankung könne nicht festgestellt werden.
Mit Bescheid vom 23.02.2007 ergänzte die Beklagte den Bescheid vom 24.02.2003 dahin, dass Sensibilisierungen gegenüber Nickelsulfat und Kobaltchlorid, Zungenschmerzen, Hautveränderungen an den Füßen, im Genital- und Analbereich nicht im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der Klägerin stünden. Eine BK könne nicht anerkannt werden.
Gegen den Bescheid vom 23.02.2007 legte die Klägerin am 06.03.2007 Widerspruch ein. Sie machte zur Begründung geltend, es sei nicht überprüft worden, ob eine Empfindlichkeit auf Multiple Chemische Stoffe (MCS) vorliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Hauterkrankung als BK Nr. 5101 der BKV seien bei der Klägerin nicht erfüllt. Ein Zwang, die Tätigkeit als Friseurin zu unterlassen, bestehe nicht. Ein MCS sei als BK nicht in der Berufskrankheitenliste aufgeführt. Eine Anerkennung der Erkrankung der Klägerin als BK sei nicht möglich.
Hiergegen erhob die Klägerin am 23.11.2007 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Sie machte zur Begründung geltend, das Gutachten von Dr. O. vom 03.11.2006 sei unvollständig und gehe von falschen Tatsachen aus. Es treffe nicht zu, dass sie während des Untersuchungszeitraums voll berufstätig gewesen sei. Wegen starker Hauterkrankungen habe sie nur halbtags gearbeitet. Im Zusammenhang mit der Berufsaufnahme sei es zu allergischen Reaktionen (Hautausschläge mit brennendem Juckreiz) gekommen. Die Klägerin legte medizinische Unterlagen sowie ein Krankenblattauszug über ihre Behandlungen bei ihrer Hausärztin Dr. H. vor.
Das SG hörte Dr. H. schriftlich als sachverständige Zeugin an. Dr. H. teilte in ihrer Stellungnahme vom 08.09.2008 unter Vorlage von Befundberichten den Krankheitsverlauf mit. Eine Arbeitsunfähigkeit sei wegen Selbstständigkeit nicht benötigt worden.
Mit Urteil vom 29.06.2009 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, mit Bescheid vom 24.02.2003 habe die Beklagte bindend anerkannt, dass die Klägerin an einer schweren bzw. wiederholt rückfälligen Hauterkrankung leide, die durch ihre berufliche Tätigkeit als Friseurin verursacht sei. Diese Feststellung habe die Beklagte im vorliegend streitgegenständlichen Ergänzungsbescheid vom 23.02.2007 wiederholt. Allerdings habe die Kammer aufgrund des Gutachtens von Dr. O. erhebliche Zweifel, ob eine schwere bzw. wiederholt rückfällige beruflich verursachte Hauterkrankung vorliege. Es könne offen gelassen werden, ob die Beklagte zu der dargestellten Feststellung überhaupt verpflichtet gewesen sei. Denn nach § 9 Abs. 4 SGB VII hätten die Unfallversicherungsträger vor Unterlassen einer noch verrichteten gefährdenden Tätigkeit darüber zu entscheiden, ob die übrigen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit erfüllt seien, wenn die Anerkennung einer Krankheit als Berufskrankheit, wie hier, denn Unterlassungszwang voraussetze. Hierzu gehöre, dass ein objektiver Zwang zum Unterlassen der angeschuldigten Tätigkeit bestehe. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass ein Unterlassungszwang nicht bestehe, so dass die Beklagte zu Recht das Vorliegen einer BK verneint habe. Bei der Klägerin sei von einer leichten Hauterkrankung auszugehen, die es nicht rechtfertige, die Tätigkeit als Friseurin aufzugeben. Eine Sensibilisierung gegenüber Nickel- und Kobaltsulfat sei außerberuflich erworben worden. Auch ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Hauterscheinungen und der Arbeitstätigkeit lasse sich nicht nachweisen. Von der Klägerin geschilderte erhebliche und schwerwiegende Symptome seien durch objektive Befunde nicht hinreichend gesichert. Bei dieser Sachlage könne ein objektiver Unterlassungszwang nicht festgestellt werden. Das MCS unterfalle nicht der hier allein streitgegenständlichen BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV, da es sich nicht um eine Hauterkrankung handele.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 06.08.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.09.2009 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung vorgetragen, das SG sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die vorliegende BK nicht so schwer sei, das ein objektiver Unterlassungszwang der Tätigkeit als Friseurin bestehe. Sie habe im Alter von 14 Jahren den Beruf der Friseurin erlernt und seit dieser Zeit ununterbrochen ausgeübt. Ab dem Jahr 2002 seien im Rahmen ihrer Tätigkeit Hautveränderungen an den Händen und Füßen sowie verlagert auf die inneren Schleimhäute und im Genital- und Analbereich aufgetreten, die sich verschlimmert hätten, was durch die vorliegenden medizinischen Befundunterlagen dokumentiert sei. Aufgrund der rezidivierenden Hauterkrankungen habe sie seit dem Jahr 2006 ihren Beruf nur noch halbtags ausgeübt. Trotz der Reduzierung der Arbeitszeit und der Schutzvorkehrungen sei die Hauterkrankung weiter aufgetreten. Ein Unterlassungszwang hinsichtlich ihrer Berufstätigkeit als Friseurin sei gegeben. Ihre Hauterkrankung sei als schwer und wiederholt rückfällig einzustufen. Nicht geprüft worden sei, ob es durch den Kontakt mit Schnitthaaren oder durch das Einatmen von Schnitthaaren zu einer mechanischen Reizung der Haut und der Schleimhäute komme. Ihre Allergie habe sich nach verstärktem Arbeitsumfang trotz der Benutzung von Handschuhen und der Anwendung einer Hautschutzcreme wieder gravierend verschlechtert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Juni 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihre Hauterkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ein objektiver Unterlassungszwang bestehe nicht. Eine Weiterarbeit unter Beachtung der persönlichen und medizinischen Schutzmaßnahmen sei möglich und zumutbar. Zudem hätten die bisher durchgeführten Testungen mit umfangreichen Berufsstoffen keine allergische Reaktion auf berufsspezifische Stoffe ergeben. Die nachgewiesene Nickel- und Kobaltallergie bestehe seit der Jugend und sei somit nicht im Zusammenhang mit der Friseurtätigkeit zu sehen. Ebenso verhalte es sich mit den Hauterscheinungen im Genital-, Anal- und Mundbereich sowie an den Füßen. Nicht nachvollziehbar sei, inwieweit die physikalischen Einwirkungen der Schnitthaare für ein Kontaktekzem an den Händen ausschlaggebend sein solle.