L 22 R 1045/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 97 R 899/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 1045/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 01. Oktober 2010 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2009 verurteilt, der Klägerin große Witwenrente ab 01. September 2008 zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten große Witwenrente ab 01. September 2008.

Die im August 1945 geborene unverheiratete Klägerin ist die Witwe des 1947 geborenen und am 09. August 2008 verstorbenen H J (Versicherter), mit dem sie seit dem 13. Juni 2008 verheiratet war. Beide waren bereits früher von 1972 bis 1984 miteinander verheiratet.

Der Versicherte bezog zuletzt ab 09. März 2008 Krankengeld. Die Klägerin, die seit wenigstens Januar 2007 als Angestellte beschäftigt war, erhielt ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 1.330 Euro.

Im September 2008 beantragte die Klägerin große Witwenrente. Sie gab an, die tödlichen Folgen der Krankheit seien bei Eheschließung nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten gewesen. Die Heirat sei zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege erfolgt. Sie fügte das Schreiben der Techniker Krankenkasse vom 23. Juli 2008 über die Bewilligung einer Arzneimitteltherapie außerhalb der zugelassenen Indikation und den an diese Krankenkasse gerichteten Bericht des Facharztes für Innere Medizin, Hämatologie und Internistische Onkologie Dr. M vom 09. Juni 2008 zur Kostenübernahme dieser Therapie bei.

Mit Bescheid vom 28. Oktober 2008 lehnte die Beklagte die Gewährung von Witwenrente ab: Die Klägerin sei mit dem Versicherten nicht mindestens ein Jahr verheiratet gewesen. Besondere Umstände, die die gesetzliche Vermutung einer so genannten Versorgungsehe widerlegten, lägen nicht vor. In Anbetracht der Schwere der Erkrankung (inoperables Pankreaskarzinom, Lebermetastasen) bei drastischem Tumormarkeranstieg seit Mai 2008 seien die tödlichen Folgen der Erkrankung bei der erneuten Eheschließung sehr wohl bekannt gewesen. Anderweitige Motive, die auf einen von der Versorgungsabsicht abweichenden Beweggrund schließen ließen, seien nicht festzustellen gewesen.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, Grund für die Scheidung der 1972 geschlossenen Ehe seien unüberwindbare Probleme bei der Erziehung der von ihr mit in die Ehe gebrachten beiden Kinder gewesen. Nachdem die Kinder das Erwachsenenalter erreicht hätten, seien sich der Versicherte und sie wieder näher gekommen. Im November 2007 hätten sie beschlossen, wieder zu heiraten. Die Hochzeit sei für das Frühjahr 2008 geplant gewesen. Am 27. Januar 2008 sei der Versicherte stationär aufgenommen worden. Wenige Tage später sei Krebs diagnostiziert worden, weswegen am 07. Februar 2002 ein großer Teil der Bauchspeicheldrüse und die Milz entfernt worden seien. Daraufhin habe sich sein Zustand bis zur Entlassung am 22. Februar 2008 gebessert. Es sei ihnen ärztlicherseits gesagt worden, dass ein derartiger Krebs sehr selten operiert werden könne. Da dies beim Versicherten jedoch möglich gewesen sei, seien sie in der Hoffnung bestärkt worden, dass mithilfe der Chemotherapie die Krankheit zum Stillstand gebracht oder sogar überwunden werden könne. An den Heiratsplänen hätten sie festgehalten, zumal die Klägerin jetzt erst recht für den Versicherten habe da sein wollen. Sie habe ihn in allen Angelegenheiten unterstützt. Angesichts der Untersuchungsergebnisse vor jeder nachfolgenden Chemobehandlung habe für sie nicht der geringste Anlass bestanden, an einen so dramatischen Verlauf der Krankheit zu denken. Daran habe auch der Wechsel der Chemotherapie Anfang Juli 2008 nichts geändert, da es dem Versicherten den Umständen entsprechend gut gegangen sei. Erst ab dem 01. August 2008 habe sich sein Zustand ruckartig verschlechtert. Nachweise zu der für Frühjahr 2008 geplanten Hochzeit gebe es nicht. Die Familie sei selbstverständlich über das Vorhaben informiert gewesen. Seitens des Standesamtes sei mitgeteilt worden, man solle sich 4 bis 6 Wochen vor dem beabsichtigten Heiratstermin dort melden. Eine erneute stationäre Krankenhausbehandlung sei erst kurz vor dem Tod des Versicherten vom 05. bis 09. August 2008 erfolgt. Pflegeleistungen seien erst Ende Juli 2008 beantragt worden, da vorher dafür keine Notwendigkeit bestanden habe. Sie hätten geheiratet, weil sie sich liebten und die kommenden Jahre gemeinsam verbringen wollten. Die Klägerin legte die Epikrise der P-Klinik W vom 22. Februar 2008 vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen könne nicht davon ausgegangen werden, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung der grundsätzliche lebensbedrohende Charakter der Erkrankung nicht bekannt gewesen sei. Es könne ferner auch nicht davon ausgegangen werden, dass bei der Eheschließung das Ableben des Versicherten auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen wäre. Aufgrund der bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung im Januar 2008 vorhandenen Lebermetastasierung sei die Prognose bereits zu diesem Zeitpunkt infaust (aussichtslos) gewesen. Ein Überleben von mehr als 12 Monaten sei trotz palliativer Chemotherapie nicht wahrscheinlich gewesen. Bereits im Mai 2008 sei ein relevanter Tumorprozess trotz Therapie sichtbar gewesen.

Dagegen hat die Klägerin am 22. Februar 2009 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben.

