Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 U 5431/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 4778/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 2. September 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) streitig, ob die bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen beim Kläger Folgen des Unfalls vom 29.10.1998 sind und ihm deswegen weitere Entschädigungsleistungen über den 28.01.1999 hinaus zustehen.
Der 1941 geborene Kläger hatte bereits vor dem streitgegenständlichen Unfall mehrere Unfälle erlitten, u. a. im Jahr 1990 einen Wegeunfall mit Beteiligung der Halswirbelsäule (HWS). Am 29.10.1998 verunglückte er auf dem Heimweg von seiner Arbeit, als er vermutlich zunächst leicht auf den vor ihm bremsenden PKW auffuhr und sodann - was er im Rückspiegel beobachtete - von hinten ein nachfolgender PKW auf sein Heck fuhr, wodurch er ggf. nochmals auf den vorderen Wagen aufgeschoben wurde. Bei der Erstbehandlung im L.-krankenhaus wurde eine Distorsion der Hals- und Lendenwirbelsäule, multiple Prellungen und Verstauchungen beider Handgelenke und Hände diagnostiziert ohne Frakturzeichen. Die Bewegungseinschränkung des Kopfes war ohne neurologische Ausfälle, es bestand kein Hinweis für Gehirnerschütterung (Durchgangsarztbericht Prof. Dr. K., L.-krankenhaus F. vom 30.10.1998, Bl. 1 VA). Arbeitsunfähigkeit wurde bis 04.11.1998 attestiert (Bl. 37 VA).
Mit Schreiben vom 10.01.2000 machte der Kläger gegenüber der Beklagten (damals noch Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen, mittlerweile Berufsgenossenschaft für Verkehr und Transportwirtschaft) als Unfallfolgen Augenbeschwerden nach Quetschung des Sehnervs sowie Gelenk- und HWS-Schmerzen geltend. Hierauf ermittelte die Beklagte durch Beiziehung des Vorerkrankungsverzeichnisses der Krankenkasse und der Akten des Amts für öffentliche Ordnung der Stadt F. über das Unfallgeschehen sowie der Akten des Rentenversicherungsträgers mit Rehabericht. Weiter wurden der behandelnde Arzt für Allgemeinmedizin Dr. N. und der Augenarzt Dr. F. (unfallunabhängige Durchblutungsminderung des Sehnervs) befragt. Prof. Dr. H. erstattete am 30.06.2000 das orthopädische Gutachten im Auftrag der Beklagten, in dem er ausführte, dass der Kläger sich bei dem Unfall wahrscheinlich eine Distorsion der HWS und möglicherweise Zerrungen und/oder Stauchungen der Handgelenke und der Schulter zugezogen sowie eine Prellung der Stirn erlitten habe. Er diagnostizierte bezogen auf den Unfall eine anamnestisch folgenlos verheilte Distorsion der HWS. Auf den Unfall zurückzuführende oder durch den Unfall wesentlich verschlimmerte Gesundheitsstörungen lägen nicht - mehr - vor. Möglich sei allenfalls, dass sich die vorbestehenden Kopf- und Nackenschmerzen vorübergehend verschlimmert hätten. Jedenfalls für die Zeit ab 01.02.1999 sei nicht von einer messbaren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auszugehen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 09.10.2000 die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gem. § 29 SGB VII über den 28.01.1999 hinaus ab, weil Unfallfolgen nicht mehr vorlägen und die geklagten Beschwerden auf unfallunabhängige Veränderungen zurückzuführen seien (Bl. 180 VA). Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17.05.2001, Bl. 209 VA).
Im dagegen vor dem Sozialgericht Freiburg (SG - S 9 U 1528/01 -) geführten Rechtsstreit begehrte der Kläger weitere Entschädigungsleistungen und machte als Unfallfolgen geltend: Verlust der Fähigkeit des räumlichen Sehens, Beschwerden in Schultern, Armen und Händen sowie Kopfschmerzen. Das SG befragte die behandelnden Ärzte Dr. M., Dr. N. (Allgemeinarzt), Dr. K. (Chirurg), Dr. H. (Orthopäde), Dr. R. (Chirurg/Unfallchirurg), Prof. Dr. G.-R. (Augenarzt) und Dr. B. (Orthopäde) schriftlich als sachverständige Zeugen und zog Vorerkrankungsverzeichnisse sowie die Akten des Amtsgerichts Freiburg im Schadensersatzprozess (10 C 380/99 C./G., A. Versicherungs-AG) bei. Dr. B. bestätigte den geltend gemachten Unfallzusammenhang als einziger, während die übrigen Ärzte einen solchen im Hinblick auf die von ihnen behandelten Beschwerden überwiegend ablehnten bzw. sich einer Kausalitätsbeurteilung enthielten.
Das SG holte das orthopädische Gutachten des Dr. von S., Oberarzt der Abteilung Orthopädie/Traumatologie II im Krankenhaus K.-L., vom 27.06.2003 mit neurologischem Zusatzgutachten des Dr. B., Arzt für Neurologie und Psychiatrie vom 07.07.2003 ein. Dr. von S. stellte keine Unfallfolgen fest. Er diagnostizierte im Wesentlichen ein degeneratives HWS-Syndrom C3 bis C7 mit Bandscheibenprotrusionen und intermittierender Wurzelreizsymptomatik und Nackenhinterkopfkopfschmerzen sowie relative Laxizität der Ligamenta alaria im Bereich der Kopfgelenke mit intermittierender Rotationsfehlstellung. Diese Erkrankungen seien nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 29.10.1998 zurückzuführen. Eine strukturelle Schädigung sei bei den zahlreichen Untersuchungen nicht festgestellt worden. Die degenerativen Veränderungen seien bereits auf den Unfallaufnahmen eindeutig erkennbar gewesen und seien durch den Unfall nicht richtungweisend verschlimmert worden. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei für sechs bis acht Wochen anzunehmen. Eine überdauernde Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bestehe nicht. Im Zusatzgutachten führte Dr. B. u. a. aus, dass auf neurologischem Fachgebiet keine unfallbedingten Gesundheitsstörungen bestünden. Angesichts der detaillierten Unfallschilderung durch den Kläger ohne relevante Erinnerungslücke sei insbesondere kein Schädel-Hirn-Trauma (Commotio cerebri) nachgewiesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.11.2003 wies das SG gestützt auf die Gutachten die Klage ab.
Im dagegen vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) geführten Berufungsverfahren (L 6 U 143/04) verwies der Prozessbevollmächtigte des Klägers erneut auf die Notwendigkeit zur Einholung eines biomechanischen Gutachtens. Nicht nur Dr. B., sondern auch Prof. Dr. K., Centre de Traumatolgie et d’Orthopedie, I. im E., habe eine gegenüber den Gutachtern abweichende Auffassung vertreten (Befundbericht vom 08.04.2002, Bl. 345 VA: Protrusion C3/C4 posttraumatisch zu erklären), der zu folgen sei. Er führte zahlreiche weitere Gesundheitsstörungen bis hin zu einem Hypophysentumor auf den Unfall zurück.
Das LSG hat nach § 109 SGG das Gutachten von Dr. N., Arzt für Allgemein und Sportmedizin, H. a.N. eingeholt. In seinem Gutachten vom 19.10.2005 hat er sich im Ergebnis den Gutachtern Prof. Dr. H. und Dr. B. angeschlossen. Eine commotio cerebri habe sicher nicht vorgelegen. Von einem biomechanischem Gutachten sei kein weiterer Erkenntnisgewinn zu erwarten. Die HWS-Beschwerden seien eindeutig degenerativ bedingt. Die im Übrigen schon vor dem Unfall bestehenden Augenbeschwerden seien nicht auf ein stumpfes Aufpralltrauma zurückzuführen.
Mit Urteil vom 06.04.2006 hat das LSG die Berufung unter Bezugnahme auf das Urteil des SG zurückgewiesen und im Übrigen ausgeführt, dass auch der vom Kläger benannte Sachverständige Dr. N. keinen Zusammenhang der geschilderten Beschwerden und tatsächlichen Erkrankungen mit dem Unfallereignis gesehen habe, vielmehr in wünschenswerter Deutlichkeit darauf hingewiesen habe, dass der Kläger zwar ernstlich krank sei, die Ursache hierfür jedoch nicht im Unfall zu suchen sei. Nachdem schon objektiv keine Unfallfolgen unter medizinischen Gesichtspunkten vorhanden seien, könne der genaue Unfallhergang offen bleiben und sei damit die Einholung eines biomechanischen Gutachtens nicht erforderlich. Nachdem sich der Befund in bildgebenden Verfahren an der HWS gegenüber dem Zustand vor dem Unfall nicht wesentlich verändert habe, sei schlicht nicht nachvollziehbar, wie die behauptete Verschlimmerung von Statten gegangen sein oder die behauptete Verursachung nachgewiesen werden solle. Einen Zusammenhang der Erkrankungen am Auge mit dem Unfall habe kein Arzt bestätigt, vielmehr übereinstimmend verneint. Auch der Hypophysentumor könne nicht auf den Unfall zurückgeführt werden, weil ein die Hypophyse schädigendes Ereignis nicht zu einer Hormonüberproduktion wie beim Kläger führen könne.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat das Bundessozialgericht (BSG) durch Beschluss vom 09.08.2006 als unzulässig verworfen (B 2 U 151/06 B).
