L 9 R 5766/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 669/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5766/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Oktober 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2011 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, über den Antrag des Klägers vom 25. Mai 2010 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger 2/3 seiner außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben streitig.

Der 1974 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und 1997 aus R. kommend in die Bundesrepublik Deutschland umgesiedelt. Nach Abschluss der 10-jährigen Mittelschule dort, absolvierte er von Juli 1991 bis Juli 1996 an der Universität von N. ein Pädagogikstudium, welches er mit dem Diplom abschloss. Im Anschluss daran war er noch bis Januar 1997 als Lehrmeister an einer Berufsschule tätig. In Deutschland hat er zwischen April 1998 und Januar 2000 eine Umschulung zum Fliesen-, Platten- Mosaikleger durchlaufen, worauf er bis März 2001 verschiedene Helfertätigkeiten ausgeführt hat. Zuletzt war er im Zeitraum von April 2001 bis Januar 2009 als Werkschutzmitarbeiter bei der Firma K. GmbH tätig, wo er zuletzt u.a. auch für die Einsatzplanung von 10 Werkschutzmitarbeitern und die Monatsabrechnungen zuständig gewesen war. Der Kläger bezog daraufhin zunächst Arbeitslosengeld I und im Anschluss daran Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die vom Kläger erworbene Qualifikation "Lehrer der Technologie und des Unternehmens", welche er am 26. Juni 1996 an der Staatlichen Universität N. mit einem Diplom erworben hat, wurde vom Kultusministerium T. mit Schreiben vom 18.05.1998 nicht als gleichwertig mit einer ersten Staatprüfung für das Lehramt an Regelschulen in T. bewertet, weil dem Kläger einerseits ein weiteres Fach und andererseits die noch zu erbringenden Studienleistungen in den Erziehungswissenschaften gefehlt haben. Damit habe keine vollständige Gleichstellung ausgesprochen werden können.

Wegen eines Z. n. valgisierender Tibia-Osteotomie links bei Genu valgum nach einer Operation am 12.08.2009 erfolgte vom 10.12.2009 bis 14.01.2010 eine von der Beklagten bewilligte stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Z. St. B. Im Entlassungsbericht vom 21.01.2010 war ausgeführt worden, dass der Kläger bis zur Metallentfernung, die für August 2010 bzw. 1 Jahr postoperativ geplant sei, für eine Tätigkeit im Objekt-/Personenschutz nur unter drei Stunden arbeitsfähig sei. Bis dahin dürfe der Kläger nur leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg verrichten, nicht längere Zeit stehen und gehen, insbesondere auf unebenem Gelände, nicht knien und keine Arbeiten auf Treppen und Leitern verrichten. Nach der Metallentfernung sei bei medizinisch erwartungsgemäßem Verlauf mit großer Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass das Leistungsvermögen nach einer entsprechenden Rekonvaleszenz ohne Einschränkungen wieder hergestellt sei und der Kläger seiner Arbeit im Objekt-/Personenschutz aller Voraussicht nach wieder vollschichtig nachgehen könne.

Mit einem am 19.03.2010 bei der Bundesagentur für Arbeit eingegangenen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, welches diese an die Beklagte weiterleitete, wies der Kläger darauf hin, dass er wegen seiner Knieverletzung noch nicht einmal im Schritttempo normal laufen könne, er habe seit ca. 1 Jahr ständige Schmerzen zu jeder Tageszeit, sein Bein sei knieabwärts taub. In dem für die Agentur für Arbeit P. erstellten Gutachten vom 04.03.2010 wurde über eine Minderbelastbarkeit des linken Kniegelenkes, eine psychische Minderbelastbarkeit, eine Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule, eine chronische Magenschleimhautentzündung und eine angeborene Funktionsstörung der Leber mit Störung der Aufnahme und Verarbeitung des gelben Blutfarbstoffs berichtet. Der Kläger sei vollschichtig leistungsfähig für ständig leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen. Auszuschließen seien Klettern, Steigen und Bewegen in unebenem Gelände, hohe Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, Zeitdruck, Nacht- und Schichtarbeiten, anhaltende Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufiges Bücken, Heben und Tragen von Gewichten über 10 kg, Knien und Hocken sowie Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, sowie Tätigkeiten mit nervlicher Belastung durch Stress und Hetze am Arbeitsplatz. Mit Bescheid vom 04.05.2010 stellte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Aussicht. Sie erklärte sich grundsätzlich bereit, einen Eingliederungszuschuss an den Arbeitsgeber zu leisten. Voraussetzung hierfür sei, dass der Arbeitgeber die zum Erreichen der Vollleistungsfähigkeit notwendigen beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten am Arbeitsplatz vermittle oder einen dem Leistungsvermögen angemessenen Dauerarbeitsplatz anbiete. Die Zusage war bis zum 31.05.2013 befristet worden. Der Kläger war aufgefordert worden, sich intensiv um einen geeigneten Arbeitsplatz zu bemühen.

