L 9 U 5870/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 1596/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 5870/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 22. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob es sich bei dem Ereignis vom 4.11.2005 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Der 1963 geborene Kläger hatte von seinem Vater W. M. (W. M.) einen landwirtschaftlichen Betrieb gepachtet (Verpachtung vom 1.7.1989 bis 30.6.2004, verlängert bis 31.12.2005; Pachtvertrag vom 5.7.1989 bzw. 1.10.1996) und war bei der Beklagten als Unternehmer versichert.

Am 7.11.2005 meldete der Kläger der Beklagten einen Arbeitsunfall und trug dazu am 11.11.2005 telefonisch vor, der Pachtvertrag habe neben den landwirtschaftlichen Gebäuden auch das Wohngebäude umfasst. Er habe die Küche im Wohnhaus erneuern wollen und sie daher zunächst seinem Vater zum Kauf angeboten, der abgelehnt habe. Daraufhin habe er sie anderweitig verkauft. Das Verhältnis zwischen ihm und seinem Vater sei sehr stark angespannt. Am Unfalltag habe er sich auf seinem Hofgelände befunden, als sein Vater wutschnaubend aufgetaucht und ihn wegen des Küchenverkaufs zur Rede gestellt habe. Es sei ein lautes hitziges Wortgefecht entstanden, in dessen Verlauf beide aufgeregt hin und her gelaufen seien. Im weiteren Verlauf habe er seinen Vater stehen gelassen und sich schon 20 m von ihm entfernt. Dann habe sein Vater ihm etwas hinterher geschrien und sei ihm nachgegangen. Er habe sich daraufhin auf dem Absatz umgedreht und sich bei dieser plötzlichen Drehung eine Achillessehnenruptur zugezogen (Telefonvermerk vom 11.11.2005).

PD Dr. W., Chefarzt der Abteilung für Unfallchirurgie Friedrichshafen, stellte im DA-Bericht vom 5.11.2005 beim Kläger eine Achillessehnenruptur links fest und gab die Angaben des Klägers wie folgt wieder: "Bei Streit mit seinem Vater im Büro seines Betriebes ging der Vater auf den Patienten zu, er wich rückwärts aus, hörte einen "Schlag" und verspürte sofort Schmerzen im linken Unterschenkel".

Professor Dr. W., Ärztlicher Direktor der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen, diagnostizierte beim Kläger eine hohe langstreckige Achillessehnenteilruptur und führte aus, der Kläger habe ein Bagatelltrauma geschildert. Er empfehle alle weiteren Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durchzuführen. Der Kläger habe berichtet, dass er am 4.11.2005 auf seinem eigenen Grundstück während der Arbeitszeit eine Auseinandersetzung mit seinem Vater gehabt habe. Dabei habe er sich nach diesem umgedreht, wollte auf ihn loslaufen, als er einen plötzlichen Schlag in der linken Wade verspürt habe. Es sei, auch auf Nachfrage, kein Sturzereignis eingetreten, er sei auch nirgendwo herunter gesprungen (Zwischenbericht vom 21.11.2005 über die Vorstellung vom 14.11.2005).

Unter dem 14.11.2005 schilderte der Kläger schriftlich, am Freitag, den 4.11.2005, gegen 16:00 Uhr, habe sein Vater die Hofstelle betreten, da er den bei ihm deponierten Zweitschlüssel für seine Wohnung habe holen wollen. Als er zurück zur Besenwirtschaft gekommen sei, nachdem er zuvor seinen Mitarbeiter angewiesen habe, welche weiteren Arbeiten noch zu erledigen seien, sei ihm sein Vater entgegen gekommen und habe gesagt, er habe den falschen Schlüssel. Er habe die Schlüssel getauscht. Da sein Vater mit ihm noch etwas habe bereden wollen, habe er ihm auf dem Hof hinterher gerufen. Um seinem Vater entgegen zu gehen, habe er sich um die eigene Körperachse gedreht. In diesem Moment habe er "wie einen Schlag gegen das Bein" verspürt, es habe stichartig geschmerzt.

Mit Bescheid vom 14.12.2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Nach dem Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. sei die Körperdrehung nicht geeignet gewesen, die Achillessehnenzerreißung zu verursachen. Desweiteren sei auch nicht ersichtlich, dass die Tätigkeit, bei welcher es zu dem Körperschaden gekommen sei, eine für den landwirtschaftlichen Betrieb notwendige Tätigkeit darstelle.

Hiergegen legte der Kläger am 16.1.2006 Widerspruch ein und trug vor, aus dem Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen vom 21.11.2005 ergebe sich nicht, dass die Körperprellung (gemeint wohl: Körperdrehung) nicht geeignet sei, die Achillessehnenzerreißung zu verursachen. Bei dem Ereignis habe es sich auch um einen Arbeitsunfall gehandelt, da die Auseinandersetzung mit dem Vater im Zusammenhang mit der Beendigung des Pachtverhältnisses gestanden habe.

Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. S. gelangte in der Stellungnahme vom 27.3.2006 zum Ergebnis, weder der Schilderung im DA-Bericht noch im Schreiben vom 14.11.2005 sei eine plötzliche direkte oder indirekte Gewalteinwirkung auf die Achillessehne zu entnehmen. Es habe sich um eine übliche Umwendbewegung ohne Refixation des Fußes gehandelt. Mit diesen Angaben decke sich auch die Hergangsschilderung vom 14.11.2005. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen dem Ereignis vom 4.11.2005 und der Achillessehnenruptur links.

Weitere Ermittlungen beim Kläger scheiterten daran, dass er es ablehnte, mit einem Mitarbeiter der Beklagten zu sprechen. Der Vater des Klägers gab am 23.3.2006 telefonisch an, wegen des Vorfalls vom 4.11.2005 habe er seinen Sohn bei der Polizei in M. angezeigt, weil dieser ihn habe verdreschen wollen. An jenem Tag sei er zu dem Anwesen (Hauptstraße 15) gekommen und habe in die Wohnung vom 1. Obergeschoss (OG) gewollt. Hier habe damals noch seine Ehefrau gewohnt. Er habe im Wohnhaus den Ersatzschlüssel für die Wohnung im 1. OG gesucht und auch einen Schlüssel gefunden, der aber nicht gepasst habe. Daraufhin sei er aus dem Wohnhaus zu den Betriebsräumen (ca. 30 m vom Haus weg), um dort nach dem richtigen Wohnungsschlüssel nachzufragen. Hierbei habe er seine Ehefrau und seinen Sohn getroffen. Es sei darauf zum Schlüsseltausch und zu einer lauten Auseinandersetzung mit seinem Sohn gekommen. Da sein Sohn ihm "an den Kragen" gewollt habe, sei er davon gerannt, um eventuellen Handgreiflichkeiten zu entgehen. Sein Sohn sei ihm dann ca. 30 m über den Hof nachgerannt und habe sich plötzlich an ein Bein gefasst, sei sofort stehen geblieben, da es zu einer Verletzung gekommen sei. Die Auseinandersetzung habe mit einer betrieblichen Aktion nichts zu tun gehabt. Es sei auch nicht um den Küchenverkauf der Besenwirtschaft gegangen, sondern einzig und allein um den Ersatzschlüssel für die private Wohnung vom 1. OG (Bericht vom 23.3.2006).

Der Polizeiposten M. teilte am 9.4.2006 mit, der Vater des Klägers habe am 4.11.2005 gegen 16:15 Uhr telefonisch mitgeteilt, dass er mit seinem Sohn eine verbale Auseinandersetzung gehabt habe, und habe um Abklärung vor Ort gebeten. Die Feststellungen hätten ergeben, dass W. M. sein Grundstück nach Rückkehr von einer Reise überprüft habe. Hierbei sei der Kläger seinem Vater ständig hinterher gelaufen und habe sich dabei den Fuß vertreten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.5.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 12.6.2006 Klage zum Sozialgericht (SG) Konstanz erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 4.11.2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm die gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Zur Begründung hat er unter anderem vorgetragen, nachdem er den Schlüssel getauscht und sich wieder von seinem Vater entfernt habe, habe dieser ihm etwas nachgerufen, da er sich über die Beendigung des Pachtverhältnisses habe unterhalten wollen. Aus diesem Grund habe er sich um die eigene Körperachse gedreht. In diesem Moment habe er einen Schlag gegen sein Bein verspürt, das stichartig geschmerzt habe. Bei dieser Bewegung sei die Achillessehne gerissen. Unter dem 11.12.2006 hat der Kläger dann vorgetragen, an der Stelle, an welcher er sich umgedreht habe, sei eine Hofkante, die uneben sei.

