Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 3 U 58/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 219/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können – (BK 2108).
Die 1943 geborene Klägerin erlernte vom 01. September 1957 bis zum 31. Juli 1959 den Beruf der Miedernäherin. Anschließend arbeitete sie nach den Eintragungen im Sozialversicherungsausweis (SVA) sowie nach eigenen Angaben vom 01. August bis zum 03. Februar 1962 als Hausgehilfin und Miedernäherin. Ab dem 05. Februar 1962 bis zum 27. Februar 1965 war sie als Hilfskinderpflegerin in einer Kinderkrippe, dann vom 02. März 1965 bis zum 11. April 1975 als pflegerische Hilfskraft in einer Frauen- und Säuglingsklinik und anschließend vom 22. Oktober 1975 bis zum 18. Juni 1981 als Bestellannehmerin beschäftigt. Vom 19. Mai 1981 bis zum 20. Juli 1983 war sie als Qualifizierungskraft in einem Frisiersalon tätig und ab dem 01. September 1983 bis zum 31. August 1991 als Verkäuferin. Vom 01. November 1992 bis zum 31. März 2003 arbeitete sie als Krankenpflegehelferin auf der Station für Allgemeine Chirurgie Station 1 bzw. Allgemeine Chirurgie und Traumatologie Station 3 des Krankenhauses B. Seit dem 01. April 2003 bezieht sie Altersrente für Schwerbehinderte. Sie ist seit dem 05. Januar 1996 als Schwerbehinderte anerkannt wegen Asthma bronchiale. Die Klägerin begab sich erstmals am 02. Dezember 2002 in ärztliche Behandlung wegen Wirbelsäulenbeschwerden (Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS), erhebliche Bewegungseinschränkung) bei ihrer Allgemeinmedizinerin T, die deswegen Arbeitsunfähigkeit vom 04. bis zum 09. Dezember 2002 bescheinigte. Am 17. März 2003 verspürte die Klägerin starke Schmerzen rechtsseitig bis zum Fuß hinunter und suchte am 19. März 2003 erneut Frau T auf, die eine Überweisung an den Orthopäden veranlasste. Die Klägerin begab sich am 26. März 2003 in die Behandlung des Orthopäden Dr. D mit fortbestehenden Schmerzen in der LWS im Bereich des rechten Iliosakralgelenks (ISG) mit Ausstrahlung in das rechte Bein. Am selben Tag erfolgte eine Röntgenuntersuchung. Eine Computeromografie (CT) der LWS vom 23. April 2003 zeigte eine rechts lateral betonte Bandscheibenvorwölbung L5/S1 mit Bedrängung der Wurzeln S1 beidseits sowie regelrechte Bandscheiben L3/4 sowie L4/5 (Befund vom 23. April 2003). Es erfolgte daraufhin eine periradikulare Therapie (PRT) mit Injektionen im H Klinikum B am 30. April, 14. Mai und 12. Juni 2003.
Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 25. August 2003 (Eingang bei der Beklagten am 26. August 2003) an die Beklagte und bat um Prüfung einer BK. Im weiteren Verlauf gab sie an, seit Anfang 2002 unter Wirbelsäulenbeschwerden zu leiden insbesondere beim Hochziehen von Patienten, Staubsaugen, Bücken und Heben sowie Liegen (Frageborgen vom03. Dezember 2003). Die Beklagte nahm ihre Ermittlungen auf und holte Befundberichte der Allgemeinmedizinerin T vom 28. Dezember 2003, des Orthopäden Dr. D vom 12. Februar 2004 sowie des H Klinikum B B vom 21. Juli 2004 ein. Des Weiteren holte sie ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse der Klägerin (DAK) vom 06. Februar 2004, aus welchem sich im Hinblick auf Wirbelsäulenbeschwerden nur eine Krankschreibung vom 04. bis zum 09. Dezember 2002 ergab. Darüber hinaus holte die Beklagte eine Auskünfte des Krankenhauses B vom 24. Februar 2004, des Arbeitsmedizinischen Dienstes (AMD), Arbeitsmedizinerin B, vom 18. Februar 2004 und des Klinikum C betreffend die Tätigkeit der Klägerin als pflegerische Hilfskraft von 1965 bis 1975 ein. In einer Stellungnahme vom 14. März 2005 errechnete der Präventionsdienst der Beklagten für die Belastungszeiträume vom 02. März 1965 bis zum 11. April 1975 sowie vom 01. November 1992 bis zum 31. März 2003 eine Gesamtbelastungsdosis nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) in Höhe von 21,94 MNh, wobei auf den ersten Zeitraum 9,74 MNh und auf den zweiten Zeitraum 12,20 MNh entfielen.
In dem daraufhin veranlassten fachorthopädischen Zusammenhangsgutachten der Prof. Dr. N/Dr. F vom 30. Mai 2005 kamen diese zu dem Schluss, bei der Klägerin finde sich kein Krankheitsbild, das einer BK 2108 zuzuordnen wäre. Klinisch und radiologisch finde sich eine monosegmentale Bandscheibenerkrankung der Etage L5/S1. Schwerwiegende Funktionsminderungen oder neurologische Störungen bestünden nicht. Darüber hinaus fehle es an einem belastungskonformen Schädigungsmuster. Ein Zwang zur Unterlassung der beruflichen Tätigkeit unter Berücksichtigung der üblichen, rückenschonenden Arbeitstechniken habe nicht bestanden. In einer Stellungnahme der Ärztin für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin Dr. S vom 10. Februar 2006 führte diese aus, zwar liege bei der Klägerin eine bandscheibenbedingte Erkrankung vor, die im Hinblick auf die extrem hohen Einzelbelastungen auch wahrscheinlich beruflich bedingt sei. Die Tätigkeitsaufgabe sei jedoch nicht deswegen, sondern wegen Erreichen der Altersgrenze erfolgt. Eine BK 2108 liege daher nicht vor.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08. August 2006 die Anerkennung der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS als BK 2108 ab. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. April 2007).
Mit ihrer hiergegen vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin u. a. vorgetragen, sie habe ihre Tätigkeit, nachdem sie die Schmerzen der Wirbelsäulenerkrankung nicht mehr habe ertragen können, aufgegeben, indem sie vorzeitig in die Altersrente gegangen sei.
Das SG hat ermittelt durch Beiziehung der neuroradiologischen Befundberichte zur PRT vom 30. April 2003, 14. Mai 2003 und 12. Juni 2003, Einholung eines Befundberichts von Dr. D von Januar 2008 und Beiziehung der ärztlichen Unterlagen der Allgemeinmedizinerin T. Anschließend hat das SG Beweis erhoben und den Arzt für Orthopädie Dr. T mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage betraut. In seinem am 22. Dezember 2008 fertig gestellten Gutachten ist dieser zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin fänden sich im Bereich der LWS leichte Facettenasymmetrien, beginnende Spondylarthrosen der unteren Bewegungssegmente, ein kleiner Bandscheibenprolaps bei L5/S1 sowie eine Chondrose Grad II bei L5/S1 (CT vom 23. April 2003). Darüber hinaus ließen sich in Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule (HWS) vom 19. Dezember 2006 eine Uncovertebralarthrose bei C6/7, eine leichte Höhenminderung des Bandscheibenzwischenraumes bei C5/6, dort auch Spondylophyten Grad I-II sowie Zeichen der Spondylarthrose betont auf der linken Seite in den beiden unteren Bewegungssegmenten erkennen. Des Weiteren zeige sich in Abdomenübersichtsaufnahmen vom 01. März 1998 eine lumbosacrale Aufbaustörung i. S. e. nur viergliedrigen LWS (Verwachsung des 5. Lendenwirbels zum Kreuzbein). Belastungsadaptive Reaktionen i. S. v. Begleitspondylosen im Bereich der LWS fänden sich nicht, generell sei festzustellen, dass sich bei der Klägerin trotz des Alters so gut wie keine umformenden Veränderungen im Sinne der Osteochondrose und Spondylose – abgesehen vom Segment L5/S1 – entwickelt hätten. Es lasse sich hier nicht sicher feststellen, dass neben dem röntgenologischen Bandscheibenbefund auch eine daraus resultierende Symptomatik vorgelegen habe, denn auch die Verschleißveränderungen der Wirbelgelenke verursachten eine dem Nervenschmerz ähnelnde Symptomatik (pseudoradikuläre Symptomatik). Ferner sei die bei der Klägerin vorliegende Chondrose Grad II bei L5/S1 nicht als altersvorauseilend zu betrachten. Auch ein Unterlassungszwang lasse sich aus orthopädischer Sicht nicht hinreichend begründen Eine BK 2108 könne daher nach den Kriterien der Konsensempfehlungen nicht zur Anerkennung vorgeschlagen werden.