Mit Schreiben vom 22.12.2006 machte der Kläger über seinen Bevollmächtigten gegenüber der Beklagten weitere Leistungsansprüche geltend. Mittlerweile sei gesichert, dass der Kläger einen posttraumatischen Defekt am Kleinhirn erlitten habe und die Atembeschwerden Auswirkung des posttraumatischen Verletzungsbildes seien. Hierzu legte er Atteste des Orthopäden Dr. B. vom 06.12.2006, 04.04.2007 und 25.04.2007 sowie einen MRT-Befund von Prof. Dr. B., Institut für Radiologie und Nuklearmedizin F., vom 22.11.2006 und einen Befundbericht von Prof. Dr. S., Endokrinologie/Diabetologie des Universitätsklinikums F., vom 29.03.2007 vor. Prof. Dr. B. berichtete von unverändert kleinen liquorintensen posttraumatischen Defekten im Pons sowie deutlicher in der linken Kleinhirnhemisphäre bei klinisch angegebenem Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma, woraus Dr. B. den Nachweis einer traumatischen Läsion auch unter Hinweis auf multiple Distorsionstraumata in den Jahren 1979, 1999 und 1994 als erbracht ansah. Prof Dr. S. führte die multiplen Beschwerden des Klägers auf die multiplen Schädel-Hirn-Traumata und Kontusionen des Klägers bei Verdacht auf postkontusionelle Porenzephalie, vorwiegend im Kleinhirn zurück. Durch die endokrinologische Erkrankung des Prolaktinoms seien sie nicht erklärbar.
Auf Veranlassung der Beklagten nahm Dr. F., Arzt für Neurologie und Psychiatrie am 02.03.2007 dazu Stellung. Dieser führte aus, dass die Voraussetzung für die geltend gemachte Hirnschädigung, nämlich eine massive Peitschenschlagverletzung der Halswirbelsäule mit völligem vorübergehenden Verschluss der Vertebralis- oder Basilarisversorgung des Gehirns, beim Kläger mit einem Kontaktrauma des Schädels nicht vorgelegen habe. Zudem sei es bei dem Unfall nicht zu einer relevanten Hirnmitbeteiligung gekommen. Von daher erschließe sich nicht, wie bei multilokulären Läsionen eindeutig von einer traumatischen Verursachung ausgegangen werden könne. Wenn tatsächlich eine ischämische Läsion im Pons- und Kleinhirngebiet vorgelegen hätte, müsse in der Anfangsphase eine massive neurologischen Symptomatik und eine massive Bewusstseinstrübung vorhanden gewesen sein, was aber eindeutig nicht dokumentiert sei. Darüber hinaus sei beim Kläger eine beginnende cerebrale Mikroangiopathie (Erkrankungen der kleinen Hirngefäße) beschrieben worden. Soweit eine anteriore ischämische Optikusneuropathie diskutiert werde, deute dies auf einen unfallfremden Gefäßprozess hin. Mit der geltend gemachten Pons-Läsion habe sie nichts zu tun. Das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom bei massiven anderen unfallfremden Erkrankungen auf den Unfall zurückzuführen, sei abenteuerlich. Neue Erkenntnisse im Hinblick auf einen Unfallzusammenhang seien damit nicht vorhanden.
Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.06.2007 die Rücknahme des Bescheides vom 09.10.2000 und die Gewährung weiterer Leistungen ab. Das Widerspruchsverfahren, in dessen Verlauf der Kläger noch den MRT-Befund von Prof. Dr. B. vom 22.06.2007 (kleinste Läsionen im Marklager, pontin und cerebellär wie bekannt) sowie einen Befundbericht von Dr. O., Facharzt für Neurologie vom 23.01.2007 vorlegte, war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11.12.2007).
Dagegen hat der Kläger am 28.12.2007 Klage zum SG erhoben (S 9 U 6655/07) und vertiefend vorgetragen, dass bei ihm durch CT-Untersuchungen im November 2006 umfangreiche Kopf- und Hirnschädigungen nachgewiesen worden seien, die für seine Schwerbehinderung und schwerste Abstriche in der Lebensqualität verantwortlich seien und die von den vorigen Gutachtern schlichtweg übersehen worden seien.
Mit Beschluss vom 24.06.2008 hat das SG das Ruhen des Verfahrens angeordnet, das der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 23.10.2009 wieder angerufen hat (S 17 U 5431/09). Den Kostenvorschuss für die beabsichtigte Begutachtung durch Dr. M. gem. § 109 SGG hat der Kläger trotz Fristverlängerung bis 15.08.2010 nicht eingezahlt und einen anderen Arzt, nach Abstandnahme von Dr. M., nicht benannt.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.09.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass keine weiteren Gesundheitsstörungen als Unfallfolge festgestellt werden könnten. Gestützt auf die Stellungnahme von Dr. F., die aus der Zusammenschau des Unfallhergangs, der aktenkundigen Befunde und der als Sachverständigenbeweis verwerteten Gutachten von Dr. von S. und Dr. B. überzeugend sei, könne der von Prof. Dr. B. radiologisch diagnostizierte Defekt am Kleinhirn nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als Folge des Arbeitsunfalls vom 29.10.1998 angesehen werden. Nach den Ausführungen von Dr. F. bedürfe es für die Annahme einer posttraumatischen Hirnläsion einer massiven Einwirkung auf die Halswirbelsäule mit initial erheblicher neurologischer Symptomatik und Bewusstseinsstörungen. Nach dem Gutachten des Dr. von S. sei es zu einer strukturellen Schädigung im Bereich der Halswirbelsäule nicht gekommen. Dr. B. habe sich ausführlich mit den anamnestischen Angaben zum Unfallhergang und den unmittelbar nach dem Unfall erstellten Befundunterlagen auseinandergesetzt und dabei festgestellt, dass ein Schädel-Hirn-Trauma im Sinne einer Commotio cerebri mit entsprechendem Bewusstseinsverlust nicht nachgewiesen werden könne. Damit fehle es an einer zeitnah aufgetretenen schwerwiegenden neurologischen Symptomatik und damit an einer entscheidenden Voraussetzung für die Annahme einer traumatischen Hirnschädigung. Vor diesem Hintergrund vermochte das SG der abweichenden Beurteilung von Dr. B. weiterhin nicht zu folgen. Dr. B. stütze sich im Wesentlichen auf den radiologischen Befundbericht von Prof. Dr. B. vom 22.11.2006, wonach beim Kläger ein posttraumatischer - also unfallbedingter - Kleinhirndefekt bestehe, der von Dr. B. in einen Zusammenhang mit dem 1998 erlittenen Unfall gebracht werde. Das SG habe bereits gewisse Zweifel, ob der radiologisch sichtbare Kleinhirndefekt überhaupt als posttraumatisch angesehen werden könne, nachdem ein Schädel-Hirn-Trauma gar nicht nachgewiesen sei und Prof. Dr. B. die entsprechenden Informationen nicht zur Verfügung standen. Entscheidend sei jedoch, dass der posttraumatische Defekt, wenn er denn einer sei, nach dem medizinischen Beweisergebnis mangels adäquatem Trauma nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 29.10.1998 zurückgeführt werden könne. Zudem spreche einiges dafür, dass sich die geltend gemachten Beschwerden selbst bei Annahme einer Unfallkausalität nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich gerade auf den Hirnschaden als Primärverletzung zurückführen ließen. Dr. B. habe in seinen Befundberichten ausdrücklich herausgestellt, dass er nicht sagen könne, welche der geltend gemachten Beschwerden auf den Kleinhirndefekt zurückzuführen sind und welche eher auf die schwerwiegenden unfallunabhängigen Erkrankungen. Im Übrigen sei völlig unklar, weshalb der Kleihirndefekt gerade dem Unfall vom 29.10.1998 zugeordnet werden solle, nachdem Dr. B. ausdrücklich auf verschiedene Distorsions-Traumata vor 1998 hingewiesen habe.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 06.09.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 04.10.2010 schriftlich beim SG Berufung eingelegt und vorgetragen, dass das SG zu Unrecht auf das "Gutachten" des Dr. F. abstelle. Hierbei handele es sich um ein Ferngutachten. Außerdem habe beim Kläger eine Peitschenschlagverletzung mit anschließender Bewusstlosigkeit vorgelegen. Weiterhin seien die Gutachten von Dres. von S. und B. sowohl im tatsächlichen als auch im medizinischen Bereich völlig unzutreffend. Unverständlich sei, wie das SG die gesicherten Diagnosen der posttraumatischen Defekte im Kleinhirn habe in Zweifel ziehen können. Auch müsse die Diagnose auf den streitgegenständlichen Unfall bezogen werden, da der Kläger vorher zwar Unfälle mit erheblichen Beschwerden erlitten habe, die schwerste Verletzung aber bei dem Unfall am 29.10.1998 erlitten habe. Im Übrigen sei sowohl im L.-Krankenhaus als auch durch Dr. B. die commotio cerebri eindeutig festgestellt worden. Dem Gutachten von Dr. H. könne nicht gefolgt werden, weil ihm CT-Bilder nicht zur Verfügung gestanden hätten und er wesentliche Verletzungen übersehen habe. Dr. B. sei von einem völlig falschen Unfallsachverhalt ausgegangen. Der Kläger sei in Folge der schädigenden Unfallereignisse schwerst verletzt worden.
