Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 1115/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 3629/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger wegen weiterer von ihm geltend gemachter Folgen eines Arbeitsunfalles Verletztenrente zu gewähren ist.
Der Kläger ist 1964 geboren und seit 1989 als Betonbauer beschäftigt, seinerzeit im Betonwerk M ... Am 12.2.2007 erlitt er einen Arbeitsunfall, über dessen Ablauf verschiedene Geschehensabläufe in den Akten verzeichnet sind, es jedenfalls aber zur einer Gewalteinwirkung am Kopf kam und sich der Kläger eine Schädelfraktur zuzog. Im Durchgangsarztbericht vom 14.2.2007 ist angegeben, der Kläger sei von einer Leiter gestürzt (der Kläger selbst konnte sich nicht erinnern). In späteren Berichten heißt es, ein Garagentor sei ihm auf den Kopf gefallen (Bl. 12/17 Verwaltungsakte).
Im Durchgangsarztbericht wird eine Schädelfraktur mit Kopfplatzwunde links diagnostiziert. Der Kläger wurde unmittelbar im Anschluss im D.krankenhaus K. stationär behandelt und bemerkte dort in der Nacht auf den 13.2.2007 ein Pfeifen im rechten Ohr und beklagte einen Hörverlust. Ein HNO-Konsil ergab eine akute Ertaubung rechts, weshalb der Kläger am 14.2.2007 zur Therapie in die HNO-Klinik übernommen wurde.
Ein CT vom 12.2.2007 (Bl. 17/18 Verwaltungsakte) ergab an der HWS keinen Nachweis einer Fraktur; am Kopf neben Frakturen keinen sicheren Nachweis von Kontusionsherden oder SAB oder sub- oder epiduraler Blutung. Ein weiteres CT des Kopfes am 13.2.2007 ergab keine intracerebralen Blutungen; nach einem MRT des Kopfes am 23.2.2007 konnten ein frischer Infarkt, eine intracerebrale Raumforderung oder eine Blutung ausgeschlossen werden; es ergaben sich links unspezifische white matter lesions hochparietal.
Im Zwischenbericht des D.krankenhauses K. - Klinik für Unfallchirurgie - vom 14.2.2007 (Bl. 4 Verwaltungsakte) werden folgende Diagnosen aufgeführt: - Längsfraktur des Os occipitale bis in das Foramen jugulare linksseitig einstrahlend, - Fraktur des Orbitadaches und Boden der Stirnhöhle, - Kopfplatzwunde links frontal - Commotio cerebri - Akute Ertaubung rechts.
Der HNO-Arzt Dr. W. teilte mit Schreiben vom 9.3.2007 (Bl. 12 Verwaltungsakte) mit, dass sich bei Normalhörigkeit links am rechten Ohr eine hochgradige Innenohrhörminderung feststellen lasse.
In einem weiteren Bericht des D.krankenhauses K. - HNO-Klinik - vom 2.4.2007 (Bl. 17 Verwaltungsakte) wird als Diagnose eine akute posttraumatische Innenohrstörung rechts bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma gestellt. Die Trommelfelle seien beidseits differenziert und intakt, die übrigen Spiegelbefunde unauffällig gewesen, es hätten sich weder Spontan- noch Provokationsnystakmen gezeigt. Das MRT-Kranium sei unauffällig gewesen.
Der HNO-Arzt Dr. W. berichtete mit Schreiben vom 10.6.2007 (Bl. 28 Verwaltungsakte), dass am rechten Ohr eine hochgradige Innenohrschwerhörigkeit mit prozentualem Hörverlust von 93% und sprachaudiometrischem Verlust von 95% vorliege. Aus seiner Sicht verbleibe eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Er schätze die MdE auf 20 v.H. Eine Hörgeräteversorgung sei indiziert.
Im ersten Rentengutachten vom 8.10.2007 (Bl. 77 Verwaltungsakte) beschrieb der Chirurg Dr. R. (St. V.kliniken K.) einen Zustand nach stattgehabtem Schädelhirntrauma. Von chirurgischer Seite aus verbleibe keine Minderung der Erwerbsfähigkeit. Die vom Kläger geschilderten gesundheitlichen Beschwerden (zeitweise Schlafstörungen, auftretende Schwindelgefühle, zeitweise Kribbelparästhesien, teilweise mit Taubheitsgefühl, Konzentrationsschwäche, Zunahme einer allgemeinen Müdigkeit mit Antriebslosigkeit) seien sämtlich dem Gebiet der Neurologie bzw. des HNO-Bereiches zuzuordnen.
Der Chefarzt der HNO-Abteilung beim D.krankenhaus K., Prof. Dr. S. beschrieb im Gutachten vom 8.11.2007 (Bl. 97 Verwaltungsakte) eine an Taubheit grenzende Innenohrschwerhörigkeit rechts (Hörverlust 95%), welche Folge des Arbeitsunfalls vom 12.2.2007 sei und eine MdE von 15 v.H. bedinge. Eine Hörgeräteversorgung rechts sei erforderlich, hierfür würde ein Festbetragsgerät nicht ausreichen, sondern es sei ein hochwertiges Gerät erforderlich.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Dr. D. (Neurologische Klinik des Städtischen Klinikums K.) beschrieb im Gutachten vom 31.1.2008 (Bl. 119 der Verwaltungsakte) einen unauffälligen neurologischen Untersuchungsbefund. Die neuropsychologische Testung habe eine leichte kognitive Beeinträchtigung ergeben, wobei differenzialdiagnostisch auch eine persönlichkeitsbedingte Variante ohne organische Ursache nicht auszuschließen sei. Darüber hinaus würden keine neuropsychologischen Defizite bestehen. Für die geschilderten nächtlichen Kribbelparästhesien in den Fingern sowie im Bereich der rechten Hand bei längerer Überkopfarbeit hätten sich elektrophysiologisch keine Auffälligkeiten finden lassen. Die vom Kläger beklagten kognitiven Defizite hätten zum Teil schon vor dem Unfall bestanden – so die anamnestischen Angaben des Klägers (vgl. Bl. 123 Verwaltungsakte) - und seien, auch soweit sie sich seit dem Unfall akzentuiert hätten, nicht als Unfallfolge anzusehen, da in keiner der bildgebenden Verfahren (CT und MRT) des Schädels traumabedingte Verletzungen intrakraniell bzw. eine substanzielle Hirnschädigung nachzuweisen war. Die anamnestisch vorliegende leichte Commotio cerebri könne die Beschwerden nicht erklären. Auf neurologischem Fachgebiet liege keine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit vor.
Mit Bescheid vom 21.2.2008 (Bl. 145 Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente ab, da die Erwerbsfähigkeit nicht um wenigstens 20 v.H. wegen der Folgen des Arbeitsunfalles gemindert sei. Der Arbeitsunfall habe zu einer an Taubheit grenzenden Innenohrschwerhörigkeit rechts (Hörverlust ca. 95%) nach knöchern verheilter Schädelfraktur geführt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage zur Zeit 15 v.H.