Sie hat vorgetragen: Bereits in den Jahren 2002 bis 2004 hätten sie und der Versicherte in einer gemeinsamen Wohnung gelebt. Dies sei beendet worden, weil die Klägerin mit Schulden belastet gewesen sei und der Versicherte diese Belastung durch Zwangsvollstreckungsandrohungen und -maßnahmen gegen die Klägerin nicht verkraftet gehabt habe. Bereits seit der Wiederbegründung der eheähnlichen Gemeinschaft habe der Versicherte häufiger den Wunsch geäußert gehabt, die Klägerin wieder zu ehelichen. Die Heiratspläne seien ab Sommer 2007 konkreter geworden, nachdem der Versicherte eine höhere berufliche Position erreicht gehabt habe. Wegen des damit verbundenen erhöhten beruflichen Stresses sei die Hochzeit auf das Frühjahr 2008 verschoben worden. Im November 2007 habe ihr der Versicherte einen Heiratsantrag gemacht. Ebenfalls im November 2007 habe er sein Testament zu ihren Gunsten geändert. Die Klägerin habe sich im November 2007 telefonisch beim Standesamt nach den Modalitäten der Eheschließung erkundigt, wobei sie die Auskunft erhalten habe, dass die erforderlichen Unterlagen über das Internet abzurufen seien. Anfang 2008 habe sie bzw. zusammen mit dem Versicherten beim Standesamt persönlich vorgesprochen. Am 27. Januar 2008 sei dann jedoch der Versicherte stationär aufgenommen worden. Am 10. Juni 2008 seien die Klägerin und der Versicherte mit den erforderlichen Unterlagen zum Standesamt gegangen, wo man ihnen einen Termin für den 13. Juni 2008 angeboten habe. Bei der Heirat habe es sich um eine bereits vor Kenntnis von der Erkrankung des Versicherten geplante Liebesheirat gehandelt. Der Bericht des Facharztes für Innere Medizin Dr. M vom 09. Juni 2008, der für die Krankenkasse bestimmt gewesen sei, sei erst verfasst worden, nachdem der Heiratstermin bereits vereinbart worden sei. Die in diesem Bericht genannte durchschnittliche Überlebensdauer von 40 Wochen sei ihnen nicht bekannt gewesen. Eine konkrete Lebensdauer hätten ihnen die Ärzte nicht angegeben. Wegen der Lebermetastase sei ihnen von den in der P-Klinik behandelnden Ärzten versichert worden, dass diese nicht beängstigend sei. Es sei ihnen nicht bewusst gewesen, dass die Chemotherapie nur palliativ wirken sollte. Es sei ihnen im Gegenteil mitgeteilt worden, dass durch die Operation der Krebs an sich beseitigt worden sei. Dem Versicherten sei erst am 06. August 2008 durch die ihn behandelnde Ärztin Dr. L in der P-Klinik eröffnet worden, dass er nur noch wenige Tage zu leben habe. Auch der Anstieg der Tumormarker sei nicht als lebensbedrohlich wahrgenommen worden, weil in der Onkologischen Praxis lediglich ein Wechsel der Chemotherapie empfohlen worden sei, wodurch der Eindruck entstanden sei, die neue Therapie biete bessere Heilungsaussichten. Dr. M habe weder den Versicherten noch die Klägerin dahingehend aufgeklärt, dass die Diagnose zu einem baldigen Ableben des Versicherten führen werde. Zur Zeit der Eheschließung seien keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mehr gegen die Klägerin anhängig gewesen, weil mit der Gläubigerin ein Vergleich habe erzielt werden können, welcher weitere Vollstreckungsmaßnahmen erübrigte. Das Testament, das der Klägerin bis zum Tod des Versicherten unbekannt gewesen sei, sei Ausdruck der tief empfundenen Zuneigung bzw. Wertschätzung des Versicherten zur Klägerin. Bereits lange vor der Eheschließung habe der Versicherte die Klägerin an seinen Vermögenswerten teilhaben lassen, wie der Kraftfahrzeug-Versicherungsschein belege, nach dem die Klägerin bereits seit 2005 Mitnutzerin des Fahrzeuges des Klägers gewesen sei. Die Klägerin hat eine beglaubigte Kopie des am 04. September 2008 eröffneten Testaments des Versicherten vom 24. November 2007, eine Kopie des Nachtrags vom 15. Dezember 2005 zur Kraftfahrt-Versicherung der AAG für den Versicherten sowie die Berichte der Fachärztin für Radiologie Dr. B vom 26. Mai 2008 und 18. Juli 2008 über eine Computertomografie bzw. eine Magnetresonanztomografie des Abdomens vorgelegt.

Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, dass weder die Verfügung von Todes wegen vom 24. November 2007 noch die Erwähnung der Klägerin im Kraftfahrzeug-Versicherungsschein vom 15. Dezember 2005 geeignet seien, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen.

Das Sozialgericht hat den Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin, Hämatologie und internistische Onkologie Dr. Mvom 16. November 2009 nebst seiner Auskunft vom 23. März 2010 und weitere Unterlagen eingeholt.

Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass sich aus der Krankenakte weder ein konkreter Hinweis auf einen alsbald tödlichen Krankheitsverlauf noch Anhaltspunkte für eine Aufklärung der Dr. L auf den nahe bevorstehenden Tod ergäben.

Die Beklagte hat gemeint, nach den vorliegenden Unterlagen sei nachgewiesen, dass die Eheleute mindestens seit Februar 2008 über die infauste Prognose der Krankheit unterrichtet gewesen seien.

Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung die Klägerin angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Ärztin Dr. L