Der Kläger beantragt (sachdienlich ausgelegt),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 2. September 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheids vom 9. Oktober 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Mai 2001 Heilbehandlung über den 28. Januar 1999 hinaus und Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (4 Bände) und die Prozessakten beider Rechtszüge (S 9 U 6655/07, S 17 U 5431/09, L 2 U 4778/10) sowie auf die beigezogenen Akten des SG (S 9 U 1528/01) und des LSG (L 6 U 143/04, L 6 U 4487/07, L 4 KR 4495/08) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2012 in Abwesenheit des Klägers und seines Bevollmächtigten über den Rechtsstreit entscheiden, da der Klägerbevollmächtigte ordnungsgemäß mit Empfangsbekenntnis vom 19.03.2012 zum Termin geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass auch im Falle des Ausbleibens des Klägers bzw. seines Bevollmächtigten Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann. Der Klägerbevollmächtigte hatte im Übrigen unmittelbar vor der Sitzung mitgeteilt, dass von Klägerseite niemand erscheinen werde. Soweit der Kläger in dem Zusammenhang am Abend des 15.05.2012 per Fax (laut Sendebericht 23:57 Uhr) bzw. am Morgen des 16.05.2012 nochmals telefonisch um 8:55 Uhr (siehe VerM. Bl. 155 Rückseite Senatsakte) die Verlegung des Termins mit der Begründung beantragte, der in der Tagesordnung vorgesehene Zeitrahmen von 30 min für die Streitsache sei für den Kläger und den von ihm beabsichtigten Sachvortrag viel zu kurz, war dem nicht stattzugeben. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebietet (nur), dass den Beteiligten Gelegenheit gegeben werden muss, sich zu den rechtserheblichen Tatsachen zu äußern und die nach ihrer Meinung entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen (BVerwG Urteil vom 18.10.1983 – 9 C 127/83 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 140 = juris Rn. 12; BSG Beschluss vom 28.08.1991 – 7 BAr 50/91 – SozR 3-1500 § 160a Nr. 4 = juris Rn. 4; BSG Urteil vom 22.08.2000 – B 2 U 15/00 R – SozR 3-1500 § 128 Nr. 14 = juris Rn. 13; BSG Urteil vom 11.12.2002 – B 6 KA 8/02 R – juris Rn. 23; Cúrkovic´ in Hennig SGG, § 62 Rn. 11). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs besagt allerdings nicht, dass die Beteiligten alles vortragen können, was sie selbst für wichtig halten, sondern dass das Gericht nur Tatsachen und Beweisergebnisse verwerten darf, zu denen die Beteiligten sich äußern können (Littmann in Lüdtke SGG 3. Auflage 2008, § 62 Rn. 4). D.h. mit anderen Worten, dass der hier für den Vortrag des Klägers zunächst vorgesehene Zeitrahmen von 15-20 min innerhalb der mündlichen Verhandlung durchaus ausreichend und angemessen ist (siehe etwa BVerwG Beschluss vom 22.09.1961 – VIII B 61/61 – NJW 1962, 124), vor allem vor dem Hintergrund, dass im Einzelfall durchaus auch die Möglichkeit besteht 10-15 min zu überziehen und zum anderen der Kläger persönlich bereits schriftlich ausführlichst (allein im Berufungsverfahren mit 51 handschriftlichen Seiten) und der Bevollmächtigte insbesondere zu den hier letztlich entscheidungserheblichen Punkten, Geschehensablauf und Frage einer Hirnschädigung anlässlich des hier streitigen Unfallereignisses, detailliert schriftsätzlich vorgetragen haben, und damit dieser Vortrag schon dem Senat zur Kenntnis gebracht worden ist. Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet insbesondere nicht das Recht, die gesamte Leidensgeschichte des Klägers einschließlich der von ihm angenommenen ärztlichen Fehlbehandlungen in den folgenden Jahren, die für die hier allein rechtserhebliche Tatsache, ob es am Unfalltag zu einer Hirnschädigung gekommen ist, überhaupt keine Bedeutung haben, zeitlich unbeschränkt vortragen zu dürfen (nach den Vorstellungen des Klägers wohl in einem Umfang von eineinhalb oder gar zwei Stunden). Es kann vielmehr im Rahmen auch der Gleichbehandlung und eines fairen Verfahrens von allen Beteiligten erwartet werden, dass sie ihr Rederecht in der mündlichen Verhandlung als Ausdruck des Anspruches auf rechtliches Gehör auf die rechtserheblichen Tatsachen beschränken. Rechtserheblich ist hier aber allein - wie bereits oben angesprochen - die Frage, ob es am Unfalltag, dem 29.10.1998, neben den festgestellten Unfallfolgen auch zu einer Hirnschädigung gekommen ist. Allein entscheidend ist, ob auf der Grundlage der am Unfalltag bzw. danach erhobenen Befunde eine Hirnschädigung festgestellt werden kann oder nicht. Weshalb dem Kläger es nicht möglich sein sollte innerhalb von 15-20 min zu den vorliegenden ärztlichen Befundberichten vom Unfalltag sowie zum Geschehen aus seiner Sicht vorzutragen, kann der Senat nicht erkennen. Zumal außerdem jederzeit in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit bestanden hätte, sofern tatsächlich ein deutlich höherer Zeitbedarf für den Sachvortrag bzw. die Verhandlung notwendig geworden wäre, die Sitzung (ggffls. auch auf Antrag des anwaltlich vertretenden Klägers) zu vertagen. Zu keinem anderen Ergebnis führen im Übrigen die vom Klägerbevollmächtigten angeführten Entscheidungen des BSG (Beschluss vom 02.04.2009 – B 2 U 281/08 B – juris Rn. 6) sowie des LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 27.01.2011 – L 8 AL 322/10 – juris Rn. 19, 20). Denn beide Entscheidungen betreffen so genannte "Überraschungsentscheidungen", also Entscheidungen der Gerichte, bei denen im Gegensatz zu vorangegangenen Äußerungen des Gerichts zu Sach- und/oder Rechtsfragen auf der Grundlage einer (neuen) Sach- und/oder Rechtslage entschieden worden war, ohne dass die Beteiligten hierauf zuvor hingewiesen worden waren und ihnen Gelegenheit gegeben worden war hierzu Stellung zu nehmen. Dies ist hier aber gerade nicht der Fall. Die hier entscheidungserhebliche Tatsache, nämlich ob der Kläger bei dem Unfallereignis am 29.10.1998 auch eine Hirnschädigung davongetragen hat, war schon im Verwaltungsverfahren wie auch im SG- als auch im Berufungsverfahren umfänglich Gegenstand des Sachvortrages sowohl des Klägers als auch seines Bevollmächtigten als auch der Beklagten.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen des § 44 SGB X für eine Aufhebung des Bescheids vom 25.06.2007 liegen nicht vor, da dieser Bescheid rechtmäßig ist.
Die Beklagte ist durch Fusion zum 01.01.2010 Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Beklagten Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen geworden und daher passiv legitimiert.
Statthafte Klageart ist auch im Zugunstenverfahren die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG).ist. Der Kläger führt seine immer zahlreicher werdenden gesundheitlichen Beschwerden, wie Verlust des vegetativen Nervensystems, verschobene Schmerzschwelle, Schwindel, Hypertonie, Atemstillstände, Herz-Rhytmusstörungen, Wirbelbruch 7. Wirbel und mehrfache Bänderrisse (vgl. Bl. 85 LSG) allesamt auf den Unfall vom 29.10.1998 zurück und begehrt Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Ausgehend hiervon würde der Kläger ein unzulässiges Grundurteil anstreben ohne einen hinsichtlich der Versicherungsleistungen vollstreckbaren Inhalt (BSG, Urteil v. 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R über juris Rn. 13). Bei verständiger Würdigung seines Anliegens begehrt der Kläger Heilbehandlung und Verletztenrente. Beide Leistungen setzten voraus, dass über den 28.01.1999 hinaus noch Unfallfolgen vorliegen. Dies ist indes nicht der Fall. Der Bescheid der Beklagten vom 09.10.2000, dessen Rücknahme der Kläger begehrt, war nicht rechtswidrig, die Beklagte ist nicht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen.
