L 25 AS 1159/12 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 99 AS 9533/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 AS 1159/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. April 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers ist nach §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zur vorläufigen Gewährung von laufenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zur Deckung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu verpflichten.

Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig und begründet, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Das ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69 ff.). Eine solche Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund, das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit, und einen Anordnungsanspruch, das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den sich das Begehren stützt, glaubhaft gemacht hat (§ 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 der Zivilprozessordnung).

Die Voraussetzungen für den Erlass der noch begehrten einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Auch im Lichte des in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verankerten Gebots effektiven Rechtsschutzes ist es dem Antragsteller zuzumuten, eine Entscheidung in der – grundsätzlich vorrangigen – Hauptsache abzuwarten.

Dies gilt für die Zeit vor der Entscheidung des Senats schon deshalb, weil diese Zeit aus heutiger Sicht in der Vergangenheit liegt und schwere und unwiederbringliche Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage sein könnte, nicht ersichtlich sind. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsteller gegenwärtig von Obdachlosigkeit bedroht wäre.

Aber auch für die Zeit ab der Entscheidung des Senats fehlt es an der Eilbedürftigkeit. Denn insoweit hat der Antragsteller jedenfalls einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach einer am Prüfungsmaßstab des Hauptsacheverfahrens orientierten Prüfung der Sach- und Rechtslage steht ihm kein Anspruch auf laufende Leistungen nach dem SGB II zur Deckung seiner Kosten der Unterkunft und Heizung zu.

Zutreffend hat das Sozialgericht dargelegt, dass dem Antragsteller kein Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zu seinen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 27 Abs. 3 SGB II zusteht. Denn der Antragsteller erhält als Studierender an einer Hochschule Ausbildungsgeld nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) i. V. m. § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG, weil er nicht bei seinen Eltern wohnt. Wie jedoch § 27 Abs. 3 SGB II bestimmt, haben Studierende im Sinne des § 13 BAföG – im Unterschied zu Schülern im Sinne des § 12 BAföG – nur dann Anspruch auf einen Zuschuss zu ihren Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wenn ihnen Ausbildungsgeld nach § 13 Abs. 1 BAföG i. V. m. § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG gewährt wird, weil sie bei ihren Eltern wohnen (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. März 2008 – L 14 B 2271/07 AS PKH –, juris; Thie in Münder, Sozialgesetzbuch II, 4. Auflage, § 27 Rn. 7). Soweit der Antragsgegner dem Antragsteller während seiner Schulzeit einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 27 Abs. 3 SGB II gewährt hat, kann der Antragsteller sich nicht auf Vertrauensschutz berufen; dabei kann dahinstehen, ob die Gewährung dieser Leistungen zu Recht erfolgte.

Ein Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ergibt sich für den Antragsteller auch nicht aus § 16 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 852) i. V. m. § 102 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch (SGB III) in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung des Gesetzes vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046) – a. F. – bzw. § 16 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der seit 1. April 2012 geltenden Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854) i. V. m. § 117 SGB III in der seit 1. April 2012 geltenden Fassung ebenfalls des Gesetzes vom 20. Dezember 2011, wobei die zum 1. April 2012 in Kraft getretenen Neufassungen keine materiell-rechtlichen Änderungen zum Gegenstand haben. Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III a. F. bzw. § 117 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III sind behinderten Menschen anstelle der allgemeinen Leistungen besondere Leistungen zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung zu erbringen, wenn die allgemeinen Leistungen die wegen Art und Schwere der Behinderung erforderlichen Leistungen nicht oder nicht im erforderlichen Umfang vorsehen. Dass ein solcher Fall bei dem Antragsteller vorliegen könnte, ist nicht ansatzweise ersichtlich. Zwar hat das zuständige Versorgungsamt mit Bescheid vom 11. März 2008 bei dem Antragsteller einen Grad der Behinderung von 40 festgestellt und dabei als Funktionsbeeinträchtigungen eine Depression und eine Colitis ulcerosa sowie eine Funktionsstörung der Bauchspeicheldrüse berücksichtigt. Jedoch ist im Hinblick auf diese Erkrankungen nichts dafür ersichtlich, dass die berufliche Eingliederung des Antragstellers nur durch ein Hochschulstudium zu erreichen und deshalb eine Besserstellung des Antragstellers gegenüber dem Personenkreis der nicht behinderten Menschen gerechtfertigt wäre.

Der Antragsteller kann einen Leistungsanspruch auch nicht aus § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II herleiten. Danach können Leistungen als Darlehen für Regelbedarfe, Bedarfe für Unterkunft und Heizung und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erbracht werden, sofern der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II eine besondere Härte bedeutet. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließt, ist ein besonderer Härtefall dann anzunehmen, wenn wegen einer Ausbildungssituation ein Hilfebedarf entstanden ist, der nicht durch BAföG-Leistungen oder Ausbildungsbeihilfe gedeckt werden kann und deswegen begründeter Anlass für die Annahme besteht, dass die vor dem Abschluss stehende Ausbildung nicht beendet werde und damit das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit, verbunden mit weiter bestehender Hilfebedürftigkeit drohe. Insoweit muss eine durch objektive Umstände belegbare Aussicht bestehen – nachweisbar beispielsweise durch Meldung zur Prüfung, wenn alle Prüfungsvoraussetzungen bereits erfüllt sind – die Ausbildung werde mit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in absehbarer Zeit durch einen Abschluss zum Ende gebracht (vgl. BSG, Urteile vom 6. September 2007 – B 14/11b AS 28/06 R – und – B 14/11b AS 36/06 R –, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 28/07 R – jeweils juris). Nach dieser Maßgabe ist hier eine besondere Härte nicht gegeben. So fehlt es an der Aussicht, dass die Ausbildung in absehbarer Zeit durch einen Abschluss zum Ende gebracht wird. Denn der Antragsteller hat sein Studium erst zum Wintersemester 2011/2012 begonnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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