Mit Urteil vom 01. Oktober 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Es werde nicht in Abrede gestellt, dass zwischen der Klägerin und dem Versicherten eine enge partnerschaftliche Beziehung bestanden habe und dass diese auch wegen gegenseitiger Zuneigung und Verbundenheit geheiratet hätten. Damit sei jedoch lediglich widerlegt, dass der Eheschließung ein ausschließlicher Versorgungszweck zugrunde gelegen habe. Gleichwohl deuteten die Gesamtumstände darauf hin, dass der Versorgungszweck überwiegendes Motiv gewesen sei. Eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung ergäbe sich nicht aus der nicht Vorhersehbarkeit des Todes des Versicherten. Die Kammer sei davon überzeugt, dass sich die Klägerin und der Versicherte bei der Heirat der Schwere der Erkrankung und der hohen Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Verlaufs bewusst gewesen seien. Dies sei der Klägerin und dem Versicherten zumindest in der Laiensphäre bekannt gewesen. Die Zeugin Dr. L habe bereits am 25. Februar 2008 in Anwesenheit der Klägerin die Erkrankung und die Therapieoptionen mit dem Versicherten besprochen. Spätestens als es im Mai 2008 trotz der bisherigen Chemotherapie zu einem drastischen Tumormarkeranstieg gekommen, eine neu aufgetretene Lebermetastase festgestellt worden und in Absprache mit dem Versicherten und der Klägerin aufgrund der Erfolglosigkeit der bisherigen Chemotherapie die Kostenübernahme für eine Umstellung der Chemotherapie bei der Krankenkasse beantragt worden sei, hätten die Klägerin und der Versicherte nach Überzeugung der Kammer die Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs der Erkrankung erkannt. Dafür spreche auch, dass der Antrag auf Eheschließung einen Tag nach dem Antrag durch Dr. M auf Umstellung der Chemotherapie erfolgt sei. Den Vortrag der Klägerin, sie und der Versicherte seien überzeugt gewesen, dass der Versicherte nicht an dem Krebsleiden sterben würde, da es dem Versicherten äußerlich gut gegangen sei und er noch aktiv am alltäglichen Leben habe teilnehmen können, sehe die Kammer angesichts dessen als widerlegt an. Die Kammer habe sich nicht davon überzeugen können, dass die Eheschließung die konsequente Verwirklichung eines Heiratsentschlusses dargestellt habe, der bereits vor der Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung gefasst worden sei. Bis November 2007 sei es diesbezüglich bei unbestimmten Absichtserklärungen geblieben. Ein konkreter Termin für die Hochzeit sei vor Bekanntwerden der Erkrankung des Versicherten nicht bestimmt worden. Die Anmeldung der Eheschließung sie erst am 10. Juni 2008 erfolgt. Zudem spreche die Tatsache, dass die Klägerin und der Versicherte über Jahre hinweg in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt hätten, dafür, dass sie sich entweder bewusst für ein Zusammenleben ohne Trauschein entschieden gehabt oder eine Heirat nur untergeordnete Bedeutung beigemessen hätten. Zwar habe die Klägerin glaubhaft angegeben, dass sie bei der Heirat den Wunsch gehabt habe, mit dem Versicherten noch viele gemeinsame Jahre in ehelicher Gemeinschaft zu leben und dass sie Zuneigung für ihn empfunden habe. Die Darlegung solcher allgemeiner Gesichtspunkte rechtfertige jedoch für sich gesehen noch nicht die Annahme besonderer Umstände. Gegen ein Versorgungsmotiv spreche auch nicht, dass der Versicherte die Klägerin im November 2007 zu seiner Alleinerbin bestimmt habe. Solche Vermögensdispositionen im zeitlichen Vorfeld der Eheschließung bekräftigten die gesetzliche Vermutung. Andererseits sprächen entsprechende Vermögensdispositionen eher gegen eine überwiegende Versorgungsabsicht, wenn sie schon eine Vielzahl vor Jahren vor der Eheschließung getroffen worden seien. Vorliegend sei die letztwillige Verfügung nicht einmal acht Monate vor der Heirat erfolgt.

Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 11. Oktober 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 11. November 2010 eingelegte Berufung der Klägerin.

Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe nicht die Gesamtumstände erfasst und entsprechend gewürdigt, insbesondere die weiteren Beweisangebote nicht berücksichtigt. Es habe zwar unstreitig eine objektiv tödliche Krankheit bei Eheschließung vorgelegen. Jedoch hätten weder die Klägerin noch der Versicherte bei der Eheschließung gewusst, dass die Lebenserwartung des Versicherten nur noch gering gewesen sei. Die Zeugin Dr. L habe eine Kenntnis der Klägerin und des Versicherten über den lebensbedrohlichen Verlauf jedenfalls verneint. Nicht nachvollziehbar sei, wieso der Klägerin und dem Versicherten dies aus der Laiensphäre bekannt gewesen sein solle. Die Diagnose einer Krebserkrankung bedeute nicht zwangsläufig eine kurze Lebensdauer. Vorliegend habe der Bauchspeicheldrüsenkrebs durch die Operation als geheilt gegolten. Der Versicherte habe nur noch an einer Lebermetastase gelitten, welche chemotherapeutisch behandelt werden sollte. Der Bericht des Dr. M vom 09. Juni 2008 sei der Klägerin und dem Versicherten bei Einreichung der Unterlagen zur Eheschließung am 10. Juni 2008 nicht bekannt gewesen. Dr. M selbst habe keine Aufklärung über einen alsbald zu erwartenden Todeseintritt gegeben. Aus der Epikrise der P-Klinik vom 22. Februar 2008 lasse sich jedenfalls für die Klägerin und den Versicherten keinen Hinweis auf einen raschen tödlichen Verlauf entnehmen. Wie bereits vorgetragen, sei der Anstieg der Tumormarker von den Eheleuten nicht als lebensbedrohlich erkannt worden. Dem Versicherten sei es bis Ende Juli 2008 gut gegangen, so dass sie keine Anhaltspunkte für einen baldigen Tod gehabt hätten. Völlig unberücksichtigt sei geblieben, dass die Eheleute bereit gewesen seien, im Falle der Ablehnung der Chemotherapiekosten durch die Krankenkasse eine große finanzielle Belastung einzugehen, was sie bei einer nur geringfügigen Lebensverlängerung nicht getan hätten. Die Heiratsabsichten der Eheleute seien auch nicht unbestimmt gewesen. Den dazu angebotenen Zeugenbeweis habe das Sozialgericht nicht erhoben, so dass seine Sachverhaltsaufklärung unzureichend geblieben sei. Die Motivation der Klägerin, dem Versicherten das Gefühl der Unterstützung zu vermitteln, sei unbeachtet geblieben. Schließlich sei das Testament kein Indiz für die Versorgungsehe, da es vor der Erkrankung und ohne Kenntnis der Klägerin verfasst worden sei. Die Schulden der Klägerin bei der SEB-Bank von noch 52.203,35 Euro am 21. Dezember 2004 seien im Oktober 2005 vergleichsweise auf 3.100 Euro reduziert worden. Die Klägerin hat auf den beigefügten entsprechenden Schriftverkehr, insbesondere das Schreiben vom 19. Oktober 2005, Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 01. Oktober 2010 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2009 zu verurteilen, der Klägerin große Witwenrente ab 01. September 2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat am 03. Februar 2012 Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der MS, GK, RJ und C F als Zeugen.

Die Beklagte hält die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht mit der notwendigen Gewissheit für widerlegt. Die Eheschließung stelle sich nicht als konsequente Verwirklichung einer vor Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsabsicht dar. Die Zeuginnen S, K und F hätten lediglich von losen Gesprächen über eine Heirat ohne jeglichen Zeitrahmen berichten können. Hingegen stehe fest, dass der Versicherte sein Verhalten auf die finanzielle Situation der Klägerin abgestimmt habe. Für die Dauer der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sei ihm kein gemeinsamer Wohnsitz möglich gewesen. Gleichwohl sei mit der vergleichsweisen Schuldenregelung im Herbst 2005 der Weg für eine Eheschließung frei gewesen. Bekanntermaßen sei es in der Folgezeit zu keiner Eheschließung gekommen. Hingegen habe der Versicherte am 24. November 2007 sein Testament geändert und die Klägerin als Alleinerbin eingesetzt. Auch dieses Verhalten passe nicht in das Bild einer geplanten Eheschließung und dem Eintritt der gesetzlichen Erbfolge für Eheleute. Am 10. Juni 2008 sei dann nach Erhalt des Arztbriefes vom 09. Juni 2008 die extrem kurzfristige Anmeldung der Eheschließung für den 13. Juni 2008 erfolgt. Ein Bestreiten der Kenntnis erscheine unter Berücksichtigung der existenziellen Überlebensfrage nicht zwingend nachvollziehbar.