Ausgangspunkt der Prüfung ist § 44 SGB X. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Bestimmung ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte (vgl. BSG v. 05.09.2006 – B 2 U 24/05 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
Die Ablehnung der Rücknahme des Bescheids vom 09.10.2000 im Bescheid vom 25.06.2007 ist rechtmäßig, da zur Überzeugung des Senats über den 28.01.1999 Folgen des Arbeitsunfalls vom 29.10.1998 nicht mehr vorlagen und weder Heilbehandlung noch Verletztenrente von der Beklagten - mehr - zu erbringen waren.
Der Kläger hat am 29.10.1998 einen von der Beklagten mit Bescheid vom 09.10.2000 inzident anerkannten Arbeitsunfall - Wegeunfall - erlitten. Dabei hat er sich als Verletzungen zugezogen: eine Distorsion der HWS, Prellungen der Handgelenke und der Stirn. Hierdurch war Arbeitsunfähigkeit lediglich bis 04.11.1998 ( 6 Tage) bedingt. Weitere Gesundheitsstörungen sind nicht rechtlich wesentlich auf den Unfall 1998 zurückzuführen. Neue Erkenntnisse ergeben sich hierzu aus den vom Kläger vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht.
Ob und ggf. welche der darüber hinaus behandlungsbedürftigen Beschwerden des Klägers rechtlich wesentlich auf den Unfall zurückzuführen sind, beurteilt sich nach der im Unfallrecht herrschenden Theorie der wesentlichen Bedingung. Die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung erfolgt vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl. BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier der §§ 45, 56 SGB VII - zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.; SozR 2200 § 589 Nr. 96). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen oder besonderen Problemen in der anschließenden Heilbehandlung, ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne weiteres zu unterstellen ist (vgl. insgesamt zum Vorstehenden BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R -, jeweils m. w. H.).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Es gibt aber im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSG Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 34/03 R; zu Berufskrankheiten vgl. § 9 Abs. 3 SGB VII). Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.).
Ausgehend davon hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Das SG hat sich bei der Prüfung des § 44 SGB X mit den vom Kläger vorgelegten Befundberichten und Attesten und dem gesamten Akteninhalt eingehend auseinandergesetzt und dargelegt, dass nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass der radiologisch von Prof. Dr. B. diagnostizierte Defekt am Kleinhirn eine Folge des Unfalls vom 29.10.1998 ist. Darüber hinaus ist nicht geklärt, ob die vom Kläger geklagten zahlreichen Beschwerden überhaupt auf diesen Defekt zurückzuführen sind. Der Senat nimmt hierauf Bezug, sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend wird ausgeführt, dass auch das Vorbringen in der Berufungsinstanz den Senat nicht davon überzeugt, dass über 28.01.1999 hinaus noch Unfallfolgen vorliegen.
Dagegen spricht zum einen der zeitliche Zusammenhang. Beim Kläger wurden erstmals im Jahre 2006 - somit 8 Jahre nach dem streitgegenständlichen Unfall - durch MRT-Untersuchungen Defekte in der hinteren Schädelgrube zur Darstellung gebracht, nachdem zeitnah zum Unfall neurologische Ausfälle nicht vorhanden waren und kein Anlass zu weiterer Abklärung bestand. Entgegen der Schilderung des Prozessbevollmächtigten des Klägers handelt es sich nicht um eine schwere Hirnstammschädigung, sondern um kleinste Veränderungen im Pons und etwas stärker im Kleinhirnbereich.
Auch wenn Prof. Dr. B. diese als posttraumatisch bezeichnet und Prof. Dr. S. sogar die Beschwerden des Klägers auf multiple Schädel-Hirn-Traumata und den Defekt im Kleinhirnbereich zurückführt, ist damit die hinreichende Kausalität zum Unfall vom 29.10.1998 nicht belegt und bietet auch nicht Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen. Beide Ärzte legen ihrer Bewertung bezogen auf den streitgegenständlichen Unfall nämlich falsche Voraussetzungen zugrunde, indem sie von multiplen Schädel-Hirn-Traumata ausgehen. Ein solches liegt jedoch zumindest für den Unfall 1998 eindeutig nicht vor. Dem Befundbericht des Prof. Dr. B. vom 22.11.2006 ist zu entnehmen, dass er sich für die Annahme eines Zustands nach Schädelhirntrauma allein auf die klinischen Angaben des Klägers stützt. Von welchem Unfallhergang bei objektiver Betrachtung auszugehen ist und welche für die Annahme eines Schädel-Hirn-Traumas wesentlichen Erstbefunde erhoben worden sind, ist Prof. Dr. B. offensichtlich nicht bekannt. Ausgehend von den dokumentierten Erhebungen hat jedoch eindeutig bei dem Unfall 1998 kein Schädel-Hirn-Trauma stattgefunden. Entgegen der Meinung des Klägers wurde im L.-Krankenhaus bei der Erstbehandlung festgehalten, dass kein Hinweis für Gehirnerschütterung vorgelegen hat. Ein Schädel-Hirn-Trauma ist damit gerade nicht belegt. Wenn der Kläger mittlerweile den Sachverhalt anders schildert, ist dies möglicherweise dem Umstand geschuldet, dass er verzweifelt eine Erklärung für seine vielfältigsten Beschwerden sucht, worauf der behandelnde Neurologe Dr. O. in seinem Befundbericht vom 23.01.2007 hingewiesen hat. Auch er geht auf Grund der ausführlichen Unfallschilderung des Klägers im Januar 2007, bei dem sogar ein achtmaliger Whiplash der HWS - wobei der Kläger maximal 2 mal vor- und zurückgeschleudert sein kann - und Bewusstlosigkeit für Sekundenbruchteile geschildert wurde, davon aus, dass sichere fokal-neurologische Defizite damit nicht genannt wurden. Zu erwarten gewesen wäre in der Initialphase eine massive neurologische Symptomatik und eine massive Bewusstseinstrübung, die aber auch vom Kläger nicht beschrieben werden und erst recht nicht dokumentiert sind. Im Übrigen zeigt die anmanestische Erhebung dort, dass der Kläger selbst fälschlich von der Diagnose einer schweren Gehirnerschütterung im L.-Krankenhaus berichtet. Damit gehen sowohl Prof. Dr. B. als auch Prof. Dr. S. von falschen Voraussetzungen aus, wenn sie den Kleinhirndefekt - im Übrigen als Röntgenologe und Endokrinologe beide auch fachfremd - als posttraumatisch bezeichnen; zumindest kann dies nicht auf den Unfall aus dem Jahre 1998 bezogen sein. Von daher überzeugt auch den Senat die darauf gestützte Aussage des Dr. B. nicht. Dr. O. geht im Übrigen als Ursache für die Beschwerden von verschiedenen zentral-nervösen Erkrankungen/Schädigungen aus.
Zudem ist mehr als fraglich, ob die multiplen Beschwerden überhaupt durch den geringen Kleinhirndefekt erklärt werden. Zwar sieht Prof. Dr. S. einen unmittelbaren Zusammenhang. Seine Bewertung stellt jedoch nur einen Umkehrschluss dar. Da die endokrinologische Erkrankung des Prolaktinoms sicherlich nicht das Beschwerdebild des Klägers bedingt, werden die multiplen Beschwerden auf die mitgeteilten multiplen Schädel-Hirn-Traumata und Kontusionen bei Verdacht auf postkontusionelle Porenzephalie zurückgeführt. Jedoch hat auch Dr. B in seinem Attest vom 25.04.2007 darauf hingewiesen, dass letztlich unklar ist, was die Beschwerden verursacht.
Gegen einen rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit dem Unfall aus dem Jahr 1998 spricht auch ein multilokulärer Defekt, worauf zutreffend Dr. F. in seiner Stellungnahme vom 02.03.2007 hingewiesen hat. Zudem ist unklar - worauf bereits das SG hingewiesen hat - wieso die angeschuldigte Hirnschädigung auf den Unfall aus dem Jahre 1998 zurückgeführt werden soll, nachdem der Kläger vortragen lässt, bereits nach dem Unfall 1990 erheblichste Beschwerden gehabt zu haben.