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das dermatologisch-allergologische Gutachten von Professor Dr. R. vom 07.01.2011 mit ergänzender Stellungnahme vom April 2011 eingeholt. Professor Dr. R. diagnostizierte in seinem Gutachten bei der Klägerin ein chronisch rezidivierendes Handekzem bei Typ IV-Sensibilisierung auf Nickel und Dibromdicyanobutan toxisch-irritative Komponente, eine Candida albicans-Infektion der Vaginalschleimhaut und - anamnestisch - gastrointestinale/polysomatische Beschwerden (Zungenschmerzen, Übelkeit, anogenitale Schmerzen). Die Nickelsensibilisierung sei bei Friseuren in der Regel klinisch nicht relevant. Die Klägerin habe angegeben, keine nickelhaltige Instrumente zu verwenden. Die Dibromdicyanobutan-Sensibilisierung sei seit ca. 2 bis 5 Jahren klinisch nicht mehr relevant, da die Hersteller der Produkte diesen Stoff seit ca. 5 Jahren nicht mehr verwenden würden. Seit 2008 sei das Inverkehrbringen und Abgeben von Produkten mit Dibromdicyanobutan verboten. Jedoch könne die Dibromdicyanobutan-Sensibilisierung früher klinisch relevant gewesen sein. Ab dem Jahr 2005 bzw. 2008 könnten fortbestehende Handekzeme nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die Sensibilisierung mit Dibromdicyanobutan begründet werden. Die gesamte Beschwerdesymptomatik habe sich bei der Klägerin in den letzten Jahren tendenziell verbessert. Die Candida albicans-Infektion habe keinen ursächlichen Zusammenhang mit der Berufsausübung der Klägerin. Die Expositionstestung mit Arbeitsstoffen habe weder gastrointestinale noch genitale Beschwerden auslösen können. Eine allergologische Ursache dieser Beschwerdesymptomatik im Zusammenhang mit der Exposition von Friseurstoffen habe nicht bestätigt werden können. Der Hautbefund - nach 2-wöchiger Exposition am Arbeitsplatz - sei zum Zeitpunkt der Untersuchung unauffällig gewesen. Ein kontaktallergisches Handekzem mit toxisch irritativer Komponente liege als BK Nr. 5101 der BKV vor. Die Hautveränderungen seien aktuell aufgrund der Allergiekarenz und Basistherapie abgeheilt. Ein Unterlassungszwang liege vor. Ein innerbetrieblicher Tätigkeitswechsel mit Allergenkarenz (Dibromdicyanobutan) werde empfohlen. Die MdE betrage 10 v.H ...
Der Rechtsstreit ist durch den Berichterstatter mit den Beteiligten in der nichtöffentlichen Sitzung am 03.02.2012 erörtert worden. In diesem Termin hat die Klägerin vorgetragen, sie habe ihre Tätigkeit als Friseurin wegen Rentenbezugs zum 01.01.2012 aufgegeben. Auf die Niederschrift vom 03.02.2012 verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie drei Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegten Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthaft und auch im übrigen zulässig.
Streitgegenstand ist allein die Feststellung einer BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV. Soweit das SG im angefochtenen Urteil § 9 Abs. 4 SBG VII herangezogen hat, ist ein Antrag der Klägerin, darüber zu entscheiden, ob bei fortgesetzter beruflicher Tätigkeit die übrigen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit erfüllt sind, wenn die Anerkennung einer Krankheit als BK - wie hier - den Unterlassungszwang voraussetzt, bei der Beklagten nicht gestellt worden und hierüber von der Beklagten mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 23.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2007 auch nicht entschieden worden. Eine solche Entscheidung hat die Klägerin nach ihren im gerichtlichen Verfahren gestellten Anträgen auch nicht beansprucht. Soweit die Klägerin am 30.12.2003 bei der Beklagten um Überprüfung des Vorliegens der BK Nr. 2109 der BKV gebeten hat, ist hierzu im streitgegenständlichen Bescheid eine Entscheidung nicht ergangen, weshalb hierüber im vorliegen Berufungsverfahren durch den Senat nicht zu entscheiden ist. Dem entspricht auch der im Berufungsverfahren gestellte Antrag der Klägerin.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung einer Hauterkrankung als BK.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheiten Verordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind.
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (vgl. BSG Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - , veröffentlicht in juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den Berufskrankheitenfolgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der Berufskrankheit keine Voraussetzung des Versicherungsfalles (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 a.a.O.).
In Anwendung dieser Grundsätze hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung einer BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV.