Das SG hat die auf Anerkennung einen BK 2108 gerichtete Klage durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 14. April 2011 abgewiesen. Zwar liege lägen die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen sowie eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor, letztere könne jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die belastende Tätigkeit zurückgeführt werden. Ausgehend von den Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. N/Dr. F und Dr. T fehle es hier an einem belastungskonformen Schadensbild. Auch sei eine bandscheibenbedingte Erkrankung im engeren Sinne zweifelhaft. Eine Konstellation gemäß den Konsensempfehlungen, aus der sich eine Anerkennung ergeben könne, liege hier nicht vor. Schließlich lasse sich ein Unterlassungszwang nicht hinreichend begründen, denn es sei im Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe kein ausgeprägtes Krankheitsbild, das auch durch medizinisch therapeutische Maßnahmen wie z. B. ärztliche Behandlungen, Krankengymnastik oder sonstige technische und organisatorische Maßnahmen nicht mehr habe beeinflusst werden können, erkennbar.
Gegen das am 18. August 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 15. September 2011 bei dem SG eingegangene Berufung der Klägerin, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Begehren fortführt. Hier liege eine Konstellation B2 der Konsensempfehlungen vor. Hinsichtlich der Frage des Unterlassungszwangs sei die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. Februar 2001 – B 2 U 10/00 R – zu berücksichtigen. Danach könnten die Gründen und Motive für das tatsächliche Unterlassen dahin gestellt bleiben. Hinzu komme, dass ihre orthopädischen Leiden bereits vor Beendigung der schädigenden Tätigkeit so ausgeprägt gewesen seien, dass bereits vor Beendigung der Tätigkeit Behandlungsbedürftigkeit bestanden habe. Wäre die Altersrente nicht bewilligt worden, hätte sie auch aus gesundheitlichen Gründen zwingend die schädigende Tätigkeit aufgeben müssen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 14. April 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihr wegen der Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Ein Unterlassungszwang habe hier nicht vorgelegen. Nach dem Ergebnis der Untersuchung durch Prof. Dr. N/Dr. F hätten keine neurologischen Ausfälle oder schwerwiegenden Funktionsminderungen der LWS festgestellt werden können. Er sei zu dem Ergebnis gekommen, dass unter Berücksichtigung der üblichen rückenschonenden Arbeitstechniken eine Aufgabe der beruflichen Tätigkeit als Krankenschwester nicht erforderlich gewesen sei. Sie – die Beklagte – halt dies nach wie vor für schlüssig und überzeugend. Auch Dr. T sei zu diesem Schluss gelangt. Wenn sich die Klägerin die Ausführungen des BSG-Urteils vom 20. Februar 2011 zu Eigen mache, sei zunächst zu konstatieren, dass die dortigen Ausführungen zur BK 4301 und insbesondere zur speziellen Frage der Gewährung von Übergangsleistungen gemacht worden seien. Der dortige Sachverhalt sei auf den hiesigen nicht zu übertragen, auch weil die dortige Klägerin nicht in Altersrente gegangen sei.
Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 28. März und 04. April 2012 ihr Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats erklärt (§§ 153 Abs. 1, 155 Abs. 3, 4, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (2 Bände) und der beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die mit der Berufung verfolgte kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage § 54 Abs. 1 Satz 1 und§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG)ist zulässig. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 155 Abs. 3, 4, 124 Abs. 2 SGG), ist aber unbegründet. Das Urteil des SG vom 14. April 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 08. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2007 sind nicht zu beanstanden. Wie das SG zutreffend festgestellt hat, liegt bei der Klägerin keine BK 2108 vor.
Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII erleidet (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und SozR 4-2700 § 8 Nr. 17) Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a. a. O.).
Von Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV werden "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können", erfasst.
Nach dem Tatbestand der BK 2108 muss also der Versicherte aufgrund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK 2108 nicht vor (vgl. Urteil des BSG vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R -, inSozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5 sowie Urteile vom 18. November 2008 - B 2 U 14/07 R – und – B 2 U 14/08 R – jeweils zitiert nach Juris) und ist nicht anzuerkennen.
Die Klägerin erfüllt zunächst die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen, d. h. die im Sinne der BK 2108 erforderlichen Einwirkungen durch langjähriges schweres Heben und Tragen bzw. Arbeit in Rumpfbeugehaltung. Dies ergibt sich aus den vorliegenden Berechnungen des Präventionsdienstes der Beklagten nach dem MDD (vgl. dazu die grundlegende Veröffentlichung von Jäger u. a., ASUMed 1999, 101 ff., 112 ff.). Das MDD legt selber für die Belastung durch Heben und Tragen keine Mindestwerte fest, die erreicht werden müssen, damit von einem erhöhten Risiko von Bandscheibenschäden durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden kann. Die auf Grund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis, sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder -vorschläge zu verstehen. Von diesem Verständnis geht auch das aktuelle Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur BK 2108 aus, das für eine zusammenfassende Bewertung der Wirbelsäulenbelastung auf das MDD verweist (BArbBl 2006, Heft 10 S. 30 ff.) Danach sind zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK 2108 zu bejahen, wenn die Richtwerte im Einzelfall erreicht oder überschritten werden; umgekehrt schließt aber ein Unterschreiten dieser Werte das Vorliegen der BK nicht von vornherein aus (vgl. BSG Urteile vom 30. Oktober 2007 a. a. O. sowie vom 18. November 2008 a. a. O.).
Orientierungswerte sind andererseits keine unverbindlichen Größen, die beliebig unterschritten werden können. Ihre Funktion besteht in dem hier interessierenden Zusammenhang darin, zumindest die Größenordnung festzulegen, ab der die Wirbelsäule belastende Tätigkeiten als potentiell gesundheitsschädlich einzustufen sind. Die Mindestbelastungswerte müssen naturgemäß niedriger angesetzt werden, weil sie ihrer Funktion als Ausschlusskriterium auch noch in besonders gelagerten Fällen, etwa beim Zusammenwirken des Hebens und Tragens mit anderen schädlichen Einwirkungen, gerecht werden müssen. Werden die Orientierungswerte jedoch so deutlich unterschritten, dass das Gefährdungsniveau nicht annähernd erreicht wird, so ist das Vorliegen einer BK 2108 zu verneinen, ohne dass es weiterer Feststellungen zum Krankheitsbild und zum medizinischen Kausalzusammenhang im Einzelfall bedarf (vgl. BSG Urteile vom 30. Oktober 2007 a. a. O. sowie vom 18. November 2008 a. a. O.).