Nach all dem ist nicht erwiesen, dass die Beklagte beim Erlass des Bescheids vom 09.10.2000 von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) streitig, ob die bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen beim Kläger Folgen des Unfalls vom 29.10.1998 sind und ihm deswegen weitere Entschädigungsleistungen über den 28.01.1999 hinaus zustehen.
Der 1941 geborene Kläger hatte bereits vor dem streitgegenständlichen Unfall mehrere Unfälle erlitten, u. a. im Jahr 1990 einen Wegeunfall mit Beteiligung der Halswirbelsäule (HWS). Am 29.10.1998 verunglückte er auf dem Heimweg von seiner Arbeit, als er vermutlich zunächst leicht auf den vor ihm bremsenden PKW auffuhr und sodann - was er im Rückspiegel beobachtete - von hinten ein nachfolgender PKW auf sein Heck fuhr, wodurch er ggf. nochmals auf den vorderen Wagen aufgeschoben wurde. Bei der Erstbehandlung im L.-krankenhaus wurde eine Distorsion der Hals- und Lendenwirbelsäule, multiple Prellungen und Verstauchungen beider Handgelenke und Hände diagnostiziert ohne Frakturzeichen. Die Bewegungseinschränkung des Kopfes war ohne neurologische Ausfälle, es bestand kein Hinweis für Gehirnerschütterung (Durchgangsarztbericht Prof. Dr. K., L.-krankenhaus F. vom 30.10.1998, Bl. 1 VA). Arbeitsunfähigkeit wurde bis 04.11.1998 attestiert (Bl. 37 VA).
Mit Schreiben vom 10.01.2000 machte der Kläger gegenüber der Beklagten (damals noch Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen, mittlerweile Berufsgenossenschaft für Verkehr und Transportwirtschaft) als Unfallfolgen Augenbeschwerden nach Quetschung des Sehnervs sowie Gelenk- und HWS-Schmerzen geltend. Hierauf ermittelte die Beklagte durch Beiziehung des Vorerkrankungsverzeichnisses der Krankenkasse und der Akten des Amts für öffentliche Ordnung der Stadt F. über das Unfallgeschehen sowie der Akten des Rentenversicherungsträgers mit Rehabericht. Weiter wurden der behandelnde Arzt für Allgemeinmedizin Dr. N. und der Augenarzt Dr. F. (unfallunabhängige Durchblutungsminderung des Sehnervs) befragt. Prof. Dr. H. erstattete am 30.06.2000 das orthopädische Gutachten im Auftrag der Beklagten, in dem er ausführte, dass der Kläger sich bei dem Unfall wahrscheinlich eine Distorsion der HWS und möglicherweise Zerrungen und/oder Stauchungen der Handgelenke und der Schulter zugezogen sowie eine Prellung der Stirn erlitten habe. Er diagnostizierte bezogen auf den Unfall eine anamnestisch folgenlos verheilte Distorsion der HWS. Auf den Unfall zurückzuführende oder durch den Unfall wesentlich verschlimmerte Gesundheitsstörungen lägen nicht - mehr - vor. Möglich sei allenfalls, dass sich die vorbestehenden Kopf- und Nackenschmerzen vorübergehend verschlimmert hätten. Jedenfalls für die Zeit ab 01.02.1999 sei nicht von einer messbaren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auszugehen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 09.10.2000 die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gem. § 29 SGB VII über den 28.01.1999 hinaus ab, weil Unfallfolgen nicht mehr vorlägen und die geklagten Beschwerden auf unfallunabhängige Veränderungen zurückzuführen seien (Bl. 180 VA). Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17.05.2001, Bl. 209 VA).
Im dagegen vor dem Sozialgericht Freiburg (SG - S 9 U 1528/01 -) geführten Rechtsstreit begehrte der Kläger weitere Entschädigungsleistungen und machte als Unfallfolgen geltend: Verlust der Fähigkeit des räumlichen Sehens, Beschwerden in Schultern, Armen und Händen sowie Kopfschmerzen. Das SG befragte die behandelnden Ärzte Dr. M., Dr. N. (Allgemeinarzt), Dr. K. (Chirurg), Dr. H. (Orthopäde), Dr. R. (Chirurg/Unfallchirurg), Prof. Dr. G.-R. (Augenarzt) und Dr. B. (Orthopäde) schriftlich als sachverständige Zeugen und zog Vorerkrankungsverzeichnisse sowie die Akten des Amtsgerichts Freiburg im Schadensersatzprozess (10 C 380/99 C./G., A. Versicherungs-AG) bei. Dr. B. bestätigte den geltend gemachten Unfallzusammenhang als einziger, während die übrigen Ärzte einen solchen im Hinblick auf die von ihnen behandelten Beschwerden überwiegend ablehnten bzw. sich einer Kausalitätsbeurteilung enthielten.
Das SG holte das orthopädische Gutachten des Dr. von S., Oberarzt der Abteilung Orthopädie/Traumatologie II im Krankenhaus K.-L., vom 27.06.2003 mit neurologischem Zusatzgutachten des Dr. B., Arzt für Neurologie und Psychiatrie vom 07.07.2003 ein. Dr. von S. stellte keine Unfallfolgen fest. Er diagnostizierte im Wesentlichen ein degeneratives HWS-Syndrom C3 bis C7 mit Bandscheibenprotrusionen und intermittierender Wurzelreizsymptomatik und Nackenhinterkopfkopfschmerzen sowie relative Laxizität der Ligamenta alaria im Bereich der Kopfgelenke mit intermittierender Rotationsfehlstellung. Diese Erkrankungen seien nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 29.10.1998 zurückzuführen. Eine strukturelle Schädigung sei bei den zahlreichen Untersuchungen nicht festgestellt worden. Die degenerativen Veränderungen seien bereits auf den Unfallaufnahmen eindeutig erkennbar gewesen und seien durch den Unfall nicht richtungweisend verschlimmert worden. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei für sechs bis acht Wochen anzunehmen. Eine überdauernde Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bestehe nicht. Im Zusatzgutachten führte Dr. B. u. a. aus, dass auf neurologischem Fachgebiet keine unfallbedingten Gesundheitsstörungen bestünden. Angesichts der detaillierten Unfallschilderung durch den Kläger ohne relevante Erinnerungslücke sei insbesondere kein Schädel-Hirn-Trauma (Commotio cerebri) nachgewiesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.11.2003 wies das SG gestützt auf die Gutachten die Klage ab.
Im dagegen vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) geführten Berufungsverfahren (L 6 U 143/04) verwies der Prozessbevollmächtigte des Klägers erneut auf die Notwendigkeit zur Einholung eines biomechanischen Gutachtens. Nicht nur Dr. B., sondern auch Prof. Dr. K., Centre de Traumatolgie et d’Orthopedie, I. im E., habe eine gegenüber den Gutachtern abweichende Auffassung vertreten (Befundbericht vom 08.04.2002, Bl. 345 VA: Protrusion C3/C4 posttraumatisch zu erklären), der zu folgen sei. Er führte zahlreiche weitere Gesundheitsstörungen bis hin zu einem Hypophysentumor auf den Unfall zurück.
Das LSG hat nach § 109 SGG das Gutachten von Dr. N., Arzt für Allgemein und Sportmedizin, H. a.N. eingeholt. In seinem Gutachten vom 19.10.2005 hat er sich im Ergebnis den Gutachtern Prof. Dr. H. und Dr. B. angeschlossen. Eine commotio cerebri habe sicher nicht vorgelegen. Von einem biomechanischem Gutachten sei kein weiterer Erkenntnisgewinn zu erwarten. Die HWS-Beschwerden seien eindeutig degenerativ bedingt. Die im Übrigen schon vor dem Unfall bestehenden Augenbeschwerden seien nicht auf ein stumpfes Aufpralltrauma zurückzuführen.
Mit Urteil vom 06.04.2006 hat das LSG die Berufung unter Bezugnahme auf das Urteil des SG zurückgewiesen und im Übrigen ausgeführt, dass auch der vom Kläger benannte Sachverständige Dr. N. keinen Zusammenhang der geschilderten Beschwerden und tatsächlichen Erkrankungen mit dem Unfallereignis gesehen habe, vielmehr in wünschenswerter Deutlichkeit darauf hingewiesen habe, dass der Kläger zwar ernstlich krank sei, die Ursache hierfür jedoch nicht im Unfall zu suchen sei. Nachdem schon objektiv keine Unfallfolgen unter medizinischen Gesichtspunkten vorhanden seien, könne der genaue Unfallhergang offen bleiben und sei damit die Einholung eines biomechanischen Gutachtens nicht erforderlich. Nachdem sich der Befund in bildgebenden Verfahren an der HWS gegenüber dem Zustand vor dem Unfall nicht wesentlich verändert habe, sei schlicht nicht nachvollziehbar, wie die behauptete Verschlimmerung von Statten gegangen sein oder die behauptete Verursachung nachgewiesen werden solle. Einen Zusammenhang der Erkrankungen am Auge mit dem Unfall habe kein Arzt bestätigt, vielmehr übereinstimmend verneint. Auch der Hypophysentumor könne nicht auf den Unfall zurückgeführt werden, weil ein die Hypophyse schädigendes Ereignis nicht zu einer Hormonüberproduktion wie beim Kläger führen könne.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat das Bundessozialgericht (BSG) durch Beschluss vom 09.08.2006 als unzulässig verworfen (B 2 U 151/06 B).