Nach Ansicht der Klägerin bestätige die Zeugenvernehmung, dass die Versorgungsabsicht keine ausschlaggebende Rolle für die Heirat gespielt habe. Der Entschluss zur Wiederverheiratung sei ernsthaft und unabhängig von der Erkrankung des Versicherten gefasst worden. Die hierin völlig übereinstimmenden Zeugenaussagen bestätigten, dass niemand die Krankheit des Versicherten als lebensbedrohlich empfunden gehabt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten () und auf die Gerichtsakte.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 28. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf große Witwenrente ab 01. September 2008. Zur Überzeugung des Senats ergibt die Abwägung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung im konkreten Einzelfall der inneren Umstände zusammen mit den objektiven Umständen zum Zeitpunkt der Eheschließung besondere Umstände, die die Annahme rechtfertigen, dass es insgesamt nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Klägerin eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen.

Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben (neben Witwer) Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin, die nicht wieder geheiratet hat, ist die Witwe des am 09. August 2008 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit, also die Zeit von fünf Jahren, die mit Kalendermonaten mit Beitragszeiten belegt ist (§ 50 Abs. 1 Satz 1, § 51 Abs. 1 SGB VI) erfüllt hat, wie dem in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen Gesamtkontospiegel vom 16. Oktober 2008 zu entnehmen ist. Die Klägerin hatte zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten bei einem Alter von 60 Jahren auch das 47. Lebensjahr vollendet.

Der Anspruch auf große Witwenrente ist nicht nach § 46 Abs. 2 a SGB VI ausgeschlossen.

Danach gilt: Witwen (oder Witwer) haben keinen Anspruch auf Witwenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten dauerte nicht mindestens ein Jahr, denn sie bestand nur vom 13. Juni 2008 bis 09. August 2008.

Allerdings wird die gesetzliche Vermutung einer so genannten Versorgungsehe durch besondere Umstände im vorliegenden Einzelfall widerlegt.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), Urteil vom 05. Mai 2009 – B 13 R 55/08 R, abgedruckt in FamRZ 2009, 1667), der der Senat folgt, ergeben sich folgende Maßstäbe: Sostellt der Begriff der besonderen Umstände einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt werden muss und der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt. Aus § 46 Abs. 2 a SGB VI ergibt sich nicht ohne weiteres, was unter den besonderen Umständen des Falles zu verstehen ist. Da diese Vorschrift jedoch vom Gesetzgeber bewusst den entsprechenden Vorschriften in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 65 Abs. 6 SGB VII) und der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz - BVG -) nachgebildet ist (vgl. Bundestags-Drucksache 14/4595 S. 44), kann an die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Begriff der besonderen Umstände in diesen Bestimmungen angeknüpft werden. Als besondere Umstände sind daher alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die (ggf. auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an, es sei denn, dass der hinterbliebene Ehegatte den Versicherten beispielsweise durch Ausnutzung einer Notlage oder Willensschwäche zur Eheschließung veranlasst hat. Eine abschließende Typisierung oder Pauschalierung der von der Versorgungsabsicht verschiedenen (besonderen) Gründe ist angesichts der Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten nicht möglich. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Einzelfalles. Allerdings kommt stets dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung eine gewichtige Bedeutung zu. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand ist insbesondere anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten unvermittelt eingetreten ist. In diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat war, dem Ehegatten eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen. In der Gesetzesbegründung wird als Beispiel hierfür der Unfalltod genannt. Unvermittelt eingetreten in diesem Sinne ist der Tod aber auch bei einem Verbrechen oder bei einer Erkrankung, die plötzlich aufgetreten ist und schnell zum Tode geführt hat (z. B. Infektionskrankheit oder Herzinfarkt bei unbekannter Herzerkrankung). Hingegen ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2 a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, um so gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme (Vermutung) einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden. Die Annahme des Anspruchs ausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2 a Halbsatz 2 SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat. Der Ausnahmetatbestand wird hierbei nur erfüllt, wenn der volle Beweis erbracht wird. Dieser erfordert zumindest einen der Gewissheit nahe kommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen.

Zur Überzeugung des Senats lassen sich von finanziellen Erwägungen unabhängige bzw. diesen zumindest gleichwertige besondere Umstände feststellen, die die Vermutung einer Versorgungsehe widerlegen. Es handelt sich um emotionale Beweggründe, die trotz der früheren Scheidung in der langjährigen inneren Verbundenheit und Liebe zueinander fortbestanden haben und sich bereits vor der zum Tode führenden Erkrankung des Versicherten zur konkreten Heiratsabsicht verdichteten, die in der dann am 13. Juni 2008 vollzogenen Eheschließung ihren Abschluss fanden.

Dies folgt nicht nur aus dem glaubhaften Vorbringen der Klägerin, sondern ergibt sich insbesondere aus den Bekundungen der Zeuginnen Sund K, den Töchtern der Klägerin, und der Zeugin F einer langjährigen Bekannten der Klägerin.