Hiergegen erhob der Kläger am 6.3.2008 Widerspruch. Neben der Hörminderung seien weitere Unfallfolgen verblieben, welche die Beklagte nicht ausreichend gewürdigt habe. Seit dem Unfallhergang leide er regelmäßig unter Kopfschmerzen, Müdigkeit, Muskelverspannung, Schwindel und Übelkeit. Außerdem müsse er sich Sachen, die er erledigen müsse, aufschreiben, da er sie sonst vergesse. Dies sei vor dem Unfall nicht der Fall gewesen. Eine fremdsprachliche testpsychologische Untersuchung sei angezeigt.
Die Beklagte veranlasste eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Neurologen Prof. Dr. Dr. D., der mit Schreiben vom 31.10.2008 ausführte, dass zwar von chirurgischer Seite eine Gehirnerschütterung (Commotio cerebri) diagnostiziert worden, sei, nicht jedoch eine substantielle Hirnschädigung. Diese sei aber unabdingbare Voraussetzung für eine hirnorganische Beeinträchtigung. Eine kernspintomographische Untersuchung des Schädels vom 23.2.2007 habe lediglich unspezifische white matter lesions hochparietal links gezeigt, die möglicherweise Ausdruck eines cerebralen Gefäßprozesses im Sinne einer beginnenden Mikroangiopathie sein könnten, jedoch nicht als Traumafolge zu werten seien. Eine Hirnkontusion sei auszuschließen. Eine testpsychologische Zusatzbegutachtung im Beisein eines Dolmetschers halte er daher nicht für erforderlich, da weder aufgrund der Initialsymptomatik, noch aufgrund der Bildgebung, noch des neurologischen Befundes irgendwelche Anhaltspunkte für eine substantielle Hirnschädigung bestehen würden. Die Folgen einer stattgehabten leichten bis allenfalls mittelschweren Gehirnerschütterung würden sich nach allgemeiner ärztlicher Erfahrung innerhalb von wenigen Wochen bis Monaten vollständig zurückbilden. Dauerschäden seien in keinem Fall zu erwarten.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008 (Bl. 175 Verwaltungsakte) als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 19.11.2008 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe (S 3 U 5050/08) erhoben. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Neben dem Gehörverlust würden insbesondere verstärkte Kopfschmerzen, Müdigkeit, Muskelverspannung, Schwindel, Übelkeit, Gedächtnisstörung und ein Tinnitus bestehen.
Zur weiteren Abklärung der bestehenden Unfallfolgen hat die Beklagte einen neurologischen Befundbericht der Dr. R. D.krankenhaus K. vom 16.1.2009 (Bl. 187 Verwaltungsakte) eingeholt, der einen Kopfschmerz vom Typ Spannungskopfschmerz (MdE 0 v.H.) beschrieb.
Die Beklagte hat sodann eine weitere Begutachtung auf HNO-ärztlichem Fachgebiet veranlasst. Das SG hat mit Beschluss vom 17.8.2009 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Im Gutachten vom 15.12.2009 (Bl. 219 Verwaltungsakte) hat Prof. Dr. P. (D.krankenhaus K.) einen kompensierten Tinnitus (mittelgradiger Tinnitus) beschrieben. Das Hören habe sich allerdings seit der letzten Begutachtung vom 8.11.2007 wieder verbessert (damals 90% Hörverlust rechts, jetzt 80% Hörverlust rechts). Neben der hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit rechts sei auch der Tinnitus auris rechts Unfallfolge. Der weitere Verlauf der Erkrankung sei insgesamt nicht absehbar. Sowohl eine Stabilisierung des Ohrgeräusches, meist mit einem gewissen Gewöhnungseffekt, als auch eine Verschlechterung seien denkbar. Zusammenfassend werde für die unfallverursachte Hörminderung mit Tinnitus Grad II rechts eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 10 v.H. für angemessen erachtet. Die einseitige Hörminderung von 80% bei Normalhörigkeit des anderen Ohres bedinge eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 v.H. Es werde eine integrierend gebildete Gesamt-MdE auf HNO-ärztlichem Fachgebiet von 15 v.H vorgeschlagen.
Mit Bescheid vom 22.2.2010 (Bl. 239 Verwaltungsakte) hat die Beklagte hierauf den Bescheid vom 21.2.2008 hinsichtlich der festgestellten Unfallfolgen teilweise zurückgenommen. Als Unfallfolge hat sie anerkannt: Hochgradige Innenohrschwerhörigkeit mit Tinnitus rechts nach knöchern verheilter Schädelfraktur. Eine Änderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ergebe sich nicht.
Nach Wiederanrufung des ruhenden Verfahrens (unter Az. S 3 U 1115/10) hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 6.7.2010 die Klage abgewiesen. Nach dem Gesamtermittlungsergebnis des Verfahrens stehe fest, dass weder weitere Unfallfolgen anzuerkennen seien, noch ein Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. bestehe. Das SG hat sich hierbei auf die Sachverständigengutachten des Prof. Dr. S., der Prof. Dr. P. und des Prof. Dr. Dr. D. gestützt und ausgeführt, dass die weiter vom Kläger geltend gemachten Beschwerden sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit wesentlich auf das Unfallgeschehen zurückführen lassen würden. Es hätten sich bildgebend keine Hinweise für strukturelle Hirnschädigungen ergeben. Nach der von der Beklagten zusätzlich eingeholten Beurteilung des Neurologen Dr. R. habe lediglich ein Spannungskopfschmerz beschrieben werden können, der eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 0 v.H. ergebe und damit keine Auswirkungen auf die Gesamt-MdE habe.
Hiergegen hat der Kläger am 3.8.2010 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Eine weitere Abklärung des Sachverhalts von Amts wegen durch Einholung von weiteren Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem sowie auf HNO-ärztlichem Gebiet sei erforderlich. Aufgrund des gravierenden Unfallereignisses mit erheblichen Verletzungen, mehreren Schädelfrakturen, Blut- und Flüssigkeitsansammlungen in der linksseitigen Stirn- und Kieferhöhle sowie einer Gehirnerschütterung, sei eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die unfallbedingte Ursächlichkeit der bislang nicht anerkannten Gesundheitsstörungen anzunehmen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. Juli 2010 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheids vom 21. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2008, in der Fassung des Bescheids vom 22. Februar 2010 verstärkte Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel sowie Gedächtnisstörungen als weitere Folgen des Arbeitsunfalles vom 12. Februar 2007 festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide sowie den Gerichtsbescheid des SG Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. I.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und statthafte Berufung ist zulässig. Soweit die Gewährung von Verletztenrente begehrt wird, ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 i.V.m. § 54 Abs. 4 SGG), soweit die Feststellung weiterer Unfallfolgen begehrt wird, die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) statthaft. II.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit dem Gerichtsbescheid vom 6.7.2010 die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 21.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.11.2008, in der Fassung des nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheids vom 22.2.2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Neben der Innenohrschwerhörigkeit rechts mit einem Hörverlust von ca. 80% und dem kompensierten Tinnitus, die insgesamt eine MdE von derzeit 15 v.H. rechtfertigen, sind weitere unfallbedingte Beeinträchtigungen nicht verblieben. Der Kläger hat weder Anspruch auf die Feststellung weiterer Unfallfolgen (dazu sogleich unter 1.), noch auf die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. (dazu unter 2.)
1.