Allerdings ist bei der Klägerin aufgrund des die Beklagte bindenden bestandskräftigen Bescheides vom 24.02.2003, der durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 23.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.03.2007 insoweit keine Änderung erfahren hat, vom Vorliegen einer durch ihre berufliche Tätigkeit als Friseurin verursachte schweren bzw. wiederholt rückfälligen Hauterkrankung in Form eines Kontaktekzems der Hände auszugehen, wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Einem Anspruch auf Feststellung einer BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV steht nicht bereits entgegen, dass die Beklagte mit dem bestandskräftigen Bescheid vom 24.02.2003 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 23.02.2007 das Vorliegen einer solchen BK abgelehnt hat. Denn die Beklagte hat mit dem "Ergänzungsbescheid" vom 23.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2007 das Vorliegen einer BK Nr. 5101 bei der Klägerin in der Sache erneut abgelehnt, wie sich jedenfalls aus der Entscheidungsbegründung sowie der Widerspruchsbegründung ergibt, wonach die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 5101 der Anlage BKV für nicht gegeben erachtet wurden und in Folge dessen es ausdrücklich abgelehnt wurde, eine BK anzuerkennen. Eine solche erneute Entscheidung war für die Beklagte auch angezeigt, nachdem die Klägerin am 30.12.2003 bei der Beklagten (schriftlich) um Überprüfung ihrer Erkrankung auf das Vorliegen einer BK Nr. 5101 (und BK 2109) der Anlage zur BKV gebeten hatte.
Trotz der von der Beklagten - wie oben ausgeführt - anerkannten berufsbedingten Hauterkrankung der Klägerin, ist der Versicherungsfall des Vorliegens einer BK jedoch nicht eingetreten. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII kann in der BKV - u.a. - bestimmt werden, dass Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Eine solche Bestimmung ist hinsichtlich der BK Nr. 5101 der Anlage BKV ergangen. Der Tatbestand der BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV lautet: Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Die Unterlassung der hautgefährdenden Tätigkeit auf Dauer oder zumindest auf unbestimmte Zeit ist notwendige Voraussetzung der Anerkennung einer BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV. Eine Entschädigungspflicht tritt bei einer BK mit Unterlassungszwang nicht schon mit dem Auftreten der beruflich verursachten Erkrankung, sondern erst dann ein, wenn alle Tatbestandsmerkmale der BK, also auch die Aufgabe der belastenden Tätigkeit, erfüllt sind (BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 12/06 R-, m.w.N., juris). Die bloße zeitliche Reduzierung der Tätigkeit (Halbtagstätigkeit) erfüllt diese Voraussetzung noch nicht. Damit scheidet die Anerkennung einer BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV aus, solange die gefährdende Tätigkeit ausgeübt wird. Dies war bei der Klägerin bis 31.12.2010 der Fall. Die Klägerin hat im Termin am 03.02.2012 angegeben, ihre Tätigkeit als Friseurin wegen des Bezugs von Rente (erst) zum 01.01.2012 aufgegeben zu haben. Auch den zu den Akten gelangten Unterlagen lässt sich entnehmen, dass die Klägerin ihre hautgefährdende Tätigkeit als Friseurin vor dem 01.01.2012 weiter ausgeübt und nicht dauerhaft oder auf nicht absehbare Zeit unterlassen hat.
Weitere Voraussetzung für den Eintritt des Versicherungsfalls bei Berufskrankheiten mit Unterlassungszwang ist, dass die Krankheit zur tatsächlichen Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit auf Dauer oder nicht absehbare Zeit gezwungen hat, d.h. dass objektiv die Notwendigkeit der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit bestanden haben muss (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, SGB VII, § 9, RdNr. 16). Dass bei der Klägerin eine solche Aufgabenotwendigkeit ihrer Tätigkeit als Friseurmeisterin bestanden hat, trifft zur Überzeugung des Senats jedoch nicht zu.
Bei der Klägerin ist von einer vergleichsweisen leichten Hauterkrankung auszugehen, die es nicht rechtfertigt, die Tätigkeit als Friseurmeisterin aufzugeben. Dies hat das SG im angefochtenen Urteil ausführlich und zutreffend begründet. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auch insoweit auf die genannte Begründung im Urteil des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die fehlende Notwendigkeit der Aufgabe der Tätigkeit der Klägerin als Friseurmeisterin wegen der Hauterkrankung - jedenfalls zum 01.01.2012 - wird durch das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten von Professor Dr. R. vom 07.01.2011 bestätigt. Professor Dr. R. hat bei der - inspektorisch - durchgeführten Untersuchung der Klägerin nach 2-wöchiger Exposition am Arbeitsplatz an den Händen und Füßen, in der Anogenitalregion und der Mundhöhle keinen pathologischen Befund festgestellt. Die Epikutantestung mit Standardallergenen, Friseurstoffen, Kosmetika, Haushaltsstoffen und Salbengrundlagen erbrachte lediglich eine Sensibilisierung auf Nickel und Dibromdicyanobutan mit toxisch-irritativer Komponente. Nach den überzeugenden Ausführungen von Professor Dr. R. ist die Nickel-Sensibilisierung bei Friseuren klinisch nicht relevant. Auch die Klägerin hat angegeben, keine nickelhaltige Instrumente zu verwenden. Die Dibromdicyanobutan-Sensibilisierung besitzt, jedenfalls seit 01.01.2012, keine klinische Relevanz mehr. Nach den überzeugenden Ausführungen von Professor Dr. R. wird dieser Stoff seit mehreren Jahren nicht mehr verwendet. Seit dem Jahr 2008 ist das Inverkehrbringen und Abgeben von Produkten mit Dibromdicyanobutan durch die Kosmetikrichtlinie 2007/17/EG sogar verboten. Damit können nach den plausiblen Ausführungen von Professor Dr. R. ab dem Jahr 2005 bzw. 2008 fortbestehende Handekzeme nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch diese Sensibilisierung begründet werden. Die von der Klägerin geklagten Beschwerden im Vaginalbereich erklären sich nach der überzeugenden Ansicht von Professor Dr. R. durch eine Candida-albicans-Infektion der Vaginalschleimhaut. Entsprechendes gilt für anamnestisch erhobene gastrointestinale Beschwerden der Klägerin. Eine von Professor Dr. R. durchgeführte Expositionstestung mitgebrachter Arbeitsstoffe hat bei der Klägerin weder gastrointestinale noch genitale Beschwerden ausgelöst. Eine allergologische Ursache dieser Beschwerdesymptomatik im Zusammenhang mit der Exposition von Friseurstoffen hat nicht bestätigt werden können. Damit lässt sich bei der Klägerin keine Sensibilisierung auf Arbeitsstoffe des Friseurhandwerkes feststellen, die objektiv die Notwendigkeit der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit jedenfalls zum 01.01.2012 zu begründen vermag.