Das BSG hat daher in seinen Entscheidungen vom 30. November 2008 – B 2 U 14/07 R und B 2 U 14/08 R - Modifizierungen zur Anwendung des MDD für notwendig erachtet. Danach ist die dem MDD zu Grunde liegende Mindestdruckkraft pro Arbeitsvorgang bei Männern nurmehr mit dem Wert 2.700 N pro Arbeitsvorgang anzusetzen. Auf eine Mindesttagesdosis ist nach dem Ergebnis der Deutschen Wirbelsäulenstudie zu verzichten. Alle Hebe- und Tragebelastungen, die die aufgezeigte Mindestbelastung von 2.700 N bei Männern erreichen, sind entsprechend dem quadratischen Ansatz (Kraft mal Kraft mal Zeit) zu berechnen und aufzuaddieren. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, ist zumindest bei Männern auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh, also auf 12,5 MNh, herabzusetzen. Ob der Orientierungswert für Frauen, der bislang bei 17 MNh lag, ebenfalls zu halbieren ist, mag hier dahinstehen, denn die Klägerin war ausweislich der Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten vom 14. März 2005 in den relevanten Beschäftigungszeiträumen vom 02. März 1965 bis zum 11. April 1975 sowie vom 01. November 1992 bis zum 31. März 2003 insgesamt Belastungsdosis von 21,94 MNh ausgesetzt.
Der Feststellungsanspruch scheitert jedenfalls an den medizinischen Voraussetzungen. Nach den überzeugenden Feststellungen des im Verwaltungsverfahrens gehörten Orthopäden Prof. Dr. N in seinem Gutachten vom 30. Mai 2005 und sowie nach denjenigen des im sozialgerichtlichen Verfahren gehörten Dr. T vom 22. Dezember 2008, sind die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung der BK 2108 letztlich nicht erfüllt.
In der medizinischen Wissenschaft ist anerkannt, dass Bandscheibenschäden und Bandscheibenvorfälle insbesondere der unteren LWS in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Sie sind von multifaktorieller Ätiologie. Da diese Bandscheibenerkrankungen ebenso in Berufsgruppen vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, genauso wie in solchen, die wie der Kläger auch schwere körperliche Arbeiten geleistet haben, kann allein die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des MDD die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhanges nicht begründen (vgl. Merkblatt zu der BK 2108 der Anlage 1 zur BKV, BArbBl. 2006, Heft 10 S. 30 ff. ). Im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Beurteilung des Ursachenzusammenhanges bei der BK 2108 war die medizinische Wissenschaft gezwungen, weitere Kriterien zu erarbeiten, die zumindest in ihrer Gesamtschau für oder gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Diese sind niedergelegt in den medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS, die als Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe anzusehen sind (vgl. Trauma und Berufskrankheit Heft 3/2005, Springer Medizin Verlag, S. 211 ff.). Ein neuerer, von den Konsensempfehlungen abweichender Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu den bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS ist weder von dem Sachverständigen Dr. T aufgezeigt worden noch dem Senat aus anderen Verfahren bekannt. Der Senat geht daher weiterhin davon aus, dass diese nach wie vor den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von Bandscheibenerkrankungen der LWS durch körperliche berufliche Belastungen darstellen (vgl. auch BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 2 U 16/08 R -, zitiert nach Juris, und Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 13/05 R – in SozR 4-2700 § 9 Nr. 9). Zur Gewährleistung einer im Geltungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung gleichen und gerechten Behandlung aller Versicherten begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die befassten Gutachter und die Sozialgerichtsbarkeit diese Konsensempfehlungen anwenden.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen der BK 2108 hier nicht gegeben. Zwar besteht bei der Klägerin nachweislich eine durch die berufliche Tätigkeit als pflegerische Hilfskraft verursachte bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen des gesamten Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens, insbesondere dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. N/Dr. F vom 30. Mai 2005 sowie dem Gutachten des Dr. T vom 22. Dezember 2008.
Die bei der Klägerin durch diese Sachverständigen festgestellten Veränderungen der Wirbelsäule können eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS im Sinne der BK 2108 darstellen. Unabdingbare, aber nicht hinreichende Voraussetzung für den Nachweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung ist nach den Konsensempfehlungen unter Punkt 1.3 der bildgebende Nachweis eines altersuntypischen Bandscheibenschadens, d. h. einer Höhenminderung der Bandscheibe (=Chondrose) bzw. eines Bandscheibenvorfalls. Hinzu treten muss eine damit korrelierende klinische Symptomatik. Erforderlich ist ein Krankheitsbild, das über einen längeren Zeitraum andauert, also chronisch oder zumindest chronisch wiederkehrend ist, und das zu Funktionseinschränkungen führt, die eben eine Fortsetzung der genannten Tätigkeit unmöglich machen. Erforderlich sind daher ein bestimmtes radiologisches Bild sowie ein damit korrelierendes klinisches Bild (vgl. das aktuelle Merkblatt zur BK 2108 sowie die Konsensempfehlungen Punkt 1.3).
Als mögliche sekundäre Folge des Bandscheibenschadens können bildgebend darstellbare Veränderungen wie die Spondylose, die Sklerose der Wirbelkörperabschlussplatten, die Retrospondylose, die Spondylarthrose, die degenerative Spondylolisthesis und eine knöcherne Enge des Spinalkanals auftreten. Teilweise können der artige Veränderungen auch unabhängig von einem Bandscheibenschaden auftreten, wie z. B. bei der primären Spondylarthrose, der Spondylarthrose aufgrund eines Hohlkreuzes oder dem anlagebedingt engen Spinalkanal (vgl. die Konsensempfehlungen Punkt 1.3).
Bei den klinischen Krankheitsbildern ist laut Punkt 1.3 der Konsensempfehlungen bzw. Punkt III. des Merkblattes zu unterscheiden:
Typ I: Lokales Lumbalsyndrom, für das folgende Kriterien erfüllt sein sollen: • Radiologie: altersuntypische Höhenminderung einer oder mehrerer Bandscheiben • Symptom: Schmerz durch Bewegung • Klinik: Segmentbefund mit provozierbarem Schmerz • Funktionell: Entfaltungsstörung der LWS • Muskulär: erhöhter Tonus • Ggf. Pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung.
Typ II: Lumbales Wurzelsyndrom, für welches folgende Kriterien erfüllt sein sollen: • Radiologie: Vorfall oder Chondrose mit Bandscheibenverschmälerung mit Nervenwurzelbedrängung, ggf. in Verbindung mit Retrospondylose, Spondylarthrose, Recessusstenose und/oder Spinalkanalstenose, im Ausnahmefall bei engem Spinalkanal auch Protrusion • Neurologie: Zeichen der Reizung bzw. Schädigung der entsprechenden Nervenwurzel(n) (positives Lasègue-Zeichen, Reflexabweichungen, motorische Störungen, segmentale Sensibilitätsstörungen)
Wurzelsyndrome sind in der Regel diagnostisch durch Feststellung von Schmerzausstrahlungen und Sensibilitätsausfällen, Kraftminderungen in wurzelspezifischen Kennmuskeln sowie Reflexausfällen objektivierbar (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. A. 2010, Anm. 8.3.6.6.2 S. 481 f). Typ I und Typ II kommen häufig als Mischformen vor.
Heranzuziehen sind die der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zeitlich nächstliegenden Röntgenbilder (vgl. auch Punkt 1.2 der Konsensempfehlungen) sowie, wenn ein Bandscheibenschaden sich bereits länger davor manifestiert und operativ behandelt wird, die zum Zeitpunkt der (Erst-)Manifestation erstellten Röntgenbilder. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. T in seinem Gutachten vom 22. Dezember 2008 – die auch von der Beklagten nicht bezweifelt werden – lässt sich anhand der CT-Aufnahmen der LWS vom 23. April 2003 bei der damals 60-jährigen Klägerin eine Chondrose Grad II im Segment L5/S1 sowie ein – kleiner - Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 nachweisen, der die Wurzel S1 bedrängte. Dabei handelt es sich laut 1.2 A der Konsensempfehlungen um einen altersuntypischen Bandscheibenschaden, denn danach sind Bandscheibenvorfälle bei unter 65-jährigen immer alters-untypisch. Im Bereich der HWS zeigten sich hingegen auf den Röntgenbildern vom 19. Dezember 2006 nur eine leichte Höhenminderung des Bandscheibenzwischenraumes C5/6 sowie eine Uncovertebralarthrose bei C6/7 sowie Spondylophyten bei C5/6. Es fanden sich weder ein Prolaps noch eine Protrusion oder weitere Chondrosen. Diese Veränderungen sind nach Dr. T nicht als nennenswert einzustufen.