Der Kläger hat zwar am 12.2.2007 einen Arbeitsunfall i.S. des § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) erlitten, was von der Beklagten auch anerkannt worden ist. Die vom Kläger geklagten Symptome/Beschwerden Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel sowie Gedächtnisstörungen sind aber zur Überzeugung des Senats nicht Folge dieses Unfalls.
Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (grundlegend: Reichsversicherungsamt, AN 1912, S. 930 f.; fortgeführt vom Bundessozialgericht - BSG – Urteil vom 10.6.1955 – 10 RV 390/54 - BSGE 1, 72 (76), seither st. Rspr. vgl. BSG, Urteil vom 12.4.2005 – B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 RdNr. 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 10.6.1955 - 10 RV 390/54 - BSGE 1, 72 (76) = juris RdNr. 35). Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis (vgl. eingehend Senatsurteil v. 26.1.2011 - L 2 U 1936/09). Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.
Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGH, Urteil vom 9.10.1997 – III ZR 4/97 - BGHZ 137, 11 (19 ff.) = NJW 1998, 138 m.w.N.) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzu¬nehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson hervorgerufen hat (vgl. BSG, Urteil vom 18.1.1990 - 8 RKnU 1/89 - BSGE 66, 156, 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier der §§ 45, 56 SGB VII - zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG, Urteil vom 9.12.2003 – B 2 U 8/03 R = SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.).
Für diese wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet (vgl. dazu eingehend BSG, Urteil vom 9.5.2006 – B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = juris RdNr. 15 m.w.N. und Senatsurteil v. 26.1.2011 – L 2 U 1936/09): Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit gleichwertig oder annähernd gleichwertig. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) wesentlich und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als wesentlich anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als Gelegenheitsursache oder Auslöser bezeichnet werden.
Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen oder besonderen Problemen in der anschließenden Heilbehandlung, ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne weiteres zu unterstellen ist (BSG, Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R, a.a.O., juris RdNr. 15). Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte (BSG, Urteil vom 9.5.2006, a.a.O., juris RdNr. 16).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfol-gen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Es gibt aber im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versi-cherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (st Rspr des BSG seit BSG, Urteil vom 29.3.1963 – 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSG, Urteil vom 7.9.2004 – B 2 U 34/03 R). Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a.F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 9.5.2006 a.a.O. unter Hinweis auf BSG SozR Nr. 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 a.F. RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 67). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i.S. des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG, Urteil vom 22.8.2000 – B 2 U 34/99 R = SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m.w.N.).
Der Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung gebietet es, den Versicherten in dem Zustand zu schützen, in welchem er sich im Zeitpunkt des Unfallereignisses befindet. Das bedeutet aber nicht, dass man dem Unfallereignis retrospektiv bestehende Vorerkrankungen einfach zurechnet. Ausgangspunkt der Ursachenbewertung ist nach allgemeiner Auffassung stets der konkrete Versicherte mit seinen Vorerkrankungen, seinen Vorschäden, seiner gesundheitlichen Disposition (vgl. etwa BSG, Urteil vom 27.10.1987 - 2 RU 35/87 - BSGE 62, 220 = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG, Urteil vom 9.5.2006 – B 2 U 1/05 R = SozR 2700 § 8 Nr. 17). Vorerkrankungen, Vorschäden und eine gesundheitliche Disposition schließen den Zurechnungszusammenhang zwischen Unfallereignis und dem eingetretenen Körperschaden auch dann nicht von vornherein aus, wenn sie den Eintritt eines Gesundheitsschadens begünstigt haben. Vielmehr bedarf dies einer Bewertung im Einzelfall. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist (BSG, Urteil vom 9.5.2006, a.a.O., juris RdNr. 19). Die Aussage, der Versicherte ist so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen: Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen.
Der vorliegend in der Sache geltend gemachte Anspruch scheitert daran, dass entsprechend den oben genannten Grundsätzen das Unfallereignis vom 12.2.2007 zur Überzeugung des Senats nicht rechtlich wesentlich i.S. der zitierten BSG-Rechtsprechung für die vom Kläger vorgebrachten Gesundheitsstörungen "Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel sowie Gedächtnisstörungen" war.
Im ersten Rentengutachten vom 8.10.2007 hat der Chirurg Dr. R. einen Zustand nach stattgehabtem Schädelhirntrauma beschrieben. Diese Verletzung ist verheilt. Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass auf chirurgischem Fachgebiet keine Beschwerden vorliegen würden, die eine MdE zur Folge hätten.
Auch auf neurologischem Fachgebiet sind keine Unfallfolgen verblieben, die eine MdE zur Folge haben. Was der Kläger in der Sache mit "Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel sowie Gedächtnisstörungen" geltend macht, zielt auf die Anerkennung eines hirnorganischen Psychosyndroms mit entsprechenden Symptomen als Unfallfolge ab. Nach dem ICD-10 F 07.2 folgt das hirnorganische Psychosyndrom einem Schädeltrauma, das meist schwer genug ist, um zur Bewusstlosigkeit zu führen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.10.2007 – L 3 U 31/04-16 = juris RdNr. 37). Es besteht aus einer Reihe verschiedenartiger Symptome, wie Kopfschmerzen, Schwindel, Erschöpfung, Reizbarkeit, Schwierigkeiten bei Konzentration und geistigen Leistungen, Gedächtnisstörungen, Schlafstörungen und verminderter Belastungsfähigkeit für Stress, emotionale Reize oder Alkohol. Keiner der Sachverständigen hat jedoch ein solches hirnorganisches Psychosyndrom diagnostiziert. Vielmehr hat Prof. Dr. Dr. D. im Gutachten vom 31.1.2008 und in der ergänzenden Stellungnahme vom 31.10.2008 einen unauffälligen neurologischen Untersuchungsbefund beschrieben und überzeugend ausgeführt, dass es am Ursachenzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 12.2.2007 und dem vom Kläger auf neurologischem Fachgebiet geklagten Beschwerden Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel sowie Gedächtnisstörungen fehlt.
Die unmittelbar nach dem Unfall durchgeführten CT- und MRT-Untersuchungen schließen zur Überzeugung des Senats das Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms mit den vom Kläger geschilderten Symptomen als Folge des Arbeitsunfalls vom 12.2.2007 aus. Bei dem Unfall hat eine substanzielle Hirnschädigung nicht stattgefunden. Unabdingbare Grundlage für eine hirnorganische Schädigung ist eine substanzielle Hirnschädigung, wie der Sachverständige Prof. Dr. Dr. D. überzeugend ausgeführt hat. Die CT-Ergebnisse vom 12./13.2.2007 und das MRT-Ergebnis vom 23.2.2007 sind eindeutig. Das CT vom 12.2.2007 ergab keinen Nachweis von Kontusionsherden oder SAB oder sub- oder epiduraler Blutung. Ein weiteres CT des Kopfes am 13.2.2007 ergab keine intracerebralen Blutungen; nach einem MRT des Kopfes am 23.2.2007 konnten ein frischer Infarkt, eine intracerebrale Raumforderung oder eine Blutung ausgeschlossen werden; es ergaben sich lediglich unspezifische white matter lesions hochparietal links, die aber, wie der Sachverständige ausgeführt hat, nicht als Traumafolge in Betracht kommen. Auf neurologischem Fachgebiet liegen zur Überzeugung des Senats keine Unfallfolgen vor. Angesichts dieser Sachlage sind auch erneute Testungen in der Muttersprache des Klägers nicht erforderlich gewesen.
