Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AS 95/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 371/12 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Keine Zulassung der Berufung mangels Vorliegens von Zulassungsgründen
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 12.04.2012 - S 9 AS 95/12 - wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Feststellung des Eintritts einer Minderung des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II -) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.12.2011 bis 29.02.2012.
Der Kläger bezieht zuletzt aufgrund des Bescheides vom 30.06.2011 in der Fassung des Bescheides vom 01.08.2011 für die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 Alg II. U.a. wegen seines Gesundheitszustandes lud der Beklagte den Kläger am 27.10.2011 zu einem Gespräch ein und bat - soweit der Kläger nicht erscheine - um Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über die fehlende Möglichkeit zur Wahrnehmung dieses Termins. Die Kosten hierfür würden übernommen werden. Ansonsten erfolge eine Minderung der Leistung. Der Kläger legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Er sei gesundheitlich nicht in der Lage, der Einladung Folge zu leisten. Nach Anhörung stellte der Beklagte den Eintritt einer Minderung für die Zeit vom 01.12.2011 bis 29.02.2012 um 36,40 EUR monatlich fest und änderte den Bewilligungsbescheid vom 30.06.2011 in der Fassung des Bescheides vom 01.08.2011 für Dezember 2011 ab (Bescheide vom 14.11.2011). Den Widerspruch hiergegen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2011 zurück.
Das Sozialgericht Würzburg (SG) hat auf die dagegen vom Kläger erhobene Klage hin den angegriffenen Sanktionsbescheid vom 14.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2011 aufgehoben. Der Kläger habe entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) durch Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einen wichtigen Grund für sein Nichterscheinen nachgewiesen. Die sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ergebende Vermutung sei durch anderweitige Anhaltspunkte dafür, dass eine Wahrnehmung des Meldetermins dennoch möglich gewesen sei, nicht erschüttert, so dass weitergehende Ermittlungen nicht erforderlich seien. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.
Dagegen hat der Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben. Das SG hätte die sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ergebende Vermutung überprüfen müssen; Anhaltspunkte für "Erscheinen können" hätten vorgelegen, wie sich aus der Teilnahme des Klägers an Gerichtsverhandlungen am 17.08.2011 und 02.02.2012 und aus seinen Schreiben vom 20.10.2011 und 20.11.2011 ergebe. In der Beweislastentscheidung werde eine grundsätzliche Bedeutung gesehen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die vom Beklagten fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs 1 Satz 2 SGG).
Nach § 144 Abs 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgericht abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr 3).
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 144 Rdnr 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne Weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 4). Die Rechtsfrage muss im vorliegenden Rechtsstreit auch klärungsfähig sein.
Der Beklagte macht zunächst eine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreites geltend. Diese grundsätzliche Bedeutung sieht er in der Beweislastentscheidung des SG. Er stellt jedoch nicht klar, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung klärungsbedürftig und vorliegend auch klärungsfähig ist. Für den Senat ist eine solche bisher nicht geklärte Rechtsfrage nicht erkennbar. Das SG hat vielmehr seine Entscheidung auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 09.11.2010 - B 4 AS 27/10 R) gestützt und ist von dieser nicht bewusst abgewichen. Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass zunächst der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine Vermutung innewohne. Diese könne jedoch erschüttert werden. Hierfür sieht das SG vorliegend allerdings keine Anhaltspunkte. Damit hat das SG lediglich eine Würdigung der im Einzelfall vorliegenden Beweistatsachen vorgenommen.
Der Beklagte macht zudem einen Verfahrensmangel, nämlich die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) geltend. Er rügt, das SG hätte die mit der Arbeitsunfähigkeit regelmäßig verbundene Vermutung, dass ein Meldetermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrgenommen werden könne, überprüfen müssen. Aus seiner Sicht, auf die hier abzustellen ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10.Aufl, § 144 Rdnr 34), hat sich das SG jedoch nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müssen, denn auch aus der Teilnahme des Klägers an Gerichtsverhandlungen am 17.08.2011 und 02.02.2012 ist nicht auf die Möglichkeit der Teilnahme am Meldetermin vom 27.10.2011 zu schließen. Zudem hat der Kläger gerade in dem Schreiben vom 20.10.2011 mitgeteilt, sein behandelnder Arzt stelle keine weiteren "Diagnosen-Bescheinigungen" mehr aus. Mit Schreiben vom 20.11.2011 hat er u.a. den Tod seines Vaters und die bevorstehende Weihnachtszeit als Grund dafür angegeben, seine Ruhe haben zu wollen. Wegen all dieser Tatsachen muss sich jedoch das SG aus seiner Sicht nicht gedrängt fühlen, an der Vermutung der Aussagekraft der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu zweifeln. Nicht zu prüfen ist dabei aber, ob die Beweiswürdigung des SG im Einzelfall zutreffend war; eine fehlerhafte Beweiswürdigung stellt nämlich keinen Verfahrensmangel dar (vgl. Leitherer aaO Rdnr 34a).