Aufgrund der von Prof. Dr. N/Dr. F am 30. Mai 2005 erhobenen Befunde mag zwar nach den Ausführungen der Sachverständigen das Vorliegen eines mit diesem morphologischen Befund korrelierenden Erkrankungsbildes i. S. eines lokalen Lumbalsyndroms oder eines lumbalen Wurzelsyndroms zweifelhaft sein. Letztlich kann dies hier jedoch dahin stehen.
Unter Zugrundelegung der Konsensempfehlungen (Punkt 1.4) handelt es sich im Falle der Klägerin bei der ausreichenden beruflichen Belastung (Exposition) um die Konstellation d. h. • es liegt eine gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vor, • es besteht eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung (z. B. ausreichende Exposition muss der Erkrankung vorausgehen; Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs nimmt mit der Länge des Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung ab), • die bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft L5/S1 und/oder L4/5, • Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall, • wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren (wie z. B. eine relevante Skoliose) liegen nicht vor, • eine Begleitspondylose liegt nicht vor, • zusätzlich mindestens 1 der folgenden Kriterien erfüllt: o Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben – bei monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/5 "black disc" im MRT in mindestens 2 angrenzenden Segmenten o Besonders intensive Belastung; Anhaltspunkt: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren o Besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen; Anhaltspunkt: Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab 4,5 kN, Männer ab 6 kN).
Eine plausible zeitliche Korrelation zwischen beruflicher Belastung und Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung ist hier zu bejahen. Dabei kommt es nicht darauf an, wann die Klägerin erstmals auf den Rücken bezogene Beschwerden geschildert hat, denn diese können genauso muskulär bedingt sein. Entscheidend ist die zeitliche Korrelation zwischen der Erkrankung und der Exposition. Im Falle der Klägerin ist diese gegeben, da sie bei dokumentierter Erstmanifestation im Dezember 2002 bereits rund 20 Jahre lang (mit Unterbrechung) wirbelsäulenbelastend tätig gewesen war und die Gesamtbelastungsdosis nach dem MDD sich bis zu diesem Zeitpunkt auf 21,946 MNh 129% des alten Orientierungswertes von 17 MNh belief.
Die bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft das Segment L5/S1 und hat das Ausmaß eines Vorfalls sowie einer Chondrose Grad II. Wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren sind nach übereinstimmender Einschätzung der Sachverständigen nicht bekannt. Die lumbosacrale Aufbaustörung im Bereich des 5. Lendenwirbelkörpers/Kreuzbeins wird von Dr. T angesichts der nicht nennenswerten Auswirkungen auf die Wirbelsäulenstatik nicht als von grundlegender Bedeutung für die Entwicklung einer bandscheibenbedingten Erkrankung eingeschätzt.
Als Begleitspondylose wird nach den Konsensempfehlungen Punkt 1.4 eine Spondylose in/im nicht von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en) bzw.in/im von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en), die nachgewiesenermaßen vor dem Eintritt der bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne einer Chondrose oder eines Vorfalls aufgetreten ist, definiert. Um eine positive Indizwirkung für eine berufsbedingte Verursachung zu haben, muss die Begleitspondylose über das Altersmaß (s. Punkt 1.2 der Konsensempfehlungen) hinausgehen und mindestens zwei Segmente betreffen. Bei dem Kläger sind nach der Beurteilung aller Sachverständigen keine Begleitspondylosen in den über L5/S1 gelegenen Segmenten der Lenden- und Brustwirbelsäule nachgewiesen.
Als zusätzliches Kriterium der Fallgruppe B2 liegt hier ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen (Anhaltspunkt: Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab 4,5 kN, Männer ab 6 kN)) vor. Dies ergibt sich aus den der Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten vom 14. März 2005 beigefügten Berechnungen, worauf auch die von der Beklagten mit der Erstellung einer Stellungnahme beauftragte Arbeitsmedizinerin Dr. S unter dem 10. Februar 2006 hingewiesen hatte.
Letztlich hat die bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule jedoch nicht zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Soweit die Klägerin hierzu das Gegenteil behauptet, ist dies weder überzeugend noch nachgewiesen. Der hier bei der BK 2108 geforderte Unterlassungszwang setzt laut dem BSG in der Regel voraus, dass die Tätigkeiten, die zu der Erkrankung geführt haben, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden sollen und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt (ständige Rspr., vgl. Urteil des BSG vom 19. August 2003 – B 2 U 27/02 R -, zitiert nach Juris; BSG in SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N). Eine bloße Verminderung der Gefährdung genügt nicht (BSG a. a. O.; BSG in SozR 5670 Anl. 1 Nr. 4301 Nr. 2). Entscheidend ist, dass der Zwang zur Unterlassung der schädigenden Tätigkeit objektiv medizinisch gesehen vorgelegen hat. Das trifft auch dann zu, wenn die Erkrankung für die Entscheidung des Versicherten zur Tätigkeitsaufgabe (etwa wegen Erreichens der Altersgrenze) nicht maßgeblich war (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. A. 2010, Anm. 2.2.2 S. 61 m. w. N.). Ein Zwang zur Unterlassung ist solange nicht gegeben, wie andere Mittel zur Verfügung stehen, durch die sichergestellt werden kann, dass der Versicherte die betreffende Tätigkeit weiter ausüben kann. Als geeignete Maßnahmen kommen technische und organisatorische Maßnahmen wie z. B. technische Vorrichtungen/Arbeitshilfe, persönliche Schutzmaßnahmen oder medizinische Maßnahmen jeglicher Art in Betracht (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, Loseblattsammlung. E § 9 SGB VII Anm 28.5).
Ein solcher Unterlassungszwang ist von den Sachverständigen nicht bestätigt worden und auch für den Senat nicht nachvollziehbar. Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass die Klägerin sich erstmals am 02. Dezember 2002 wegen Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule in Behandlung begab. Eine diesbezügliche Arbeitsunfähigkeit bestand vom 04. bis zum 09. Dezember 2002. Weitere Arbeitsunfähigkeitszeiten, die auf Beschwerden der Wirbelsäule beruhen würden, gab es vor der Tätigkeitsaufgabe nicht, offensichtlich hat die Klägerin nach dem 09. Dezember 2002 bis zur endgültigen Aufgabe der Tätigkeit weiter gearbeitet. Die Behandlung erfolgte zunächst nur bei der Allgemeinmedizinerin, eine fachorthopädische Behandlung erfolgte erstmals am 26. März 2003. Die Therapie wurde konservativ mit Voltaren und Perl´schem Gerät (krankengymnastische Maßnahme), ab April 2003 dann mit PRT durchgeführt. Diese Umstände lassen zwar auf eine behandlungsbedürftige Erkrankung schließen. Diese war jedoch so neu, insbesondere trat erst am 17. März 2003 eine deutliche Veränderung ein, dass noch keine wesentlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten entstanden waren und noch keine längerfristige Therapie stattgefunden hatte. Die Durchführung der PRT führte dann auch zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden, wie sich aus den Berichten des H Klinikum B B entnehmen lässt. Wie aus den Behandlungsunterlagen der Frau T erkennbar, hat dann im weiteren Verlauf der Jahre 2003 und 3004 wieder die Atemwegserkrankung der Klägerin den Behandlungsschwerpunkt gebildet. Dies spricht gerade dafür, dass die Tätigkeit als Krankenpflegehelferin mit ausreichender Therapie der orthopädischen Beschwerden weiter ausführbar war, zumal keine dauernde oder wiederkehrende Arbeitsunfähigkeit vorlag. Soweit sich die Klägerin auf die Entscheidung des BSG vom 20. Februar 2001 – B 2 U 10/00 R – zur Stützung ihrer Ansicht bezieht, führt dies nicht weiter. Die Entscheidung befasst sich erkennbar mit einem ganz anderen Rechtsproblem.