Der Kläger war mit Schreiben vom 12.05.2010 zu einem Beratungsgespräch am 25.05.2010 eingeladen worden. Unter dem 25.05.2010 war vermerkt worden, dass nach dem Heilverfahrensentlassungsbericht nach Metallentfernung mit der Arbeitsfähigkeit für den Objekt-/Personenschutz gerechnet werden könne. Die Metallentfernung sei noch für Ende Mai vorgesehen, nach Stabilisierung stehe die Arbeitsplatzsuche im Vordergrund, hier könnten Vermittlungshilfen unterstützend helfen. Der Kläger sei mit dem Ziel einer Umschulung ins Gespräch gekommen. Sowohl im Hinblick auf die medizinische Situation wie auch auf den beruflichen Werdegang (der Kläger habe seit März 2000 nur Hilfs- oder Anlerntätigkeiten ausgeübt) sei diese nicht angezeigt.

Mit Bescheid vom 28.05.2010 lehnte die Beklagte die Bewilligung einer Umschulung ab. Die Beklagte verwies zur Begründung auf die Auffassung der Fachärzte der Z.-Klinik St. B., wonach nach Metallentfernung und erfolgter Rekonvaleszenz bei medizinisch erwartungsgemäßen Verlauf damit zu rechnen sei, dass eine Tätigkeit im Objekt-/Personenschutz wieder vollschichtig möglich sein werde. Unter Berücksichtigung des beruflichen Werdeganges (seit März 2000 verschiedene Helfertätigkeiten, sowie zuletzt langjährig als angelernter Werkschutzmitarbeiter) sei es aber selbst im gegenteiligen Fall möglich, ihn mit den Vermittlungshilfen zu unterstützen und eine dem Leistungsbild entsprechende Tätigkeit wiederaufzunehmen, bei der er betrieblich eingearbeitet werden könne.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Kläger darauf hin, dass der Beruf des Wachmanns kein Ausbildungsberuf sei. Bei der geprüften Werkschutzfachkraft handele es sich aber um einen Fortbildungsberuf. Er sei von der IKH K. als "geprüfte Werkschutzfachkraft" anerkannt worden. Er habe als Wachmann zusätzliche Qualifikationen erworben, nämlich als Hundeführer sowie im Gebrauch von Pistolen. Insoweit habe er regelmäßig an Schießübungen teilgenommen und durch gute Schießergebnisse seine Qualifikation erneut nachgewiesen. Es habe sich damit eindeutig um eine Facharbeitertätigkeit gehandelt, welcher der Lohn- Metalltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Baden- Württemberg zugrundegelegen habe. Darüber hinaus könne er diese Beschäftigung bzw. eine Beschäftigung im Personen-/Objektschutz nachweislich nicht mehr verrichten und verwies diesbezüglich auf eine Bescheinigung des Facharztes für Orthopädie Dr. B. vom 08.06.2010 ("wegen der Kniegelenksverschleißerkrankung ist auf Dauer, obwohl jetzt mittelfristig durch operative Maßnahmen etwas gebessert, die Gelenkbelastung einzuschränken. Somit wären mittelfristig Umschulungsmaßnahme unbedingt zu empfehlen").

Die Beklagte hat ihre medizinische Beraterin Dr. S. gehört, die unter dem 06.09.2010 ausgeführt hat, dass eine Tätigkeit im Werkschutz aus medizinischen Gründen nicht möglich sei, weil zwischenzeitlich auch eine Kniegelenksarthrose links nachgewiesen sei. Es verbleibe damit bei der qualitativen und quantitativen Leistungsbeurteilung vom 28.04.2010.