Im Zuge der Begutachtung und Exploration bei Prof. Dr. Dr. D. hat der Kläger überdies im Rahmen der speziellen Anamnese Angaben zu vor dem Unfall bestehenden Gesundheitsstörungen gemacht, die auch seine jetzigen Beschwerden enthalten. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 31.10.2008 zu seinem Gutachten hat Prof. Dr. Dr. D. betont, die Feststellungen in der speziellen Anamnese, u.a., dass ein Druckgefühl rechts fronto-temporal sowie leichte Gedächtnisstörungen bereits vor dem Unfall vorhanden gewesen sei, hätten auf dezidierten Aussagen des Klägers beruht. Der Sachverständige hat insbesondere Verständigungsschwierigkeiten ausgeschlossen, da seitens des Klägers unmissverständliche Angaben zu den Unfallumständen wie Erinnerungslücke, Verschlechterung des Gehörs, Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule, Schwindel und anderen Beschwerden gemacht wurden. Darüber hinaus hat Prof. Dr. Dr. D. in seiner ergänzenden Stellungnahme nachvollziehbar ausgeführt, dass zwar die testpsychologische Untersuchung aufgrund einer gewissen Sprachbarriere tatsächlich nur eingeschränkt durchgeführt werden konnte. Andererseits hat der Sachverständige plausibel dargelegt, dass die geklagten Beeinträchtigungen aufgrund der Befundlage mit Sicherheit nicht aufgrund des Arbeitsunfalls entstanden sind und nicht auf diesen Unfall zurückgeführt werden können.
Bezüglich der vom Kläger geltend gemachten Schwindelbeschwerden ist ebenfalls darauf hinzuweisen, dass ein entsprechendes organisches Korrelat nicht vorliegt – insbesondere konnte duplexsonographisch keine Verletzung der Halsgefäße nachgewiesen werden - und damit ein Ursachenzusammenhang mit dem Unfall vom 12.2.2007 nicht mit Wahrscheinlichkeit besteht. Weder im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. P. noch durch Prof. S. am 9.10.2007 oder Prof. Dr. Dr. D. am 16.11.2007 konnten entsprechende organische Befunde festgestellt werden.
Auch die geklagten Kopfschmerzen sind - nachdem dem die Schädelfraktur verheilt ist – ohne organisches Korrelat. Dr. R. hat zwar einen Kopfschmerz vom Typ Spannungskopfschmerz beschrieben, aber keinen Ursachenzusammenhang mit dem Unfall hergestellt. Überdies beträgt die MdE insoweit 0 v.H.
2.
Die Beklagte hat die Folgen des Arbeitsunfalls vom 12.2.2007 im Bescheid vom 22.2.1010 zutreffend mit "Hochgradige Innenohrschwerhörigkeit mit Tinnitus rechts nach knöchern verheilter Schädelfraktur" festgestellt. Ein Anspruch auf Verletztenrente ergibt sich hieraus nicht, da zur Zeit die MdE zur Überzeugung des Senats 15 v.H. beträgt.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger erstrebte Leistung ist § 56 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind dabei nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.6.2004 – B 2 U 14/03 R = SozR 4-2700 § 56 Nr. 1), den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten.
Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten gerade durch Folgen einer Berufskrankheit oder eines Arbeitsunfalles beeinträchtigt sind. Daneben sind die von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze bei der Beurteilung der MdE zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (BSG, Urteil vom 5.9.2006 – B 2 U 25/05 R = SozR 4-2700 § 56 Nr. 2). Die Bewertung von Hörverlusten richtet sich im Wesentlichen nach der sog. "Königsteiner Empfehlung" (5. Aufl., Stand März 2012; früher: "Königsteiner Merkblatt" = Empfehlungen des HVBG für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit, 4. Aufl. 1996, vgl. BSG, Urteile vom 15.12.1982 – 2 RU 55/81; 21.7.1989 – 2 BU 22/89 und 2.5.2001 – B 2 U 24/00 R; vgl. auch Keller, Erfahrungen mit antizipierten Sachverständigengutachten im Berufskrankheitenrecht, MedSach 2006, 128, 130).
Prof. Dr. P. hat im Gutachten vom 15.12.2009 einen Tinnitus (mittelgradiger Tinnitus) beschrieben. Dieses Ohrgeräusch ist, wie die Sachverständige ausgeführt hat, nach Auswertung des Tinnitusfragebogens nach Göbel und Hiller als "kompensiert" anzusehen und mit einer MdE von weniger als 10 v.H. zu bewerten. Das Hören hatte sich im Vergleich zur vorherigen Begutachtung bei Prof. Dr. S. (8.11.2007) wieder verbessert (damals 90% Hörverlust rechts, jetzt 80% Hörverlust rechts). Prof. Dr. P. hat für den Senat überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass sowohl die hochgradige Innenohrschwerhörigkeit rechts wie auch der Tinnitus auris rechts Unfallfolge sind. Die Sachverständige hat überdies darauf hingewiesen, dass der weitere Verlauf der Erkrankung langfristig noch nicht absehbar sei.
Die einseitige Hörminderung von 80% bei Normalhörigkeit des anderen Ohres bedingt nach den Ausführungen Prof. Dr. P.s, die für den Senat überzeugend sind und die im Einklang mit den von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätzen bei der Beurteilung der MdE stehen, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 v.H. (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 345 f.) Die im Königsteiner Merkblatt zugrunde gelegten Erfahrungssätze gelten auch für die Bewertung der MdE für Tinnitus. In der Gesamtschau der Hörminderung rechts mit dem kompensierten Tinnitus ergibt sich eine integrierend, nicht additiv gebildete Gesamt-MdE auf HNO-ärztlichem Fachgebiet von 15 v.H. (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 14.1.2003 – L 2 U 5/00 = juris RdNr. 38 ff.; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 351). Hierbei hat Frau Prof. P., ebenso wie die Vorgutachter, die Angaben des Klägers, dass ihm das Hörgerät nur unzureichend helfe, die Hörstörung auszugleichen, gutacherlich dokumentiert und bei der Einschätzung der MdE berücksichtigt. Da der Tinnitus mit unter 10 v.H. zu veranschlagen ist, konnte in der Gesamtschau keine MdE von 20 v.H. angenommen werden.
Soweit die Sachverständige Prof. Dr. P. darauf hinweist, dass sich die unfallbedingten Beschwerden auf HNO-ärztlichem Gebiet in der Zukunft auch wieder ändern können, führt dies nicht zu einer anderen MdE-Bewertung. Es ist auf die Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens im Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen; erst in Zukunft möglicherweise eintretende Schäden sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.2.2012 – L 3 U 154/11 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 22.6.2004 – B 2 U 14/03 R – BSGE 93, 63 = SozR 4-2700 § 56 Nr. 1 RdNr. 18). Diesbezüglich können die Beteiligten zu gegebener Zeit z.B. eine Nachuntersuchung veranlassen, zumal nach den Ausführungen Prof. Dr. P.s mittelfristig sowohl eine Verbesserung wie auch eine Verschlechterung denkbare Geschehensabläufe und Entwicklungen sind.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger wegen weiterer von ihm geltend gemachter Folgen eines Arbeitsunfalles Verletztenrente zu gewähren ist.
