Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 4285/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage der Klägerin wegen des Bescheides der Beklagten vom 15. November 2011 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Pflegegeld nach der Pflegestufe III ab 6. August 2009.
Die 1925 geborene Klägerin ist Mitglied der beklagten Pflegekasse. Sie lebt mit ihrem Sohn, der zugleich Pflegeperson ist und dem sie eine notarielle General- und Vorsorgevollmacht vom 29. Januar 2008 erteilte, auf einem von diesem bewirtschafteten Bauernhof. Aufgrund einer Augenerkrankung besteht eine erhebliche Sehminderung. Sie ist mit Hörgeräten beidseits versorgt. Bei der Klägerin sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Nachteilsausgleiche G, aG, H und RF seit 28. Januar 2005 festgestellt.
Nachdem die Klägerin Pflegegeld beantragt hatte, veranlasste die Beklagte das Gutachten der Pflegefachkraft L., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), vom 17. August 2005, der den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 60 Minuten täglich (Körperpflege 51 Minuten, Mobilität neun Minuten) schätzte. Im Hinblick auf die Angaben des Gutachters zu dem schlechten und verschmutzten Zustand der Wohnung der Klägerin sowie zu ihrem schlechten Pflegezustand bat die Beklagte die Klägerin zu prüfen, ob die Pflege durch den Einsatz einer Sozialstation oder eines Krankenpflegedienstes unterstützt werden könne, was der Sohn der Klägerin ablehnte und auf der Zahlung von Pflegegeld beharrte. Die Beklagte bewilligte zunächst häusliche Pflege als Sachleistung nach der Pflegestufe I (der Bewilligungsbescheid befindet sich nicht in den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten), nach einem nachgewiesenen Pflegeeinsatz am 20. September 2005, einem Besuch bei der Klägerin durch eine Außendienstmitarbeiterin und Rücksprache mit dem Hausarzt der Klägerin, Arzt für Allgemeinmedizin Dr. B., dann ab 1. Juni 2005 Pflegegeld nach der Pflegestufe I unter der Voraussetzung, dass die häusliche Pflege durch den Sohn der Klägerin sichergestellt wird (Bescheid vom 20. Oktober 2005). Den Antrag der Klägerin vom 16. Februar 2006 auf Höherstufung lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 1. Juni 2006), bewilligte der Klägerin aber ab 1. Juni 2005 zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45b Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in Höhe von bis zu EUR 460,00 je Kalenderjahr (weiterer Bescheid vom 1. Juni 2006). Der Ablehnung der Höherstufung lag das Gutachten der Pflegefachkraft L., MDK, 30. Mai 2006 zugrunde, der den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 62 Minuten täglich (Körperpflege 48 Minuten, Ernährung fünf Minuten, Mobilität neun Minuten) schätzte. Die Klägerin erhob Widerspruch. Pflegefachkraft Reichel, MDK, hielt in ihrem Gutachten nach Aktenlage vom 30. August 2006 den Hilfebedarf von 62 Minuten für nachvollziehbar. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin unter Verweis auf die Gutachten des MDK zurück (Widerspruchsbescheid vom 28. September 2006).
Nachdem die Klägerin im Juni 2008 einen Antrag auf Höherstufung gestellt hatte, erstattete auf Veranlassung der Beklagten Pflegefachkraft L., MDK, das Gutachten vom 8. September 2008. Er schätzte nach einem ausführlichen Telefongespräch mit dem Sohn der Klägerin am 4. September 2008 den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 140 Minuten (Körperpflege 85 Minuten, Ernährung 20 Minuten, Mobilität 35 Minuten). Die Klägerin habe in den letzten zwei Jahren stark abgebaut und sehe jetzt auf dem besseren Auge nur noch zwei v.H ... Sie erkenne pflegerelevante Gegenstände nicht mehr und stoße überall an. Nicht zuletzt auch wegen Schwäche brauche sie Hilfestellung beim Gehen und Stehen im Zusammenhang mit allen pflegerischen Verrichtungen. Speisen müssten mundgerecht zubereitet werden. Bei der Nahrungsaufnahme benötige sie Teilhilfe, da sie das Essen nicht sehe. Die Speisen auf dem Teller müssten zusammengeschoben werden. Bei der Körperpflege benötige sie vollständige Hilfe bei der Körperwäsche, dem Duschen, der Zahnpflege, dem Kämmen und der Inkontinenzversorgung bei jetzt verstärkter Inkontinenz, was die Hilfestellung bei der Stuhlausscheidung ausschließe. Im Bereich der Mobilität bestehe neben dem Bekleidungsbedarf auch Hilfebedarf beim Wechseln der Kleider. Die Beklagte bewilligte der Klägerin ab 1. Juli 2008 Pflegegeld nach der Pflegestufe II (Bescheid vom 7. Oktober 2008).
Am 23. September 2009 ging bei der Beklagten der der Klägerin am 6. August 2009 übersandte Antragsvordruck auf Erhöhung der bestehenden Pflegestufe ein. Daraufhin erstattete Pflegefachkraft K. ihr Gutachten vom 13. November 2009. Sie nannte als pflegebegründende Diagnosen eine vollständige Erblindung, eine Altersgebrechlichkeit, eine Inkontinenz sowie einen Abbau der geistig-kognitiven Leistungsfähigkeit und schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 127 Minuten täglich (Körperpflege 40 Minuten, Ernährung 45 Minuten, Mobilität 42 Minuten). Die Klägerin wasche sich weitgehend selbst, Hilfe benötige sie beim Waschen des Rückens und der Füße. Sinnvoll sei auch eine Hilfe bei der Intimpflege (auch abends als Sollhilfebedarf), bei der sie sich nur begrenzt von ihrem Sohn helfen lasse. Pflegeutensilien würden griffbereit hergerichtet, die Klägerin komme dann gut zurecht. Nach Auftragen der Zahncreme putze sie selbst die Zähne. Korrigierende Hilfen seien beim Kämmen, Richten der Bekleidung sowie Bereitlegen, Anreichen und Korrektur des Sitzes der Einlagen und Windeln notwendig. Die Tätigkeiten nach dem Wasserlassen führe sie selbstständig durch. Das Nachsäubern nach dem Stuhlgang sei als Sollhilfebedarf notwendig. Für den nächtlichen Stuhlgang benutze die Klägerin einen Eimer, den die Pflegekraft entleere. Es würden sämtliche Mahlzeiten geschnitten und Getränke eingeschenkt. Das Trinken sei der Klägerin selbst möglich. Es sei notwendig, die Speisen auf dem Teller zusammenzuschieben, eventuell mit dem Löffel oder mit der Gabel aufzunehmen und der Klägerin zu reichen. Frische Kleidung werde vorgerichtet und es sei auf regelmäßigen Wäschewechsel zu achten. Die Kleidung sei anzureichen und bei schwieriger Überkopfkleidung sei zu helfen. Im Bereich des Unterkörpers sei die Klägerin bis auf das Binden der Schuhe selbstständig. Pflegerelevante Gänge müssten aufgrund der (erfolgten) Stürze bei Gangunsicherheiten durch die Erblindung begleitet werden. Hilfe beim Transfer in die Dusche sei notwendig. Die Klägerin lasse sich von ihrem Sohn nur begrenzt bei der Körperpflege helfen. Das Einschalten eines Pflegedienstes sei empfohlen worden. Der private Pflegedienst Miriam Care gab auf telefonische Anfrage der Beklagten am 16. November 2009 an, bei dem Beratungsbesuch am 11. November 2009 seien keine gravierenden Mängel festgestellt worden. Er weise jedoch darauf hin, dass er im Oktober (2009) wegen eines Krankenhausaufenthaltes des Sohnes der Klägerin zu Hilfe gerufen worden sei und sich zu diesem Anlass verheerende Zustände gezeigt hätten. Die Klägerin sei total verwahrlost gewesen. Er befürchte, dass die Verwahrlosung der Regelzustand sei und nur zu den Beratungsbesuchen ein akzeptabler Zustand hergestellt werde. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Erhöhung der Pflegestufe ab (Bescheid vom 19. November 2009).
Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie verwies darauf, vollständig blind zu sein. Es bestehe Inkontinenz, die Herzkrankheit sowie die Angina-pectoris-Anfälle hätten sich verschlimmert und die Demenz sei weit fortgeschritten. Die Feststellungen der Pflegefachkraft K. zu ihren (der Klägerin) Fähigkeiten seien unrichtig. Die von ihr im Gutachten genannten Zeiten für die einzelnen Verrichtungen, die sie nicht mit einer Stoppuhr ermittelt habe, seien allenfalls in einem gut organisierten Pflegeheim zu erreichen, keinesfalls aber in einem normalen Haushalt. Sie (die Klägerin) benötige bei allen Tätigkeiten Unterstützung. Der tägliche Zeitaufwand betrage für den Bereich der Körperpflege 137 Minuten, für den Bereich der Ernährung 75 Minuten, für die Behandlungspflege 20 Minuten und für den Bereich der Mobilität 92 Minuten. Sie könne nicht frei, sondern nur mit einem Stock gehen, nicht frei stehen und sich nicht selbstständig anziehen. Nicht berücksichtigt seien Wartezeiten beim Arzt, Zeiten für die Beschaffung von Medikamenten, die Versorgung mit Getränken, Obst und Süßigkeiten sowie das Beziehen des Bettes. Pflege erschwerende Faktoren seien die Blindheit, eine Atemstörung, eine Demenz, eine Steifheit der Glieder und ihr häufig ablehnendes Verhalten. Auch bestehe ein nächtlicher Grundpflegebedarf von 50 Minuten täglich, weil sie nicht wisse, ob Nacht oder Tag sei und ständige Kontrollen notwendig seien. Mit dem Zeitaufwand für die hauswirtschaftliche Versorgung von 90 Minuten täglich betrage der gesamte Zeitaufwand 464 Minuten täglich.
Am 1. März 2010 ging bei der Beklagten ein weiterer Antrag der Klägerin auf Erhöhung der bestehenden Pflegestufe vom "20.9.2010" ein. Pflegefachkraft M., MDK, nannte in ihrem Gutachten vom 3. Mai 2010 dieselben pflegebegründenden Diagnosen wie Pflegefachkraft K. in ihrem Gutachten, zusätzlich noch eine Schwerhörigkeit, und schätzte den denselben täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege. Sie führte aus, beim Hausbesuch am 14. April 2010 habe die Begutachtung nur sehr kurzfristig und teilweise durchgeführt werden können, da der Sohn der Klägerin sich geweigert habe, die Klägerin zur Begutachtung in das Wohnzimmer zu lassen. Im Vorfeld sei durch die Schlafzimmertür zu beobachten gewesen, dass sich die Klägerin frei stehend vor dem Toilettenstuhl befunden habe und somit in den Grenzen ihrer Erblindung selbstständig mobil sei. Durch die geschlossene Türe sei auch deutlich zu hören gewesen, dass die Klägerin die Uhrzeit erfragt, der Sohn mit 11:15 Uhr geantwortet und die Klägerin erwidert habe, dann gebe es gleich Mittagessen. Dies spreche dafür, dass die Klägerin noch den Tagesablauf und die Tageszeit erkenne. Während der Sohn der Klägerin den Toilettenstuhl entleert habe, habe sie (die Gutachterin) an das Bett treten und verbal Kontakt aufnehmen können. Die Klägerin sei in einem sehr ungepflegten Zustand gewesen. Sie (die Gutachterin) sei als solche erkannt worden und die Klägerin habe geantwortet, sie (die Klägerin) sei blind und taub und verstehe sie (die Gutachterin) nicht. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ihre Blindheit noch in begrenztem Maße kompensieren könne, da sie keine schweren demenziellen Orientierungsstörungen habe. Eine gravierende Zustandsverschlechterung sei nicht eingetreten. Das Gutachten habe abgebrochen werden müssen, da der Sohn der Klägerin verbal aggressiv geworden sei, die Begutachtungssituation behindert habe und es in der Folge zu einem körperlichen Angriff auf sie (die Gutachterin) gekommen sei.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2010). Zur Begründung verwies er auf die Gutachten des MDK vom 13. November 2009 und 3. Mai 2010 und führte weiter aus, hinsichtlich der Ablehnung des Höherstufungsantrags vom 1. März 2010 werde auf die "in diesem Bescheid" (gemeint Widerspruchsbescheid) aufgeführte Begründung verwiesen.
Mit Bescheid vom 1. Juli 2010 nahm die Beklagte wegen nicht gesicherter Pflege und hauswirtschaftlicher Versorgung eine "Umstellung (der) bisherigen Leistungsart" vor und bewilligte der Klägerin ab 1. Juli 2010 Pflegesachleistungen nach der Pflegestufe II in Höhe von bis zu EUR 1.040,00 monatlich. Hiergegen erhob die Klägerin am 21. Juli 2010 Widerspruch. Sie wolle wegen schlechter Erfahrungen keinen ambulanten Pflegedienst und keine Unterbringung in einem Pflegeheim. Mit Bescheid vom 15. September 2010 nahm die Beklagte erneut eine "Umstellung der bisher gewährten Leistungsart" vor und bewilligte der Klägerin ab 19. August 2010 wieder Pflegegeld nach der Pflegestufe II.
Die Klägerin erhob am 22. Juli 2010 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG). Sie verwies auf die Begründung ihres Widerspruchs. Sie legte vor den Arztbrief des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr. P. vom 17. Mai 2006 zur Versorgung mit Hörgeräten, den Bericht des Prof. Dr. R., Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums U., vom 27. Juli 2006 über die stationäre Behandlung vom 20. bis 27. Juli 2006 wegen eines chronischen subduralen Hämatoms rechts, den Bericht des Prof. Dr. N., Ärztlicher Leiter der Geriatrischen Klinik U. vom 9. August 2006 über die stationäre Behandlung vom 27. Juli bis 4. August 2006 wegen einer traumatischen subduralen Blutung nach Sturz mit Delir (nach einigen Tagen habe sich die Verwirrtheit merklich gebessert; in der kognitiven Testung habe die Klägerin in Anbetracht ihres Alters und ihrer Hör- und Sehbehinderung gut abgeschnitten; da die Klägerin selbstständiger geworden sei, sei eine pflegerische Versorgung im häuslichen Umfeld wie bisher möglich), das ärztliche Attest des Dr. B. vom 25. November 2006 (starke Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin in den letzten Monaten) sowie die augenärztliche Bescheinigung des Dr. Fr. vom 25. Juni 2010 zur Gewährung von Blindenhilfe.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie verwies erneut darauf, dass die häusliche Pflege nicht sichergestellt sei. Die zwischenzeitlich bewilligten Sachleistungen nehme die Klägerin nicht in Anspruch. Sie legte den Nachweis eines privaten Pflegedienstes über den Beratungseinsatz am 19. August 2010 vor, wonach die Pflege sichergestellt sei.