Das SG hat den Orthopäden Dr. B. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser ist im Gutachten vom 17.11.2007 zum Ergebnis gelangt, das Ereignis vom 4.11.2005 sei nach Art und Schwere nicht geeignet gewesen, eine Achillessehnenruptur auszulösen und sei als Anlassgeschehen zu betrachten. Unter Berücksichtigung der vom Kläger selbst abgegebenen ersten Angaben zum Unfallereignis (Gesprächsnotiz vom 11.11.2005, Bl. 11 der Verwaltungsakten) sowie des dokumentierten klinischen Erstschadensbildes im DA-Bericht vom 5.11.2005 sei festzustellen, dass der Kläger ohne erkennbare äußere Einwirkung eine willentliche Bewegung im Sinne einer abrupten Körperdrehung absolviert habe und hierbei ein Achillessehnenriss aufgetreten sei. Hieraus ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine wie auch immer geartete zusätzliche Traumatisierung im Sinne einer Umknickverletzung oder einer direkten äußeren Einwirkung, wie sie bei späteren Angaben des Klägers verzeichnet werde. Bedauerlicherweise befinde sich kein histologischer Befundbericht bei den Akten. Das Ergebnis der histologischen Untersuchung wäre insofern von Bedeutung, als 10 bis 14 Tage nach einem Unfallereignis gegebenenfalls noch der histopathologische Nachweis frischer Verletzungsfolgen gelingen könne. Darüber hinaus wäre er zur Abgrenzung eventuell konkurrierender Kausalfaktoren (degenerative Sehnenveränderungen) von hohem Aussagewert. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin kämen als Entstehungsursachen bei Sehnenrissen in Betracht: Außergewöhnliche Kraftanstrengung als willentlicher Akt, plötzliche passive Bewegung eines muskulär festgestellten Gelenks, direkte äußere Krafteinwirkung. Hinsichtlich der außergewöhnlichen Kraftanstrengung als willentlicher Akt sei zu beachten, dass die Zugfestigkeit der Sehne regelhaft jene der Muskulatur übersteige. Bei Überschreiten einer Grenze der Kraft komme es daher zuerst zu einem Riss des Muskels, bevor eine gesunde Sehne reiße. Fehle es an einem geeigneten Unfallereignis, was bei willentlich ausgelöster Krafteinwirkung der Fall sei, liege eine Überbelastung der Sehne im eigentlichen Sinne nicht vor. In derartigen Fällen seien histologisch meist Degenerationszeichen im Sehnengewebe feststellbar. Anders sei die Situation, wenn die Sehne degenerativ verändert sei. In einem solchen Fall reiche eine geringere Kraft aus, eine Sehne vor der anhängenden Muskulatur zum Zerreißen zu bringen. Die Situation stellte sich anders dar bei einer plötzlichen passiven Bewegung eines muskulär festgestellten Gelenkes, wo die Sehne einer plötzlichen Spitzenbelastung unterworfen sei. Eine derartige Situation habe beim Kläger jedoch nicht vorgelegen. Gleiches gelte für die direkte äußere Krafteinwirkung durch Stich oder Schnitt. Als geeignetes Unfallereignis werde eine derart große einwirkende Kraft angesehen, die zu einer Zerreißung von Sehnengewebe führen könne. Wirke neben willentlicher Kraftanstrengung eine zusätzliche Zugbelastung der Sehne durch eine exzentrische Bewegung (z.B. Abkippen eines gehobenen Gegenstandes oder Versuch des Abfangens einer Last), gelte gleiches: Der Muskel passe sich grundsätzlich durch Isometrie und Isotomie der jeweiligen Belastung an. Diese Anpassung finde ihre Grenze in der Muskelkraft und Dehnungsfähigkeit der Muskulatur, die stets geringer als die Zugfestigkeit der dazugehörenden Sehne sei. Ursache des Sehnenrisses seien dann innere Gefügesstörungen oder mechanisch bedingter Verschleiß. Die Sehne wäre dann bei jeder anderen Belastung gerissen, die ihre noch verbliebene fortschreitend absinkende Zugfestigkeit überschreite. Die Bewertung des Unfallereignis ergebe, dass es mit jeder anderen normalen Verrichtung des privaten täglichen Lebens austauschbar sei, so dass der Sehnenriss zu etwa derselben Zeit in ungefähr in gleichem Ausmaß eingetreten wäre. Die vom Kläger mit Verspätung ins Feld geführte Umknickbewegung an einer Bodenunebenheit scheide als rechtlich wesentliche Ursache einer Achillessehnenruptur von vornherein aus, da eine derartige Umknickbewegung vorrangig den Kapselbandapparat unter Stress setze und die Achillessehne erst nachrangig belaste. Nachdem das klinisch dokumentierte Erstschadensbild nicht die geringsten Angaben zu einer stattgehabten Verletzung des Kniebandapparates enthalte, könne eine abgelaufene Umknickverletzung im Sinne einer Kapselbandläsion nicht nur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit biomechanisch ausgeschlossen werden, sondern auch die Auslösung einer Achillessehnenruptur durch eine derartige Verletzung widerlegt werden. Seines Erachtens sei keine unphysiologische Belastung der Achillessehne feststellbar, die als rechtlich wesentliche Ursache (bzw. Teilursache) des Körperschadens zu werten wäre.

Unter dem 18.6.2008 hat der Kläger vorgetragen, er sei bei dem Ereignis vom 4.11.2005 reflexartig herumgewirbelt und habe sich um 180° gedreht. Zum Zeitpunkt des Drehsprunges müsse er sich genau auf der Verbindungsnaht zwischen der alten und der neuen Betonplatte der Hoffläche befunden haben, zwischen denen sich ein Absatz von ca. 2 - 3 cm bzw. 4 – 6 cm (Schreiben vom 19.6.2008) befinde.

Das SG hat den Operationsbericht vom 15.11.2005 sowie den histologischen Befundbericht vom 21.11.2005 beigezogen und eine ergänzende Stellungnahme bei Dr. B. eingeholt. Dieser hat unter dem 1.9.2008 unter Berücksichtigung des weiteren klägerischen Vorbringens und der beigezogenen Unterlagen an seiner bisherigen Beurteilung festgehalten. Ferner hat das SG Akten der Staatsanwaltschaft Konstanz bzw. der Polizeidirektion Friedrichshafen beigezogen (Anzeige des Vaters gegen den Kläger wegen Hausfriedensbruch am 14.9.2005/4.10.2005).