Nach alldem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können – (BK 2108).
Die 1943 geborene Klägerin erlernte vom 01. September 1957 bis zum 31. Juli 1959 den Beruf der Miedernäherin. Anschließend arbeitete sie nach den Eintragungen im Sozialversicherungsausweis (SVA) sowie nach eigenen Angaben vom 01. August bis zum 03. Februar 1962 als Hausgehilfin und Miedernäherin. Ab dem 05. Februar 1962 bis zum 27. Februar 1965 war sie als Hilfskinderpflegerin in einer Kinderkrippe, dann vom 02. März 1965 bis zum 11. April 1975 als pflegerische Hilfskraft in einer Frauen- und Säuglingsklinik und anschließend vom 22. Oktober 1975 bis zum 18. Juni 1981 als Bestellannehmerin beschäftigt. Vom 19. Mai 1981 bis zum 20. Juli 1983 war sie als Qualifizierungskraft in einem Frisiersalon tätig und ab dem 01. September 1983 bis zum 31. August 1991 als Verkäuferin. Vom 01. November 1992 bis zum 31. März 2003 arbeitete sie als Krankenpflegehelferin auf der Station für Allgemeine Chirurgie Station 1 bzw. Allgemeine Chirurgie und Traumatologie Station 3 des Krankenhauses B. Seit dem 01. April 2003 bezieht sie Altersrente für Schwerbehinderte. Sie ist seit dem 05. Januar 1996 als Schwerbehinderte anerkannt wegen Asthma bronchiale. Die Klägerin begab sich erstmals am 02. Dezember 2002 in ärztliche Behandlung wegen Wirbelsäulenbeschwerden (Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS), erhebliche Bewegungseinschränkung) bei ihrer Allgemeinmedizinerin T, die deswegen Arbeitsunfähigkeit vom 04. bis zum 09. Dezember 2002 bescheinigte. Am 17. März 2003 verspürte die Klägerin starke Schmerzen rechtsseitig bis zum Fuß hinunter und suchte am 19. März 2003 erneut Frau T auf, die eine Überweisung an den Orthopäden veranlasste. Die Klägerin begab sich am 26. März 2003 in die Behandlung des Orthopäden Dr. D mit fortbestehenden Schmerzen in der LWS im Bereich des rechten Iliosakralgelenks (ISG) mit Ausstrahlung in das rechte Bein. Am selben Tag erfolgte eine Röntgenuntersuchung. Eine Computeromografie (CT) der LWS vom 23. April 2003 zeigte eine rechts lateral betonte Bandscheibenvorwölbung L5/S1 mit Bedrängung der Wurzeln S1 beidseits sowie regelrechte Bandscheiben L3/4 sowie L4/5 (Befund vom 23. April 2003). Es erfolgte daraufhin eine periradikulare Therapie (PRT) mit Injektionen im H Klinikum B am 30. April, 14. Mai und 12. Juni 2003.
Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 25. August 2003 (Eingang bei der Beklagten am 26. August 2003) an die Beklagte und bat um Prüfung einer BK. Im weiteren Verlauf gab sie an, seit Anfang 2002 unter Wirbelsäulenbeschwerden zu leiden insbesondere beim Hochziehen von Patienten, Staubsaugen, Bücken und Heben sowie Liegen (Frageborgen vom03. Dezember 2003). Die Beklagte nahm ihre Ermittlungen auf und holte Befundberichte der Allgemeinmedizinerin T vom 28. Dezember 2003, des Orthopäden Dr. D vom 12. Februar 2004 sowie des H Klinikum B B vom 21. Juli 2004 ein. Des Weiteren holte sie ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse der Klägerin (DAK) vom 06. Februar 2004, aus welchem sich im Hinblick auf Wirbelsäulenbeschwerden nur eine Krankschreibung vom 04. bis zum 09. Dezember 2002 ergab. Darüber hinaus holte die Beklagte eine Auskünfte des Krankenhauses B vom 24. Februar 2004, des Arbeitsmedizinischen Dienstes (AMD), Arbeitsmedizinerin B, vom 18. Februar 2004 und des Klinikum C betreffend die Tätigkeit der Klägerin als pflegerische Hilfskraft von 1965 bis 1975 ein. In einer Stellungnahme vom 14. März 2005 errechnete der Präventionsdienst der Beklagten für die Belastungszeiträume vom 02. März 1965 bis zum 11. April 1975 sowie vom 01. November 1992 bis zum 31. März 2003 eine Gesamtbelastungsdosis nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) in Höhe von 21,94 MNh, wobei auf den ersten Zeitraum 9,74 MNh und auf den zweiten Zeitraum 12,20 MNh entfielen.
In dem daraufhin veranlassten fachorthopädischen Zusammenhangsgutachten der Prof. Dr. N/Dr. F vom 30. Mai 2005 kamen diese zu dem Schluss, bei der Klägerin finde sich kein Krankheitsbild, das einer BK 2108 zuzuordnen wäre. Klinisch und radiologisch finde sich eine monosegmentale Bandscheibenerkrankung der Etage L5/S1. Schwerwiegende Funktionsminderungen oder neurologische Störungen bestünden nicht. Darüber hinaus fehle es an einem belastungskonformen Schädigungsmuster. Ein Zwang zur Unterlassung der beruflichen Tätigkeit unter Berücksichtigung der üblichen, rückenschonenden Arbeitstechniken habe nicht bestanden. In einer Stellungnahme der Ärztin für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin Dr. S vom 10. Februar 2006 führte diese aus, zwar liege bei der Klägerin eine bandscheibenbedingte Erkrankung vor, die im Hinblick auf die extrem hohen Einzelbelastungen auch wahrscheinlich beruflich bedingt sei. Die Tätigkeitsaufgabe sei jedoch nicht deswegen, sondern wegen Erreichen der Altersgrenze erfolgt. Eine BK 2108 liege daher nicht vor.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08. August 2006 die Anerkennung der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS als BK 2108 ab. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. April 2007).
Mit ihrer hiergegen vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin u. a. vorgetragen, sie habe ihre Tätigkeit, nachdem sie die Schmerzen der Wirbelsäulenerkrankung nicht mehr habe ertragen können, aufgegeben, indem sie vorzeitig in die Altersrente gegangen sei.
Das SG hat ermittelt durch Beiziehung der neuroradiologischen Befundberichte zur PRT vom 30. April 2003, 14. Mai 2003 und 12. Juni 2003, Einholung eines Befundberichts von Dr. D von Januar 2008 und Beiziehung der ärztlichen Unterlagen der Allgemeinmedizinerin T. Anschließend hat das SG Beweis erhoben und den Arzt für Orthopädie Dr. T mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage betraut. In seinem am 22. Dezember 2008 fertig gestellten Gutachten ist dieser zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin fänden sich im Bereich der LWS leichte Facettenasymmetrien, beginnende Spondylarthrosen der unteren Bewegungssegmente, ein kleiner Bandscheibenprolaps bei L5/S1 sowie eine Chondrose Grad II bei L5/S1 (CT vom 23. April 2003). Darüber hinaus ließen sich in Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule (HWS) vom 19. Dezember 2006 eine Uncovertebralarthrose bei C6/7, eine leichte Höhenminderung des Bandscheibenzwischenraumes bei C5/6, dort auch Spondylophyten Grad I-II sowie Zeichen der Spondylarthrose betont auf der linken Seite in den beiden unteren Bewegungssegmenten erkennen. Des Weiteren zeige sich in Abdomenübersichtsaufnahmen vom 01. März 1998 eine lumbosacrale Aufbaustörung i. S. e. nur viergliedrigen LWS (Verwachsung des 5. Lendenwirbels zum Kreuzbein). Belastungsadaptive Reaktionen i. S. v. Begleitspondylosen im Bereich der LWS fänden sich nicht, generell sei festzustellen, dass sich bei der Klägerin trotz des Alters so gut wie keine umformenden Veränderungen im Sinne der Osteochondrose und Spondylose – abgesehen vom Segment L5/S1 – entwickelt hätten. Es lasse sich hier nicht sicher feststellen, dass neben dem röntgenologischen Bandscheibenbefund auch eine daraus resultierende Symptomatik vorgelegen habe, denn auch die Verschleißveränderungen der Wirbelgelenke verursachten eine dem Nervenschmerz ähnelnde Symptomatik (pseudoradikuläre Symptomatik). Ferner sei die bei der Klägerin vorliegende Chondrose Grad II bei L5/S1 nicht als altersvorauseilend zu betrachten. Auch ein Unterlassungszwang lasse sich aus orthopädischer Sicht nicht hinreichend begründen Eine BK 2108 könne daher nach den Kriterien der Konsensempfehlungen nicht zur Anerkennung vorgeschlagen werden.