Im Auftrag des SG erstattete Diplom-Pflegedienstleiter Li. sein Gutachten vom 18. November 2010. Er schätzte den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege mit 157 Minuten (Körperpflege 71 Minuten, Ernährung 34 Minuten, Mobilität 52 Minuten). Das Waschen (viermal wöchentlich morgens und jeden Abend) gestalte sich schwierig, da die Klägerin nur teilweise verstehe, was von ihr verlangt werde. Sie könne sich selbstständig waschen, der Unterkörper und der Rücken müssten teilweise gewaschen werden. Die Waschutensilien müssten vorbereitet und bereitgelegt werden. Nach Einnässen sei eine Wäsche am Unterkörper zusätzlich nötig (Ganzkörperpflege 23 Minuten). Nach den Mahlzeiten benötige die Klägerin Hilfe beim Säubern der Hände (Teilwäsche Hände vier Minuten). Beim Duschen benötige die Klägerin mehr Hilfe als bei der Ganzkörperwäsche, da sie nur wenig sehe und nicht selbstständig in die Dusche gehen könne. Das Waschen werde wegen des unsicheren Stands beim Duschen vollständig übernommen (Duschen 21 Minuten). Die Zahnpflege führe die Klägerin teilweise selbstständig durch, die Utensilien müssten aber vorbereitet und bereitgelegt werden (Zahnpflege acht Minuten). Zum Kämmen, wozu die Klägerin selbstständig in der Lage sei, müsse der Kamm gereicht werden. Teilweise sei eine Übernahme erforderlich, da sie nicht immer verstehe, was sie machen solle (Kämmen eine Minute). Wegen starken Bartwuchses sei einmal wöchentlich eine Rasur notwendig, die wegen der Sehminderung vollständig übernommen werden müsse (Rasieren eine Minute). Tagsüber suche die Klägerin die Toilette meist selbstständig auf, benötige aber manchmal Hilfe bei der Orientierung (Wasserlassen acht Minuten). Die Klägerin benötige Hilfe wegen des getragenen Inkontinenzmaterials beim Richten der Bekleidung nach den Toilettengängen (Richten der Bekleidung sechs Minuten), beim Wechsel des Inkontinenzmaterials (Wechseln kleiner Vorlagen sieben Minuten) sowie beim Säubern nach Stuhlgang (Stuhlgang eine Minute). Den vor dem Bett stehenden Toilettenstuhl könne sie nachts meist selbstständig benutzen. Dieser werde vom Sohn morgens entleert (Entleeren des Toilettenstuhls drei Minuten). Der Sohn schaue zwei- bis dreimal in der Nacht nach der Klägerin. Durch die Sehschwäche könne die Klägerin die Nahrung nicht mehr mundgerecht vorbereiten (mundgerechte Vorbereitung acht Minuten), es müssten ihr Getränke bereitgestellt und eingeschenkt werden (Getränke bereitstellen und vorbereiten sechs Minuten). Die Klägerin benötige Hilfe beim Leeressen des Tellers (Nahrungsaufnahme 20 Minuten). Die Kleidungsstücke, die sie sich teilweise selbstständig anziehe, müssten ihr gereicht werden. Hilfe benötige sie bei Kleidungsstücken, die über den Kopf gezogen werden müssten, sowie im Bereich des Unterkörpers. Teilweise sei ein zusätzlicher Kleidungswechsel nach dem Toilettengang wegen Einnässens am Unterkörper nötig (An- und Auskleiden 25 Minuten). Das Gehen sei wegen der Sehbehinderung, der Unordnung in der Wohnung mit deshalb bestehender größerer Sturzgefahr und der teilweisen Verwirrtheit erschwert (Gehen 25 Minuten). Transfers zur und aus der Dusche seien notwendig (Transfer zwei Minuten). Die ermittelten Zeitwerte beruhten auf dem Hilfebedarf, der nötig sei. Ob diese Hilfe auch geleistet werde, sei zweifelhaft. Der Pflegezustand der Klägerin sei verbesserungsfähig.
Zu dem Gutachten wandte die Klägerin ein, der Sachverständige habe Kontakt mit dem MDK gehabt, habe als Pflegedienstleiter mit dem MDK zu tun und auch Schriftstücke des MDK dabei gehabt. Die vom Sachverständigen nur geschätzten Zeiten brauche ein Gesunder. Nach den von ihrem Sohn gestoppten Zeiten betrage der Hilfebedarf 267 Minuten (Körperpflege 127 Minuten, Ernährung 69 Minuten und Mobilität 71 Minuten). Der Sachverständige berücksichtige nicht den Zeitaufwand für Gespräche, Vorlesen, Verabreichen und Besorgen der Medikamente, Arztbesuche, Spaziergänge sowie sonstige Besorgungsfahrten.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 7. September 2011 ab. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für Leistungen nach der Pflegestufe III (noch) nicht. Dies ergebe sich aus sämtlichen vorliegenden Gutachten der Pflegefachkräfte K. und M. sowie des Sachverständigen Li ... Es liege ein Hilfebedarf in der Grundpflege von 157 Minuten vor. Die Einwände der Klägerin griffen nicht durch. Der Gesetzgeber habe den Begriff der Hilfe im Hinblick auf die Leistungsberechtigung und den Leistungsumfang bei ambulanter Pflege - bewusst - erheblich eingeschränkt und setze insbesondere der Berücksichtigung einer so genannten aktivierenden Pflege und mitmenschlicher Zuwendungen Grenzen. Berücksichtigt werden dürfe nur, was für die jeweils erforderliche konkrete Verrichtungen notwendig sei, nicht eine allgemeine Ruf- oder Einsatzbereitschaft einer Pflegeperson und der Aufsichtsbedarf, wie er bei bestimmten Erkrankungen anfalle. Da sich die Klägerin in fast allen Bereichen der Grundpflege noch aktiv an der Pflege beteiligen könne, seien gerade nicht die Zeiten, die für eine vollständige Übernahme der Verrichtungen erforderlich seien, anzuerkennen, sondern nur ein Teil hiervon.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin nach Verkündung in der mündlichen Verhandlung des SG Berufung eingelegt. Die vom MDK angegebenen Zeiten seien nur geschätzt. Ihre Argumente würden nicht berücksichtigt. Nicht behandelt worden sei, weshalb sie vom 1. bis 19. Juli 2009 weder Pflegegeld noch Pflegesachleistungen erhalten habe und von Juni 2005 bis Juli 2008 keine Rentenbeiträge entrichtet worden seien.
Nach Hinweis des Senats, eine erstmalige Ablehnung des am 1. März 2010 bei der Beklagten eingegangenen Antrags auf Höherstufung im Widerspruchsbescheid sei nicht zulässig, hat die Beklagte diesen Antrag mit Bescheid vom 15. November 2011 abgelehnt, weil (nur) ein Hilfebedarf in der Grundpflege von 127 Minuten festgestellt worden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2011 aufzuheben, und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 6. August 2009 Pflegegeld nach der Pflegestufe III zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage wegen des Bescheids vom 15. November 2011 abzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Frage der Rentenbeiträge, die sie seit 1. Juli 2008 laufend zahle, sei bisher nicht Gegenstand des Rechtsstreits gewesen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht gegeben. Denn die Klägerin begehrt Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der während des Berufungsverfahrens ergangene Bescheid vom 15. November 2011. Dieser ist nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Nach § 96 Abs. 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Klageverfahrens oder des Berufungsverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Mit dem Bescheid vom 15. November 2011 lehnte die Beklagte - wie schon zuvor durch ihren Bescheid vom 19. November 2009 (nicht wie in der Klageschrift und im Widerspruchsbescheid angegeben vom 19. Januar 2010) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2010 - erneut den Antrag der Klägerin ab, ihr ab 6. August 2009 (formlose Antragstellung) Pflegegeld nach der Pflegestufe III anstelle der Pflegestufe II zu zahlen. Sie erteilte mit dem Bescheid vom 15. November 2011 eine erneute sachliche Entscheidung im Sinne eines so genannten Zweitbescheids, der den Klageweg (neu) eröffnete (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12. Dezember 1991 - 7 RAr 26/90 - SozR 3-4100 § 94 Nr. 1; Urteil vom 23. März 1999 - B 2 U 8/98 R - SozR 3-8100 Art 19 Nr. 5). Aus dem Verfahrensablauf ergibt sich, dass die Beklagte einheitlich über die Anträge der Klägerin auf höheres Pflegegeld nach der Pflegestufe III entscheiden wollte. Die Klägerin stellte den am 1. März 2010 bei der Beklagten eingegangenen Höherstufungsantrag während des laufenden Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 19. November 2009. Die Beklagte veranlasste das weitere Gutachten der Pflegefachkraft M. vom 3. Mai 2010 und lehnte diesen weiteren Antrag auf höheres Pflegegeld erstmalig im Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2010 ab. Diese Ablehnung im Widerspruchsbescheid war nicht rechtmäßig, weil der Widerspruchsausschuss funktional und sachlich nicht zuständig ist, an Stelle der Ausgangsbehörde des Trägers über ein erstmals im Widerspruchsverfahren geltend gemachtes Recht zu entscheiden (ständige Rechtsprechung des BSG; vgl. z.B. BSG, Urteil vom 20. Juli 2010 - B 2 U 19/09 R - m.w.N. in juris.). Auf den entsprechenden Hinweis des Senats lehnte die Beklagte dann mit dem Bescheid vom 15. November 2011 diesen weiteren Antrag auf höheres Pflegegeld ab. Sie bekräftigte damit ihre bereits im Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2010 zum Ausdruck gekommene ablehnende Haltung gegenüber dem Begehren der Klägerin auf höheres Pflegegeld nach der Pflegestufe III und gab zu erkennen, dass die Frage, ob der Klägerin ab dem ab 6. August 2009 Pflegegeld nach der Pflegestufe III zusteht, sich allein aufgrund des Bescheids vom 15. November 2011 beurteilen soll, zumal dieser Bescheid lediglich aus formellen Gründen erging. Damit ist der vorangegangene Bescheid vom 19. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2010 nicht mehr wirksam, weil er sich auf sonstige Weise (§ 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -) erledigt hat. Folge dessen ist, dass der Bescheid vom 15. November 2011 den vorangegangenen ablehnenden Bescheid vom 19. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2010 ersetzt, so dass er nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist (zum Ganzen vgl. auch Urteil des Senats vom 30. März 2012 - L 4 P 342/10 - in juris). Über diesen Bescheid entscheidet der Senat auf Klage.