Soweit Professor Dr. R. in seiner ergänzenden Stellungnahme zum Gutachten vom April 2011 das Vorliegen einer BK Nr. 5101 der Anl. 1 zur BKV wegen eines kontaktallergischen Handekzems mit toxisch irritativer Komponente bei der Klägerin gleichwohl bejaht und einen Unterlassungszwang annimmt, kann ihm nicht gefolgt werden. Professor Dr. R. begründet seine Ansicht damit, dass eine Allergenkarenz zu Dibromdicyanobutan im Rahmen eines innerbetrieblichen Tätigkeitswechsels zu empfehlen sei. Diese Ansicht ist nicht plausibel, nachdem das Inverkehrbringen und Abgeben von Produkten mit Dibromdicyanobutan seit dem Jahr 2008 verboten ist und auch davor bereits mehrere Jahre nicht mehr verwendet wurde, wie Professor Dr. R. in seinem Gutachten vom 07.01.2011 ausgeführt hat. Damit ist eine Einwirkung durch Dibromdicyanobutan bei der beruflichen Tätigkeit der Klägerin als Friseurmeisterin jedenfalls seit dem Jahr 2008 auszuschließen und schon deshalb eine Allergenkarenz gewährleistet. Der Aufgabe der Tätigkeit der Klägerin als Friseurmeisterin zur Vermeidung einer Einwirkung durch Dibromdicyanobutan bedurfte es jedenfalls zum 01.01.2012 nicht.
Auch der Bewertung der MdE mit 10 v.H. durch Professor Dr. R. kann nicht gefolgt werden. Dass bei der Klägerin krankhafte Hautveränderungen durch die Einwirkung von Berufsstoffen bestehen, die seine Bewertung rechtfertigen, ist nicht der Fall. So bestand bei der Klägerin nach dem von Professor Dr. R. erhobenen dermatologischen Untersuchungsbefund trotz 2-wöchiger Exposition am Arbeitsplatz an den Händen/Handrücken - wie auch an den Füßen, Anogenitalregion und der Mundhöhle - kein pathologischer Hautbefund, der seine MdE-Bewertung plausibel macht. Dem entsprechen auch die bei der Begutachtung durch Dr. O. in seinem Gutachten vom 03.11.2006 mitgeteilten Befund der Haut. Danach waren die Hände der Klägerin völlig erscheinungsfrei. Lediglich im Bereich beider Füße fand sich eine geringfügige schuppende Hautveränderung. Unfallversicherungsrechtlich relevante krankhafte Hautveränderungen lassen sich auch den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen nicht entnehmen, wie das SG im angefochtenen Urteil (Seite 8, 9) zutreffend dargelegt hat, worauf der Senat zu Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt. Auch die von Professor Dr. R. bei der Begutachtung der Klägerin erstmals nachgewiesene Sensibilisierung auf Dibromdicyanobutan rechtfertigt keine Bewertung der MdE mit 10 v.H. Dieser Berufsstoff ist nach den Ausführungen von Professor Dr. R. in seinem Gutachten seit dem Jahr 2008 verboten, weshalb ihm hinsichtlich der MdE-Bewertung seit dem Jahr 2008 keine Relevanz - mehr - zuerkannt werden kann. Damit liegt bei der Klägerin keine berufsbedingt erworbene Erkrankung der Haut mit einer MdE von mindestens 10 v.H. vor, die nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - zur Zeit des Wegfalles eines von Prof. Dr. R. wegen des Arbeitsstoffes Dibromdicyanobutan bejahten Unterlassungszwanges - die Anerkennung und Entschädigung einer BK Nr. 5101 der Anlage BKV rechtfertigen würde (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 09.12.2003 - B 2 U 5/03 R -, juris).
Die Berufung der Klägerin erweist sich nach alledem als unbegründet, so dass sie zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Die 1951 geborene Klägerin war seit 1966 als Friseurin, zuletzt seit November 1978 als selbstständige Friseurmeisterin tätig. Sie ist hinsichtlich dieser Tätigkeit bei der Beklagten als Unternehmer pflichtversichert. Zum 01.01.2012 gab die Klägerin diese Tätigkeit auf.
Am 02.04.2001 teilte die Klägerin der Beklagten schriftlich das Vorliegen einer Allergie an der Haut und an den Schleimhäuten mit. Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren wegen des Vorliegens einer BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV ein. Sie holte weitere schriftliche Angaben der Klägerin zum Ausmaß und dem Verlauf der mitgeteilten Hauterkrankung ein und nahm hierzu medizinische Befundunterlagen zu den Akten. Die Beklagte gewährte der Klägerin im Verlaufe des Feststellungsverfahrens Heilbehandlung (Übernahme der Kosten einer hautfachärztlichen Behandlung). Anschließend holte die Beklagte die gewerbeärztliche Auskunft des Landdesgesundheitsamtes B.-W. (Dr. J.) vom 28.01.2003 ein, in der eine BK Nr. 5101 der BKV nicht zur Anerkennung vorgeschlagen wurde.
Mit Bescheid vom 24.02.2003 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit der Klägerin als Friseurin als schwere bzw. wiederholt rückfällige Hauterkrankung ein Kontaktekzem der Hände verursacht habe und anerkannte einen Anspruch auf Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet sind, dem Entstehen einer Berufskrankheit vorzubeugen. Die Anerkennung einer BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV wurde abgelehnt, da die Klägerin ihre berufliche Tätigkeit weiterhin ausüben könne, wenn sie die allgemeinen Maßnahmen des Hautschutzes und der Hautpflege konsequent beachte. Mit weiterem Bescheid vom 24.02.2003 übernahm die Beklagte die Kosten der hautfachärztlichen Behandlung (befristet bis 29.02.2004). Gegen diese Bescheide legte die Klägerin keinen Widerspruch ein.