Der Kläger ist 1964 geboren und seit 1989 als Betonbauer beschäftigt, seinerzeit im Betonwerk M ... Am 12.2.2007 erlitt er einen Arbeitsunfall, über dessen Ablauf verschiedene Geschehensabläufe in den Akten verzeichnet sind, es jedenfalls aber zur einer Gewalteinwirkung am Kopf kam und sich der Kläger eine Schädelfraktur zuzog. Im Durchgangsarztbericht vom 14.2.2007 ist angegeben, der Kläger sei von einer Leiter gestürzt (der Kläger selbst konnte sich nicht erinnern). In späteren Berichten heißt es, ein Garagentor sei ihm auf den Kopf gefallen (Bl. 12/17 Verwaltungsakte).
Im Durchgangsarztbericht wird eine Schädelfraktur mit Kopfplatzwunde links diagnostiziert. Der Kläger wurde unmittelbar im Anschluss im D.krankenhaus K. stationär behandelt und bemerkte dort in der Nacht auf den 13.2.2007 ein Pfeifen im rechten Ohr und beklagte einen Hörverlust. Ein HNO-Konsil ergab eine akute Ertaubung rechts, weshalb der Kläger am 14.2.2007 zur Therapie in die HNO-Klinik übernommen wurde.
Ein CT vom 12.2.2007 (Bl. 17/18 Verwaltungsakte) ergab an der HWS keinen Nachweis einer Fraktur; am Kopf neben Frakturen keinen sicheren Nachweis von Kontusionsherden oder SAB oder sub- oder epiduraler Blutung. Ein weiteres CT des Kopfes am 13.2.2007 ergab keine intracerebralen Blutungen; nach einem MRT des Kopfes am 23.2.2007 konnten ein frischer Infarkt, eine intracerebrale Raumforderung oder eine Blutung ausgeschlossen werden; es ergaben sich links unspezifische white matter lesions hochparietal.
Im Zwischenbericht des D.krankenhauses K. - Klinik für Unfallchirurgie - vom 14.2.2007 (Bl. 4 Verwaltungsakte) werden folgende Diagnosen aufgeführt: - Längsfraktur des Os occipitale bis in das Foramen jugulare linksseitig einstrahlend, - Fraktur des Orbitadaches und Boden der Stirnhöhle, - Kopfplatzwunde links frontal - Commotio cerebri - Akute Ertaubung rechts.
Der HNO-Arzt Dr. W. teilte mit Schreiben vom 9.3.2007 (Bl. 12 Verwaltungsakte) mit, dass sich bei Normalhörigkeit links am rechten Ohr eine hochgradige Innenohrhörminderung feststellen lasse.
In einem weiteren Bericht des D.krankenhauses K. - HNO-Klinik - vom 2.4.2007 (Bl. 17 Verwaltungsakte) wird als Diagnose eine akute posttraumatische Innenohrstörung rechts bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma gestellt. Die Trommelfelle seien beidseits differenziert und intakt, die übrigen Spiegelbefunde unauffällig gewesen, es hätten sich weder Spontan- noch Provokationsnystakmen gezeigt. Das MRT-Kranium sei unauffällig gewesen.
Der HNO-Arzt Dr. W. berichtete mit Schreiben vom 10.6.2007 (Bl. 28 Verwaltungsakte), dass am rechten Ohr eine hochgradige Innenohrschwerhörigkeit mit prozentualem Hörverlust von 93% und sprachaudiometrischem Verlust von 95% vorliege. Aus seiner Sicht verbleibe eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Er schätze die MdE auf 20 v.H. Eine Hörgeräteversorgung sei indiziert.
Im ersten Rentengutachten vom 8.10.2007 (Bl. 77 Verwaltungsakte) beschrieb der Chirurg Dr. R. (St. V.kliniken K.) einen Zustand nach stattgehabtem Schädelhirntrauma. Von chirurgischer Seite aus verbleibe keine Minderung der Erwerbsfähigkeit. Die vom Kläger geschilderten gesundheitlichen Beschwerden (zeitweise Schlafstörungen, auftretende Schwindelgefühle, zeitweise Kribbelparästhesien, teilweise mit Taubheitsgefühl, Konzentrationsschwäche, Zunahme einer allgemeinen Müdigkeit mit Antriebslosigkeit) seien sämtlich dem Gebiet der Neurologie bzw. des HNO-Bereiches zuzuordnen.
Der Chefarzt der HNO-Abteilung beim D.krankenhaus K., Prof. Dr. S. beschrieb im Gutachten vom 8.11.2007 (Bl. 97 Verwaltungsakte) eine an Taubheit grenzende Innenohrschwerhörigkeit rechts (Hörverlust 95%), welche Folge des Arbeitsunfalls vom 12.2.2007 sei und eine MdE von 15 v.H. bedinge. Eine Hörgeräteversorgung rechts sei erforderlich, hierfür würde ein Festbetragsgerät nicht ausreichen, sondern es sei ein hochwertiges Gerät erforderlich.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Dr. D. (Neurologische Klinik des Städtischen Klinikums K.) beschrieb im Gutachten vom 31.1.2008 (Bl. 119 der Verwaltungsakte) einen unauffälligen neurologischen Untersuchungsbefund. Die neuropsychologische Testung habe eine leichte kognitive Beeinträchtigung ergeben, wobei differenzialdiagnostisch auch eine persönlichkeitsbedingte Variante ohne organische Ursache nicht auszuschließen sei. Darüber hinaus würden keine neuropsychologischen Defizite bestehen. Für die geschilderten nächtlichen Kribbelparästhesien in den Fingern sowie im Bereich der rechten Hand bei längerer Überkopfarbeit hätten sich elektrophysiologisch keine Auffälligkeiten finden lassen. Die vom Kläger beklagten kognitiven Defizite hätten zum Teil schon vor dem Unfall bestanden – so die anamnestischen Angaben des Klägers (vgl. Bl. 123 Verwaltungsakte) - und seien, auch soweit sie sich seit dem Unfall akzentuiert hätten, nicht als Unfallfolge anzusehen, da in keiner der bildgebenden Verfahren (CT und MRT) des Schädels traumabedingte Verletzungen intrakraniell bzw. eine substanzielle Hirnschädigung nachzuweisen war. Die anamnestisch vorliegende leichte Commotio cerebri könne die Beschwerden nicht erklären. Auf neurologischem Fachgebiet liege keine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit vor.
Mit Bescheid vom 21.2.2008 (Bl. 145 Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente ab, da die Erwerbsfähigkeit nicht um wenigstens 20 v.H. wegen der Folgen des Arbeitsunfalles gemindert sei. Der Arbeitsunfall habe zu einer an Taubheit grenzenden Innenohrschwerhörigkeit rechts (Hörverlust ca. 95%) nach knöchern verheilter Schädelfraktur geführt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage zur Zeit 15 v.H.