Das SG hat die auf Anerkennung einen BK 2108 gerichtete Klage durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 14. April 2011 abgewiesen. Zwar liege lägen die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen sowie eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor, letztere könne jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die belastende Tätigkeit zurückgeführt werden. Ausgehend von den Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. N/Dr. F und Dr. T fehle es hier an einem belastungskonformen Schadensbild. Auch sei eine bandscheibenbedingte Erkrankung im engeren Sinne zweifelhaft. Eine Konstellation gemäß den Konsensempfehlungen, aus der sich eine Anerkennung ergeben könne, liege hier nicht vor. Schließlich lasse sich ein Unterlassungszwang nicht hinreichend begründen, denn es sei im Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe kein ausgeprägtes Krankheitsbild, das auch durch medizinisch therapeutische Maßnahmen wie z. B. ärztliche Behandlungen, Krankengymnastik oder sonstige technische und organisatorische Maßnahmen nicht mehr habe beeinflusst werden können, erkennbar.
Gegen das am 18. August 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 15. September 2011 bei dem SG eingegangene Berufung der Klägerin, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Begehren fortführt. Hier liege eine Konstellation B2 der Konsensempfehlungen vor. Hinsichtlich der Frage des Unterlassungszwangs sei die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. Februar 2001 – B 2 U 10/00 R – zu berücksichtigen. Danach könnten die Gründen und Motive für das tatsächliche Unterlassen dahin gestellt bleiben. Hinzu komme, dass ihre orthopädischen Leiden bereits vor Beendigung der schädigenden Tätigkeit so ausgeprägt gewesen seien, dass bereits vor Beendigung der Tätigkeit Behandlungsbedürftigkeit bestanden habe. Wäre die Altersrente nicht bewilligt worden, hätte sie auch aus gesundheitlichen Gründen zwingend die schädigende Tätigkeit aufgeben müssen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 14. April 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihr wegen der Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Ein Unterlassungszwang habe hier nicht vorgelegen. Nach dem Ergebnis der Untersuchung durch Prof. Dr. N/Dr. F hätten keine neurologischen Ausfälle oder schwerwiegenden Funktionsminderungen der LWS festgestellt werden können. Er sei zu dem Ergebnis gekommen, dass unter Berücksichtigung der üblichen rückenschonenden Arbeitstechniken eine Aufgabe der beruflichen Tätigkeit als Krankenschwester nicht erforderlich gewesen sei. Sie – die Beklagte – halt dies nach wie vor für schlüssig und überzeugend. Auch Dr. T sei zu diesem Schluss gelangt. Wenn sich die Klägerin die Ausführungen des BSG-Urteils vom 20. Februar 2011 zu Eigen mache, sei zunächst zu konstatieren, dass die dortigen Ausführungen zur BK 4301 und insbesondere zur speziellen Frage der Gewährung von Übergangsleistungen gemacht worden seien. Der dortige Sachverhalt sei auf den hiesigen nicht zu übertragen, auch weil die dortige Klägerin nicht in Altersrente gegangen sei.
Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 28. März und 04. April 2012 ihr Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats erklärt (§§ 153 Abs. 1, 155 Abs. 3, 4, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (2 Bände) und der beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die mit der Berufung verfolgte kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage § 54 Abs. 1 Satz 1 und§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG)ist zulässig. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 155 Abs. 3, 4, 124 Abs. 2 SGG), ist aber unbegründet. Das Urteil des SG vom 14. April 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 08. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2007 sind nicht zu beanstanden. Wie das SG zutreffend festgestellt hat, liegt bei der Klägerin keine BK 2108 vor.
Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII erleidet (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und SozR 4-2700 § 8 Nr. 17) Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a. a. O.).
Von Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV werden "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können", erfasst.
Nach dem Tatbestand der BK 2108 muss also der Versicherte aufgrund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK 2108 nicht vor (vgl. Urteil des BSG vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R -, inSozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5 sowie Urteile vom 18. November 2008 - B 2 U 14/07 R – und – B 2 U 14/08 R – jeweils zitiert nach Juris) und ist nicht anzuerkennen.
Die Klägerin erfüllt zunächst die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen, d. h. die im Sinne der BK 2108 erforderlichen Einwirkungen durch langjähriges schweres Heben und Tragen bzw. Arbeit in Rumpfbeugehaltung. Dies ergibt sich aus den vorliegenden Berechnungen des Präventionsdienstes der Beklagten nach dem MDD (vgl. dazu die grundlegende Veröffentlichung von Jäger u. a., ASUMed 1999, 101 ff., 112 ff.). Das MDD legt selber für die Belastung durch Heben und Tragen keine Mindestwerte fest, die erreicht werden müssen, damit von einem erhöhten Risiko von Bandscheibenschäden durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden kann. Die auf Grund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis, sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder -vorschläge zu verstehen. Von diesem Verständnis geht auch das aktuelle Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur BK 2108 aus, das für eine zusammenfassende Bewertung der Wirbelsäulenbelastung auf das MDD verweist (BArbBl 2006, Heft 10 S. 30 ff.) Danach sind zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK 2108 zu bejahen, wenn die Richtwerte im Einzelfall erreicht oder überschritten werden; umgekehrt schließt aber ein Unterschreiten dieser Werte das Vorliegen der BK nicht von vornherein aus (vgl. BSG Urteile vom 30. Oktober 2007 a. a. O. sowie vom 18. November 2008 a. a. O.).
Orientierungswerte sind andererseits keine unverbindlichen Größen, die beliebig unterschritten werden können. Ihre Funktion besteht in dem hier interessierenden Zusammenhang darin, zumindest die Größenordnung festzulegen, ab der die Wirbelsäule belastende Tätigkeiten als potentiell gesundheitsschädlich einzustufen sind. Die Mindestbelastungswerte müssen naturgemäß niedriger angesetzt werden, weil sie ihrer Funktion als Ausschlusskriterium auch noch in besonders gelagerten Fällen, etwa beim Zusammenwirken des Hebens und Tragens mit anderen schädlichen Einwirkungen, gerecht werden müssen. Werden die Orientierungswerte jedoch so deutlich unterschritten, dass das Gefährdungsniveau nicht annähernd erreicht wird, so ist das Vorliegen einer BK 2108 zu verneinen, ohne dass es weiterer Feststellungen zum Krankheitsbild und zum medizinischen Kausalzusammenhang im Einzelfall bedarf (vgl. BSG Urteile vom 30. Oktober 2007 a. a. O. sowie vom 18. November 2008 a. a. O.).