Im Rahmen eines vom Kläger am 26.09.2010 gestellten Antrages auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation führte der Arzt für innere Medizin Dr. W. unter dem 01.10.2010 aus, der Kläger leide unter einer fortgeschrittenen Gonarthrose bei Zustand nach valgisierender Tibiaosteotomie 8/2009 sowie nach Metallentfernung und Refixation Innenband und pes anserinus linker Tibiakopf und Knorpelglättung 5/2010. Eine Nachoperation zur Haematomausräumung habe nur 6/2010 stattgefunden. Es bestünde ein Ruhe- und Belastungsschmerz am linken Kniegelenk. Längeres Gehen oder Stehen, Bewegen in unebenem Gelände, Knien sowie Hocken und Treppensteigen seien nicht möglich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, dem Kläger sei am 25.05.2010 erläutert worden sei, dass im Einzelfall eine Förderung von innerbetrieblichen Qualifizierungen durch die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg in Betracht komme. Für einen Einarbeitungszeitraum könnten auch Teile der Lohnkosten bzw. im Rahmen einer Probebeschäftigung die vollen Lohnkosten übernommen werden. Technische Hilfen zur Arbeitsplatzausstattung seien ebenfalls denkbar. Voraussetzung hierfür sei ein konkreter Arbeitgeber, welcher dem Kläger ein gesundheitlich geeignetes Beschäftigungsverhältnis in Aussicht stelle. Als weitere Möglichkeiten seien auch Integrationsmaßnahmen genannt worden. Die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben stände im Ermessen des Rentenversicherungsträgers. Er bestimme im Einzelfall Art, Dauer, Umfang, Beginn der Durchführung dieser Leistungen nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien darauf auszurichten, dass der Versicherte dadurch wieder auf Dauer beruflich eingegliedert werde. Dabei sei der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Um den Kläger dauerhaft in das Erwerbsleben wieder einzugliedern, bedürfe es keiner Umschulung und er werde aus sozialmedizinischer Sicht unter Berücksichtigung des verbliebenen Leistungsvermögens bzw. der Behinderung für fähig gehalten, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich verrichten zu können. Eine besonders schwerwiegende Erkrankung, die wegen der Art und Schwere der Behinderung eine qualifizierte Ausbildung erforderlich mache, liege nach der sozialmedizinischen Prüfung nicht vor. Die gewünschte qualifizierte Umschulungsmaßnahme mit der Vorschaltung einer Arbeitserprobung/Berufsfindungsmaßnahme scheide aus den angeführten Gründen aus. Es bestehe kein Rechtsanspruch auf die Durchführung einer qualifizierten Umschulung. Nach Entscheidungen des Bundessozialgerichts sei es nicht Aufgabe der Deutschen Rentenversicherung, im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem einzelnen Versicherten eine beruflich möglichst hohe Qualifikation zu finanzieren. Welche genaue Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben für den Kläger angezeigt sei, könne heute noch nicht gesagt werden. Es sei zunächst eine weitere Beratung durch einen Reha-Fachberater erforderlich. Ein solches Beratungsgespräch könne der Kläger auch telefonisch beantragen.

Hiergegen hat der Kläger am 14.02.2011 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben.

Der Kläger geht davon aus, dass der angefochtene Bescheid ermessensfehlerhaft zustande gekommen sei. Die Beklagte halte an ihrer Entscheidung vom 04.05.2010 fest, obwohl ihr bereits bekannt gewesen sein musste, dass er seine frühere Tätigkeit im Objekt- und Personenschutz nicht mehr würde ausüben können und dass es sich dabei nicht nur um eine reine Helfertätigkeit gehandelt habe. Die Beklagte wiederhole in der angefochtenen Entscheidung lediglich Passagen aus dem Gesetzestest bzw. Schlagworte hieraus. Sie berufe sich unter anderem darauf, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur in Betracht kämen, wenn hierfür eine hinreichende Erfolgsaussicht bestehe. Dazu, wie sie seine berufliche Situation einschätze. insbesondere ob und warum sie einer Förderung an sich und gegebenenfalls welchen konkreten Maßnahmen sie eine Erfolgsaussicht einräume, und ob diese Aussicht so konkret sei, dass man sie als hinreichend betrachten könne, schweige sie jedoch. Auch die floskelhafte In-Bezugnahme auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit überzeuge nicht. Die Entscheidung lasse schon nicht erkennen, inwiefern der Grundsatz von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die Beklagte bei ihrer Entscheidung im vorliegenden Falle geleitet habe. Hier hätten gegebenenfalls Leistungen gegenübergestellt bzw. verglichen werden müssen. Völlig fehl gehe im Übrigen der Rekurs auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, der zu Folge nicht Aufgabe der Rentenversicherungsträger sei, dem einzelnen Versicherten eine beruflich möglichst hohe Qualifikation zu finanzieren. Er verfüge im Augenblick über keine verwertbare Ausbildung. Bei der erstrebten Ausbildung zum "Kaufmann für Finanzen und Versicherung" könne er mit einem enormen kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Wissen aufwarten, so dass es gar keiner Umschulung im engeren Sinne bedürfe. Die angefochtenen Bescheide ließen allerdings nicht erkennen, dass die Beklagte diese Aspekte in Betracht gezogen, geschweige denn geprüft habe.

Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Reha-Fachberaters vorgelegt, welcher ausgeführt hat, dass wesentliche Faktoren der Ermessensentscheidung einerseits der bisherige berufliche Werdegang, andererseits die gesundheitlichen Einschränkungen und deren Auswirkungen auf Bezugstätigkeit seien. In Anbetracht dessen sei der Vorwurf eines Ermessensfehlers/Ermessenausfalles nicht nachvollziehbar. Bezugstätigkeit sei die des Werkschutzmitarbeiters. Diese Tätigkeit habe das bisherige Erwerbsleben des Klägers maßgeblich geprägt. Das Studium an der Universität N. sei in Deutschland nicht anerkannt worden. Der Kläger habe keinen anerkannten akademischen Abschluss. Aufgrund des in Folge der Erkrankung bestehenden und im Widerspruchsbescheid genannten Leistungsbildes ließe sich eine Vielzahl theoretisch möglicher Tätigkeiten feststellen. Es könne nicht zielführend sein, wenn die DRV dem Versicherten eine oder mehrere Tätigkeiten nenne, die er ausüben solle. Dies sei nicht zielführend, weil einerseits eine vermittlungsschädliche Einengung auf bestimmte Bereiche erfolgen würde und andererseits der Kläger sich an eine bestimmte, von ihm nicht gewünschte Richtung gedrängt fühlen würde. Aufgabe der Rentenversicherung sei es im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Unterstützung anzubieten, die ihn befähige eine eigene Entscheidung, orientiert an den aktuellen Gegebenheiten des Arbeitsmarkts treffen zu können. Die berufliche Rehabilitation habe sich in erster Linie auf die Wiedererlangung einer gesundheitlich geeigneten Anlerntätigkeit orientiert.

Hierauf hat der Kläger erwidert und unter anderem darauf hingewiesen, dass es sich seiner Ansicht nach um eine nunmehr nachgeholte Begründung des Ausgangsverwaltungsaktes handele, wofür es jedoch zu spät sei. Der Widerspruchsausschuss habe schon entschieden, ohne diese Ausführung gekannt zu haben. Die Stellungnahme sei auch nicht konstruktiv, sondern ein bloßer Ausdruck der Ökonomisierung des Sozialrechts. Tatsache sei, dass er seit Herbst 2008 beschäftigungslos sei. Die Beklagte habe bislang keinerlei Aktivitäten in der von ihr skizzierten Richtung entfaltet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 12.07.2011 und 06.10.2011 verwiesen.

Mit Urteil vom 12.10.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe nicht ermessensfehlerhaft gehandelt, als sie die vom Kläger begehrte Maßnahmeart, eine Umschulung, abgelehnt habe. Zwar sei der medizinische Begründungsansatz der Beklagten fehlerhaft gewesen, weil sich der zugrundegelegte Sachverhalt (der Wiedereintritt der Erwerbsfähigkeit) als unrichtig erwiesen habe. Die Ablehnung der Umschulung aus den übrigen Gründen sei dagegen nicht zu beanstanden. Bei ihrer Ermessensausübung habe die Beklagte Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen zu berücksichtigen. Dies bedeute aber nicht, dass der Versicherte von den Leistungsträgern verlangen könne, dass ausschließlich Maßnahmen ergriffen würden, die seinen konkreten Wünschen entsprechen. Es sei nicht fehlerhaft, wenn die Beklagte davon ausgehe, dass der Kläger durch andere Vermittlungshilfen, die auch kostengünstiger seien, genauso erfolgreich in das Erwerbsleben integriert werden könne, wie in dem Fall einer Umschulung. Sie habe die Umschulung nicht auch nur lediglich abgelehnt, ihm sei außerdem ein Weg aufgezeigt worden, auf dem er eine berufliche Integration erreichen könne. Dass diese Maßnahmen ungeeignet seien, sei nicht belegt. Es sei darüber hinaus nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte die von ihr angedachten Alternativmaßnahmen für genauso effizient halte, wie eine Umschulung. Denn auch im Rahmen einer Umschulung sei nicht belegt, dass dies unmittelbar zu einer Arbeitsaufnahme führe. Soweit die Beklagte darauf verweise, dass der Kläger als Angelernter tätig gewesen sei, sei dies ebenfalls nicht zu beanstanden.