Mit Urteil vom 22.10.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ungeachtet dessen, dass vorliegend bereits fraglich sei, inwieweit das in Streit stehende Ereignis überhaupt der betrieblichen Tätigkeit des Klägers zugeordnet werden könne und inwieweit das Ereignis – mangels äußerer Einwirkung – überhaupt geeignet sei, den Unfallbegriff der gesetzlichen Unfallversicherung zu erfüllen, habe das SG nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen können, dass die erlittene Achillessehnenruptur rechtlich wesentlich auf das Geschehen vom 4.11.2005 zurückzuführen sei. Das Vorliegen eines Arbeitsunfalls bzw. einer von der Beklagten zu entschädigenden Gesundheitsstörung sei mithin zu verneinen. Das SG stütze seine Überzeugung auf das Gutachten von Dr. B., der nachvollziehbar und schlüssig dargelegt habe, dass die Achillessehnenruptur nicht (wesentlich) auf das streitgegenständliche Ereignis zurückgeführt werden könne. Da das Geschehen mithin für sich genommen nicht im Stande gewesen sei, eine derart gravierende Verletzung hervorzurufen bzw. bei jeder anderen vergleichbaren alltäglichen Verrichtung der Gesundheitsschaden hätte eintreten können, sehe Dr. B. die wesentliche Ursache in einer entsprechenden degenerativen Vorschädigung begründet. Dem Ereignis vom 4.11.2005 komme daher lediglich der Charakter einer rechtlich unwesentlichen Gelegenheitsursache zu. Der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag auf Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei abzulehnen gewesen, da durch die Zulassung der Rechtsstreit verzögert worden wäre und aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden sei. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 18.11.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.12.2009 Berufung eingelegt und vorgetragen, auch wenn das SG den Befangenheitsantrag gegen Dr. B. wegen Verfristung abgelehnt habe, überschreite das SG die Grenzen der freien Beweiswürdigung, wenn es ein Gutachten verwerte, wenn in der Person des Sachverständigen offensichtlich Ablehnungsgründe vorlägen. Das SG habe dem Gutachten als Beweismittel einen unzutreffenden Beweiswert zugestanden; es hätte ein weiteres Gutachten einholen müssen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 22. Oktober 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 4. November 2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuW.n.

Sie erwidert, das Urteil des SG sei ihres Erachtens zu Recht ergangen. Die Berufungsbegründung enthalte keine neuen Gesichtspunkte.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat der Senat den Orthopäden Dr. B. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt, wobei dem Gutachter aufgegeben worden ist, von drei verschiedenen (vom Kläger geschilderten) Varianten des Ereignisses auszugehen: 1. Plötzliches Umdrehen auf dem Absatz (Bl. 8 der Verwaltungsakten) bzw. Ausweichen nach rückwärts (Bl. 9 der Verwaltungsakten) bzw. Umdrehen und Loslaufen (Bl. 12 der Verwaltungsakten) bzw. Drehen um die eigene Körperachse (Bl. 20 der Verwaltungsakten) 2. Sprunghaftes Umdrehen, Auftreten auf dem linken Fuß mit vollem Gewicht mit Verdrehen und Abknicken bzw. Einstauchen (Schilderung am 14.11.2007 gegenüber Dr. B., Bl. 75/76 der SG-Akten) 3. Drehsprung auf der Verbindungsnaht von zwei Betonplatten (Schreiben des Bevollmächtigten vom 18.6.2008, Bl. 127 der SG-Akten). Dr. B. hat im Gutachten (nach Aktenlage) vom 23.1.2011 ausgeführt, der Achillessehnenriss sei mit Wahrscheinlichkeit durch das Ereignis vom 4.11.2005 verursacht worden, wenn sich das Ereignis so zugetragen habe, wie als Alt. 2 angegeben. Eine Anlage, degenerative Vorschäden oder eine konstitutionelle Schwäche seien beim Kläger nicht bewiesen und schieden damit als konkurrierende Ursachen aus. Eine mögliche von Dr. B. behauptete Krankheitsanlage sei jedenfalls nicht so stark oder so leicht ansprechbar gewesen, dass die Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurft hätte. Als Unfallfolge liege ein Zustand nach mehrfach operiertem Achillessehnenriss vor. Seines Erachtens sprächen der histologische Befund unter Mitberücksichtigung des intraoperativen Befundes und der Kernspintomographie mehr für als gegen einen Zusammenhang dieses Ereignisses mit einem frischen Trauma. Wenn primär degenerative Veränderungen die wesentliche Bedingung für die Zerreißung gewesen wären, so hätte man ein insgesamt deutlich stärker degenerativ verändertes Sehnengewebe vorfinden müssen. Die Untersuchung der "gesunden Sehnenanteile" sei mit dem Ergebnis "regelhaft strukturiertes Sehnengewebe" bezeichnet worden; es habe sich um völlig unauffälliges Sehnengewebe gehandelt.