Das BSG hat daher in seinen Entscheidungen vom 30. November 2008 – B 2 U 14/07 R und B 2 U 14/08 R - Modifizierungen zur Anwendung des MDD für notwendig erachtet. Danach ist die dem MDD zu Grunde liegende Mindestdruckkraft pro Arbeitsvorgang bei Männern nurmehr mit dem Wert 2.700 N pro Arbeitsvorgang anzusetzen. Auf eine Mindesttagesdosis ist nach dem Ergebnis der Deutschen Wirbelsäulenstudie zu verzichten. Alle Hebe- und Tragebelastungen, die die aufgezeigte Mindestbelastung von 2.700 N bei Männern erreichen, sind entsprechend dem quadratischen Ansatz (Kraft mal Kraft mal Zeit) zu berechnen und aufzuaddieren. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, ist zumindest bei Männern auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh, also auf 12,5 MNh, herabzusetzen. Ob der Orientierungswert für Frauen, der bislang bei 17 MNh lag, ebenfalls zu halbieren ist, mag hier dahinstehen, denn die Klägerin war ausweislich der Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten vom 14. März 2005 in den relevanten Beschäftigungszeiträumen vom 02. März 1965 bis zum 11. April 1975 sowie vom 01. November 1992 bis zum 31. März 2003 insgesamt Belastungsdosis von 21,94 MNh ausgesetzt.
Der Feststellungsanspruch scheitert jedenfalls an den medizinischen Voraussetzungen. Nach den überzeugenden Feststellungen des im Verwaltungsverfahrens gehörten Orthopäden Prof. Dr. N in seinem Gutachten vom 30. Mai 2005 und sowie nach denjenigen des im sozialgerichtlichen Verfahren gehörten Dr. T vom 22. Dezember 2008, sind die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung der BK 2108 letztlich nicht erfüllt.
In der medizinischen Wissenschaft ist anerkannt, dass Bandscheibenschäden und Bandscheibenvorfälle insbesondere der unteren LWS in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Sie sind von multifaktorieller Ätiologie. Da diese Bandscheibenerkrankungen ebenso in Berufsgruppen vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, genauso wie in solchen, die wie der Kläger auch schwere körperliche Arbeiten geleistet haben, kann allein die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des MDD die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhanges nicht begründen (vgl. Merkblatt zu der BK 2108 der Anlage 1 zur BKV, BArbBl. 2006, Heft 10 S. 30 ff. ). Im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Beurteilung des Ursachenzusammenhanges bei der BK 2108 war die medizinische Wissenschaft gezwungen, weitere Kriterien zu erarbeiten, die zumindest in ihrer Gesamtschau für oder gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Diese sind niedergelegt in den medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS, die als Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe anzusehen sind (vgl. Trauma und Berufskrankheit Heft 3/2005, Springer Medizin Verlag, S. 211 ff.). Ein neuerer, von den Konsensempfehlungen abweichender Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu den bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS ist weder von dem Sachverständigen Dr. T aufgezeigt worden noch dem Senat aus anderen Verfahren bekannt. Der Senat geht daher weiterhin davon aus, dass diese nach wie vor den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von Bandscheibenerkrankungen der LWS durch körperliche berufliche Belastungen darstellen (vgl. auch BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 2 U 16/08 R -, zitiert nach Juris, und Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 13/05 R – in SozR 4-2700 § 9 Nr. 9). Zur Gewährleistung einer im Geltungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung gleichen und gerechten Behandlung aller Versicherten begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die befassten Gutachter und die Sozialgerichtsbarkeit diese Konsensempfehlungen anwenden.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen der BK 2108 hier nicht gegeben. Zwar besteht bei der Klägerin nachweislich eine durch die berufliche Tätigkeit als pflegerische Hilfskraft verursachte bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen des gesamten Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens, insbesondere dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. N/Dr. F vom 30. Mai 2005 sowie dem Gutachten des Dr. T vom 22. Dezember 2008.
Die bei der Klägerin durch diese Sachverständigen festgestellten Veränderungen der Wirbelsäule können eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS im Sinne der BK 2108 darstellen. Unabdingbare, aber nicht hinreichende Voraussetzung für den Nachweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung ist nach den Konsensempfehlungen unter Punkt 1.3 der bildgebende Nachweis eines altersuntypischen Bandscheibenschadens, d. h. einer Höhenminderung der Bandscheibe (=Chondrose) bzw. eines Bandscheibenvorfalls. Hinzu treten muss eine damit korrelierende klinische Symptomatik. Erforderlich ist ein Krankheitsbild, das über einen längeren Zeitraum andauert, also chronisch oder zumindest chronisch wiederkehrend ist, und das zu Funktionseinschränkungen führt, die eben eine Fortsetzung der genannten Tätigkeit unmöglich machen. Erforderlich sind daher ein bestimmtes radiologisches Bild sowie ein damit korrelierendes klinisches Bild (vgl. das aktuelle Merkblatt zur BK 2108 sowie die Konsensempfehlungen Punkt 1.3).
Als mögliche sekundäre Folge des Bandscheibenschadens können bildgebend darstellbare Veränderungen wie die Spondylose, die Sklerose der Wirbelkörperabschlussplatten, die Retrospondylose, die Spondylarthrose, die degenerative Spondylolisthesis und eine knöcherne Enge des Spinalkanals auftreten. Teilweise können der artige Veränderungen auch unabhängig von einem Bandscheibenschaden auftreten, wie z. B. bei der primären Spondylarthrose, der Spondylarthrose aufgrund eines Hohlkreuzes oder dem anlagebedingt engen Spinalkanal (vgl. die Konsensempfehlungen Punkt 1.3).
Bei den klinischen Krankheitsbildern ist laut Punkt 1.3 der Konsensempfehlungen bzw. Punkt III. des Merkblattes zu unterscheiden:
Typ I: Lokales Lumbalsyndrom, für das folgende Kriterien erfüllt sein sollen: • Radiologie: altersuntypische Höhenminderung einer oder mehrerer Bandscheiben • Symptom: Schmerz durch Bewegung • Klinik: Segmentbefund mit provozierbarem Schmerz • Funktionell: Entfaltungsstörung der LWS • Muskulär: erhöhter Tonus • Ggf. Pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung.
Typ II: Lumbales Wurzelsyndrom, für welches folgende Kriterien erfüllt sein sollen: • Radiologie: Vorfall oder Chondrose mit Bandscheibenverschmälerung mit Nervenwurzelbedrängung, ggf. in Verbindung mit Retrospondylose, Spondylarthrose, Recessusstenose und/oder Spinalkanalstenose, im Ausnahmefall bei engem Spinalkanal auch Protrusion • Neurologie: Zeichen der Reizung bzw. Schädigung der entsprechenden Nervenwurzel(n) (positives Lasègue-Zeichen, Reflexabweichungen, motorische Störungen, segmentale Sensibilitätsstörungen)
Wurzelsyndrome sind in der Regel diagnostisch durch Feststellung von Schmerzausstrahlungen und Sensibilitätsausfällen, Kraftminderungen in wurzelspezifischen Kennmuskeln sowie Reflexausfällen objektivierbar (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. A. 2010, Anm. 8.3.6.6.2 S. 481 f). Typ I und Typ II kommen häufig als Mischformen vor.
Heranzuziehen sind die der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zeitlich nächstliegenden Röntgenbilder (vgl. auch Punkt 1.2 der Konsensempfehlungen) sowie, wenn ein Bandscheibenschaden sich bereits länger davor manifestiert und operativ behandelt wird, die zum Zeitpunkt der (Erst-)Manifestation erstellten Röntgenbilder. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. T in seinem Gutachten vom 22. Dezember 2008 – die auch von der Beklagten nicht bezweifelt werden – lässt sich anhand der CT-Aufnahmen der LWS vom 23. April 2003 bei der damals 60-jährigen Klägerin eine Chondrose Grad II im Segment L5/S1 sowie ein – kleiner - Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 nachweisen, der die Wurzel S1 bedrängte. Dabei handelt es sich laut 1.2 A der Konsensempfehlungen um einen altersuntypischen Bandscheibenschaden, denn danach sind Bandscheibenvorfälle bei unter 65-jährigen immer alters-untypisch. Im Bereich der HWS zeigten sich hingegen auf den Röntgenbildern vom 19. Dezember 2006 nur eine leichte Höhenminderung des Bandscheibenzwischenraumes C5/6 sowie eine Uncovertebralarthrose bei C6/7 sowie Spondylophyten bei C5/6. Es fanden sich weder ein Prolaps noch eine Protrusion oder weitere Chondrosen. Diese Veränderungen sind nach Dr. T nicht als nennenswert einzustufen.