Mit Schreiben vom 22.12.2006 machte der Kläger über seinen Bevollmächtigten gegenüber der Beklagten weitere Leistungsansprüche geltend. Mittlerweile sei gesichert, dass der Kläger einen posttraumatischen Defekt am Kleinhirn erlitten habe und die Atembeschwerden Auswirkung des posttraumatischen Verletzungsbildes seien. Hierzu legte er Atteste des Orthopäden Dr. B. vom 06.12.2006, 04.04.2007 und 25.04.2007 sowie einen MRT-Befund von Prof. Dr. B., Institut für Radiologie und Nuklearmedizin F., vom 22.11.2006 und einen Befundbericht von Prof. Dr. S., Endokrinologie/Diabetologie des Universitätsklinikums F., vom 29.03.2007 vor. Prof. Dr. B. berichtete von unverändert kleinen liquorintensen posttraumatischen Defekten im Pons sowie deutlicher in der linken Kleinhirnhemisphäre bei klinisch angegebenem Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma, woraus Dr. B. den Nachweis einer traumatischen Läsion auch unter Hinweis auf multiple Distorsionstraumata in den Jahren 1979, 1999 und 1994 als erbracht ansah. Prof Dr. S. führte die multiplen Beschwerden des Klägers auf die multiplen Schädel-Hirn-Traumata und Kontusionen des Klägers bei Verdacht auf postkontusionelle Porenzephalie, vorwiegend im Kleinhirn zurück. Durch die endokrinologische Erkrankung des Prolaktinoms seien sie nicht erklärbar.
Auf Veranlassung der Beklagten nahm Dr. F., Arzt für Neurologie und Psychiatrie am 02.03.2007 dazu Stellung. Dieser führte aus, dass die Voraussetzung für die geltend gemachte Hirnschädigung, nämlich eine massive Peitschenschlagverletzung der Halswirbelsäule mit völligem vorübergehenden Verschluss der Vertebralis- oder Basilarisversorgung des Gehirns, beim Kläger mit einem Kontaktrauma des Schädels nicht vorgelegen habe. Zudem sei es bei dem Unfall nicht zu einer relevanten Hirnmitbeteiligung gekommen. Von daher erschließe sich nicht, wie bei multilokulären Läsionen eindeutig von einer traumatischen Verursachung ausgegangen werden könne. Wenn tatsächlich eine ischämische Läsion im Pons- und Kleinhirngebiet vorgelegen hätte, müsse in der Anfangsphase eine massive neurologischen Symptomatik und eine massive Bewusstseinstrübung vorhanden gewesen sein, was aber eindeutig nicht dokumentiert sei. Darüber hinaus sei beim Kläger eine beginnende cerebrale Mikroangiopathie (Erkrankungen der kleinen Hirngefäße) beschrieben worden. Soweit eine anteriore ischämische Optikusneuropathie diskutiert werde, deute dies auf einen unfallfremden Gefäßprozess hin. Mit der geltend gemachten Pons-Läsion habe sie nichts zu tun. Das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom bei massiven anderen unfallfremden Erkrankungen auf den Unfall zurückzuführen, sei abenteuerlich. Neue Erkenntnisse im Hinblick auf einen Unfallzusammenhang seien damit nicht vorhanden.
Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.06.2007 die Rücknahme des Bescheides vom 09.10.2000 und die Gewährung weiterer Leistungen ab. Das Widerspruchsverfahren, in dessen Verlauf der Kläger noch den MRT-Befund von Prof. Dr. B. vom 22.06.2007 (kleinste Läsionen im Marklager, pontin und cerebellär wie bekannt) sowie einen Befundbericht von Dr. O., Facharzt für Neurologie vom 23.01.2007 vorlegte, war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11.12.2007).
Dagegen hat der Kläger am 28.12.2007 Klage zum SG erhoben (S 9 U 6655/07) und vertiefend vorgetragen, dass bei ihm durch CT-Untersuchungen im November 2006 umfangreiche Kopf- und Hirnschädigungen nachgewiesen worden seien, die für seine Schwerbehinderung und schwerste Abstriche in der Lebensqualität verantwortlich seien und die von den vorigen Gutachtern schlichtweg übersehen worden seien.
Mit Beschluss vom 24.06.2008 hat das SG das Ruhen des Verfahrens angeordnet, das der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 23.10.2009 wieder angerufen hat (S 17 U 5431/09). Den Kostenvorschuss für die beabsichtigte Begutachtung durch Dr. M. gem. § 109 SGG hat der Kläger trotz Fristverlängerung bis 15.08.2010 nicht eingezahlt und einen anderen Arzt, nach Abstandnahme von Dr. M., nicht benannt.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.09.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass keine weiteren Gesundheitsstörungen als Unfallfolge festgestellt werden könnten. Gestützt auf die Stellungnahme von Dr. F., die aus der Zusammenschau des Unfallhergangs, der aktenkundigen Befunde und der als Sachverständigenbeweis verwerteten Gutachten von Dr. von S. und Dr. B. überzeugend sei, könne der von Prof. Dr. B. radiologisch diagnostizierte Defekt am Kleinhirn nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als Folge des Arbeitsunfalls vom 29.10.1998 angesehen werden. Nach den Ausführungen von Dr. F. bedürfe es für die Annahme einer posttraumatischen Hirnläsion einer massiven Einwirkung auf die Halswirbelsäule mit initial erheblicher neurologischer Symptomatik und Bewusstseinsstörungen. Nach dem Gutachten des Dr. von S. sei es zu einer strukturellen Schädigung im Bereich der Halswirbelsäule nicht gekommen. Dr. B. habe sich ausführlich mit den anamnestischen Angaben zum Unfallhergang und den unmittelbar nach dem Unfall erstellten Befundunterlagen auseinandergesetzt und dabei festgestellt, dass ein Schädel-Hirn-Trauma im Sinne einer Commotio cerebri mit entsprechendem Bewusstseinsverlust nicht nachgewiesen werden könne. Damit fehle es an einer zeitnah aufgetretenen schwerwiegenden neurologischen Symptomatik und damit an einer entscheidenden Voraussetzung für die Annahme einer traumatischen Hirnschädigung. Vor diesem Hintergrund vermochte das SG der abweichenden Beurteilung von Dr. B. weiterhin nicht zu folgen. Dr. B. stütze sich im Wesentlichen auf den radiologischen Befundbericht von Prof. Dr. B. vom 22.11.2006, wonach beim Kläger ein posttraumatischer - also unfallbedingter - Kleinhirndefekt bestehe, der von Dr. B. in einen Zusammenhang mit dem 1998 erlittenen Unfall gebracht werde. Das SG habe bereits gewisse Zweifel, ob der radiologisch sichtbare Kleinhirndefekt überhaupt als posttraumatisch angesehen werden könne, nachdem ein Schädel-Hirn-Trauma gar nicht nachgewiesen sei und Prof. Dr. B. die entsprechenden Informationen nicht zur Verfügung standen. Entscheidend sei jedoch, dass der posttraumatische Defekt, wenn er denn einer sei, nach dem medizinischen Beweisergebnis mangels adäquatem Trauma nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 29.10.1998 zurückgeführt werden könne. Zudem spreche einiges dafür, dass sich die geltend gemachten Beschwerden selbst bei Annahme einer Unfallkausalität nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich gerade auf den Hirnschaden als Primärverletzung zurückführen ließen. Dr. B. habe in seinen Befundberichten ausdrücklich herausgestellt, dass er nicht sagen könne, welche der geltend gemachten Beschwerden auf den Kleinhirndefekt zurückzuführen sind und welche eher auf die schwerwiegenden unfallunabhängigen Erkrankungen. Im Übrigen sei völlig unklar, weshalb der Kleihirndefekt gerade dem Unfall vom 29.10.1998 zugeordnet werden solle, nachdem Dr. B. ausdrücklich auf verschiedene Distorsions-Traumata vor 1998 hingewiesen habe.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 06.09.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 04.10.2010 schriftlich beim SG Berufung eingelegt und vorgetragen, dass das SG zu Unrecht auf das "Gutachten" des Dr. F. abstelle. Hierbei handele es sich um ein Ferngutachten. Außerdem habe beim Kläger eine Peitschenschlagverletzung mit anschließender Bewusstlosigkeit vorgelegen. Weiterhin seien die Gutachten von Dres. von S. und B. sowohl im tatsächlichen als auch im medizinischen Bereich völlig unzutreffend. Unverständlich sei, wie das SG die gesicherten Diagnosen der posttraumatischen Defekte im Kleinhirn habe in Zweifel ziehen können. Auch müsse die Diagnose auf den streitgegenständlichen Unfall bezogen werden, da der Kläger vorher zwar Unfälle mit erheblichen Beschwerden erlitten habe, die schwerste Verletzung aber bei dem Unfall am 29.10.1998 erlitten habe. Im Übrigen sei sowohl im L.-Krankenhaus als auch durch Dr. B. die commotio cerebri eindeutig festgestellt worden. Dem Gutachten von Dr. H. könne nicht gefolgt werden, weil ihm CT-Bilder nicht zur Verfügung gestanden hätten und er wesentliche Verletzungen übersehen habe. Dr. B. sei von einem völlig falschen Unfallsachverhalt ausgegangen. Der Kläger sei in Folge der schädigenden Unfallereignisse schwerst verletzt worden.