Hiergegen erhob der Kläger am 6.3.2008 Widerspruch. Neben der Hörminderung seien weitere Unfallfolgen verblieben, welche die Beklagte nicht ausreichend gewürdigt habe. Seit dem Unfallhergang leide er regelmäßig unter Kopfschmerzen, Müdigkeit, Muskelverspannung, Schwindel und Übelkeit. Außerdem müsse er sich Sachen, die er erledigen müsse, aufschreiben, da er sie sonst vergesse. Dies sei vor dem Unfall nicht der Fall gewesen. Eine fremdsprachliche testpsychologische Untersuchung sei angezeigt.
Die Beklagte veranlasste eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Neurologen Prof. Dr. Dr. D., der mit Schreiben vom 31.10.2008 ausführte, dass zwar von chirurgischer Seite eine Gehirnerschütterung (Commotio cerebri) diagnostiziert worden, sei, nicht jedoch eine substantielle Hirnschädigung. Diese sei aber unabdingbare Voraussetzung für eine hirnorganische Beeinträchtigung. Eine kernspintomographische Untersuchung des Schädels vom 23.2.2007 habe lediglich unspezifische white matter lesions hochparietal links gezeigt, die möglicherweise Ausdruck eines cerebralen Gefäßprozesses im Sinne einer beginnenden Mikroangiopathie sein könnten, jedoch nicht als Traumafolge zu werten seien. Eine Hirnkontusion sei auszuschließen. Eine testpsychologische Zusatzbegutachtung im Beisein eines Dolmetschers halte er daher nicht für erforderlich, da weder aufgrund der Initialsymptomatik, noch aufgrund der Bildgebung, noch des neurologischen Befundes irgendwelche Anhaltspunkte für eine substantielle Hirnschädigung bestehen würden. Die Folgen einer stattgehabten leichten bis allenfalls mittelschweren Gehirnerschütterung würden sich nach allgemeiner ärztlicher Erfahrung innerhalb von wenigen Wochen bis Monaten vollständig zurückbilden. Dauerschäden seien in keinem Fall zu erwarten.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008 (Bl. 175 Verwaltungsakte) als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 19.11.2008 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe (S 3 U 5050/08) erhoben. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Neben dem Gehörverlust würden insbesondere verstärkte Kopfschmerzen, Müdigkeit, Muskelverspannung, Schwindel, Übelkeit, Gedächtnisstörung und ein Tinnitus bestehen.
Zur weiteren Abklärung der bestehenden Unfallfolgen hat die Beklagte einen neurologischen Befundbericht der Dr. R. D.krankenhaus K. vom 16.1.2009 (Bl. 187 Verwaltungsakte) eingeholt, der einen Kopfschmerz vom Typ Spannungskopfschmerz (MdE 0 v.H.) beschrieb.
Die Beklagte hat sodann eine weitere Begutachtung auf HNO-ärztlichem Fachgebiet veranlasst. Das SG hat mit Beschluss vom 17.8.2009 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Im Gutachten vom 15.12.2009 (Bl. 219 Verwaltungsakte) hat Prof. Dr. P. (D.krankenhaus K.) einen kompensierten Tinnitus (mittelgradiger Tinnitus) beschrieben. Das Hören habe sich allerdings seit der letzten Begutachtung vom 8.11.2007 wieder verbessert (damals 90% Hörverlust rechts, jetzt 80% Hörverlust rechts). Neben der hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit rechts sei auch der Tinnitus auris rechts Unfallfolge. Der weitere Verlauf der Erkrankung sei insgesamt nicht absehbar. Sowohl eine Stabilisierung des Ohrgeräusches, meist mit einem gewissen Gewöhnungseffekt, als auch eine Verschlechterung seien denkbar. Zusammenfassend werde für die unfallverursachte Hörminderung mit Tinnitus Grad II rechts eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 10 v.H. für angemessen erachtet. Die einseitige Hörminderung von 80% bei Normalhörigkeit des anderen Ohres bedinge eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 v.H. Es werde eine integrierend gebildete Gesamt-MdE auf HNO-ärztlichem Fachgebiet von 15 v.H vorgeschlagen.
Mit Bescheid vom 22.2.2010 (Bl. 239 Verwaltungsakte) hat die Beklagte hierauf den Bescheid vom 21.2.2008 hinsichtlich der festgestellten Unfallfolgen teilweise zurückgenommen. Als Unfallfolge hat sie anerkannt: Hochgradige Innenohrschwerhörigkeit mit Tinnitus rechts nach knöchern verheilter Schädelfraktur. Eine Änderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ergebe sich nicht.
Nach Wiederanrufung des ruhenden Verfahrens (unter Az. S 3 U 1115/10) hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 6.7.2010 die Klage abgewiesen. Nach dem Gesamtermittlungsergebnis des Verfahrens stehe fest, dass weder weitere Unfallfolgen anzuerkennen seien, noch ein Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. bestehe. Das SG hat sich hierbei auf die Sachverständigengutachten des Prof. Dr. S., der Prof. Dr. P. und des Prof. Dr. Dr. D. gestützt und ausgeführt, dass die weiter vom Kläger geltend gemachten Beschwerden sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit wesentlich auf das Unfallgeschehen zurückführen lassen würden. Es hätten sich bildgebend keine Hinweise für strukturelle Hirnschädigungen ergeben. Nach der von der Beklagten zusätzlich eingeholten Beurteilung des Neurologen Dr. R. habe lediglich ein Spannungskopfschmerz beschrieben werden können, der eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 0 v.H. ergebe und damit keine Auswirkungen auf die Gesamt-MdE habe.
Hiergegen hat der Kläger am 3.8.2010 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Eine weitere Abklärung des Sachverhalts von Amts wegen durch Einholung von weiteren Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem sowie auf HNO-ärztlichem Gebiet sei erforderlich. Aufgrund des gravierenden Unfallereignisses mit erheblichen Verletzungen, mehreren Schädelfrakturen, Blut- und Flüssigkeitsansammlungen in der linksseitigen Stirn- und Kieferhöhle sowie einer Gehirnerschütterung, sei eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die unfallbedingte Ursächlichkeit der bislang nicht anerkannten Gesundheitsstörungen anzunehmen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. Juli 2010 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheids vom 21. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2008, in der Fassung des Bescheids vom 22. Februar 2010 verstärkte Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel sowie Gedächtnisstörungen als weitere Folgen des Arbeitsunfalles vom 12. Februar 2007 festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide sowie den Gerichtsbescheid des SG Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. I.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und statthafte Berufung ist zulässig. Soweit die Gewährung von Verletztenrente begehrt wird, ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 i.V.m. § 54 Abs. 4 SGG), soweit die Feststellung weiterer Unfallfolgen begehrt wird, die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) statthaft. II.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit dem Gerichtsbescheid vom 6.7.2010 die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 21.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.11.2008, in der Fassung des nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheids vom 22.2.2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Neben der Innenohrschwerhörigkeit rechts mit einem Hörverlust von ca. 80% und dem kompensierten Tinnitus, die insgesamt eine MdE von derzeit 15 v.H. rechtfertigen, sind weitere unfallbedingte Beeinträchtigungen nicht verblieben. Der Kläger hat weder Anspruch auf die Feststellung weiterer Unfallfolgen (dazu sogleich unter 1.), noch auf die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. (dazu unter 2.)
1.