Die Bescheide vom 1. Juli und 15. September 2010 sind nicht nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Der Bescheid vom 1. Juli 2010 ist bereits deshalb nicht Gegenstand des Klageverfahrens, da er noch vor Erlass des Widerspruchsbescheids erging. Der weitere Bescheid vom 15. September 2010 ändert allenfalls den Bescheid vom 1. Juli 2010 ab. Zudem änderten die Bescheide vom 1. Juli und 15. September 2010 den Bescheid der Beklagten vom 19. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2010 nicht und ersetzten ihn auch nicht. Die von der Beklagten als "Umstellung der bisher gewährten Leistungen" gewählte Formulierung ist rechtlich eine Aufhebung des jeweils vorangegangenen Bewilligungsbescheids, wohl gestützt auf § 48 SGB X wegen Änderung der Verhältnisse, verbunden mit einer neuen Bewilligung, nämlich im Bescheid vom 1. Juli 2010 statt der Leistung Pflegegeld nunmehr die Leistung häusliche Pflege als Sachleistung, und im Bescheid vom 15. September 2010 statt der Leistung häusliche Pflege als Sachleistung nunmehr wieder die Leistung Pflegegeld.
Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist die Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung wegen nichterwerbsmäßiger Pflege für den Bevollmächtigten der Klägerin als Pflegeperson sowie die Zahlung von Leistungen für den Zeitraum vom 1. bis 19. Juli 2009.
3. Die Klage der Klägerin ist nicht begründet. Die Klägerin hatte und hat seit 6. August 2009 keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe III.
Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG, Urteile vom 19. Februar 1986 - 7 RAr 55/84 - SozR 1300 § 48 Nr. 22 und 8. September 2010 - B 11 AL 4/09 R - in juris). Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG, Urteil vom 7. Juli 2005 - B 3 P 8/04 R - SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Die letzte vollständige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen und damit der maßgebliche Vergleichszeitpunkt ist vorliegend die durch den Bescheid der Beklagten vom 7. Oktober 2008 erfolgte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II ab 1. Juli 2008. Da dieser Bewilligung das Gutachten der Pflegefachkraft L. vom 8. September 2008 zugrundelag, ist dieses Gutachten das maßgebliche Vergleichsgutachten.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Maßgebend für den zeitlichen Aufwand ist grundsätzlich die tatsächlich bestehende Pflegesituation unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden, allerdings am Maßstab des allgemein Üblichen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG, Urteil 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinie; vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R - SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 4).
Seit dem Jahre 2008 hat sich der tägliche Hilfebedarf für die Verrichtungen der Grundpflege nicht insoweit verändert, dass nunmehr ein solcher von mindestens 240 Minuten täglich besteht. Dies ergibt sich - wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat - aus den Gutachten der Pflegefachkräfte K. und M. sowie des Sachverständigen Li ...
Bei der Klägerin besteht eine erhebliche Sehminderung. Sie ist nahezu erblindet. Aus diesem Grund ist es nachvollziehbar, dass die Klägerin bei allen im Gesetz abschließend genannten Verrichtungen der Unterstützung bedarf. Bei der Klägerin bestehen jedoch kaum funktionelle Einschränkungen, die sie hindern, die im abschließend Gesetz genannten Verrichtungen selbst durchzuführen. Dies wird auch in den Gutachten der Pflegefachkräfte K. und M. sowie des Sachverständigen Li. entsprechend dargestellt. In allen Gutachten wird zudem auch die Inkontinenz und Demenz genannt. Deswegen sind auch die in den Gutachten genannten Zeitwerte für die einzelnen Verrichtungen im Hinblick auf die Orientierungswerte der Begutachtungs-Richtlinien nachvollziehbar. Die erhebliche Sehminderung der Kläger bestand bereits im September 2008. Pflegefachkraft L. beschrieb in seinem Gutachten vom 8. September 2008 eine Sehleistung von nur noch zwei v.H. auf dem besseren Auge sowie weiter Anzeichen einer Demenz und eine Inkontinenz. Dies führte damals zu der Bewilligung des Pflegegelds nach der Pflegestufe II, weil sich der Hilfebedarf deswegen deutlich erhöht hatte. Hinzu kommt, dass keines der Gutachten auch nur annähernd den für die Pflegestufe III erforderlichen täglichen Mindestaufwand von 240 Minuten genannt hat. Den höchsten Zeitaufwand nannte der Sachverständige Li. mit 157 Minuten täglich, mithin 83 Minuten weniger als für die Pflegestufe III erforderlich.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nicht erforderlich, dass bei der Erstellung der Gutachten der Zeitaufwand für den Hilfebedarf mit der Stoppuhr gemessen werden muss. Der Zeitaufwand kann anhand allgemeiner Erfahrungswerte geschätzt werden.
Die von der Klägerin gegen die Gutachten erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Insbesondere steht der Verwertung der von der Beklagten erhobenen Gutachten im gerichtlichen Verfahren nicht entgegen, dass diese vom MDK erstattet worden sind. Die Beklagte muss vor ihrer Entscheidung zwingend eine Prüfung durch den MDK durchführen lassen (§ 18 Abs. 1 SGB X). Der MDK ist nicht in die Verwaltungsorganisation der Pflegekassen eingebunden, sondern institutionell von diesen getrennt. Es handelt sich auf Länderebene jeweils um eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 278 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V -). Um auch den Anschein eines Weisungsverhältnisses zwischen Kranken- oder Pflegekassen und den Ärzten des MDK auszuschließen, stellt § 275 Abs. 5 SGB V ausdrücklich klar, dass die Ärzte des MDK bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen sind (vergleiche BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 - B 3 P 5/00 R - SozR 3-3300 § 15 Nr. 11).
Der von der Klägerin geltend gemachte Zeitaufwand für Gespräche, Vorlesen, Verabreichen und Besorgen der Medikamente, Arztbesuche, Spaziergänge und sonstige Besorgungsfahrten ist nicht zu berücksichtigen. Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - und 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nrn. 5 und 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist u.a. nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche gegeben ist. Dies ist hier nicht der Fall. Dass Arztbesuche wöchentlich erfolgen, behauptet die Klägerin nicht und es ist auch nicht erkennbar, dass Arztbesuche wöchentlich erforderlich sind. Ferner kann die Begleitung zu Spaziergängen nicht berücksichtigt werden (BSG, Urteile vom 10. Oktober 2000 - B 3 P 15/99 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 16 und 12. November 2003 - B 3 P 5/02 R - SozR 4-3300 § 14 Nr. 3). Medikamente reichen und besorgen zählt zur so genannten Behandlungspflege, sonstige Besorgungsfahrten gegebenenfalls zur hauswirtschaftlichen Versorgung. Gespräche führen und Vorlesen fällt zum allgemeinen Betreuungsaufwand, der nicht als Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege berücksichtigungsfähig ist. Die Pflegeversicherung ist bewusst nicht als umfassende Absicherung des Pflegerisikos konzipiert worden, die bei jeder Form eines Pflegebedarfs Leistungen vorsieht. Demgemäß hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinen Beschlüssen vom 22. Mai 2003 (1 BvR 452/99 FamRZ 2003, 1084 und 1 BvR 1077/00 SozR 4 3300 § 14 Nr. 1) den Ausschluss des allgemeinen Beaufsichtigungs- und Betreuungsaufwands, der gerade bei geistig behinderten Menschen in besonders hohem Maße zu leisten ist, aus dem nach § 14 Abs. 3 und 4 SGB XI berücksichtigungsfähigen Pflegebedarf für verfassungsgemäß erklärt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Pflegegeld nach der Pflegestufe III ab 6. August 2009.