Es ist nachvollziehbar, dass die Zuneigung zwischen der Klägerin und dem Versicherten, die zur ersten Eheschließung am 01. April 1972 (Eheurkunde des Standesamtes Berlin-Lichtenberg vom selben Tag) führte, auch nach der Scheidung 1984 fortbestand. So hat die Zeugin F bekundet, die die Klägerin seit 1979 kennt, dass für den Versicherten die Klägerin die große Liebe war. Diese Liebe war ihres Erachtens nach der Grund, weswegen sich beide erneut verheirateten. Mit denselben Worten hat sich die Zeugin K zum emotionalen Verhältnis des Versicherten zur Klägerin geäußert. So gab auch die Klägerin bereits im Widerspruchsverfahren an, Grund für die Scheidung seien (lediglich) unüberwindbare Probleme bei der Erziehung der von ihr mit in die Ehe eingebrachten beiden Kinder gewesen. Demgegenüber betonte sie, dass weder sie noch der Versicherte nach der Scheidung mit einem anderen Partner verheiratet waren, womit sie ersichtlich zum Ausdruck brachte, dass mit der Scheidung die Gefühle füreinander nicht erloschen waren. Darin fügt sich ein, dass nach der Bekundung der Zeugin F der Versicherte nach der Scheidung immer mal wieder die früheren gemeinsamen Urlaubsorte aufsuchte. Wie die Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem Sozialgericht angegeben hat, bestand trotz der Scheidung ständiger Kontakt mit dem Versicherten. Dabei sei es nie zum Streit gekommen. Dass der Kontakt zwischen den ehemaligen Eheleuten nie richtig abriss, hat ebenfalls die Zeugin F bekundet, für die nach ihrer Aussage im Übrigen klar war, dass die beiden irgendwann sich wieder verheiraten würden. Die Zeugin S hat ähnliches bekundet. Danach war der Versicherte trotz Scheidung in der Folgezeit immer in die Familie integriert. Er habe fest zur Familie gehört und sei deswegen immer zu Familienfeiern eingeladen worden.

Für die Zeit vor 2007 ist nichts dafür ersichtlich, dass Heiratsabsichten hinreichend konkretisiert bestanden. So gab die Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem Sozialgericht an, im Jahre 2001 noch nicht über eine Heirat geredet zu haben, auch wenn schon lange eine solche Idee bestand. Sie habe jedoch mit dem Versicherten im Sommer 2002 im gemeinsamen Garten über eine Heirat gesprochen. In Vorbereitung dessen mag eine gemeinsame Wohnung im Jahr 2002 bezogen worden sein, in der beide bis 2004 lebten, wie die Klägerin in ihrer Klageschrift vorgetragen hat. Über dieses zeitweilige Zusammenleben hat auch die Zeugin F, wenn auch ohne zeitliche Einordnung, berichtet und dieses in Zusammenhang mit der Liebe der beiden zueinander gestellt. Die Beendigung des gemeinsamen Zusammenlebens durch den Versicherten und die hierfür maßgebenden Gründe zeigen jedoch, dass seinerzeit eine Heirat nicht in Betracht kam. Wie von der Klägerin mit der Klageschrift vorgetragen und bei ihrer Anhörung vor dem Sozialgericht weiter erläutert, hatte sie zum damaligen Zeitpunkt Schulden, die aus einer ehemaligen Eigentumswohnung resultierten, weswegen Zwangsvollstreckungsandrohungen und –maßnahmen gegen die Klägerin stattfanden. Diese Belastung konnte der Versicherte nach Angaben der Klägerin nicht verkraften. Angesichts dessen muss für ihn erst Recht eine erneute Verheiratung ausgeschlossen gewesen sein, denn diese hätte für ihn die ständige Fortsetzung dieser Belastung bedeutet. Durch den Bezug getrennter Wohnungen konnte der Versicherte dem hingegen entgehen, auch wenn, wie von der Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem Sozialgericht angegeben, häufig die Mahlzeiten gemeinsam eingenommen und abwechselnd in den jeweiligen Wohnungen übernachtet wurde. Dieses einer erneuten Heirat entgegenstehende Hindernis wurde jedoch im November 2005 beseitigt. Wie von der Klägerin vorgetragen und durch die vorgelegten Unterlagen belegt, kam es im Oktober 2005 zu einer vergleichsweisen Regelung dahingehend, dass gegen Zahlung eines Betrages von 3.100 Euro auf die weitergehende Forderung verzichtet wurde. Nach dem vorgelegten Schreiben der damaligen Bevollmächtigten und jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 19. Oktober 2005, auf das Bezug genommen worden ist, erfolgte diese Zahlung spätestens zum 15. November 2005.

Soweit die Wohnverhältnisse auf die finanzielle Situation der Klägerin abgestimmt waren, spricht dies nicht gegen die Liebe und Verbundenheit des Versicherten zur Klägerin und nicht gegen deren Verbundenheit mit dem Versicherten. Die Klägerin hat am 03.Mai 2012 in der mündlichen Verhandlung dem entsprechenden Vorhalt des Bevollmächtigten der Beklagten glaubhaft entgegnet, sie selbst habe die räumliche Trennung herbeigeführt durch ihren Auszug, um den Versicherten zu schonen. Der Senat vermag aus der räumlichen Trennung jedenfalls kein Indiz für eine Versorgungsabsicht bezüglich einer Witwenrente zu erkennen.

Vielmehr wird aus der seit 2007 bestandenen konkreten Heiratsabsicht deutlich, dass ein zumindest gleichwertiger emotionaler Beweggrund, nämlich die langjährige innere Verbundenheit mit dem Wunsch, ein gemeinsames Leben zu führen, für die Heirat bestand. So gab die Klägerin im Widerspruchsverfahren an, dass sie und der Versicherte geheiratet hätten, weil sie sich liebten und die kommenden Jahre gemeinsam verbringen wollten. Eine solche konkrete Heiratsabsicht setzt nicht voraus, dass bereits ein konkreter Heiratstermin bestimmt ist. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die eine alsbaldige Heirat erwarten lassen. Der Senat geht davon aus, dass sich ab Januar 2007 eine ernsthafte Absicht herausbildete, erneut zu heiraten. Mit dem Thema einer Wiederverheiratung traten die Klägerin und der Versicherte im Jahr 2007 zunächst gegenüber der Zeugin S in Erscheinung. Nach der Bekundung dieser Zeugin kam dieses Thema ausdrücklich an Ostern 2007 zur Sprache. Die Zeugin hat vermutet, dass ihre eigene im Januar 2007 erfolgte Verheiratung konkreter Anlass hierfür gewesen sein könnte. Die Verheiratung wurde erneut am 13. September 2007, dem gemeinsamen Geburtstag dieser Zeugin und des Versicherten, thematisiert. Zu letztgenanntem Zeitpunkt hat diese Zeugin über einen konkreten Heiratstermin noch nichts zu berichten gewusst. Dazu passt, dass wegen des im August oder September 2007 erfolgten beruflichen Aufstiegs des Versicherten mit damit verbundenen Stressbelastungen, so die Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem Sozialgericht, mit der Übernahme eines neuen Aufgabenbereiches im Betrieb die Hochzeit erneut verschoben wurde. Zu ernsthaften Gedanken über einen konkreten Hochzeitstermin kam es nach der Aussage dieser Zeugin dann jedoch Ende November 2007.