Der Kläger beantragt (sachdienlich ausgelegt),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 2. September 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheids vom 9. Oktober 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Mai 2001 Heilbehandlung über den 28. Januar 1999 hinaus und Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (4 Bände) und die Prozessakten beider Rechtszüge (S 9 U 6655/07, S 17 U 5431/09, L 2 U 4778/10) sowie auf die beigezogenen Akten des SG (S 9 U 1528/01) und des LSG (L 6 U 143/04, L 6 U 4487/07, L 4 KR 4495/08) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2012 in Abwesenheit des Klägers und seines Bevollmächtigten über den Rechtsstreit entscheiden, da der Klägerbevollmächtigte ordnungsgemäß mit Empfangsbekenntnis vom 19.03.2012 zum Termin geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass auch im Falle des Ausbleibens des Klägers bzw. seines Bevollmächtigten Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann. Der Klägerbevollmächtigte hatte im Übrigen unmittelbar vor der Sitzung mitgeteilt, dass von Klägerseite niemand erscheinen werde. Soweit der Kläger in dem Zusammenhang am Abend des 15.05.2012 per Fax (laut Sendebericht 23:57 Uhr) bzw. am Morgen des 16.05.2012 nochmals telefonisch um 8:55 Uhr (siehe VerM. Bl. 155 Rückseite Senatsakte) die Verlegung des Termins mit der Begründung beantragte, der in der Tagesordnung vorgesehene Zeitrahmen von 30 min für die Streitsache sei für den Kläger und den von ihm beabsichtigten Sachvortrag viel zu kurz, war dem nicht stattzugeben. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebietet (nur), dass den Beteiligten Gelegenheit gegeben werden muss, sich zu den rechtserheblichen Tatsachen zu äußern und die nach ihrer Meinung entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen (BVerwG Urteil vom 18.10.1983 – 9 C 127/83 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 140 = juris Rn. 12; BSG Beschluss vom 28.08.1991 – 7 BAr 50/91 – SozR 3-1500 § 160a Nr. 4 = juris Rn. 4; BSG Urteil vom 22.08.2000 – B 2 U 15/00 R – SozR 3-1500 § 128 Nr. 14 = juris Rn. 13; BSG Urteil vom 11.12.2002 – B 6 KA 8/02 R – juris Rn. 23; Cúrkovic´ in Hennig SGG, § 62 Rn. 11). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs besagt allerdings nicht, dass die Beteiligten alles vortragen können, was sie selbst für wichtig halten, sondern dass das Gericht nur Tatsachen und Beweisergebnisse verwerten darf, zu denen die Beteiligten sich äußern können (Littmann in Lüdtke SGG 3. Auflage 2008, § 62 Rn. 4). D.h. mit anderen Worten, dass der hier für den Vortrag des Klägers zunächst vorgesehene Zeitrahmen von 15-20 min innerhalb der mündlichen Verhandlung durchaus ausreichend und angemessen ist (siehe etwa BVerwG Beschluss vom 22.09.1961 – VIII B 61/61 – NJW 1962, 124), vor allem vor dem Hintergrund, dass im Einzelfall durchaus auch die Möglichkeit besteht 10-15 min zu überziehen und zum anderen der Kläger persönlich bereits schriftlich ausführlichst (allein im Berufungsverfahren mit 51 handschriftlichen Seiten) und der Bevollmächtigte insbesondere zu den hier letztlich entscheidungserheblichen Punkten, Geschehensablauf und Frage einer Hirnschädigung anlässlich des hier streitigen Unfallereignisses, detailliert schriftsätzlich vorgetragen haben, und damit dieser Vortrag schon dem Senat zur Kenntnis gebracht worden ist. Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet insbesondere nicht das Recht, die gesamte Leidensgeschichte des Klägers einschließlich der von ihm angenommenen ärztlichen Fehlbehandlungen in den folgenden Jahren, die für die hier allein rechtserhebliche Tatsache, ob es am Unfalltag zu einer Hirnschädigung gekommen ist, überhaupt keine Bedeutung haben, zeitlich unbeschränkt vortragen zu dürfen (nach den Vorstellungen des Klägers wohl in einem Umfang von eineinhalb oder gar zwei Stunden). Es kann vielmehr im Rahmen auch der Gleichbehandlung und eines fairen Verfahrens von allen Beteiligten erwartet werden, dass sie ihr Rederecht in der mündlichen Verhandlung als Ausdruck des Anspruches auf rechtliches Gehör auf die rechtserheblichen Tatsachen beschränken. Rechtserheblich ist hier aber allein - wie bereits oben angesprochen - die Frage, ob es am Unfalltag, dem 29.10.1998, neben den festgestellten Unfallfolgen auch zu einer Hirnschädigung gekommen ist. Allein entscheidend ist, ob auf der Grundlage der am Unfalltag bzw. danach erhobenen Befunde eine Hirnschädigung festgestellt werden kann oder nicht. Weshalb dem Kläger es nicht möglich sein sollte innerhalb von 15-20 min zu den vorliegenden ärztlichen Befundberichten vom Unfalltag sowie zum Geschehen aus seiner Sicht vorzutragen, kann der Senat nicht erkennen. Zumal außerdem jederzeit in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit bestanden hätte, sofern tatsächlich ein deutlich höherer Zeitbedarf für den Sachvortrag bzw. die Verhandlung notwendig geworden wäre, die Sitzung (ggffls. auch auf Antrag des anwaltlich vertretenden Klägers) zu vertagen. Zu keinem anderen Ergebnis führen im Übrigen die vom Klägerbevollmächtigten angeführten Entscheidungen des BSG (Beschluss vom 02.04.2009 – B 2 U 281/08 B – juris Rn. 6) sowie des LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 27.01.2011 – L 8 AL 322/10 – juris Rn. 19, 20). Denn beide Entscheidungen betreffen so genannte "Überraschungsentscheidungen", also Entscheidungen der Gerichte, bei denen im Gegensatz zu vorangegangenen Äußerungen des Gerichts zu Sach- und/oder Rechtsfragen auf der Grundlage einer (neuen) Sach- und/oder Rechtslage entschieden worden war, ohne dass die Beteiligten hierauf zuvor hingewiesen worden waren und ihnen Gelegenheit gegeben worden war hierzu Stellung zu nehmen. Dies ist hier aber gerade nicht der Fall. Die hier entscheidungserhebliche Tatsache, nämlich ob der Kläger bei dem Unfallereignis am 29.10.1998 auch eine Hirnschädigung davongetragen hat, war schon im Verwaltungsverfahren wie auch im SG- als auch im Berufungsverfahren umfänglich Gegenstand des Sachvortrages sowohl des Klägers als auch seines Bevollmächtigten als auch der Beklagten.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen des § 44 SGB X für eine Aufhebung des Bescheids vom 25.06.2007 liegen nicht vor, da dieser Bescheid rechtmäßig ist.
Die Beklagte ist durch Fusion zum 01.01.2010 Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Beklagten Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen geworden und daher passiv legitimiert.
Statthafte Klageart ist auch im Zugunstenverfahren die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG).ist. Der Kläger führt seine immer zahlreicher werdenden gesundheitlichen Beschwerden, wie Verlust des vegetativen Nervensystems, verschobene Schmerzschwelle, Schwindel, Hypertonie, Atemstillstände, Herz-Rhytmusstörungen, Wirbelbruch 7. Wirbel und mehrfache Bänderrisse (vgl. Bl. 85 LSG) allesamt auf den Unfall vom 29.10.1998 zurück und begehrt Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Ausgehend hiervon würde der Kläger ein unzulässiges Grundurteil anstreben ohne einen hinsichtlich der Versicherungsleistungen vollstreckbaren Inhalt (BSG, Urteil v. 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R über juris Rn. 13). Bei verständiger Würdigung seines Anliegens begehrt der Kläger Heilbehandlung und Verletztenrente. Beide Leistungen setzten voraus, dass über den 28.01.1999 hinaus noch Unfallfolgen vorliegen. Dies ist indes nicht der Fall. Der Bescheid der Beklagten vom 09.10.2000, dessen Rücknahme der Kläger begehrt, war nicht rechtswidrig, die Beklagte ist nicht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen.