Der Kläger hat zwar am 12.2.2007 einen Arbeitsunfall i.S. des § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) erlitten, was von der Beklagten auch anerkannt worden ist. Die vom Kläger geklagten Symptome/Beschwerden Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel sowie Gedächtnisstörungen sind aber zur Überzeugung des Senats nicht Folge dieses Unfalls.
Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (grundlegend: Reichsversicherungsamt, AN 1912, S. 930 f.; fortgeführt vom Bundessozialgericht - BSG – Urteil vom 10.6.1955 – 10 RV 390/54 - BSGE 1, 72 (76), seither st. Rspr. vgl. BSG, Urteil vom 12.4.2005 – B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 RdNr. 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 10.6.1955 - 10 RV 390/54 - BSGE 1, 72 (76) = juris RdNr. 35). Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis (vgl. eingehend Senatsurteil v. 26.1.2011 - L 2 U 1936/09). Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.
Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGH, Urteil vom 9.10.1997 – III ZR 4/97 - BGHZ 137, 11 (19 ff.) = NJW 1998, 138 m.w.N.) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzu¬nehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson hervorgerufen hat (vgl. BSG, Urteil vom 18.1.1990 - 8 RKnU 1/89 - BSGE 66, 156, 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier der §§ 45, 56 SGB VII - zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG, Urteil vom 9.12.2003 – B 2 U 8/03 R = SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.).
Für diese wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet (vgl. dazu eingehend BSG, Urteil vom 9.5.2006 – B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = juris RdNr. 15 m.w.N. und Senatsurteil v. 26.1.2011 – L 2 U 1936/09): Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit gleichwertig oder annähernd gleichwertig. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) wesentlich und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als wesentlich anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als Gelegenheitsursache oder Auslöser bezeichnet werden.
Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen oder besonderen Problemen in der anschließenden Heilbehandlung, ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne weiteres zu unterstellen ist (BSG, Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R, a.a.O., juris RdNr. 15). Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte (BSG, Urteil vom 9.5.2006, a.a.O., juris RdNr. 16).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfol-gen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Es gibt aber im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versi-cherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (st Rspr des BSG seit BSG, Urteil vom 29.3.1963 – 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSG, Urteil vom 7.9.2004 – B 2 U 34/03 R). Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a.F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 9.5.2006 a.a.O. unter Hinweis auf BSG SozR Nr. 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 a.F. RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 67). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i.S. des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG, Urteil vom 22.8.2000 – B 2 U 34/99 R = SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m.w.N.).
Der Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung gebietet es, den Versicherten in dem Zustand zu schützen, in welchem er sich im Zeitpunkt des Unfallereignisses befindet. Das bedeutet aber nicht, dass man dem Unfallereignis retrospektiv bestehende Vorerkrankungen einfach zurechnet. Ausgangspunkt der Ursachenbewertung ist nach allgemeiner Auffassung stets der konkrete Versicherte mit seinen Vorerkrankungen, seinen Vorschäden, seiner gesundheitlichen Disposition (vgl. etwa BSG, Urteil vom 27.10.1987 - 2 RU 35/87 - BSGE 62, 220 = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG, Urteil vom 9.5.2006 – B 2 U 1/05 R = SozR 2700 § 8 Nr. 17). Vorerkrankungen, Vorschäden und eine gesundheitliche Disposition schließen den Zurechnungszusammenhang zwischen Unfallereignis und dem eingetretenen Körperschaden auch dann nicht von vornherein aus, wenn sie den Eintritt eines Gesundheitsschadens begünstigt haben. Vielmehr bedarf dies einer Bewertung im Einzelfall. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist (BSG, Urteil vom 9.5.2006, a.a.O., juris RdNr. 19). Die Aussage, der Versicherte ist so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen: Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen.
Der vorliegend in der Sache geltend gemachte Anspruch scheitert daran, dass entsprechend den oben genannten Grundsätzen das Unfallereignis vom 12.2.2007 zur Überzeugung des Senats nicht rechtlich wesentlich i.S. der zitierten BSG-Rechtsprechung für die vom Kläger vorgebrachten Gesundheitsstörungen "Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel sowie Gedächtnisstörungen" war.
Im ersten Rentengutachten vom 8.10.2007 hat der Chirurg Dr. R. einen Zustand nach stattgehabtem Schädelhirntrauma beschrieben. Diese Verletzung ist verheilt. Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass auf chirurgischem Fachgebiet keine Beschwerden vorliegen würden, die eine MdE zur Folge hätten.
Auch auf neurologischem Fachgebiet sind keine Unfallfolgen verblieben, die eine MdE zur Folge haben. Was der Kläger in der Sache mit "Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel sowie Gedächtnisstörungen" geltend macht, zielt auf die Anerkennung eines hirnorganischen Psychosyndroms mit entsprechenden Symptomen als Unfallfolge ab. Nach dem ICD-10 F 07.2 folgt das hirnorganische Psychosyndrom einem Schädeltrauma, das meist schwer genug ist, um zur Bewusstlosigkeit zu führen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.10.2007 – L 3 U 31/04-16 = juris RdNr. 37). Es besteht aus einer Reihe verschiedenartiger Symptome, wie Kopfschmerzen, Schwindel, Erschöpfung, Reizbarkeit, Schwierigkeiten bei Konzentration und geistigen Leistungen, Gedächtnisstörungen, Schlafstörungen und verminderter Belastungsfähigkeit für Stress, emotionale Reize oder Alkohol. Keiner der Sachverständigen hat jedoch ein solches hirnorganisches Psychosyndrom diagnostiziert. Vielmehr hat Prof. Dr. Dr. D. im Gutachten vom 31.1.2008 und in der ergänzenden Stellungnahme vom 31.10.2008 einen unauffälligen neurologischen Untersuchungsbefund beschrieben und überzeugend ausgeführt, dass es am Ursachenzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 12.2.2007 und dem vom Kläger auf neurologischem Fachgebiet geklagten Beschwerden Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel sowie Gedächtnisstörungen fehlt.
Die unmittelbar nach dem Unfall durchgeführten CT- und MRT-Untersuchungen schließen zur Überzeugung des Senats das Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms mit den vom Kläger geschilderten Symptomen als Folge des Arbeitsunfalls vom 12.2.2007 aus. Bei dem Unfall hat eine substanzielle Hirnschädigung nicht stattgefunden. Unabdingbare Grundlage für eine hirnorganische Schädigung ist eine substanzielle Hirnschädigung, wie der Sachverständige Prof. Dr. Dr. D. überzeugend ausgeführt hat. Die CT-Ergebnisse vom 12./13.2.2007 und das MRT-Ergebnis vom 23.2.2007 sind eindeutig. Das CT vom 12.2.2007 ergab keinen Nachweis von Kontusionsherden oder SAB oder sub- oder epiduraler Blutung. Ein weiteres CT des Kopfes am 13.2.2007 ergab keine intracerebralen Blutungen; nach einem MRT des Kopfes am 23.2.2007 konnten ein frischer Infarkt, eine intracerebrale Raumforderung oder eine Blutung ausgeschlossen werden; es ergaben sich lediglich unspezifische white matter lesions hochparietal links, die aber, wie der Sachverständige ausgeführt hat, nicht als Traumafolge in Betracht kommen. Auf neurologischem Fachgebiet liegen zur Überzeugung des Senats keine Unfallfolgen vor. Angesichts dieser Sachlage sind auch erneute Testungen in der Muttersprache des Klägers nicht erforderlich gewesen.