Gegen das ihm am 02.12.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.12.2011 Berufung eingelegt.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrages hält er an dem geltend gemachten Anspruch fest.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Oktober 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Umschulung zu gewähren, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, über seinen Antrag vom 25. Mai 2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält daran fest, dass die dem angefochtenen Urteil zugrundliegenden Erwägungen sachgerecht seien.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig und auch begründet, soweit er - hilfsweise - die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die erneute Entscheidung der Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats begehrt. Der in Form einer Anfechtungs- und Leistungsklage geltend gemachte Anspruch auf die Gewährung einer Umschulung ist hingegen unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 28.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2011, worin die Beklagte einen Antrag des Klägers vom 25.05.2010, ihm eine von der Beklagten geförderte Umschulung zu gewähren, abgelehnt hat. Zuvor (und nicht Gegenstand des Anfechtungsbegehrens) hatte die Beklagte mit Bescheid vom 04.05.2010 (auf den Antrag des Klägers vom 19.03.2010) Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Aussicht gestellt und bereits grundsätzlich die Bereitschaft erklärt, unter näher dargelegten Voraussetzungen einen Eingliederungszuschuss an den Arbeitgeber zu leisten.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI) erbringt der Rentenversicherungsträger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen. Dabei sind persönliche Voraussetzungen (§ 10 Abs. 1 SGB VI) und versicherungsrechtliche Voraussetzungen (§ 11 Abs. 1 SGB VI) zu erfüllen. Gemäß § 13 Abs. 1 SGB VI bestimmt der Rentenversicherungsträger, soweit – wie im vorliegenden Fall unstreitig und durch den Bescheid der Beklagten vom 04.05.2010 zwischen den Beteiligten bestandskräftig festgestellt - die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe vorliegen (§§ 10, 11 SGB VI) und Ausschlussgründe fehlen (§ 12 SGB VI), im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Während die Frage, ob dem Versicherten grundsätzlich Leistungen zur Rehabilitation zu gewähren sind (sog. Eingangsprüfung) von den Gerichten in vollem Umfang zur Überprüfung ansteht, unterliegt die Ermessensentscheidung des Rentenversicherungsträgers bezüglich des "Wie" demgegenüber nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Diese Entscheidung ist lediglich in den Grenzen des § 39 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) und des § 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) überprüfbar, soweit nicht ein Fall der "Reduzierung des Ermessens auf Null" vorliegt. Die gerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt zu prüfen, ob der Rentenversicherungsträger seiner Pflicht zur Ermessensbetätigung nachgekommen ist (Ermessensnichtgebrauch), mit seiner Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, d.h. eine nach dem Gesetz nicht zugelassene Rechtsfolge gesetzt hat (Ermessensüberschreitung), oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Abwägungsdefizit und Ermessensmissbrauch). Nach dem in § 13 Abs. 1 SGB VI aufgestellten Grundsatz ("unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit") haben die Rentenversicherungsträger mit den ihnen anvertrauten Mitteln wirtschaftlich und sparsam umzugehen. Der Rentenversicherungsträger hat dabei zu prüfen, welche Leistungen zur Teilhabe sich anbieten und wieweit die gewählte diejenige ist, die bei angemessenem Mittelaufwand am wirksamsten ist und damit auch so zeitnah wie möglich einen Rehabilitationserfolg erwarten lässt. Er muss stets prüfen, ob nicht auch auf eine andere wirtschaftlichere und sparsamere Art der Erfolg herbeigeführt werden kann (siehe hierzu u.a.: Niesel, in: Kasseler Kommentar, § 13 SGB VI, Rdnr. 15 m.w.N.).

Nach § 16 SGB VI erbringen die Träger der Rentenversicherung die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §§ 33 bis 38 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Der bei der Bundesagentur für Arbeit eingegangene Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben war auch innerhalb der Fristen des § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX an die Beklagte abgegeben worden. Gemäß § 33 SGB IX werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Die Leistungen zur Teilhabe umfassen neben den in § 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX genannten Leistungen zur Erhaltung und Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich vermittlungsunterstützender Leistungen u.a. die berufliche Weiterbildung (§ 33 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX), aber auch die berufliche Ausbildung (§ 33 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX). Bei der Auswahl der Leistungen werden - so § 33 Abs. 4 SGB IX ausdrücklich - Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt.