Die 1925 geborene Klägerin ist Mitglied der beklagten Pflegekasse. Sie lebt mit ihrem Sohn, der zugleich Pflegeperson ist und dem sie eine notarielle General- und Vorsorgevollmacht vom 29. Januar 2008 erteilte, auf einem von diesem bewirtschafteten Bauernhof. Aufgrund einer Augenerkrankung besteht eine erhebliche Sehminderung. Sie ist mit Hörgeräten beidseits versorgt. Bei der Klägerin sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Nachteilsausgleiche G, aG, H und RF seit 28. Januar 2005 festgestellt.
Nachdem die Klägerin Pflegegeld beantragt hatte, veranlasste die Beklagte das Gutachten der Pflegefachkraft L., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), vom 17. August 2005, der den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 60 Minuten täglich (Körperpflege 51 Minuten, Mobilität neun Minuten) schätzte. Im Hinblick auf die Angaben des Gutachters zu dem schlechten und verschmutzten Zustand der Wohnung der Klägerin sowie zu ihrem schlechten Pflegezustand bat die Beklagte die Klägerin zu prüfen, ob die Pflege durch den Einsatz einer Sozialstation oder eines Krankenpflegedienstes unterstützt werden könne, was der Sohn der Klägerin ablehnte und auf der Zahlung von Pflegegeld beharrte. Die Beklagte bewilligte zunächst häusliche Pflege als Sachleistung nach der Pflegestufe I (der Bewilligungsbescheid befindet sich nicht in den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten), nach einem nachgewiesenen Pflegeeinsatz am 20. September 2005, einem Besuch bei der Klägerin durch eine Außendienstmitarbeiterin und Rücksprache mit dem Hausarzt der Klägerin, Arzt für Allgemeinmedizin Dr. B., dann ab 1. Juni 2005 Pflegegeld nach der Pflegestufe I unter der Voraussetzung, dass die häusliche Pflege durch den Sohn der Klägerin sichergestellt wird (Bescheid vom 20. Oktober 2005). Den Antrag der Klägerin vom 16. Februar 2006 auf Höherstufung lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 1. Juni 2006), bewilligte der Klägerin aber ab 1. Juni 2005 zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45b Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in Höhe von bis zu EUR 460,00 je Kalenderjahr (weiterer Bescheid vom 1. Juni 2006). Der Ablehnung der Höherstufung lag das Gutachten der Pflegefachkraft L., MDK, 30. Mai 2006 zugrunde, der den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 62 Minuten täglich (Körperpflege 48 Minuten, Ernährung fünf Minuten, Mobilität neun Minuten) schätzte. Die Klägerin erhob Widerspruch. Pflegefachkraft Reichel, MDK, hielt in ihrem Gutachten nach Aktenlage vom 30. August 2006 den Hilfebedarf von 62 Minuten für nachvollziehbar. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin unter Verweis auf die Gutachten des MDK zurück (Widerspruchsbescheid vom 28. September 2006).
Nachdem die Klägerin im Juni 2008 einen Antrag auf Höherstufung gestellt hatte, erstattete auf Veranlassung der Beklagten Pflegefachkraft L., MDK, das Gutachten vom 8. September 2008. Er schätzte nach einem ausführlichen Telefongespräch mit dem Sohn der Klägerin am 4. September 2008 den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 140 Minuten (Körperpflege 85 Minuten, Ernährung 20 Minuten, Mobilität 35 Minuten). Die Klägerin habe in den letzten zwei Jahren stark abgebaut und sehe jetzt auf dem besseren Auge nur noch zwei v.H ... Sie erkenne pflegerelevante Gegenstände nicht mehr und stoße überall an. Nicht zuletzt auch wegen Schwäche brauche sie Hilfestellung beim Gehen und Stehen im Zusammenhang mit allen pflegerischen Verrichtungen. Speisen müssten mundgerecht zubereitet werden. Bei der Nahrungsaufnahme benötige sie Teilhilfe, da sie das Essen nicht sehe. Die Speisen auf dem Teller müssten zusammengeschoben werden. Bei der Körperpflege benötige sie vollständige Hilfe bei der Körperwäsche, dem Duschen, der Zahnpflege, dem Kämmen und der Inkontinenzversorgung bei jetzt verstärkter Inkontinenz, was die Hilfestellung bei der Stuhlausscheidung ausschließe. Im Bereich der Mobilität bestehe neben dem Bekleidungsbedarf auch Hilfebedarf beim Wechseln der Kleider. Die Beklagte bewilligte der Klägerin ab 1. Juli 2008 Pflegegeld nach der Pflegestufe II (Bescheid vom 7. Oktober 2008).
Am 23. September 2009 ging bei der Beklagten der der Klägerin am 6. August 2009 übersandte Antragsvordruck auf Erhöhung der bestehenden Pflegestufe ein. Daraufhin erstattete Pflegefachkraft K. ihr Gutachten vom 13. November 2009. Sie nannte als pflegebegründende Diagnosen eine vollständige Erblindung, eine Altersgebrechlichkeit, eine Inkontinenz sowie einen Abbau der geistig-kognitiven Leistungsfähigkeit und schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 127 Minuten täglich (Körperpflege 40 Minuten, Ernährung 45 Minuten, Mobilität 42 Minuten). Die Klägerin wasche sich weitgehend selbst, Hilfe benötige sie beim Waschen des Rückens und der Füße. Sinnvoll sei auch eine Hilfe bei der Intimpflege (auch abends als Sollhilfebedarf), bei der sie sich nur begrenzt von ihrem Sohn helfen lasse. Pflegeutensilien würden griffbereit hergerichtet, die Klägerin komme dann gut zurecht. Nach Auftragen der Zahncreme putze sie selbst die Zähne. Korrigierende Hilfen seien beim Kämmen, Richten der Bekleidung sowie Bereitlegen, Anreichen und Korrektur des Sitzes der Einlagen und Windeln notwendig. Die Tätigkeiten nach dem Wasserlassen führe sie selbstständig durch. Das Nachsäubern nach dem Stuhlgang sei als Sollhilfebedarf notwendig. Für den nächtlichen Stuhlgang benutze die Klägerin einen Eimer, den die Pflegekraft entleere. Es würden sämtliche Mahlzeiten geschnitten und Getränke eingeschenkt. Das Trinken sei der Klägerin selbst möglich. Es sei notwendig, die Speisen auf dem Teller zusammenzuschieben, eventuell mit dem Löffel oder mit der Gabel aufzunehmen und der Klägerin zu reichen. Frische Kleidung werde vorgerichtet und es sei auf regelmäßigen Wäschewechsel zu achten. Die Kleidung sei anzureichen und bei schwieriger Überkopfkleidung sei zu helfen. Im Bereich des Unterkörpers sei die Klägerin bis auf das Binden der Schuhe selbstständig. Pflegerelevante Gänge müssten aufgrund der (erfolgten) Stürze bei Gangunsicherheiten durch die Erblindung begleitet werden. Hilfe beim Transfer in die Dusche sei notwendig. Die Klägerin lasse sich von ihrem Sohn nur begrenzt bei der Körperpflege helfen. Das Einschalten eines Pflegedienstes sei empfohlen worden. Der private Pflegedienst Miriam Care gab auf telefonische Anfrage der Beklagten am 16. November 2009 an, bei dem Beratungsbesuch am 11. November 2009 seien keine gravierenden Mängel festgestellt worden. Er weise jedoch darauf hin, dass er im Oktober (2009) wegen eines Krankenhausaufenthaltes des Sohnes der Klägerin zu Hilfe gerufen worden sei und sich zu diesem Anlass verheerende Zustände gezeigt hätten. Die Klägerin sei total verwahrlost gewesen. Er befürchte, dass die Verwahrlosung der Regelzustand sei und nur zu den Beratungsbesuchen ein akzeptabler Zustand hergestellt werde. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Erhöhung der Pflegestufe ab (Bescheid vom 19. November 2009).
Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie verwies darauf, vollständig blind zu sein. Es bestehe Inkontinenz, die Herzkrankheit sowie die Angina-pectoris-Anfälle hätten sich verschlimmert und die Demenz sei weit fortgeschritten. Die Feststellungen der Pflegefachkraft K. zu ihren (der Klägerin) Fähigkeiten seien unrichtig. Die von ihr im Gutachten genannten Zeiten für die einzelnen Verrichtungen, die sie nicht mit einer Stoppuhr ermittelt habe, seien allenfalls in einem gut organisierten Pflegeheim zu erreichen, keinesfalls aber in einem normalen Haushalt. Sie (die Klägerin) benötige bei allen Tätigkeiten Unterstützung. Der tägliche Zeitaufwand betrage für den Bereich der Körperpflege 137 Minuten, für den Bereich der Ernährung 75 Minuten, für die Behandlungspflege 20 Minuten und für den Bereich der Mobilität 92 Minuten. Sie könne nicht frei, sondern nur mit einem Stock gehen, nicht frei stehen und sich nicht selbstständig anziehen. Nicht berücksichtigt seien Wartezeiten beim Arzt, Zeiten für die Beschaffung von Medikamenten, die Versorgung mit Getränken, Obst und Süßigkeiten sowie das Beziehen des Bettes. Pflege erschwerende Faktoren seien die Blindheit, eine Atemstörung, eine Demenz, eine Steifheit der Glieder und ihr häufig ablehnendes Verhalten. Auch bestehe ein nächtlicher Grundpflegebedarf von 50 Minuten täglich, weil sie nicht wisse, ob Nacht oder Tag sei und ständige Kontrollen notwendig seien. Mit dem Zeitaufwand für die hauswirtschaftliche Versorgung von 90 Minuten täglich betrage der gesamte Zeitaufwand 464 Minuten täglich.
Am 1. März 2010 ging bei der Beklagten ein weiterer Antrag der Klägerin auf Erhöhung der bestehenden Pflegestufe vom "20.9.2010" ein. Pflegefachkraft M., MDK, nannte in ihrem Gutachten vom 3. Mai 2010 dieselben pflegebegründenden Diagnosen wie Pflegefachkraft K. in ihrem Gutachten, zusätzlich noch eine Schwerhörigkeit, und schätzte den denselben täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege. Sie führte aus, beim Hausbesuch am 14. April 2010 habe die Begutachtung nur sehr kurzfristig und teilweise durchgeführt werden können, da der Sohn der Klägerin sich geweigert habe, die Klägerin zur Begutachtung in das Wohnzimmer zu lassen. Im Vorfeld sei durch die Schlafzimmertür zu beobachten gewesen, dass sich die Klägerin frei stehend vor dem Toilettenstuhl befunden habe und somit in den Grenzen ihrer Erblindung selbstständig mobil sei. Durch die geschlossene Türe sei auch deutlich zu hören gewesen, dass die Klägerin die Uhrzeit erfragt, der Sohn mit 11:15 Uhr geantwortet und die Klägerin erwidert habe, dann gebe es gleich Mittagessen. Dies spreche dafür, dass die Klägerin noch den Tagesablauf und die Tageszeit erkenne. Während der Sohn der Klägerin den Toilettenstuhl entleert habe, habe sie (die Gutachterin) an das Bett treten und verbal Kontakt aufnehmen können. Die Klägerin sei in einem sehr ungepflegten Zustand gewesen. Sie (die Gutachterin) sei als solche erkannt worden und die Klägerin habe geantwortet, sie (die Klägerin) sei blind und taub und verstehe sie (die Gutachterin) nicht. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ihre Blindheit noch in begrenztem Maße kompensieren könne, da sie keine schweren demenziellen Orientierungsstörungen habe. Eine gravierende Zustandsverschlechterung sei nicht eingetreten. Das Gutachten habe abgebrochen werden müssen, da der Sohn der Klägerin verbal aggressiv geworden sei, die Begutachtungssituation behindert habe und es in der Folge zu einem körperlichen Angriff auf sie (die Gutachterin) gekommen sei.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2010). Zur Begründung verwies er auf die Gutachten des MDK vom 13. November 2009 und 3. Mai 2010 und führte weiter aus, hinsichtlich der Ablehnung des Höherstufungsantrags vom 1. März 2010 werde auf die "in diesem Bescheid" (gemeint Widerspruchsbescheid) aufgeführte Begründung verwiesen.
Mit Bescheid vom 1. Juli 2010 nahm die Beklagte wegen nicht gesicherter Pflege und hauswirtschaftlicher Versorgung eine "Umstellung (der) bisherigen Leistungsart" vor und bewilligte der Klägerin ab 1. Juli 2010 Pflegesachleistungen nach der Pflegestufe II in Höhe von bis zu EUR 1.040,00 monatlich. Hiergegen erhob die Klägerin am 21. Juli 2010 Widerspruch. Sie wolle wegen schlechter Erfahrungen keinen ambulanten Pflegedienst und keine Unterbringung in einem Pflegeheim. Mit Bescheid vom 15. September 2010 nahm die Beklagte erneut eine "Umstellung der bisher gewährten Leistungsart" vor und bewilligte der Klägerin ab 19. August 2010 wieder Pflegegeld nach der Pflegestufe II.
Die Klägerin erhob am 22. Juli 2010 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG). Sie verwies auf die Begründung ihres Widerspruchs. Sie legte vor den Arztbrief des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr. P. vom 17. Mai 2006 zur Versorgung mit Hörgeräten, den Bericht des Prof. Dr. R., Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums U., vom 27. Juli 2006 über die stationäre Behandlung vom 20. bis 27. Juli 2006 wegen eines chronischen subduralen Hämatoms rechts, den Bericht des Prof. Dr. N., Ärztlicher Leiter der Geriatrischen Klinik U. vom 9. August 2006 über die stationäre Behandlung vom 27. Juli bis 4. August 2006 wegen einer traumatischen subduralen Blutung nach Sturz mit Delir (nach einigen Tagen habe sich die Verwirrtheit merklich gebessert; in der kognitiven Testung habe die Klägerin in Anbetracht ihres Alters und ihrer Hör- und Sehbehinderung gut abgeschnitten; da die Klägerin selbstständiger geworden sei, sei eine pflegerische Versorgung im häuslichen Umfeld wie bisher möglich), das ärztliche Attest des Dr. B. vom 25. November 2006 (starke Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin in den letzten Monaten) sowie die augenärztliche Bescheinigung des Dr. Fr. vom 25. Juni 2010 zur Gewährung von Blindenhilfe.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie verwies erneut darauf, dass die häusliche Pflege nicht sichergestellt sei. Die zwischenzeitlich bewilligten Sachleistungen nehme die Klägerin nicht in Anspruch. Sie legte den Nachweis eines privaten Pflegedienstes über den Beratungseinsatz am 19. August 2010 vor, wonach die Pflege sichergestellt sei.