Die Beklagte hat beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. S. vom 14.3.2011 und 19.5.2011 vorgelegt. Darin hat dieser unter anderen die verschiedenen Hergangsschilderungen aufgeführt und ausgeführt, die Hergangsschilderungen bis zu der gutachterlichen Untersuchungen durch Dr. B. (Alt. 2) ließen sich nicht mit einer plötzlichen mittelbaren Gewalteinwirkung auf Gewebsstrukturen der Achillessehne in Übereinstimmung bringen. Bei der Hergangs-schilderung gegenüber Dr. B. (Alt. 2) wäre eine plötzliche mittelbare Gewalteinwirkung durch Lastwechsel denkbar. Nehme man diese – zeitlich um zwei Jahre versetzte Hergangs-schilderung – unter die Lupe, so habe sich der Kläger sprunghaft umgedreht und sei mit dem linken Fuß aufgetreten. Dabei habe er diesen verdreht und abknickt bzw. eingestaucht. Verdrehmechanismen, Abknickungen, Einstauchungen und auch ein Umknicken, wie den Hergangsschilderungen des Klägers von 2007 zu entnehmen, führten zu einer Belastung der Bandstrukturen des Sprunggelenks und seien mit einer plötzlichen mittelbaren Gewalteinwirkung auf Gewebsstrukturen der Achillessehne nicht in Einklang zu bringen. Auch ergebe sich aus dieser Hergangsschilderung kein Hinweis für eine direkte Traumatisierung der Achillessehne, wie sie z.B. durch einen Schlag auf eine gespannte Sehne zu erwarten wäre. Auch wenn man die letztgenannte Hergangsschilderung als gegeben annehme, ließe sich die Annahme von Dr. B. nicht nachvollziehen. Intraoperativ sei eine vollständige Ruptur bündeliger Auffaserung 7 cm cranial des Fersenbeins festgehalten. Das Gewebe habe stumpf und sulzig ausgesehen. Diese Lokalisation im Randbereich der so genannten Achillessehnentaille, in dem die Blutversorgung der Achillessehne vermindert sei, spreche gegen eine traumatische Genese. Eindeutige HinW. für eine Einblutung in das Achillessehnengewebe seien dem Operationsbericht nicht zu entnehmen, das Peritendinum werde lediglich als blau imbibiert beschrieben. Der Pathologe habe keine HinW. für eine Einblutung gefunden und auch keine Siderinablagerungen als denkbares Zeichen einer Einblutung beschrieben. Einblutungszeichen wären 11 Tage nach dem Unfallereignis zumindest bei der feingeweblichen Untersuchung zu fordern. Zusammenfassend sei ein unfallbedingter Riss der Achillessehne als Folge des Ereignisses vom 4.11.2005 unwahrscheinlich.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung des Ereignisses vom 4.11.2005 als Arbeitsunfall hat.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 Siebtes Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ob die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sog. innerer oder sachlicher Zusammenhang), ist wertend zu entscheiden, indem untersucht wird, ob sie innerhalb der Grenze liegt, bis zu der der Unfallversicherungsschutz reicht (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. SozR 2200 § 548 Nr. 70; SozR 3-2200 § 548 Nr. 32; SozR 4-2700 § 8 Nr. 14). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck seines Handelns mit im Vordergrund. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden. Es muss also feststehen, dass im Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 84).

Der innere (sachliche) Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ist in erster Linie immer dann gegeben, wenn die Tätigkeit dem Unternehmen objektiv wesentlich zu dienen bestimmt ist (objektive Handlungstendenz). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für tätliche Auseinandersetzungen (vgl. BSG SozR 2200 § 55 Nr. 48; SozR § 548 Nr. 11 m. w. N.). Der Zusammenhang ist bei tätlichen Streitigkeiten auf der Betriebsstätte zu bejahen, wenn der Streit unmittelbar aus der Betriebsarbeit erwachsen ist, d.h. wenn betriebliche Vorgänge den wesentlichen Anlass zum Streit und dem Beweggrund für das Handeln des Täters abgegeben haben (BSGE 18, 106, 108; SozR § 548 Nr. 11). Ein aus persönlichen Gründen entfachter Streit schließt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem im Verlauf des Streits erlittenen Verletzungen aus (BSGE 13, 290, 291).

Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles ist u.a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich- philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209).

Unter Beachtung dieser Grundsätze lässt sich schon nicht feststellen, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Achillessehnenruptur eine versicherte Tätigkeit im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebes ausgeübt hat. Zwar stand der Kläger während der Ausübung seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit im Rahmen seiner freiwilligen Versicherung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass jedes Ereignis, das sich im landwirtschaftlichen Betrieb abspielt, ein Arbeitsunfall ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die Betätigung, bei der das Ereignis eintrat, den Zwecken des Unternehmens diente. Geht man von den Angaben des Klägers gegenüber den Ärzten in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik vom 14.11.2005 aus, wonach er sich während der Auseinandersetzung mit dem Vater umgedreht habe und auf ihn loslaufen wollte, sowie den Angaben des Vaters, dass der Kläger auf ihn loslief, um ihn zu verdreschen, fehlt es schon an einer dem Betrieb dienlichen Tätigkeit.