Bei Vorliegen der sog. Eingangsvoraussetzungen besteht für den Rentenversicherungsträger die Verpflichtung, nach pflichtgemäßem Ermessen über den ihm vorliegenden Antrag auf Gewährung von Rehabilitationsleistungen zu entscheiden. Bei der Ermessensentscheidung des Rentenversicherungsträgers über die Gewährung von Rehabilitationsleistungen handelt es sich um eine zukunftsorientierte, mit prognoseähnlichen Elementen vermischte und die Umstände des Einzelfalles abwägende Entscheidung (vgl. BSG vom 16.11.1993, 4 RA 22/93 - in Juris). In ihr wird bestimmt, welche Maßnahmen im konkreten Fall zur Verwirklichung der beim Versicherten festgestellten Rehabilitationschance geeignet, erforderlich, zumutbar, wirtschaftlich und sparsam sind und vom Versicherungsträger deswegen nach dem Naturalleistungsprinzip durchgeführt werden müssen. Diese Ermessensentscheidung des Rentenversicherungsträgers unterliegt in den Grenzen der §§ 39 Abs. 1 SGB I, 54 Abs. 2 Satz 2 SGG einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung, soweit nicht ein Fall der sog. Reduzierung des Ermessens auf Null vorliegt (vgl zu vorstehendem LSG Hessen, Urt. v. 02.10.2009, L5 R 89/09 R - in Juris).

Die Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null setzt voraus, dass nach dem festgestellten Sachverhalt keine Umstände vorliegen, die eine anderweitige Entscheidungsfindung rechtsfehlerfrei zuließen (BSG vom 04.02.1988, 11 RAr 26/87 - in Juris). Dies ist in der Regel nicht der Fall (Wiesner in: von Wulffen, SGB X, § 45 Rdnr. 5 m.w.N.). Auch in der Rechtsprechung besteht Einigkeit, dass die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf Null einen seltenen Ausnahmefall darstellen (BSG vom 11.04.2002, B 3 P 8/01 R m.w.N. – in Juris). Ein solcher Ausnahmefall, der im vorliegenden Fall eine entsprechende Beurteilung rechtfertigen könnte, ist weder substantiiert dargetan worden noch ersichtlich. Allein der Zeitablauf (fehlende Wiedereingliederung des seit 2008 nicht mehr beschäftigten Klägers) und auch die im Berufungsverfahren nicht weiter konkretisierte Maßnahme, die der Kläger begehrt, schließen eine Verurteilung der Beklagten zur "Gewährung einer Umschulung" aus.

Dennoch erweist sich die Entscheidung der Beklagten als ermessensfehlerhaft. Die Beklagte hat die Grundlagen einer Entscheidung nicht ausreichend ermittelt und von ihrem Ermessen auch nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.

Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass sowohl im Bescheid vom 04.05.2010 als auch vom 28.05.2010 davon ausgegangen worden war, dass mit einer Wiedereingliederung des Klägers nach einer erforderlichen Metallentfernung in seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit im Objekt-/Personenschutz gerechnet werden könne (vgl. Entlassungsbericht der Z.-Klinik St. B. vom 21.01.2010, Bericht über die Beratung des Klägers am 25.05.2010, Bl. 147 der Akten und Begründung im Bescheid vom 28.05.2010). Der Bescheid vom 28.05.2010 lehnte eine vom Kläger während des Beratungsgespräches beantragte "Umschulung" und damit weitergehende Maßnahmen als die bereits mit Bescheid vom 04.05.2010 bewilligte vermittlungsunterstützende Leistung (§ 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX) in Form eines Eingliederungszuschusses ab. Diese Sachlage hatte sich aber noch während des Widerspruchsverfahrens grundlegend geändert, nachdem unter Berücksichtigung des eingegangenen Attestes des Orthopäden Dr. B. vom 08.06.2010 und des Operationsberichtes der Arcus Sportklinik P. die von der Beklagten gehörte Ärztin für Anästhesie/Sozialmedizin Dr. S. eine Tätigkeit im Werkschutz nicht mehr für möglich erachtete und auf die von ihr unter dem 28.04.2010 abgegebene Leistungsbeurteilung verwies (leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ohne besonderen Zeitdruck, ohne häufiges Knien/Hocken, ohne häufiges Klettern und Steigen 6 Stunden und mehr am Tag, für die Tätigkeit als Wachmann unter 3 Stunden). Damit war eine Erhaltung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit - bezogen auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit - nicht mehr möglich.

Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob es angesichts dieser geänderten Sachlage nicht einer erneuten Prüfung erforderlicher Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die Ausgangsbehörde bedurft hätte und die Entscheidung schon deshalb aufzuheben wäre, weil die Widerspruchsbehörde insoweit nicht befugt war, diesen Sachverhalt erstmals selbst zu würdigen. Jedenfalls fehlt es auch im angefochtenen Widerspruchsbescheid an konkreten Feststellungen dazu, welche konkreten Tätigkeiten und Berufsfelder dem Kläger nunmehr durch die verbliebenen Einschränkungen im Bereich des linken Kniegelenkes und der weiteren Gesundheitsstörungen verschlossen sind oder beeinträchtigt werden bzw. auf welche Tätigkeiten er noch konkret verweisbar ist. Die Begründung im Widerspruchsbescheid führt insoweit lediglich aus, der Kläger werde aus sozialmedizinischer Sicht unter Berücksichtigung des verbliebenen Leistungsvermögens bzw. der Behinderung für fähig erachtet, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden und mehr täglich verrichten zu können. Hierbei wird auf die qualitativen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit, die insbesondere durch die Einschränkung der Geh- aber auch der Stehfähigkeit als auch durch die Einschränkung der Hebe- und Tragefähigkeit beeinträchtigt ist, nicht mehr gesondert eingegangen. Damit ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides auch nicht, dass aufgrund der qualitativen Einschränkungen auch ein großer Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes, nämlich der, der ein regelmäßigen Gehen und Stehen erfordert, Berücksichtigung gefunden hat. Insoweit bleibt auch die ohne nähere Begründung versehene Feststellung, es liege keine besonders schwerwiegende Erkrankung vor, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung eine qualifizierte Ausbildung erforderlich machen würde, für den Senat nicht nachvollziehbar. Wie oben bereits ausgeführt, hat die Beklagte gemäß § 33 Abs. 4 SGB IX bei der Auswahl der zu gewährenden Leistungen Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen. Dies hat unter Berücksichtigung des in § 33 Abs. 1 SGB IX formulierten Zieles der Erhaltung, Verbesserung, Herstellung oder Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Menschen und seiner möglichst dauerhaften Wiedereingliederung ins Arbeitsleben einerseits sowie unter Berücksichtigung des Sparsamkeits- und Wirtschaftlichkeitsgebotes andererseits zu geschehen. Die Ablehnung qualifizierter Maßnahmen zur Wiedereingliederung ist nicht schlüssig und damit ermessensfehlerhaft, solange die Beklagte nicht darlegt, dass die von ihr bewilligten Maßnahmen (Leistungen nach § 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX) zu einer möglichst dauerhaften Wiedereingliederung ausreichend sind. Hierzu gehört die konkrete Bezeichnung der Arbeitsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die dem Kläger aufgrund seiner körperlichen und ggfs. geistigen und seelischen Beeinträchtigungen zumutbar sind, Feststellungen dazu, dass der Kläger aufgrund seines bisherigen beruflichen Werdeganges für solche Tätigkeiten geeignet ist und die in Betracht kommenden Tätigkeiten seiner Neigung entsprechen. Im Zweifel und soweit erforderlich hat die Beklagte hierzu die berufliche Eignung abzuklären oder eine Arbeitserprobung durchzuführen (§ 33 Abs. 4 S.2 SGB IX). Mit der Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit soll der berufliche Status des Versicherten in die Auswahl der Teilhabeleistung mit einfließen, wobei der bisherige Status möglichst gesichert oder verbessert werden soll, um einen sozialen Abstieg zu verhindern (Knittel, SGB IX, § 33 Rz 112). Schließlich erfordert die zu treffende Ermessensentscheidung auch die Berücksichtigung der Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, also eine Prognose dahingehend, ob aufgrund der für zumutbar erachteten, der Neigung und Eignung des Versicherten entsprechenden Arbeitsmöglichkeiten bzw. Tätigkeitsfelder eine realistische Arbeitsmöglichkeit besteht. Zur arbeitsmarktlichen Zweckmäßigkeit von Leistungen kann die Beklagte im Übrigen eine gutachterliche Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit einholen (§ 37 SGB IX).