Im Auftrag des SG erstattete Diplom-Pflegedienstleiter Li. sein Gutachten vom 18. November 2010. Er schätzte den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege mit 157 Minuten (Körperpflege 71 Minuten, Ernährung 34 Minuten, Mobilität 52 Minuten). Das Waschen (viermal wöchentlich morgens und jeden Abend) gestalte sich schwierig, da die Klägerin nur teilweise verstehe, was von ihr verlangt werde. Sie könne sich selbstständig waschen, der Unterkörper und der Rücken müssten teilweise gewaschen werden. Die Waschutensilien müssten vorbereitet und bereitgelegt werden. Nach Einnässen sei eine Wäsche am Unterkörper zusätzlich nötig (Ganzkörperpflege 23 Minuten). Nach den Mahlzeiten benötige die Klägerin Hilfe beim Säubern der Hände (Teilwäsche Hände vier Minuten). Beim Duschen benötige die Klägerin mehr Hilfe als bei der Ganzkörperwäsche, da sie nur wenig sehe und nicht selbstständig in die Dusche gehen könne. Das Waschen werde wegen des unsicheren Stands beim Duschen vollständig übernommen (Duschen 21 Minuten). Die Zahnpflege führe die Klägerin teilweise selbstständig durch, die Utensilien müssten aber vorbereitet und bereitgelegt werden (Zahnpflege acht Minuten). Zum Kämmen, wozu die Klägerin selbstständig in der Lage sei, müsse der Kamm gereicht werden. Teilweise sei eine Übernahme erforderlich, da sie nicht immer verstehe, was sie machen solle (Kämmen eine Minute). Wegen starken Bartwuchses sei einmal wöchentlich eine Rasur notwendig, die wegen der Sehminderung vollständig übernommen werden müsse (Rasieren eine Minute). Tagsüber suche die Klägerin die Toilette meist selbstständig auf, benötige aber manchmal Hilfe bei der Orientierung (Wasserlassen acht Minuten). Die Klägerin benötige Hilfe wegen des getragenen Inkontinenzmaterials beim Richten der Bekleidung nach den Toilettengängen (Richten der Bekleidung sechs Minuten), beim Wechsel des Inkontinenzmaterials (Wechseln kleiner Vorlagen sieben Minuten) sowie beim Säubern nach Stuhlgang (Stuhlgang eine Minute). Den vor dem Bett stehenden Toilettenstuhl könne sie nachts meist selbstständig benutzen. Dieser werde vom Sohn morgens entleert (Entleeren des Toilettenstuhls drei Minuten). Der Sohn schaue zwei- bis dreimal in der Nacht nach der Klägerin. Durch die Sehschwäche könne die Klägerin die Nahrung nicht mehr mundgerecht vorbereiten (mundgerechte Vorbereitung acht Minuten), es müssten ihr Getränke bereitgestellt und eingeschenkt werden (Getränke bereitstellen und vorbereiten sechs Minuten). Die Klägerin benötige Hilfe beim Leeressen des Tellers (Nahrungsaufnahme 20 Minuten). Die Kleidungsstücke, die sie sich teilweise selbstständig anziehe, müssten ihr gereicht werden. Hilfe benötige sie bei Kleidungsstücken, die über den Kopf gezogen werden müssten, sowie im Bereich des Unterkörpers. Teilweise sei ein zusätzlicher Kleidungswechsel nach dem Toilettengang wegen Einnässens am Unterkörper nötig (An- und Auskleiden 25 Minuten). Das Gehen sei wegen der Sehbehinderung, der Unordnung in der Wohnung mit deshalb bestehender größerer Sturzgefahr und der teilweisen Verwirrtheit erschwert (Gehen 25 Minuten). Transfers zur und aus der Dusche seien notwendig (Transfer zwei Minuten). Die ermittelten Zeitwerte beruhten auf dem Hilfebedarf, der nötig sei. Ob diese Hilfe auch geleistet werde, sei zweifelhaft. Der Pflegezustand der Klägerin sei verbesserungsfähig.
Zu dem Gutachten wandte die Klägerin ein, der Sachverständige habe Kontakt mit dem MDK gehabt, habe als Pflegedienstleiter mit dem MDK zu tun und auch Schriftstücke des MDK dabei gehabt. Die vom Sachverständigen nur geschätzten Zeiten brauche ein Gesunder. Nach den von ihrem Sohn gestoppten Zeiten betrage der Hilfebedarf 267 Minuten (Körperpflege 127 Minuten, Ernährung 69 Minuten und Mobilität 71 Minuten). Der Sachverständige berücksichtige nicht den Zeitaufwand für Gespräche, Vorlesen, Verabreichen und Besorgen der Medikamente, Arztbesuche, Spaziergänge sowie sonstige Besorgungsfahrten.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 7. September 2011 ab. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für Leistungen nach der Pflegestufe III (noch) nicht. Dies ergebe sich aus sämtlichen vorliegenden Gutachten der Pflegefachkräfte K. und M. sowie des Sachverständigen Li ... Es liege ein Hilfebedarf in der Grundpflege von 157 Minuten vor. Die Einwände der Klägerin griffen nicht durch. Der Gesetzgeber habe den Begriff der Hilfe im Hinblick auf die Leistungsberechtigung und den Leistungsumfang bei ambulanter Pflege - bewusst - erheblich eingeschränkt und setze insbesondere der Berücksichtigung einer so genannten aktivierenden Pflege und mitmenschlicher Zuwendungen Grenzen. Berücksichtigt werden dürfe nur, was für die jeweils erforderliche konkrete Verrichtungen notwendig sei, nicht eine allgemeine Ruf- oder Einsatzbereitschaft einer Pflegeperson und der Aufsichtsbedarf, wie er bei bestimmten Erkrankungen anfalle. Da sich die Klägerin in fast allen Bereichen der Grundpflege noch aktiv an der Pflege beteiligen könne, seien gerade nicht die Zeiten, die für eine vollständige Übernahme der Verrichtungen erforderlich seien, anzuerkennen, sondern nur ein Teil hiervon.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin nach Verkündung in der mündlichen Verhandlung des SG Berufung eingelegt. Die vom MDK angegebenen Zeiten seien nur geschätzt. Ihre Argumente würden nicht berücksichtigt. Nicht behandelt worden sei, weshalb sie vom 1. bis 19. Juli 2009 weder Pflegegeld noch Pflegesachleistungen erhalten habe und von Juni 2005 bis Juli 2008 keine Rentenbeiträge entrichtet worden seien.
Nach Hinweis des Senats, eine erstmalige Ablehnung des am 1. März 2010 bei der Beklagten eingegangenen Antrags auf Höherstufung im Widerspruchsbescheid sei nicht zulässig, hat die Beklagte diesen Antrag mit Bescheid vom 15. November 2011 abgelehnt, weil (nur) ein Hilfebedarf in der Grundpflege von 127 Minuten festgestellt worden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2011 aufzuheben, und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 6. August 2009 Pflegegeld nach der Pflegestufe III zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage wegen des Bescheids vom 15. November 2011 abzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Frage der Rentenbeiträge, die sie seit 1. Juli 2008 laufend zahle, sei bisher nicht Gegenstand des Rechtsstreits gewesen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht gegeben. Denn die Klägerin begehrt Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der während des Berufungsverfahrens ergangene Bescheid vom 15. November 2011. Dieser ist nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Nach § 96 Abs. 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Klageverfahrens oder des Berufungsverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Mit dem Bescheid vom 15. November 2011 lehnte die Beklagte - wie schon zuvor durch ihren Bescheid vom 19. November 2009 (nicht wie in der Klageschrift und im Widerspruchsbescheid angegeben vom 19. Januar 2010) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2010 - erneut den Antrag der Klägerin ab, ihr ab 6. August 2009 (formlose Antragstellung) Pflegegeld nach der Pflegestufe III anstelle der Pflegestufe II zu zahlen. Sie erteilte mit dem Bescheid vom 15. November 2011 eine erneute sachliche Entscheidung im Sinne eines so genannten Zweitbescheids, der den Klageweg (neu) eröffnete (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12. Dezember 1991 - 7 RAr 26/90 - SozR 3-4100 § 94 Nr. 1; Urteil vom 23. März 1999 - B 2 U 8/98 R - SozR 3-8100 Art 19 Nr. 5). Aus dem Verfahrensablauf ergibt sich, dass die Beklagte einheitlich über die Anträge der Klägerin auf höheres Pflegegeld nach der Pflegestufe III entscheiden wollte. Die Klägerin stellte den am 1. März 2010 bei der Beklagten eingegangenen Höherstufungsantrag während des laufenden Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 19. November 2009. Die Beklagte veranlasste das weitere Gutachten der Pflegefachkraft M. vom 3. Mai 2010 und lehnte diesen weiteren Antrag auf höheres Pflegegeld erstmalig im Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2010 ab. Diese Ablehnung im Widerspruchsbescheid war nicht rechtmäßig, weil der Widerspruchsausschuss funktional und sachlich nicht zuständig ist, an Stelle der Ausgangsbehörde des Trägers über ein erstmals im Widerspruchsverfahren geltend gemachtes Recht zu entscheiden (ständige Rechtsprechung des BSG; vgl. z.B. BSG, Urteil vom 20. Juli 2010 - B 2 U 19/09 R - m.w.N. in juris.). Auf den entsprechenden Hinweis des Senats lehnte die Beklagte dann mit dem Bescheid vom 15. November 2011 diesen weiteren Antrag auf höheres Pflegegeld ab. Sie bekräftigte damit ihre bereits im Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2010 zum Ausdruck gekommene ablehnende Haltung gegenüber dem Begehren der Klägerin auf höheres Pflegegeld nach der Pflegestufe III und gab zu erkennen, dass die Frage, ob der Klägerin ab dem ab 6. August 2009 Pflegegeld nach der Pflegestufe III zusteht, sich allein aufgrund des Bescheids vom 15. November 2011 beurteilen soll, zumal dieser Bescheid lediglich aus formellen Gründen erging. Damit ist der vorangegangene Bescheid vom 19. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2010 nicht mehr wirksam, weil er sich auf sonstige Weise (§ 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -) erledigt hat. Folge dessen ist, dass der Bescheid vom 15. November 2011 den vorangegangenen ablehnenden Bescheid vom 19. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2010 ersetzt, so dass er nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist (zum Ganzen vgl. auch Urteil des Senats vom 30. März 2012 - L 4 P 342/10 - in juris). Über diesen Bescheid entscheidet der Senat auf Klage.