Ausgangspunkt der Prüfung ist § 44 SGB X. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Bestimmung ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte (vgl. BSG v. 05.09.2006 – B 2 U 24/05 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
Die Ablehnung der Rücknahme des Bescheids vom 09.10.2000 im Bescheid vom 25.06.2007 ist rechtmäßig, da zur Überzeugung des Senats über den 28.01.1999 Folgen des Arbeitsunfalls vom 29.10.1998 nicht mehr vorlagen und weder Heilbehandlung noch Verletztenrente von der Beklagten - mehr - zu erbringen waren.
Der Kläger hat am 29.10.1998 einen von der Beklagten mit Bescheid vom 09.10.2000 inzident anerkannten Arbeitsunfall - Wegeunfall - erlitten. Dabei hat er sich als Verletzungen zugezogen: eine Distorsion der HWS, Prellungen der Handgelenke und der Stirn. Hierdurch war Arbeitsunfähigkeit lediglich bis 04.11.1998 ( 6 Tage) bedingt. Weitere Gesundheitsstörungen sind nicht rechtlich wesentlich auf den Unfall 1998 zurückzuführen. Neue Erkenntnisse ergeben sich hierzu aus den vom Kläger vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht.
Ob und ggf. welche der darüber hinaus behandlungsbedürftigen Beschwerden des Klägers rechtlich wesentlich auf den Unfall zurückzuführen sind, beurteilt sich nach der im Unfallrecht herrschenden Theorie der wesentlichen Bedingung. Die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung erfolgt vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl. BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier der §§ 45, 56 SGB VII - zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.; SozR 2200 § 589 Nr. 96). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen oder besonderen Problemen in der anschließenden Heilbehandlung, ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne weiteres zu unterstellen ist (vgl. insgesamt zum Vorstehenden BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R -, jeweils m. w. H.).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Es gibt aber im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSG Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 34/03 R; zu Berufskrankheiten vgl. § 9 Abs. 3 SGB VII). Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.).
Ausgehend davon hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Das SG hat sich bei der Prüfung des § 44 SGB X mit den vom Kläger vorgelegten Befundberichten und Attesten und dem gesamten Akteninhalt eingehend auseinandergesetzt und dargelegt, dass nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass der radiologisch von Prof. Dr. B. diagnostizierte Defekt am Kleinhirn eine Folge des Unfalls vom 29.10.1998 ist. Darüber hinaus ist nicht geklärt, ob die vom Kläger geklagten zahlreichen Beschwerden überhaupt auf diesen Defekt zurückzuführen sind. Der Senat nimmt hierauf Bezug, sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend wird ausgeführt, dass auch das Vorbringen in der Berufungsinstanz den Senat nicht davon überzeugt, dass über 28.01.1999 hinaus noch Unfallfolgen vorliegen.
Dagegen spricht zum einen der zeitliche Zusammenhang. Beim Kläger wurden erstmals im Jahre 2006 - somit 8 Jahre nach dem streitgegenständlichen Unfall - durch MRT-Untersuchungen Defekte in der hinteren Schädelgrube zur Darstellung gebracht, nachdem zeitnah zum Unfall neurologische Ausfälle nicht vorhanden waren und kein Anlass zu weiterer Abklärung bestand. Entgegen der Schilderung des Prozessbevollmächtigten des Klägers handelt es sich nicht um eine schwere Hirnstammschädigung, sondern um kleinste Veränderungen im Pons und etwas stärker im Kleinhirnbereich.
Auch wenn Prof. Dr. B. diese als posttraumatisch bezeichnet und Prof. Dr. S. sogar die Beschwerden des Klägers auf multiple Schädel-Hirn-Traumata und den Defekt im Kleinhirnbereich zurückführt, ist damit die hinreichende Kausalität zum Unfall vom 29.10.1998 nicht belegt und bietet auch nicht Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen. Beide Ärzte legen ihrer Bewertung bezogen auf den streitgegenständlichen Unfall nämlich falsche Voraussetzungen zugrunde, indem sie von multiplen Schädel-Hirn-Traumata ausgehen. Ein solches liegt jedoch zumindest für den Unfall 1998 eindeutig nicht vor. Dem Befundbericht des Prof. Dr. B. vom 22.11.2006 ist zu entnehmen, dass er sich für die Annahme eines Zustands nach Schädelhirntrauma allein auf die klinischen Angaben des Klägers stützt. Von welchem Unfallhergang bei objektiver Betrachtung auszugehen ist und welche für die Annahme eines Schädel-Hirn-Traumas wesentlichen Erstbefunde erhoben worden sind, ist Prof. Dr. B. offensichtlich nicht bekannt. Ausgehend von den dokumentierten Erhebungen hat jedoch eindeutig bei dem Unfall 1998 kein Schädel-Hirn-Trauma stattgefunden. Entgegen der Meinung des Klägers wurde im L.-Krankenhaus bei der Erstbehandlung festgehalten, dass kein Hinweis für Gehirnerschütterung vorgelegen hat. Ein Schädel-Hirn-Trauma ist damit gerade nicht belegt. Wenn der Kläger mittlerweile den Sachverhalt anders schildert, ist dies möglicherweise dem Umstand geschuldet, dass er verzweifelt eine Erklärung für seine vielfältigsten Beschwerden sucht, worauf der behandelnde Neurologe Dr. O. in seinem Befundbericht vom 23.01.2007 hingewiesen hat. Auch er geht auf Grund der ausführlichen Unfallschilderung des Klägers im Januar 2007, bei dem sogar ein achtmaliger Whiplash der HWS - wobei der Kläger maximal 2 mal vor- und zurückgeschleudert sein kann - und Bewusstlosigkeit für Sekundenbruchteile geschildert wurde, davon aus, dass sichere fokal-neurologische Defizite damit nicht genannt wurden. Zu erwarten gewesen wäre in der Initialphase eine massive neurologische Symptomatik und eine massive Bewusstseinstrübung, die aber auch vom Kläger nicht beschrieben werden und erst recht nicht dokumentiert sind. Im Übrigen zeigt die anmanestische Erhebung dort, dass der Kläger selbst fälschlich von der Diagnose einer schweren Gehirnerschütterung im L.-Krankenhaus berichtet. Damit gehen sowohl Prof. Dr. B. als auch Prof. Dr. S. von falschen Voraussetzungen aus, wenn sie den Kleinhirndefekt - im Übrigen als Röntgenologe und Endokrinologe beide auch fachfremd - als posttraumatisch bezeichnen; zumindest kann dies nicht auf den Unfall aus dem Jahre 1998 bezogen sein. Von daher überzeugt auch den Senat die darauf gestützte Aussage des Dr. B. nicht. Dr. O. geht im Übrigen als Ursache für die Beschwerden von verschiedenen zentral-nervösen Erkrankungen/Schädigungen aus.
Zudem ist mehr als fraglich, ob die multiplen Beschwerden überhaupt durch den geringen Kleinhirndefekt erklärt werden. Zwar sieht Prof. Dr. S. einen unmittelbaren Zusammenhang. Seine Bewertung stellt jedoch nur einen Umkehrschluss dar. Da die endokrinologische Erkrankung des Prolaktinoms sicherlich nicht das Beschwerdebild des Klägers bedingt, werden die multiplen Beschwerden auf die mitgeteilten multiplen Schädel-Hirn-Traumata und Kontusionen bei Verdacht auf postkontusionelle Porenzephalie zurückgeführt. Jedoch hat auch Dr. B in seinem Attest vom 25.04.2007 darauf hingewiesen, dass letztlich unklar ist, was die Beschwerden verursacht.
Gegen einen rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit dem Unfall aus dem Jahr 1998 spricht auch ein multilokulärer Defekt, worauf zutreffend Dr. F. in seiner Stellungnahme vom 02.03.2007 hingewiesen hat. Zudem ist unklar - worauf bereits das SG hingewiesen hat - wieso die angeschuldigte Hirnschädigung auf den Unfall aus dem Jahre 1998 zurückgeführt werden soll, nachdem der Kläger vortragen lässt, bereits nach dem Unfall 1990 erheblichste Beschwerden gehabt zu haben.
Nach all dem ist nicht erwiesen, dass die Beklagte beim Erlass des Bescheids vom 09.10.2000 von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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