Am 30.12.2003 bat die Klägerin die Beklagte schriftlich um Überprüfung des Vorliegens der BKen Nrn. 5101 und 2109 der Anlage zur BKV. Die Beklagte zog weitere Befundberichte zum Verlauf der Hauterkrankung der Klägerin und getesteter Arbeitsstoffe sowie hinsichtlich einer Wirbelsäulenerkrankung bei. Anschließend holte die Beklagte das hautfachärztliche Gutachten von Dr. O. vom 03.11.2006 ein. Dr. O. gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, es sei eine stark positive epikutane Sensibilisierung auf Nickelsulfat und eine schwächere Reaktion auf Kobaltchlorid festgestellt worden. Dagegen seien sämtliche übrigen Epikutantests, inklusive zahlreicher beruflicher Kontaktsubstanzen, negativ gewesen. Zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung habe kein krankhafter Hautbefund festgestellt werden können, obwohl die Klägerin im normalen Umfang ihrem Beruf als Friseurmeisterin nachgegangen sei. Anamnestisch beschriebene und auch in früheren Befunden dokumentierte gering- bis mäßiggradige Hautveränderungen könnten allerdings mit der beruflichen Tätigkeit in Zusammenhang gestanden haben. Eine schwere bzw. wiederholt rückfällige Hauterkrankung könne nicht festgestellt werden.
Mit Bescheid vom 23.02.2007 ergänzte die Beklagte den Bescheid vom 24.02.2003 dahin, dass Sensibilisierungen gegenüber Nickelsulfat und Kobaltchlorid, Zungenschmerzen, Hautveränderungen an den Füßen, im Genital- und Analbereich nicht im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der Klägerin stünden. Eine BK könne nicht anerkannt werden.
Gegen den Bescheid vom 23.02.2007 legte die Klägerin am 06.03.2007 Widerspruch ein. Sie machte zur Begründung geltend, es sei nicht überprüft worden, ob eine Empfindlichkeit auf Multiple Chemische Stoffe (MCS) vorliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Hauterkrankung als BK Nr. 5101 der BKV seien bei der Klägerin nicht erfüllt. Ein Zwang, die Tätigkeit als Friseurin zu unterlassen, bestehe nicht. Ein MCS sei als BK nicht in der Berufskrankheitenliste aufgeführt. Eine Anerkennung der Erkrankung der Klägerin als BK sei nicht möglich.
Hiergegen erhob die Klägerin am 23.11.2007 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Sie machte zur Begründung geltend, das Gutachten von Dr. O. vom 03.11.2006 sei unvollständig und gehe von falschen Tatsachen aus. Es treffe nicht zu, dass sie während des Untersuchungszeitraums voll berufstätig gewesen sei. Wegen starker Hauterkrankungen habe sie nur halbtags gearbeitet. Im Zusammenhang mit der Berufsaufnahme sei es zu allergischen Reaktionen (Hautausschläge mit brennendem Juckreiz) gekommen. Die Klägerin legte medizinische Unterlagen sowie ein Krankenblattauszug über ihre Behandlungen bei ihrer Hausärztin Dr. H. vor.
Das SG hörte Dr. H. schriftlich als sachverständige Zeugin an. Dr. H. teilte in ihrer Stellungnahme vom 08.09.2008 unter Vorlage von Befundberichten den Krankheitsverlauf mit. Eine Arbeitsunfähigkeit sei wegen Selbstständigkeit nicht benötigt worden.
Mit Urteil vom 29.06.2009 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, mit Bescheid vom 24.02.2003 habe die Beklagte bindend anerkannt, dass die Klägerin an einer schweren bzw. wiederholt rückfälligen Hauterkrankung leide, die durch ihre berufliche Tätigkeit als Friseurin verursacht sei. Diese Feststellung habe die Beklagte im vorliegend streitgegenständlichen Ergänzungsbescheid vom 23.02.2007 wiederholt. Allerdings habe die Kammer aufgrund des Gutachtens von Dr. O. erhebliche Zweifel, ob eine schwere bzw. wiederholt rückfällige beruflich verursachte Hauterkrankung vorliege. Es könne offen gelassen werden, ob die Beklagte zu der dargestellten Feststellung überhaupt verpflichtet gewesen sei. Denn nach § 9 Abs. 4 SGB VII hätten die Unfallversicherungsträger vor Unterlassen einer noch verrichteten gefährdenden Tätigkeit darüber zu entscheiden, ob die übrigen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit erfüllt seien, wenn die Anerkennung einer Krankheit als Berufskrankheit, wie hier, denn Unterlassungszwang voraussetze. Hierzu gehöre, dass ein objektiver Zwang zum Unterlassen der angeschuldigten Tätigkeit bestehe. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass ein Unterlassungszwang nicht bestehe, so dass die Beklagte zu Recht das Vorliegen einer BK verneint habe. Bei der Klägerin sei von einer leichten Hauterkrankung auszugehen, die es nicht rechtfertige, die Tätigkeit als Friseurin aufzugeben. Eine Sensibilisierung gegenüber Nickel- und Kobaltsulfat sei außerberuflich erworben worden. Auch ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Hauterscheinungen und der Arbeitstätigkeit lasse sich nicht nachweisen. Von der Klägerin geschilderte erhebliche und schwerwiegende Symptome seien durch objektive Befunde nicht hinreichend gesichert. Bei dieser Sachlage könne ein objektiver Unterlassungszwang nicht festgestellt werden. Das MCS unterfalle nicht der hier allein streitgegenständlichen BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV, da es sich nicht um eine Hauterkrankung handele.