Dies ist anhand weiterer Umstände nachvollziehbar, so dass spätestens zu November 2007 eine konkrete Heiratsabsicht anzunehmen ist. So machte der Versicherte nach dem Vortrag der Klägerin ihr im November 2007 einen Heiratsantrag. Dieser Heiratsantrag ist auch der Zeugin S bekannt gewesen, wie sie bekundet hat. Die Klägerin teilte ihn ihr zu einem ihr nicht mehr erinnerlichen Tag telefonisch mit. Der Versicherte änderte unter dem 24. November 2007 sein am 26. September 1994 notariell beurkundetes Testament und setzte in diesem neuen Testament die Klägerin als alleinige Erbin ein. Damit nahm er im Wesentlichen die Rechtsfolgen vorweg, die im Falle einer Heirat eintreten würden (vgl. § 1931 Abs. 1 und 2, § 1371 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB). Die beiden Töchter der Klägerin gehören nicht zu den gesetzlichen Erben, denn sie sind keine Abkömmlinge des Versicherten. Dieses Testament spricht mithin deutlich für eine konkrete Heiratsabsicht des Versicherten. Es deutet zudem erkennbar darauf hin, dass mit der Heirat keine Versorgungsabsicht verbunden war. Es wurde nämlich zu einem Zeitpunkt verfasst, zu dem die Krebserkrankung des Versicherten noch nicht objektiviert war. Wesentlich bezogen auf eine Versorgungsabsicht ist ausschließlich diese Tatsache und nicht der Zeitraum, der zwischen einer solchen letztwilligen Verfügung und dem Zeitpunkt der Heirat liegt. Denn demjenigen, der in Unkenntnis einer zum Tode führenden Erkrankung durch letztwillige Verfügung Vermögensdispositionen trifft, fehlt schon objektiv die Absicht, dies wegen einer solchen Erkrankung zu tun. In diesen zeitlichen Ablauf fügt sich ein, dass nach dem Vortrag der Klägerin im Widerspruchsverfahren sie und der Versicherte im November 2007 beschlossen hätten, wieder zu heiraten, wobei die Hochzeit für das Frühjahr 2008 geplant gewesen sei. Deshalb erachtet es der Senat auch für glaubhaft, dass sich die Klägerin im November 2007 beim Standesamt telefonisch nach den Modalitäten der Eheschließung informierte, und dass sie Anfang 2008 alleine bzw. mit dem Versicherten beim Standesamt vorsprach, um sich wegen eines möglichen Termins für eine Eheschließung zu erkundigen. Dem steht nicht entgegen, dass die Zeugin K, wie von ihr bekundet, erstmals an Weihnachten 2007 konkret von einer erneuten Verheiratungsabsicht erfuhr. Dieser Zeitpunkt, an dem nach Aussage dieser Zeugin alle zusammen waren, war wohl Zeitpunkt, an dem alle nahe stehenden Verwandten über eine beabsichtigte Heirat informiert wurden. Es ist mithin davon auszugehen, dass die Heirat ernstlich absehbar gewollt war. Nachdem der Kläger am 27. Januar 2008 stationär aufgenommen und bis 22. Februar 2008 wegen eines dort erstmals diagnostizierten Pankreasschwanzkarzinoms behandelt worden war (Epikrise der P-Klinik W vom 22. Februar 2008), leuchtet ein, dass es im Frühjahr 2008 nicht mehr zur Eheschließung kam. Auch im Hinblick auf die nachfolgende ambulante Chemotherapie vom 25. Februar 2008 bis 12. April 2008 bei Dr. L (vgl. deren Aussage bei ihrer Vernehmung durch das Sozialgericht, ihre Karteikarte vom 25. Februar 2008 und die Erklärung des Versicherten vom 29. Februar 2008, nach der ihm die möglichen Nebenwirkungen der Chemotherapie erläutert worden seien) und vom 02. April 2008 bis 06. August 2008 bei Dr. M (vgl. den Befundbericht des Arztes für Innere Medizin, Hämotologie und internistische Onkologie Dr. M vom 16. November 2009) erschließt sich für den Senat, dass die Eheschließung zunächst nicht angegangen worden war.

Die Umstände der dann am 13. Juni 2008 vollzogenen Eheschließung, insbesondere die Erkrankung des Versicherten, wiegen bei der Gesamtbewertung nicht derart schwer, dass sie die dargelegten besonderen Umstände als nicht mehr zumindest gleichwertig erscheinen lassen.

Die Erkrankung allein ist kein ausreichendes Indiz dafür. Bei der Erkrankung handelt es sich zwar um eine objektiv tödliche Krankheit. Selbst bei der Eheschließung wussten jedoch weder die Klägerin noch der Versicherte um deren Lebensbedrohlichkeit.

Beim Versicherten bestand vor dem 27. Januar 2008 keine Erkrankung, mit dem das gesundheitliche Risiko eines bevorstehenden Ablebens verbunden war. Nach der Epikrise der P-Klinik W vom 22. Februar 2008 erfolgte die stationäre Aufnahme mit einem erstmalig aufgetretenen Diabetes mellitus bei gleichzeitig bestehenden Oberbauchbeschwerden. Eine deswegen durchgeführte Abdomen-Sonografie zeigte den dringenden Verdacht einer Pankreasraumforderung. Zusätzlich wurde eine Läsion in der Leber beschrieben. Zur Differenzierung einer möglichen Metastase bzw. einer narbigen Veränderung in der Leber wurde am 01. Februar 2008 eine Magnetresonanztomografie durchgeführt, in der ein Zystadenom im Korpus mit konsekutiver Gangdilation beschrieben wurde. Im Anschluss wurde eine ERCP zum Ausschluss einer intraductalen Ausbreitung der Neoplasie und zur Gewinnung von Material durchgeführt. Die histologische Auswertung konnte diesen Verdacht jedoch nicht erhärten. Nach Besprechung auf der Tumorkonferenz wurde eine Pankreaslinksresektion beschlossen und durchgeführt. Bei der Operation fand sich im Lebersegment III der linken Leber eine kleine weißliche Auflagerung, die im Sinne einer Probeexzision vollständig entfernt wurde. Die Epikrise kommt zusammenfassend zum Ergebnis, dass es sich hinsichtlich der Tumorausbreitung bis zu der Resektionslinie und der histologisch gesicherten Lebermetastase insgesamt um eine R 2-Situation handelt und aufgrund der Ausbreitung des Tumorleidens die Indikation zur palliativen Chemotherapie besteht. Der Versicherte wurde bei relativem Wohlbefinden in die weitere ambulante Behandlung der Fachärztin für Innere Medizin und Onkologie Dr. Lentlassen. Diese Ärztin führte die Chemotherapie, wie bereits ausgeführt, durch. Nach ihrer Aussage vor dem Sozialgericht hat sie den Versicherten für die Schwere der Erkrankung in guter Verfassung gesehen.