Geht man von den telefonischen Angaben des Klägers vom 11.11.2005 aus, so hat sich das Streitgespräch zwischen ihm und seinem Vater, während dessen es zu der Achillessehnenruptur gekommen ist, aufgrund des Verkaufs einer Küche entwickelt. Nach den späteren Angaben des Klägers handelte es sich dabei um die Küchenmöbel der Besenwirtschaft, die er selbst angeschafft und nicht von seinem Vater gepachtet hatte, nachdem er einen Schweinestall zu einer Besenwirtschaft umgebaut hatte. Da es sich damit um keinen Streit über gepachtete Grundstücke, Gebäude und Gegenstände gehandelt hat, das Verhältnis zwischen Vater und Sohn schon seit längerem angespannt und der Vater den Kläger schon zuvor wegen Hausfriedensbruchs am 14. 9./4.10.2005 angezeigt hatte, ist schon nicht feststellbar, dass der wesentliche Grund für den Streit die betriebliche Tätigkeit des Klägers als landwirtschaftlicher Unternehmer war. Vielmehr spricht vieles dafür, dass die angespannten persönlichen Verhältnisse wesentliche Ursache für den Streit und dessen Eskalation (Umdrehen und Loslaufen des Klägers zum Vater hin) waren.

Aber selbst wenn man den Streit über den Verkauf der Küche, die in die gepachteten Gebäude eingebracht worden war, noch in einem sachlichen Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit des Klägers sehen würde, ist ein Kausalzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit als Landwirt und der Achillessehnenruptur nicht mit Wahrscheinlichkeit feststellbar.

Bezüglich des Ereignisses vom 4.11.2005 liegen im Wesentlichen drei voneinander abweichende Schilderungen des Klägers vor: Erste Alt.:

Telefonvermerk über Angaben des Klägers vom 11.11.2005 (Bl. 8 der Bekl.-Akte): "Am Unfalltag habe er sich gerade auf seinem Hofgelände befunden, als sein Vater wutschnaubend auf dem Hofgelände auftauchte und ihn wegen des Küchenverkaufs zur Rede stellte. Es entstand ein lautes hitziges Wortgefecht, in dessen Verlauf beide aufgeregt hin und her liefen. Im weiteren Verlauf habe er dann seinen Vater stehen lassen und sich schon 20 m von ihm entfernt. Dann habe sein Vater ihm was hinterher geschrien und sei ihm "nachgegangen". Herr Maier habe sich dann auf dem Absatz umgedreht und bei dieser plötzlichen Drehung habe er sich eine Achillessehnenruptur zugezogen."

DA-Bericht vom 5.11.2005 (Vorstellung am 4.11.2005, 17:09 Uhr (Bl. 9 der Bekl.-Akte): "Bei Streit mit seinem Vater im Büro seines Betriebes ging der Vater auf den Patienten zu, er wich rückwärts aus, hörte einen "Schlag" und verspürte sofort Schmerzen im linken Unterschenkel."

Zwischenbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen vom 21.11.2005 über eine Vorstellung des Klägers vom 14.11.2005 (Bl. 12 Bekl.-Akte): "Herr Maier berichtet, dass er am 4.11.2005 auf seinem eigenen Grundstück während seiner Arbeitszeit eine Auseinandersetzung mit dem Vater hatte. Dabei habe er sich nach diesem umgedreht und wollte auf ihn loslaufen, als er einen plötzlichen Schlag in der linken Wade verspürte. Es sei, auch auf Nachfrage, kein Sturzereignis eingetreten, er sei auch nirgendwo herunter gesprungen."

Schriftliche Unfallschilderung des Klägers vom 14.11.2005 (Bl. 20 der Bekl.-Akte): " Ich tauschte die Schlüssel. Da mein Vater mit mir noch etwas bereden wollte, rief er mir auf dem Hof hinterher. Um meinem Vater entgegenzugehen, drehte ich mich um die eigene Körperachse. In diesem Moment spürte ich wie einen Schlag gegen das Bein, es schmerzte stichartig. Bevor ich schnellstens zum Krankenhaus gefahren bin, habe ich meinem Mitarbeiter seinen Lohn noch ausbezahlt."