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 06.08.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.09.2009 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung vorgetragen, das SG sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die vorliegende BK nicht so schwer sei, das ein objektiver Unterlassungszwang der Tätigkeit als Friseurin bestehe. Sie habe im Alter von 14 Jahren den Beruf der Friseurin erlernt und seit dieser Zeit ununterbrochen ausgeübt. Ab dem Jahr 2002 seien im Rahmen ihrer Tätigkeit Hautveränderungen an den Händen und Füßen sowie verlagert auf die inneren Schleimhäute und im Genital- und Analbereich aufgetreten, die sich verschlimmert hätten, was durch die vorliegenden medizinischen Befundunterlagen dokumentiert sei. Aufgrund der rezidivierenden Hauterkrankungen habe sie seit dem Jahr 2006 ihren Beruf nur noch halbtags ausgeübt. Trotz der Reduzierung der Arbeitszeit und der Schutzvorkehrungen sei die Hauterkrankung weiter aufgetreten. Ein Unterlassungszwang hinsichtlich ihrer Berufstätigkeit als Friseurin sei gegeben. Ihre Hauterkrankung sei als schwer und wiederholt rückfällig einzustufen. Nicht geprüft worden sei, ob es durch den Kontakt mit Schnitthaaren oder durch das Einatmen von Schnitthaaren zu einer mechanischen Reizung der Haut und der Schleimhäute komme. Ihre Allergie habe sich nach verstärktem Arbeitsumfang trotz der Benutzung von Handschuhen und der Anwendung einer Hautschutzcreme wieder gravierend verschlechtert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Juni 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihre Hauterkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ein objektiver Unterlassungszwang bestehe nicht. Eine Weiterarbeit unter Beachtung der persönlichen und medizinischen Schutzmaßnahmen sei möglich und zumutbar. Zudem hätten die bisher durchgeführten Testungen mit umfangreichen Berufsstoffen keine allergische Reaktion auf berufsspezifische Stoffe ergeben. Die nachgewiesene Nickel- und Kobaltallergie bestehe seit der Jugend und sei somit nicht im Zusammenhang mit der Friseurtätigkeit zu sehen. Ebenso verhalte es sich mit den Hauterscheinungen im Genital-, Anal- und Mundbereich sowie an den Füßen. Nicht nachvollziehbar sei, inwieweit die physikalischen Einwirkungen der Schnitthaare für ein Kontaktekzem an den Händen ausschlaggebend sein solle.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das dermatologisch-allergologische Gutachten von Professor Dr. R. vom 07.01.2011 mit ergänzender Stellungnahme vom April 2011 eingeholt. Professor Dr. R. diagnostizierte in seinem Gutachten bei der Klägerin ein chronisch rezidivierendes Handekzem bei Typ IV-Sensibilisierung auf Nickel und Dibromdicyanobutan toxisch-irritative Komponente, eine Candida albicans-Infektion der Vaginalschleimhaut und - anamnestisch - gastrointestinale/polysomatische Beschwerden (Zungenschmerzen, Übelkeit, anogenitale Schmerzen). Die Nickelsensibilisierung sei bei Friseuren in der Regel klinisch nicht relevant. Die Klägerin habe angegeben, keine nickelhaltige Instrumente zu verwenden. Die Dibromdicyanobutan-Sensibilisierung sei seit ca. 2 bis 5 Jahren klinisch nicht mehr relevant, da die Hersteller der Produkte diesen Stoff seit ca. 5 Jahren nicht mehr verwenden würden. Seit 2008 sei das Inverkehrbringen und Abgeben von Produkten mit Dibromdicyanobutan verboten. Jedoch könne die Dibromdicyanobutan-Sensibilisierung früher klinisch relevant gewesen sein. Ab dem Jahr 2005 bzw. 2008 könnten fortbestehende Handekzeme nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die Sensibilisierung mit Dibromdicyanobutan begründet werden. Die gesamte Beschwerdesymptomatik habe sich bei der Klägerin in den letzten Jahren tendenziell verbessert. Die Candida albicans-Infektion habe keinen ursächlichen Zusammenhang mit der Berufsausübung der Klägerin. Die Expositionstestung mit Arbeitsstoffen habe weder gastrointestinale noch genitale Beschwerden auslösen können. Eine allergologische Ursache dieser Beschwerdesymptomatik im Zusammenhang mit der Exposition von Friseurstoffen habe nicht bestätigt werden können. Der Hautbefund - nach 2-wöchiger Exposition am Arbeitsplatz - sei zum Zeitpunkt der Untersuchung unauffällig gewesen. Ein kontaktallergisches Handekzem mit toxisch irritativer Komponente liege als BK Nr. 5101 der BKV vor. Die Hautveränderungen seien aktuell aufgrund der Allergiekarenz und Basistherapie abgeheilt. Ein Unterlassungszwang liege vor. Ein innerbetrieblicher Tätigkeitswechsel mit Allergenkarenz (Dibromdicyanobutan) werde empfohlen. Die MdE betrage 10 v.H ...
Der Rechtsstreit ist durch den Berichterstatter mit den Beteiligten in der nichtöffentlichen Sitzung am 03.02.2012 erörtert worden. In diesem Termin hat die Klägerin vorgetragen, sie habe ihre Tätigkeit als Friseurin wegen Rentenbezugs zum 01.01.2012 aufgegeben. Auf die Niederschrift vom 03.02.2012 verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie drei Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegten Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthaft und auch im übrigen zulässig.