Während der sich anschließenden Behandlung beim Facharzt für Innere Medizin Dr. M wurde eine abdominelle Computertomografie durchgeführt, die nach dem Bericht der Fachärztin für Radiologie Dr. B vom 26. Mai 2008 einen unauffälligen Pankreascaput, einen ödemtös zystischen bzw. nur postoperativ restödemischen Pankreascorpus, jedoch neu im linken Leberlappen einen kleinen Herd mit dem Verdacht auf Metastase zeigte. Diese neue Lebermetastase und der ebenfalls im Mai 2008 eingetretene massive Tumormarkeranstieg veranlassten Dr. M zu seinem Bericht vom 09. Juni 2008 mit dem Antrag auf Kostenübernahme gegenüber der Techniker Krankenkasse. In diesem Bericht wird darauf hingewiesen, dass es unter der Chemotherapie im Mai 2008 zu einem drastischen Tumormarkeranstieg kam und sich computertomografisch eine neu aufgetretene Lebermetastase nachweisen lässt. Der Patient finde sich in einem anhaltend guten Allgemeinzustand und habe einen dringenden Therapiewunsch. Es gäbe keine etablierte Therapie für Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom nach Versagen mit der bisherigen Behandlung mit Gemzar. In diesem Bericht wird Bezug genommen auf Literatur zur beantragten neuen Medikation, wonach die durchschnittliche Überlebenszeit bei 40 Wochen im Behandlungsarm gegenüber 34,4 Wochen im Kontrollarm bestehe. Unter dem 23. Juli 2008 bewilligte die Techniker Krankenkasse die beantragte Arzneimitteltherapie außerhalb der zugelassenen Indikation zunächst für 3 Monate gegenüber dem Versicherten. Eine zuvor durchgeführte Magnetresonanztomografie erbrachte nach dem Bericht der Fachärztin für Radiologie Dr. B vom 18. Juli 2008 einen Zustand nach Pankreasteilresektion ohne Nachweis eines Lokalrezidivs, jedoch in drei Lebersegmenten ein Bild wie bei Lebermetastasen. Der Bericht verweist darauf, dass auf den Voraufnahmen vom 01. Februar 2008 die Leberherde noch nicht eindeutig abgrenzbar gewesen seien.

Der Senat ist davon überzeugt, dass insbesondere die Klägerin nicht um die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung des Versicherten wusste. Die von ihr dafür angeführten Tatsachen sind nachvollziehbar. Es findet sich keine ärztliche Aussage, die eine entsprechende Aufklärung zur Lebensbedrohlichkeit belegt. Die vom Senat als Zeugen vernommenen Personen haben gleichfalls nichts dafür feststellen können, dass die Klägerin oder der Versicherte wegen einer solchen Lebensbedrohlichkeit mit dem alsbaldigen Tod des Versicherten rechneten.

So gab die Klägerin in ihrem Widerspruchsschreiben an, es sei ihnen vom Arzt im Krankenhaus gesagt worden, dass ein derartiger Krebs sehr selten operiert werden könne. Da dies jedoch beim Versicherten möglich gewesen sei, seien sie in der Hoffnung bestärkt worden, dass mithilfe der Chemotherapie die Krankheit zum Stillstand gebracht oder sogar überwunden werden könne. Bei ihrer Anhörung vor dem Sozialgericht hat sie erneut darauf hingewiesen, dass beide aufgrund der Angaben der Ärzte dachten, dass der Versicherte gute Chancen gehabt habe, gesund zu werden, weil die Operation durchgeführt worden sei. Der Versicherte sei sicher gewesen, dass die Erkrankung durch die Operation überwunden worden sei. Diese subjektive Annahme der Klägerin und des Versicherten erscheint nicht fern liegend, denn der Versicherte befand sich nicht nur nach Angaben der Klägerin bei seiner Entlassung aus der P-Klinik W in einem guten Gesundheitszustand. Wie bereits dargelegt, wird dies sowohl in der Epikrise der P-Klinik W vom 22. Februar 2008 als auch durch die Aussage der Zeugin Dr. L bei ihrer Vernehmung vor dem Sozialgericht und sogar durch den Bericht des Dr. M vom 09. Juni 2008 bestätigt. Da sich somit an diesem Gesundheitszustand, abgesehen von den Nebenwirkungen während der nachfolgenden Chemotherapie nichts grundsätzlich änderte, gab es aus deren subjektiver Sicht keinen Anlass, an der erstinstanzlich vorgetragenen Versicherung der in der P-Klinik behandelnden Ärzten zu zweifeln, dass die Lebermetastase nicht beängstigend sei, weil dagegen eine Chemotherapie durchgeführt werde. Ob eine solche Chemotherapie palliativ oder adjuvant erfolgte, ist zwar aus ärztlicher Sicht wesentlich. Für den medizinischen Laien, wie den chemotherapierten Patienten, sind diese Begriffe jedoch nebensächlich, zumal er deren Bedeutung oftmals überhaupt nicht kennt. So sind auch die Klägerin und der Versicherte, wie diese bei ihrer Anhörung vor dem Sozialgericht angegeben hat, davon ausgegangen, dass das Wort "palliativ" heilend bedeute.

Nach dem Vortrag der Klägerin im Widerspruchsverfahren steht außer Frage, dass der Klägerin und dem Versicherten die Diagnose Krebs schon während der stationären Behandlung in der P-Klinik W bekannt war. Soweit die Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem Sozialgericht dargelegt hat, die Diagnose sei von der Ärztin für Innere Medizin Dr. L bei der Besprechung und Aufklärung über die Chemotherapie am 25. Februar 2008 nicht genannt worden, mag dies zutreffen. Wie die Zeugin Dr. Lbei ihrer Vernehmung ausgesagt hat, wusste der Versicherte, dass er an einer Krebserkrankung litt. Diese Tatsache musste ihm somit nicht erneut als Diagnose mitgeteilt werden. Es ist gleichfalls nicht zweifelhaft, wie die Zeugin Dr. L weiter ausgeführt hat, dass an diesem Tag die Tumorerkrankung und die Metastasen besprochen wurden. Auch dieser medizinische Sachverhalt war bereits seit der stationären Behandlung bekannt. Es deutet nichts darauf hin, dass die Klägerin bei ihrer Anhörung diese Tatsachen bei Berücksichtigung ihrer sonstigen dort gemachten Angaben hat leugnen wollen. Es erschließt sich mithin für den Senat nicht, dass das Sozialgericht die Angabe der Klägerin, Dr. L habe keine Diagnosen genannt, als widerlegt angesehen hat, um damit offensichtlich die Wahrhaftigkeit der Angaben der Klägerin in Zweifel zu ziehen.