Bericht über telefonische Angaben des Vaters vom 23.3.2006 (Bl. 54 der Bekl.-Akten): " Es kam dann dort (in oder bei den Betriebsräumen) zum Schlüsseltausch, aber auch zu einer wortlauten Auseinandersetzung mit seinem Sohn L. M.r. Letztlich sei es so gewesen, dass ihm sein Sohn "an den Kragen" wollte und daher wäre er, W. M., davon gerannt, um den eventuellen Handgreiflichkeiten vom Sohn zu entkommen. Der Sohn ist ihm dann ca. 30 m über den Hof weit nachgerannt und plötzlich habe sich dieser an ein Bein gefasst und blieb sofort stehen, da es zu einer Verletzung gekommen war. Die kurz zuvor stattgefundene wörtliche Auseinandersetzung zwischen ihnen beiden auf dem Betriebsgelände habe mit einer betrieblichen Aktion nie etwas zu tun gehabt. Es ging dabei auch nicht um den Küchenverkauf der Besenwirtschaft, diese Aktion war damals am 4.11.2005 kein Thema. Einzig und allein ging es an dem Unfalltag um den Ersatzschlüssel für die Privatwohnung zum 1 OG, in die Willy Maier, der 68-jährige Vater des Verletzten, hinein wollte".

Zweite Alternative

Angaben des Klägers gegenüber dem Gutachter Dr. B. am 14.11.2007 (Bl. 75/76 der SG-Akte): "Sein Vater habe bei dieser Gelegenheit (Schlüsseltausch) bemerkt, dass die Küche in der Besenwirtschaft gefehlt habe. Diese habe er verkauft, da sie ihm gehört habe. Zur Vermeidung weiterer verbaler Auseinandersetzungen sei er daraufhin weggelaufen. Sein Vater habe ihm etwas nachgerufen, wobei er stehen geblieben sei. Sein Vater habe weiter geschimpft und habe ihm gedroht ("Ich mach dich fertig"). Er habe sich daraufhin zum Flaschenlager des Betriebes begeben wollen. Der Hof sei voller Gegenstände gestanden, weil er alles ausgeräumt habe. Dadurch sei nur ein enger Korridor zum Laufen verblieben. Er habe Angst gehabt, dass sein Vater ihn mit einem Gegenstand schlagen wolle. Daher habe er zunächst weitergehen wollen, dann jedoch bemerkt, dass sein Vater sich ihm genähert habe. Er habe über die Schulter gesehen und sich sprunghaft umgedreht. Dabei sei er mit vollem Gewicht auf den linken Fuß aufgetreten und habe diesen verdreht und abgeknickt bzw. eingestaucht. Aufgrund der herumliegenden Gegenstände könne er nicht sagen, ob er den Fuß dabei auch noch an einer Gerätschaft angeschlagen habe. Das Umknicken sei aus einer unebenen Kante am Boden resultiert. Er habe sofort gemerkt, dass er nicht weitergehen könne."

Dritte Alt.

Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 18./19.6.2008 (Bl. 127 der SG-Akten): " Erschrocken über das Raschelgeräusch wirbelte der Kläger mit einem Sprung reflexartig herum und drehte sich um 180°. Zum Zeitpunkt dieses Drehsprunges muss sich der Kläger genau auf der Verbindungsnaht zwischen der alten und der neuen Betonplatte auf der Hoffläche befunden haben. Zwischen den beiden Betonplatten ist ein Absatz von ca. 2-3 (4-6) cm."

Der Senat geht von den Angaben des Klägers im November 2005 aus, zumal es sich hierbei um die zeitnächsten Angaben handelt und damit das Ereignis noch am präsentesten war und weil die ersten vier Schilderungen (erste Alt.) im Wesentlichen übereinstimmen. Danach ist es bei einem plötzlichen Umdrehen um die eigene Achse zu einem plötzlichen Schmerz gekommen.

Die späteren Angaben des Klägers hält der Senat dagegen nicht für glaubwürdig, zumal seitdem über zwei Jahre (Schilderung gegenüber Dr. B.) bzw. über 2,5 Jahre (Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 18./19.6.2008) vergangen waren und zwischenzeitlich Rechtsstreitigkeiten anhängig waren, mit denen der Kläger das Ereignis vom 4.11.2005 als Arbeitsunfall anerkannt haben wollte. Angesichts dessen ist nicht auszuschließen, dass der Kläger mit den späteren Schilderungen sein Begehren auf Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall stützen wollte, zumal nicht erklärbar ist, warum der Kläger diese Tatsachen nicht von Anfang an geschildert hat. Darüber hinaus hält der Senat es auch nicht für glaubwürdig, dass der damals 42-jährige, ca. 1,80 m große und 94 kg schwere Kläger, der Karate machte und im Besitz des schwarzen Gürtels war, Angst hatte, dass sein 68-jähriger Vater ihn mit einem Gegenstand schlagen wollte. Im Widerspruch zu dieser Behauptung steht auch das Verhalten des Klägers, der nach den ersten Angaben auf seinen Vater zulaufen und nicht von diesem weglaufen wollte.

Ausgehend von den Erstangaben des Klägers vermag der Senat in dem plötzlichen Umdrehen ein spezielles Unfallereignis, das ursächlich für die Ruptur der Achillessehne sein könnte, nicht zu sehen. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der diesbezüglich übereinstimmenden Sachverständigengutachten von Dr. B. und Dr. B. vom 17.11.2007 und 23.1.2011, der ärztlichen Äußerung von Professor Dr. W. im Zwischenbericht vom 21.11.2005, der beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. S., vom 27.3.2006 und 14.3.2011, die als qualifizierter Beteiligtenvortrag verwertet werden, sowie unter Berücksichtigung der unfallmedizinischen Literatur.

Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 398 ff. sind im Wesentlichen degenerative Veränderungen bzw. Mikrotraumen ursächlich für die Ruptur der Achillessehne. Die schwächste Stelle dieser Sehne liegt im Bereich der sog. Sehnentaille, der sanduhrförmigen Verjüngungszone etwa 3 – 5 cm oberhalb des Sehnenansatzes am Fersenbein mit einem Durchmesser von ca. 1 cm, wo der Gesamtquerschnitt der Blutgefäße am geringsten ist und sich Durchblutungsminderungen sofort auswirken. Hier sind Achillessehnenrisse – unabhängig von deren Ursache – am häufigsten lokalisiert (90 %), seltener am Muskel-Sehnen-übergang (10 %).

Grundlage für ein Trauma ist eine plötzliche Verlängerung der Muskel-Sehnen-Einheit mit gleichzeitiger Kontraktion des Muskels. Die Ursache der Sehnenruptur beim Gesunden ist ein Versagen des neuromuskulären Regler-und Sicherheitssystems. Dieses wird überwunden durch hohe Belastungsspitzen bestimmter Muskeln und Sehnen bei zunächst physiologischen Bewegungsablauf, durch äußere Störfaktoren (Boden, Hindernisse, Kälte, Nässe), innere Störfaktoren (Ermüdung, Fehlinnervation) und/oder durch Ausfall der Reflexsicherung, die zur Innervation sämtlicher Muskelfasern gleichzeitig führt, obwohl die von außen einwirkenden Kräfte nicht überwunden werden können. Mechanismen, welche die Sehne unter Belastungsspitzen setzen können, ohne dass sich die Zugspannung – koordiniert gesteuert und "gebremst" von der vorgeschalteten Muskulatur – systematisch aufbauen kann, sind: • Auf- und Absprung bei fußrückwärtiger Belastung des Fußes • sehr schneller Sprint und Anstoßen oder Aufsetzen des Fußes auf einer Matte • Sprung über eine Hürde mit folgendem Sturz und Aufkommen auf dem Rand einer Vertiefung • plötzliches Ausrutschen beim Tragen von Lasten (plötzliches Überdehnen der Sehne und zusammenziehen der Beinmuskulatur) • Sturz nach vorn bei fixiertem Fersenbein sowie aus der Höhe unter fußrückwärtiger Belastung des Fußes • Abrutschen bzw. Verfehlen einer Stufe oder Tritt in nicht erkennbare Vertiefung, so dass mehr oder weniger das gesamte Körpergewicht auf der Sehne lastet • direktes Trauma, z.B. Schlag auf die gespannte Sehne.

Hingegen sind Abläufe, wie Schieben, Entgegenstemmen, Heben und Tragen, Sprung aus der Hocke, Tritt in die Wade des Standbeins oder auf eine Bordsteinkante, willkürlich gesteuerte Belastungen der Sehne (Gelegenheitsanlass).

Derartige Ereignisse, die die Sehne unter entsprechende Belastungsspitzen gesetzt haben könnten, hat der Kläger in den Erstangaben nicht geschildert.

Soweit Dr. B. die Ansicht vertritt, bei einem sprunghaften Umdrehen, Auftreten auf den linken Fuß mit vollem Gewicht mit Verdrehen und Abknicken bzw. Einstauchen wäre ein Kausalzusammenhang zu bejahen, ist zunächst zu berücksichtigen, dass dieser Geschehensablauf nach Auffassung des Senats – wie oben dargelegt – nicht nachgewiesen ist. Darüber hinaus wurden beim Kläger auch keine Befunde erhoben, die für ein Verdrehen, Abknicken bzw. Einstauchen sprechen würden. Außerdem haben Dr. B. und Dr. S. nachvollziehbar dargelegt, das Verdrehtraumen, Abknickungen, Einstauchungen und auch Umknicken zu einer Belastung der Bandstrukturen des Sprunggelenkes führen, und nicht zu einer plötzlichen mittelbaren Gewalteinwirkung auf Gewebsstrukturen der Achillessehne. Auch der intraoperative Befund (vollständige Ruptur bündeliger Auffaserung 7 cm kranial des Fersenbeins, stumpfes und sulziges Gewebe) sprechen gegen eine traumatische Genese, da sich die Ruptur im Bereich der so genannten Achillessehnentaille befindet, in dem die Blutversorgung der Achillessehne vermindert ist. Auch fehlen eindeutige HinW. für eine Einblutung in das Achillessehnentaille, obwohl solche Zeichen 11 Tage nach dem Unfallereignis zumindest noch bei der feingeweblichen Untersuchung zu erwarten wären, wie Dr. S. für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt hat.

Nach alledem vermag der Senat eine unfallbedingte Ruptur der Achillessehne beim Kläger und damit ein Arbeitsunfall nicht festzustellen. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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