Aufgrund der von Prof. Dr. N/Dr. F am 30. Mai 2005 erhobenen Befunde mag zwar nach den Ausführungen der Sachverständigen das Vorliegen eines mit diesem morphologischen Befund korrelierenden Erkrankungsbildes i. S. eines lokalen Lumbalsyndroms oder eines lumbalen Wurzelsyndroms zweifelhaft sein. Letztlich kann dies hier jedoch dahin stehen.
Unter Zugrundelegung der Konsensempfehlungen (Punkt 1.4) handelt es sich im Falle der Klägerin bei der ausreichenden beruflichen Belastung (Exposition) um die Konstellation d. h. • es liegt eine gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vor, • es besteht eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung (z. B. ausreichende Exposition muss der Erkrankung vorausgehen; Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs nimmt mit der Länge des Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung ab), • die bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft L5/S1 und/oder L4/5, • Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall, • wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren (wie z. B. eine relevante Skoliose) liegen nicht vor, • eine Begleitspondylose liegt nicht vor, • zusätzlich mindestens 1 der folgenden Kriterien erfüllt: o Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben – bei monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/5 "black disc" im MRT in mindestens 2 angrenzenden Segmenten o Besonders intensive Belastung; Anhaltspunkt: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren o Besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen; Anhaltspunkt: Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab 4,5 kN, Männer ab 6 kN).
Eine plausible zeitliche Korrelation zwischen beruflicher Belastung und Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung ist hier zu bejahen. Dabei kommt es nicht darauf an, wann die Klägerin erstmals auf den Rücken bezogene Beschwerden geschildert hat, denn diese können genauso muskulär bedingt sein. Entscheidend ist die zeitliche Korrelation zwischen der Erkrankung und der Exposition. Im Falle der Klägerin ist diese gegeben, da sie bei dokumentierter Erstmanifestation im Dezember 2002 bereits rund 20 Jahre lang (mit Unterbrechung) wirbelsäulenbelastend tätig gewesen war und die Gesamtbelastungsdosis nach dem MDD sich bis zu diesem Zeitpunkt auf 21,946 MNh 129% des alten Orientierungswertes von 17 MNh belief.
Die bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft das Segment L5/S1 und hat das Ausmaß eines Vorfalls sowie einer Chondrose Grad II. Wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren sind nach übereinstimmender Einschätzung der Sachverständigen nicht bekannt. Die lumbosacrale Aufbaustörung im Bereich des 5. Lendenwirbelkörpers/Kreuzbeins wird von Dr. T angesichts der nicht nennenswerten Auswirkungen auf die Wirbelsäulenstatik nicht als von grundlegender Bedeutung für die Entwicklung einer bandscheibenbedingten Erkrankung eingeschätzt.
Als Begleitspondylose wird nach den Konsensempfehlungen Punkt 1.4 eine Spondylose in/im nicht von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en) bzw.in/im von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en), die nachgewiesenermaßen vor dem Eintritt der bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne einer Chondrose oder eines Vorfalls aufgetreten ist, definiert. Um eine positive Indizwirkung für eine berufsbedingte Verursachung zu haben, muss die Begleitspondylose über das Altersmaß (s. Punkt 1.2 der Konsensempfehlungen) hinausgehen und mindestens zwei Segmente betreffen. Bei dem Kläger sind nach der Beurteilung aller Sachverständigen keine Begleitspondylosen in den über L5/S1 gelegenen Segmenten der Lenden- und Brustwirbelsäule nachgewiesen.
Als zusätzliches Kriterium der Fallgruppe B2 liegt hier ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen (Anhaltspunkt: Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab 4,5 kN, Männer ab 6 kN)) vor. Dies ergibt sich aus den der Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten vom 14. März 2005 beigefügten Berechnungen, worauf auch die von der Beklagten mit der Erstellung einer Stellungnahme beauftragte Arbeitsmedizinerin Dr. S unter dem 10. Februar 2006 hingewiesen hatte.
Letztlich hat die bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule jedoch nicht zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Soweit die Klägerin hierzu das Gegenteil behauptet, ist dies weder überzeugend noch nachgewiesen. Der hier bei der BK 2108 geforderte Unterlassungszwang setzt laut dem BSG in der Regel voraus, dass die Tätigkeiten, die zu der Erkrankung geführt haben, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden sollen und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt (ständige Rspr., vgl. Urteil des BSG vom 19. August 2003 – B 2 U 27/02 R -, zitiert nach Juris; BSG in SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N). Eine bloße Verminderung der Gefährdung genügt nicht (BSG a. a. O.; BSG in SozR 5670 Anl. 1 Nr. 4301 Nr. 2). Entscheidend ist, dass der Zwang zur Unterlassung der schädigenden Tätigkeit objektiv medizinisch gesehen vorgelegen hat. Das trifft auch dann zu, wenn die Erkrankung für die Entscheidung des Versicherten zur Tätigkeitsaufgabe (etwa wegen Erreichens der Altersgrenze) nicht maßgeblich war (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. A. 2010, Anm. 2.2.2 S. 61 m. w. N.). Ein Zwang zur Unterlassung ist solange nicht gegeben, wie andere Mittel zur Verfügung stehen, durch die sichergestellt werden kann, dass der Versicherte die betreffende Tätigkeit weiter ausüben kann. Als geeignete Maßnahmen kommen technische und organisatorische Maßnahmen wie z. B. technische Vorrichtungen/Arbeitshilfe, persönliche Schutzmaßnahmen oder medizinische Maßnahmen jeglicher Art in Betracht (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, Loseblattsammlung. E § 9 SGB VII Anm 28.5).
Ein solcher Unterlassungszwang ist von den Sachverständigen nicht bestätigt worden und auch für den Senat nicht nachvollziehbar. Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass die Klägerin sich erstmals am 02. Dezember 2002 wegen Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule in Behandlung begab. Eine diesbezügliche Arbeitsunfähigkeit bestand vom 04. bis zum 09. Dezember 2002. Weitere Arbeitsunfähigkeitszeiten, die auf Beschwerden der Wirbelsäule beruhen würden, gab es vor der Tätigkeitsaufgabe nicht, offensichtlich hat die Klägerin nach dem 09. Dezember 2002 bis zur endgültigen Aufgabe der Tätigkeit weiter gearbeitet. Die Behandlung erfolgte zunächst nur bei der Allgemeinmedizinerin, eine fachorthopädische Behandlung erfolgte erstmals am 26. März 2003. Die Therapie wurde konservativ mit Voltaren und Perl´schem Gerät (krankengymnastische Maßnahme), ab April 2003 dann mit PRT durchgeführt. Diese Umstände lassen zwar auf eine behandlungsbedürftige Erkrankung schließen. Diese war jedoch so neu, insbesondere trat erst am 17. März 2003 eine deutliche Veränderung ein, dass noch keine wesentlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten entstanden waren und noch keine längerfristige Therapie stattgefunden hatte. Die Durchführung der PRT führte dann auch zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden, wie sich aus den Berichten des H Klinikum B B entnehmen lässt. Wie aus den Behandlungsunterlagen der Frau T erkennbar, hat dann im weiteren Verlauf der Jahre 2003 und 3004 wieder die Atemwegserkrankung der Klägerin den Behandlungsschwerpunkt gebildet. Dies spricht gerade dafür, dass die Tätigkeit als Krankenpflegehelferin mit ausreichender Therapie der orthopädischen Beschwerden weiter ausführbar war, zumal keine dauernde oder wiederkehrende Arbeitsunfähigkeit vorlag. Soweit sich die Klägerin auf die Entscheidung des BSG vom 20. Februar 2001 – B 2 U 10/00 R – zur Stützung ihrer Ansicht bezieht, führt dies nicht weiter. Die Entscheidung befasst sich erkennbar mit einem ganz anderen Rechtsproblem.
Nach alldem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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