Bei weiterhin nicht besorgniserregendem Gesundheitszustand musste der Anstieg der Tumormarker im Mai 2008 zu keiner Änderung der Auffassung der Klägerin und des Versicherten über den weiteren Krankheitsverlauf führen. Die deswegen vorgeschlagene andere Behandlung musste als folgerichtig erscheinen, weil, so das Vorbringen der Klägerin im Widerspruchsverfahren, man ärztlicherseits von einem Erfolg (dieser anderen Behandlung) ausgegangen ist. Angesichts dessen, so die Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem Sozialgericht, hätten sie auch nicht nach den Heilungschancen oder einer Überlebenszeit gefragt. Dies erscheint schlüssig, wenn berücksichtigt wird, dass in dem Anstieg der Tumormarker keine bedeutsame Gesundheitsänderung (aus subjektiver Sicht) erblickt worden ist.

Nach Ansicht des Senats ist ausgeschlossen, dass dem Versicherten oder der Klägerin der Bericht des Facharztes für Innere Medizin Dr. M vom 09. Juni 2008 mit den dort angegebenen Überlebensraten zur Kenntnis gebracht wurde. Dies folgt nicht nur daraus, dass dieser Bericht für die Techniker Krankenkasse bestimmt war. Es ergibt sich auch daraus, dass der Facharzt für Innere Medizin Dr. M weder in seinem Befundbericht vom 16. November 2009 noch in seiner ergänzenden Auskunft vom 23. März 2010 bestätigt hat, dass er über den tödlichen Verlauf der Erkrankung bzw. die Prognose aufgeklärt hat. Dies schließt aus, dass dem Versicherten oder der Klägerin der Bericht vom 09. Juni 2008 vor der am 13. Juni 2008 erfolgten Eheschließung bekannt geworden ist. Der Facharzt für Innere Medizin Dr. M hat vielmehr in seiner Auskunft vom 23. März 2010 mitgeteilt, dass nach der Krankenakte dokumentiert sei, dass die Fachärztin für Innere Medizin Dr. L am 25. Februar 2008 eine Aufklärung über die maligne Erkrankung durchgeführt habe. Dazu gehöre bei inkurablen Erkrankungen auch die Aufklärung über die Prognose. Dieses Vorgehen sei in der Onkologie üblich. Allerdings ergibt sich aus der Karteikarte lediglich der Eintrag vom 25. Februar 2008 Erkrankungsbesprechung, Erkrankungsbewältigung; Chemotherapiefestlegung: Gemzar/Tarceva; Anleitung der geschiedenen Ehefrau als Bezugsperson. Die Erklärung des Versicherten vom 29. Februar 2008 weist ebenfalls nur aus, dass ihm die möglichen Nebenwirkungen der Chemotherapie erläutert wurden und er mit dieser Behandlung einverstanden ist. Die Fachärztin für Innere Medizin Dr. Lhat bei ihrer Vernehmung bekundet, dass die Nebenwirkungen der Chemotherapie besprochen wurden. Sie ist sicher gewesen, dass die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung nicht besprochen wurde. Es sei Standard in der Onkologie, den Patienten mit konkreten Überlebenszeiten nicht zu bedrängen. Sie erwähnte nach ihrer Aussage ebenfalls nicht, dass die Chemotherapie palliativer Natur war.

Mithin gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin oder dem Versicherten zumindest in der Laiensphäre bekannt gewesen sein könnte, dass eine objektiv lebensbedrohliche Erkrankung bestand. Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass die Diagnose einer Krebserkrankung nicht zwangsläufig eine kurze Lebensdauer bedeutet, insbesondere da sich die Therapiemöglichkeiten wesentlich verbessert haben.

Die vom Senat vernommenen Zeugen haben bestätigt, soweit sie sich dazu geäußert haben, dass der Versicherte in guter Verfassung war und nichts auf einen bevorstehenden Tod hindeutete. Die Zeugin K hat bekundet, nicht den Eindruck gehabt zu haben, dass die Hochzeit von einem möglicherweise bevorstehenden Tod des Versicherten beeinflusst war. Das Thema Tod war zu diesem Zeitpunkt überhaupt kein Gesprächsthema. Die Zeugin J hat ausgesagt, dass der Hochzeitstermin nicht durch den möglichen Tod des Versicherten überschattet war. Sie wusste von der Krankheit des Versicherten. Alle hätten die Hoffnung gehabt, dass er diese Erkrankung übersteht. Die Zeugin F hat bekundet, dass ihr die Erkrankung des Versicherten bekannt war. Sie habe aber im Zusammenhang mit der Hochzeit keine Rolle gespielt. Nicht einmal bei der Gartenparty nach der Hochzeit ging sie davon aus, dass der Tod des Versicherten alsbald bevorstand. Er sah nach ihrer Aussage zwar etwas schlecht aus. Er habe sich allerdings nichts weiter anmerken lassen. Das Thema sei in keinem Gespräch zwischen der Klägerin und ihr thematisiert worden.

In Abwägung aller Umstände bei seiner Gesamtbetrachtung ist der Senat mithin zur Überzeugung gelangt, dass die dargestellten besonderen Umstände dem Motiv einer Versorgung zumindest gleichwertig gegenüberstehen.

Die große Witwenrente beginnt am 09. August 2008.

Nach § 99 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB VI wird eine Hinterbliebenenrente von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Sie wird bereits vom Todestag an geleistet, wenn an den Versicherten eine Rente im Sterbemonat nicht zu leisten ist.

An den Versicherten war eine Rente mangels Rentenantrags nicht zu leisten.

Der Senat kann große Witwenrente jedoch erst ab 01. September 2008 zusprechen, denn er darf über den erhobenen Anspruch nicht hinausgehen (§ 123 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Berufung hat mithin Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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