Streitgegenstand ist allein die Feststellung einer BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV. Soweit das SG im angefochtenen Urteil § 9 Abs. 4 SBG VII herangezogen hat, ist ein Antrag der Klägerin, darüber zu entscheiden, ob bei fortgesetzter beruflicher Tätigkeit die übrigen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit erfüllt sind, wenn die Anerkennung einer Krankheit als BK - wie hier - den Unterlassungszwang voraussetzt, bei der Beklagten nicht gestellt worden und hierüber von der Beklagten mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 23.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2007 auch nicht entschieden worden. Eine solche Entscheidung hat die Klägerin nach ihren im gerichtlichen Verfahren gestellten Anträgen auch nicht beansprucht. Soweit die Klägerin am 30.12.2003 bei der Beklagten um Überprüfung des Vorliegens der BK Nr. 2109 der BKV gebeten hat, ist hierzu im streitgegenständlichen Bescheid eine Entscheidung nicht ergangen, weshalb hierüber im vorliegen Berufungsverfahren durch den Senat nicht zu entscheiden ist. Dem entspricht auch der im Berufungsverfahren gestellte Antrag der Klägerin.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung einer Hauterkrankung als BK.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheiten Verordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind.
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (vgl. BSG Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - , veröffentlicht in juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den Berufskrankheitenfolgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der Berufskrankheit keine Voraussetzung des Versicherungsfalles (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 a.a.O.).
In Anwendung dieser Grundsätze hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung einer BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV.
Allerdings ist bei der Klägerin aufgrund des die Beklagte bindenden bestandskräftigen Bescheides vom 24.02.2003, der durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 23.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.03.2007 insoweit keine Änderung erfahren hat, vom Vorliegen einer durch ihre berufliche Tätigkeit als Friseurin verursachte schweren bzw. wiederholt rückfälligen Hauterkrankung in Form eines Kontaktekzems der Hände auszugehen, wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Einem Anspruch auf Feststellung einer BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV steht nicht bereits entgegen, dass die Beklagte mit dem bestandskräftigen Bescheid vom 24.02.2003 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 23.02.2007 das Vorliegen einer solchen BK abgelehnt hat. Denn die Beklagte hat mit dem "Ergänzungsbescheid" vom 23.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2007 das Vorliegen einer BK Nr. 5101 bei der Klägerin in der Sache erneut abgelehnt, wie sich jedenfalls aus der Entscheidungsbegründung sowie der Widerspruchsbegründung ergibt, wonach die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 5101 der Anlage BKV für nicht gegeben erachtet wurden und in Folge dessen es ausdrücklich abgelehnt wurde, eine BK anzuerkennen. Eine solche erneute Entscheidung war für die Beklagte auch angezeigt, nachdem die Klägerin am 30.12.2003 bei der Beklagten (schriftlich) um Überprüfung ihrer Erkrankung auf das Vorliegen einer BK Nr. 5101 (und BK 2109) der Anlage zur BKV gebeten hatte.
Trotz der von der Beklagten - wie oben ausgeführt - anerkannten berufsbedingten Hauterkrankung der Klägerin, ist der Versicherungsfall des Vorliegens einer BK jedoch nicht eingetreten. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII kann in der BKV - u.a. - bestimmt werden, dass Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Eine solche Bestimmung ist hinsichtlich der BK Nr. 5101 der Anlage BKV ergangen. Der Tatbestand der BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV lautet: Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Die Unterlassung der hautgefährdenden Tätigkeit auf Dauer oder zumindest auf unbestimmte Zeit ist notwendige Voraussetzung der Anerkennung einer BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV. Eine Entschädigungspflicht tritt bei einer BK mit Unterlassungszwang nicht schon mit dem Auftreten der beruflich verursachten Erkrankung, sondern erst dann ein, wenn alle Tatbestandsmerkmale der BK, also auch die Aufgabe der belastenden Tätigkeit, erfüllt sind (BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 12/06 R-, m.w.N., juris). Die bloße zeitliche Reduzierung der Tätigkeit (Halbtagstätigkeit) erfüllt diese Voraussetzung noch nicht. Damit scheidet die Anerkennung einer BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV aus, solange die gefährdende Tätigkeit ausgeübt wird. Dies war bei der Klägerin bis 31.12.2010 der Fall. Die Klägerin hat im Termin am 03.02.2012 angegeben, ihre Tätigkeit als Friseurin wegen des Bezugs von Rente (erst) zum 01.01.2012 aufgegeben zu haben. Auch den zu den Akten gelangten Unterlagen lässt sich entnehmen, dass die Klägerin ihre hautgefährdende Tätigkeit als Friseurin vor dem 01.01.2012 weiter ausgeübt und nicht dauerhaft oder auf nicht absehbare Zeit unterlassen hat.
Weitere Voraussetzung für den Eintritt des Versicherungsfalls bei Berufskrankheiten mit Unterlassungszwang ist, dass die Krankheit zur tatsächlichen Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit auf Dauer oder nicht absehbare Zeit gezwungen hat, d.h. dass objektiv die Notwendigkeit der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit bestanden haben muss (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, SGB VII, § 9, RdNr. 16). Dass bei der Klägerin eine solche Aufgabenotwendigkeit ihrer Tätigkeit als Friseurmeisterin bestanden hat, trifft zur Überzeugung des Senats jedoch nicht zu.