Im Zuge der Begutachtung und Exploration bei Prof. Dr. Dr. D. hat der Kläger überdies im Rahmen der speziellen Anamnese Angaben zu vor dem Unfall bestehenden Gesundheitsstörungen gemacht, die auch seine jetzigen Beschwerden enthalten. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 31.10.2008 zu seinem Gutachten hat Prof. Dr. Dr. D. betont, die Feststellungen in der speziellen Anamnese, u.a., dass ein Druckgefühl rechts fronto-temporal sowie leichte Gedächtnisstörungen bereits vor dem Unfall vorhanden gewesen sei, hätten auf dezidierten Aussagen des Klägers beruht. Der Sachverständige hat insbesondere Verständigungsschwierigkeiten ausgeschlossen, da seitens des Klägers unmissverständliche Angaben zu den Unfallumständen wie Erinnerungslücke, Verschlechterung des Gehörs, Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule, Schwindel und anderen Beschwerden gemacht wurden. Darüber hinaus hat Prof. Dr. Dr. D. in seiner ergänzenden Stellungnahme nachvollziehbar ausgeführt, dass zwar die testpsychologische Untersuchung aufgrund einer gewissen Sprachbarriere tatsächlich nur eingeschränkt durchgeführt werden konnte. Andererseits hat der Sachverständige plausibel dargelegt, dass die geklagten Beeinträchtigungen aufgrund der Befundlage mit Sicherheit nicht aufgrund des Arbeitsunfalls entstanden sind und nicht auf diesen Unfall zurückgeführt werden können.
Bezüglich der vom Kläger geltend gemachten Schwindelbeschwerden ist ebenfalls darauf hinzuweisen, dass ein entsprechendes organisches Korrelat nicht vorliegt – insbesondere konnte duplexsonographisch keine Verletzung der Halsgefäße nachgewiesen werden - und damit ein Ursachenzusammenhang mit dem Unfall vom 12.2.2007 nicht mit Wahrscheinlichkeit besteht. Weder im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. P. noch durch Prof. S. am 9.10.2007 oder Prof. Dr. Dr. D. am 16.11.2007 konnten entsprechende organische Befunde festgestellt werden.
Auch die geklagten Kopfschmerzen sind - nachdem dem die Schädelfraktur verheilt ist – ohne organisches Korrelat. Dr. R. hat zwar einen Kopfschmerz vom Typ Spannungskopfschmerz beschrieben, aber keinen Ursachenzusammenhang mit dem Unfall hergestellt. Überdies beträgt die MdE insoweit 0 v.H.
2.
Die Beklagte hat die Folgen des Arbeitsunfalls vom 12.2.2007 im Bescheid vom 22.2.1010 zutreffend mit "Hochgradige Innenohrschwerhörigkeit mit Tinnitus rechts nach knöchern verheilter Schädelfraktur" festgestellt. Ein Anspruch auf Verletztenrente ergibt sich hieraus nicht, da zur Zeit die MdE zur Überzeugung des Senats 15 v.H. beträgt.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger erstrebte Leistung ist § 56 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind dabei nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.6.2004 – B 2 U 14/03 R = SozR 4-2700 § 56 Nr. 1), den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten.
Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten gerade durch Folgen einer Berufskrankheit oder eines Arbeitsunfalles beeinträchtigt sind. Daneben sind die von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze bei der Beurteilung der MdE zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (BSG, Urteil vom 5.9.2006 – B 2 U 25/05 R = SozR 4-2700 § 56 Nr. 2). Die Bewertung von Hörverlusten richtet sich im Wesentlichen nach der sog. "Königsteiner Empfehlung" (5. Aufl., Stand März 2012; früher: "Königsteiner Merkblatt" = Empfehlungen des HVBG für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit, 4. Aufl. 1996, vgl. BSG, Urteile vom 15.12.1982 – 2 RU 55/81; 21.7.1989 – 2 BU 22/89 und 2.5.2001 – B 2 U 24/00 R; vgl. auch Keller, Erfahrungen mit antizipierten Sachverständigengutachten im Berufskrankheitenrecht, MedSach 2006, 128, 130).
Prof. Dr. P. hat im Gutachten vom 15.12.2009 einen Tinnitus (mittelgradiger Tinnitus) beschrieben. Dieses Ohrgeräusch ist, wie die Sachverständige ausgeführt hat, nach Auswertung des Tinnitusfragebogens nach Göbel und Hiller als "kompensiert" anzusehen und mit einer MdE von weniger als 10 v.H. zu bewerten. Das Hören hatte sich im Vergleich zur vorherigen Begutachtung bei Prof. Dr. S. (8.11.2007) wieder verbessert (damals 90% Hörverlust rechts, jetzt 80% Hörverlust rechts). Prof. Dr. P. hat für den Senat überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass sowohl die hochgradige Innenohrschwerhörigkeit rechts wie auch der Tinnitus auris rechts Unfallfolge sind. Die Sachverständige hat überdies darauf hingewiesen, dass der weitere Verlauf der Erkrankung langfristig noch nicht absehbar sei.
Die einseitige Hörminderung von 80% bei Normalhörigkeit des anderen Ohres bedingt nach den Ausführungen Prof. Dr. P.s, die für den Senat überzeugend sind und die im Einklang mit den von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätzen bei der Beurteilung der MdE stehen, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 v.H. (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 345 f.) Die im Königsteiner Merkblatt zugrunde gelegten Erfahrungssätze gelten auch für die Bewertung der MdE für Tinnitus. In der Gesamtschau der Hörminderung rechts mit dem kompensierten Tinnitus ergibt sich eine integrierend, nicht additiv gebildete Gesamt-MdE auf HNO-ärztlichem Fachgebiet von 15 v.H. (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 14.1.2003 – L 2 U 5/00 = juris RdNr. 38 ff.; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 351). Hierbei hat Frau Prof. P., ebenso wie die Vorgutachter, die Angaben des Klägers, dass ihm das Hörgerät nur unzureichend helfe, die Hörstörung auszugleichen, gutacherlich dokumentiert und bei der Einschätzung der MdE berücksichtigt. Da der Tinnitus mit unter 10 v.H. zu veranschlagen ist, konnte in der Gesamtschau keine MdE von 20 v.H. angenommen werden.
Soweit die Sachverständige Prof. Dr. P. darauf hinweist, dass sich die unfallbedingten Beschwerden auf HNO-ärztlichem Gebiet in der Zukunft auch wieder ändern können, führt dies nicht zu einer anderen MdE-Bewertung. Es ist auf die Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens im Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen; erst in Zukunft möglicherweise eintretende Schäden sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.2.2012 – L 3 U 154/11 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 22.6.2004 – B 2 U 14/03 R – BSGE 93, 63 = SozR 4-2700 § 56 Nr. 1 RdNr. 18). Diesbezüglich können die Beteiligten zu gegebener Zeit z.B. eine Nachuntersuchung veranlassen, zumal nach den Ausführungen Prof. Dr. P.s mittelfristig sowohl eine Verbesserung wie auch eine Verschlechterung denkbare Geschehensabläufe und Entwicklungen sind.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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