Der Verweis auf Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die dem Kläger unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen nach Auffassung der Beklagten zumutbar sind, ist insoweit nicht ausreichend, die Ablehnung weitergehender Teilhabeleistungen zu begründen, solange in die Abwägung nicht eingestellt ist, dass ein solcher Verweis auf den allgemeinen Arbeitsmarkt unter bislang nur angekündigten Eingliederungsleistungen an den Arbeitgeber ebenso wirksam als auch kostengünstiger ist wie andere in Betracht kommende Maßnahmen. Dabei dürfte zu berücksichtigen sein, dass die vom Kläger im Beratungsgespräch eingebrachte Umschulung untechnisch zu verstehen sein dürfte und jede Art der Weiterbildung mit eingeschlossen hat. Der in § 33 Abs. 3 Nr. 3 genannte Begriff "Weiterbildung" ist an die Stelle der Begriffe "Fortbildung" und "Umschulung" getreten und umfasst nach § 85 Abs. 3 S. 1 Nrn. 1 bis 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch sowohl die Festigung der beruflichen Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten als auch die Vermittlung eines beruflichen Abschlusses und die Befähigung zu einer anderen beruflichen Tätigkeit. Wenn die Beklagte im Begründungsteil ihres Widerspruchbescheides abschließend ausführt, welche genauen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben angezeigt seien, könne heute noch nicht gesagt werden, verhält sie sich widersprüchlich und zeigt, dass sie sich mit den für erforderlich gehaltenen Maßnahmen tatsächlich noch nicht abschließend auseinandergesetzt hat. Dann aber hätte sie den Widerspruchsbescheid noch nicht erlassen dürfen, sondern sich abschließend Klarheit hierüber verschaffen müssen. Die ergangene Entscheidung musste aber nach dem Empfängerhorizont so verstanden werden, dass die bislang bewilligten Leistungen als ausreichend angesehen und qualifizierte Leistungen abgelehnt wurden, zumal aus Sicht des Klägers, der damals bereits mehr als zwei Jahre ohne Beschäftigung und 39 Jahre alt war, weitergehende Maßnahmen erforderlich schienen. Dies wird auch durch den Verlauf des Verfahrens mit einer Entscheidung über die Gewährung einer Eingliederungszuschusses bevor ein Beratungsgespräch mit dem Kläger überhaupt stattgefunden hat und ohne dass im Widerspruchverfahren nach Änderung der Sachlage eine erneute Beratung stattgefunden hat, nochmals unterstrichen. Die Ablehnung einzelner Maßnahmen wie die hier begehrte qualifizierende Maßnahme außerhalb einer Abwägung im Gesamtkontext der zu gewährenden Maßnahmen, verkennt Sinn und Zweck der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ist daher ermessenswidrig.

Dabei verkennt die Beklagte auch, dass bei der Auswahl der Leistungen nicht allein der Bezugsberuf maßgeblich ist. Das BSG hat in seinem Urteil vom 17.10.2006 (B 5 RJ 15/05 R, in Juris) Folgendes ausgeführt:

" Das Kriterium der rehabilitationsrechtlich relevanten Minderung der Erwerbsfähigkeit ist - berufsbezogen - grundsätzlich auf Versicherte in ungelernten Tätigkeiten in gleicher Weise anwendbar wie auf Versicherte in qualifizierten Berufen, denn typische Anforderungsprofile können nicht nur die Ausübung qualifizierter (Ausbildungs-)Berufe, sondern auch die Verrichtung ungelernter Tätigkeiten prägen. Letztere haben regelmäßig ebenfalls - losgelöst von einer konkreten Arbeitsstelle - ein bestimmtes Leistungsprofil und beinhalten damit typische, vom Versicherten zu bewältigende Kernaufgaben und Verrichtungsmerkmale, die sich zwar nicht auf bestimmte Ausbildungsinhalte beziehen werden, aber durch die konkrete Tätigkeit vorgegeben sind und praktisch erworbene Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse verlangen. Hiervon abzugrenzen sind die spezifischen Belastungen und Anforderungen an einem konkreten Arbeitsplatz, die nicht berufstypisch sind und daher unberücksichtigt bleiben müssen. Auf dieser Grundlage kommt eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben bei dem ungelernten Versicherten ebenso wie bei dem gelernten Versicherten in Betracht, wenn er den typischen Anforderungen seiner bisherigen Tätigkeit nicht mehr gewachsen ist. Bei dieser Betrachtungsweise wird der als ungelernter Arbeiter tätige Versicherte entgegen der Befürchtung der Rentenversicherungsträger nicht gegenüber dem gelernten Versicherten privilegiert; andererseits bleibt ihm ebenfalls der Zugang zu Leistungen zur beruflichen Teilhabe offen".

Hieraus folgt, dass den un- und angelernten Versicherten grundsätzlich Rehabilitationsleistungen in gleicherweise offenstehen, wie denjenigen, die Berufsschutz genießen (vgl. auch LSG Hessen, Urt. v. 02.10.2009, L5 R 89/09 R - in Juris). Die zu ergreifenden Maßnahmen bzw. zu gewährenden Leistungen sind daher ebenfalls an den Gesichtspunkten der Zielsetzung des Gesetzes und der hierzu bestehenden Leitlinien, wie sie in § 33 Abs. 4 SGB IX vorgegeben werden, auszuwählen. Hierfür spricht im Übrigen auch, dass § 33 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX ausdrücklich Leistungen zum beruflichen Aufstieg gefördert werden können (Knittel a.a.O. § 33 Rz 6).

Der Kläger ist durch die dargestellten Ermessensfehler auch beschwert, da nicht auszuschließen ist, dass die Beklagte im Rahmen ordnungsgemäßer Ermessenserwägungen zu einer anderen Entscheidung, die auch qualifizierende Teilhabeleistungen umfasst, kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass der Kläger mit seinem Antrag auf Leistung ohne Erfolg geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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