Bei der Klägerin ist von einer vergleichsweisen leichten Hauterkrankung auszugehen, die es nicht rechtfertigt, die Tätigkeit als Friseurmeisterin aufzugeben. Dies hat das SG im angefochtenen Urteil ausführlich und zutreffend begründet. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auch insoweit auf die genannte Begründung im Urteil des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die fehlende Notwendigkeit der Aufgabe der Tätigkeit der Klägerin als Friseurmeisterin wegen der Hauterkrankung - jedenfalls zum 01.01.2012 - wird durch das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten von Professor Dr. R. vom 07.01.2011 bestätigt. Professor Dr. R. hat bei der - inspektorisch - durchgeführten Untersuchung der Klägerin nach 2-wöchiger Exposition am Arbeitsplatz an den Händen und Füßen, in der Anogenitalregion und der Mundhöhle keinen pathologischen Befund festgestellt. Die Epikutantestung mit Standardallergenen, Friseurstoffen, Kosmetika, Haushaltsstoffen und Salbengrundlagen erbrachte lediglich eine Sensibilisierung auf Nickel und Dibromdicyanobutan mit toxisch-irritativer Komponente. Nach den überzeugenden Ausführungen von Professor Dr. R. ist die Nickel-Sensibilisierung bei Friseuren klinisch nicht relevant. Auch die Klägerin hat angegeben, keine nickelhaltige Instrumente zu verwenden. Die Dibromdicyanobutan-Sensibilisierung besitzt, jedenfalls seit 01.01.2012, keine klinische Relevanz mehr. Nach den überzeugenden Ausführungen von Professor Dr. R. wird dieser Stoff seit mehreren Jahren nicht mehr verwendet. Seit dem Jahr 2008 ist das Inverkehrbringen und Abgeben von Produkten mit Dibromdicyanobutan durch die Kosmetikrichtlinie 2007/17/EG sogar verboten. Damit können nach den plausiblen Ausführungen von Professor Dr. R. ab dem Jahr 2005 bzw. 2008 fortbestehende Handekzeme nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch diese Sensibilisierung begründet werden. Die von der Klägerin geklagten Beschwerden im Vaginalbereich erklären sich nach der überzeugenden Ansicht von Professor Dr. R. durch eine Candida-albicans-Infektion der Vaginalschleimhaut. Entsprechendes gilt für anamnestisch erhobene gastrointestinale Beschwerden der Klägerin. Eine von Professor Dr. R. durchgeführte Expositionstestung mitgebrachter Arbeitsstoffe hat bei der Klägerin weder gastrointestinale noch genitale Beschwerden ausgelöst. Eine allergologische Ursache dieser Beschwerdesymptomatik im Zusammenhang mit der Exposition von Friseurstoffen hat nicht bestätigt werden können. Damit lässt sich bei der Klägerin keine Sensibilisierung auf Arbeitsstoffe des Friseurhandwerkes feststellen, die objektiv die Notwendigkeit der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit jedenfalls zum 01.01.2012 zu begründen vermag.
Soweit Professor Dr. R. in seiner ergänzenden Stellungnahme zum Gutachten vom April 2011 das Vorliegen einer BK Nr. 5101 der Anl. 1 zur BKV wegen eines kontaktallergischen Handekzems mit toxisch irritativer Komponente bei der Klägerin gleichwohl bejaht und einen Unterlassungszwang annimmt, kann ihm nicht gefolgt werden. Professor Dr. R. begründet seine Ansicht damit, dass eine Allergenkarenz zu Dibromdicyanobutan im Rahmen eines innerbetrieblichen Tätigkeitswechsels zu empfehlen sei. Diese Ansicht ist nicht plausibel, nachdem das Inverkehrbringen und Abgeben von Produkten mit Dibromdicyanobutan seit dem Jahr 2008 verboten ist und auch davor bereits mehrere Jahre nicht mehr verwendet wurde, wie Professor Dr. R. in seinem Gutachten vom 07.01.2011 ausgeführt hat. Damit ist eine Einwirkung durch Dibromdicyanobutan bei der beruflichen Tätigkeit der Klägerin als Friseurmeisterin jedenfalls seit dem Jahr 2008 auszuschließen und schon deshalb eine Allergenkarenz gewährleistet. Der Aufgabe der Tätigkeit der Klägerin als Friseurmeisterin zur Vermeidung einer Einwirkung durch Dibromdicyanobutan bedurfte es jedenfalls zum 01.01.2012 nicht.
Auch der Bewertung der MdE mit 10 v.H. durch Professor Dr. R. kann nicht gefolgt werden. Dass bei der Klägerin krankhafte Hautveränderungen durch die Einwirkung von Berufsstoffen bestehen, die seine Bewertung rechtfertigen, ist nicht der Fall. So bestand bei der Klägerin nach dem von Professor Dr. R. erhobenen dermatologischen Untersuchungsbefund trotz 2-wöchiger Exposition am Arbeitsplatz an den Händen/Handrücken - wie auch an den Füßen, Anogenitalregion und der Mundhöhle - kein pathologischer Hautbefund, der seine MdE-Bewertung plausibel macht. Dem entsprechen auch die bei der Begutachtung durch Dr. O. in seinem Gutachten vom 03.11.2006 mitgeteilten Befund der Haut. Danach waren die Hände der Klägerin völlig erscheinungsfrei. Lediglich im Bereich beider Füße fand sich eine geringfügige schuppende Hautveränderung. Unfallversicherungsrechtlich relevante krankhafte Hautveränderungen lassen sich auch den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen nicht entnehmen, wie das SG im angefochtenen Urteil (Seite 8, 9) zutreffend dargelegt hat, worauf der Senat zu Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt. Auch die von Professor Dr. R. bei der Begutachtung der Klägerin erstmals nachgewiesene Sensibilisierung auf Dibromdicyanobutan rechtfertigt keine Bewertung der MdE mit 10 v.H. Dieser Berufsstoff ist nach den Ausführungen von Professor Dr. R. in seinem Gutachten seit dem Jahr 2008 verboten, weshalb ihm hinsichtlich der MdE-Bewertung seit dem Jahr 2008 keine Relevanz - mehr - zuerkannt werden kann. Damit liegt bei der Klägerin keine berufsbedingt erworbene Erkrankung der Haut mit einer MdE von mindestens 10 v.H. vor, die nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - zur Zeit des Wegfalles eines von Prof. Dr. R. wegen des Arbeitsstoffes Dibromdicyanobutan bejahten Unterlassungszwanges - die Anerkennung und Entschädigung einer BK Nr. 5101 der Anlage BKV rechtfertigen würde (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 09.12.2003 - B 2 U 5/03 R -, juris).
Die Berufung der Klägerin erweist sich nach alledem als unbegründet, so dass sie zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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