Nach alldem war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs 4 Satz 4 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Feststellung des Eintritts einer Minderung des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II -) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.12.2011 bis 29.02.2012.
Der Kläger bezieht zuletzt aufgrund des Bescheides vom 30.06.2011 in der Fassung des Bescheides vom 01.08.2011 für die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 Alg II. U.a. wegen seines Gesundheitszustandes lud der Beklagte den Kläger am 27.10.2011 zu einem Gespräch ein und bat - soweit der Kläger nicht erscheine - um Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über die fehlende Möglichkeit zur Wahrnehmung dieses Termins. Die Kosten hierfür würden übernommen werden. Ansonsten erfolge eine Minderung der Leistung. Der Kläger legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Er sei gesundheitlich nicht in der Lage, der Einladung Folge zu leisten. Nach Anhörung stellte der Beklagte den Eintritt einer Minderung für die Zeit vom 01.12.2011 bis 29.02.2012 um 36,40 EUR monatlich fest und änderte den Bewilligungsbescheid vom 30.06.2011 in der Fassung des Bescheides vom 01.08.2011 für Dezember 2011 ab (Bescheide vom 14.11.2011). Den Widerspruch hiergegen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2011 zurück.
Das Sozialgericht Würzburg (SG) hat auf die dagegen vom Kläger erhobene Klage hin den angegriffenen Sanktionsbescheid vom 14.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2011 aufgehoben. Der Kläger habe entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) durch Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einen wichtigen Grund für sein Nichterscheinen nachgewiesen. Die sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ergebende Vermutung sei durch anderweitige Anhaltspunkte dafür, dass eine Wahrnehmung des Meldetermins dennoch möglich gewesen sei, nicht erschüttert, so dass weitergehende Ermittlungen nicht erforderlich seien. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.
Dagegen hat der Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben. Das SG hätte die sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ergebende Vermutung überprüfen müssen; Anhaltspunkte für "Erscheinen können" hätten vorgelegen, wie sich aus der Teilnahme des Klägers an Gerichtsverhandlungen am 17.08.2011 und 02.02.2012 und aus seinen Schreiben vom 20.10.2011 und 20.11.2011 ergebe. In der Beweislastentscheidung werde eine grundsätzliche Bedeutung gesehen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die vom Beklagten fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs 1 Satz 2 SGG).
Nach § 144 Abs 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgericht abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr 3).
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 144 Rdnr 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne Weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 4). Die Rechtsfrage muss im vorliegenden Rechtsstreit auch klärungsfähig sein.
Der Beklagte macht zunächst eine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreites geltend. Diese grundsätzliche Bedeutung sieht er in der Beweislastentscheidung des SG. Er stellt jedoch nicht klar, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung klärungsbedürftig und vorliegend auch klärungsfähig ist. Für den Senat ist eine solche bisher nicht geklärte Rechtsfrage nicht erkennbar. Das SG hat vielmehr seine Entscheidung auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 09.11.2010 - B 4 AS 27/10 R) gestützt und ist von dieser nicht bewusst abgewichen. Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass zunächst der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine Vermutung innewohne. Diese könne jedoch erschüttert werden. Hierfür sieht das SG vorliegend allerdings keine Anhaltspunkte. Damit hat das SG lediglich eine Würdigung der im Einzelfall vorliegenden Beweistatsachen vorgenommen.
Der Beklagte macht zudem einen Verfahrensmangel, nämlich die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) geltend. Er rügt, das SG hätte die mit der Arbeitsunfähigkeit regelmäßig verbundene Vermutung, dass ein Meldetermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrgenommen werden könne, überprüfen müssen. Aus seiner Sicht, auf die hier abzustellen ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10.Aufl, § 144 Rdnr 34), hat sich das SG jedoch nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müssen, denn auch aus der Teilnahme des Klägers an Gerichtsverhandlungen am 17.08.2011 und 02.02.2012 ist nicht auf die Möglichkeit der Teilnahme am Meldetermin vom 27.10.2011 zu schließen. Zudem hat der Kläger gerade in dem Schreiben vom 20.10.2011 mitgeteilt, sein behandelnder Arzt stelle keine weiteren "Diagnosen-Bescheinigungen" mehr aus. Mit Schreiben vom 20.11.2011 hat er u.a. den Tod seines Vaters und die bevorstehende Weihnachtszeit als Grund dafür angegeben, seine Ruhe haben zu wollen. Wegen all dieser Tatsachen muss sich jedoch das SG aus seiner Sicht nicht gedrängt fühlen, an der Vermutung der Aussagekraft der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu zweifeln. Nicht zu prüfen ist dabei aber, ob die Beweiswürdigung des SG im Einzelfall zutreffend war; eine fehlerhafte Beweiswürdigung stellt nämlich keinen Verfahrensmangel dar (vgl. Leitherer aaO Rdnr 34a).
Nach alldem war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs 4 Satz 4 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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