Die Bescheide vom 1. Juli und 15. September 2010 sind nicht nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Der Bescheid vom 1. Juli 2010 ist bereits deshalb nicht Gegenstand des Klageverfahrens, da er noch vor Erlass des Widerspruchsbescheids erging. Der weitere Bescheid vom 15. September 2010 ändert allenfalls den Bescheid vom 1. Juli 2010 ab. Zudem änderten die Bescheide vom 1. Juli und 15. September 2010 den Bescheid der Beklagten vom 19. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2010 nicht und ersetzten ihn auch nicht. Die von der Beklagten als "Umstellung der bisher gewährten Leistungen" gewählte Formulierung ist rechtlich eine Aufhebung des jeweils vorangegangenen Bewilligungsbescheids, wohl gestützt auf § 48 SGB X wegen Änderung der Verhältnisse, verbunden mit einer neuen Bewilligung, nämlich im Bescheid vom 1. Juli 2010 statt der Leistung Pflegegeld nunmehr die Leistung häusliche Pflege als Sachleistung, und im Bescheid vom 15. September 2010 statt der Leistung häusliche Pflege als Sachleistung nunmehr wieder die Leistung Pflegegeld.
Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist die Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung wegen nichterwerbsmäßiger Pflege für den Bevollmächtigten der Klägerin als Pflegeperson sowie die Zahlung von Leistungen für den Zeitraum vom 1. bis 19. Juli 2009.
3. Die Klage der Klägerin ist nicht begründet. Die Klägerin hatte und hat seit 6. August 2009 keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe III.
Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG, Urteile vom 19. Februar 1986 - 7 RAr 55/84 - SozR 1300 § 48 Nr. 22 und 8. September 2010 - B 11 AL 4/09 R - in juris). Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG, Urteil vom 7. Juli 2005 - B 3 P 8/04 R - SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Die letzte vollständige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen und damit der maßgebliche Vergleichszeitpunkt ist vorliegend die durch den Bescheid der Beklagten vom 7. Oktober 2008 erfolgte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II ab 1. Juli 2008. Da dieser Bewilligung das Gutachten der Pflegefachkraft L. vom 8. September 2008 zugrundelag, ist dieses Gutachten das maßgebliche Vergleichsgutachten.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Maßgebend für den zeitlichen Aufwand ist grundsätzlich die tatsächlich bestehende Pflegesituation unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden, allerdings am Maßstab des allgemein Üblichen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG, Urteil 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinie; vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R - SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 4).
Seit dem Jahre 2008 hat sich der tägliche Hilfebedarf für die Verrichtungen der Grundpflege nicht insoweit verändert, dass nunmehr ein solcher von mindestens 240 Minuten täglich besteht. Dies ergibt sich - wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat - aus den Gutachten der Pflegefachkräfte K. und M. sowie des Sachverständigen Li ...
Bei der Klägerin besteht eine erhebliche Sehminderung. Sie ist nahezu erblindet. Aus diesem Grund ist es nachvollziehbar, dass die Klägerin bei allen im Gesetz abschließend genannten Verrichtungen der Unterstützung bedarf. Bei der Klägerin bestehen jedoch kaum funktionelle Einschränkungen, die sie hindern, die im abschließend Gesetz genannten Verrichtungen selbst durchzuführen. Dies wird auch in den Gutachten der Pflegefachkräfte K. und M. sowie des Sachverständigen Li. entsprechend dargestellt. In allen Gutachten wird zudem auch die Inkontinenz und Demenz genannt. Deswegen sind auch die in den Gutachten genannten Zeitwerte für die einzelnen Verrichtungen im Hinblick auf die Orientierungswerte der Begutachtungs-Richtlinien nachvollziehbar. Die erhebliche Sehminderung der Kläger bestand bereits im September 2008. Pflegefachkraft L. beschrieb in seinem Gutachten vom 8. September 2008 eine Sehleistung von nur noch zwei v.H. auf dem besseren Auge sowie weiter Anzeichen einer Demenz und eine Inkontinenz. Dies führte damals zu der Bewilligung des Pflegegelds nach der Pflegestufe II, weil sich der Hilfebedarf deswegen deutlich erhöht hatte. Hinzu kommt, dass keines der Gutachten auch nur annähernd den für die Pflegestufe III erforderlichen täglichen Mindestaufwand von 240 Minuten genannt hat. Den höchsten Zeitaufwand nannte der Sachverständige Li. mit 157 Minuten täglich, mithin 83 Minuten weniger als für die Pflegestufe III erforderlich.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nicht erforderlich, dass bei der Erstellung der Gutachten der Zeitaufwand für den Hilfebedarf mit der Stoppuhr gemessen werden muss. Der Zeitaufwand kann anhand allgemeiner Erfahrungswerte geschätzt werden.
Die von der Klägerin gegen die Gutachten erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Insbesondere steht der Verwertung der von der Beklagten erhobenen Gutachten im gerichtlichen Verfahren nicht entgegen, dass diese vom MDK erstattet worden sind. Die Beklagte muss vor ihrer Entscheidung zwingend eine Prüfung durch den MDK durchführen lassen (§ 18 Abs. 1 SGB X). Der MDK ist nicht in die Verwaltungsorganisation der Pflegekassen eingebunden, sondern institutionell von diesen getrennt. Es handelt sich auf Länderebene jeweils um eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 278 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V -). Um auch den Anschein eines Weisungsverhältnisses zwischen Kranken- oder Pflegekassen und den Ärzten des MDK auszuschließen, stellt § 275 Abs. 5 SGB V ausdrücklich klar, dass die Ärzte des MDK bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen sind (vergleiche BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 - B 3 P 5/00 R - SozR 3-3300 § 15 Nr. 11).
Der von der Klägerin geltend gemachte Zeitaufwand für Gespräche, Vorlesen, Verabreichen und Besorgen der Medikamente, Arztbesuche, Spaziergänge und sonstige Besorgungsfahrten ist nicht zu berücksichtigen. Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - und 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nrn. 5 und 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist u.a. nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche gegeben ist. Dies ist hier nicht der Fall. Dass Arztbesuche wöchentlich erfolgen, behauptet die Klägerin nicht und es ist auch nicht erkennbar, dass Arztbesuche wöchentlich erforderlich sind. Ferner kann die Begleitung zu Spaziergängen nicht berücksichtigt werden (BSG, Urteile vom 10. Oktober 2000 - B 3 P 15/99 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 16 und 12. November 2003 - B 3 P 5/02 R - SozR 4-3300 § 14 Nr. 3). Medikamente reichen und besorgen zählt zur so genannten Behandlungspflege, sonstige Besorgungsfahrten gegebenenfalls zur hauswirtschaftlichen Versorgung. Gespräche führen und Vorlesen fällt zum allgemeinen Betreuungsaufwand, der nicht als Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege berücksichtigungsfähig ist. Die Pflegeversicherung ist bewusst nicht als umfassende Absicherung des Pflegerisikos konzipiert worden, die bei jeder Form eines Pflegebedarfs Leistungen vorsieht. Demgemäß hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinen Beschlüssen vom 22. Mai 2003 (1 BvR 452/99 FamRZ 2003, 1084 und 1 BvR 1077/00 SozR 4 3300 § 14 Nr. 1) den Ausschluss des allgemeinen Beaufsichtigungs- und Betreuungsaufwands, der gerade bei geistig behinderten Menschen in besonders hohem Maße zu leisten ist, aus dem nach § 14 Abs. 3 und 4 SGB XI berücksichtigungsfähigen Pflegebedarf für verfassungsgemäß erklärt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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