Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 17 U 464/06
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 389/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 12. November 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2006 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Beigeladene am 2. Mai 2004 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Unfall der Beigeladenen am 2. Mai 2004 ein Arbeitsunfall war. Die Klägerin betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen, zu welchem auch eine Pferdezucht gehört. Die Beigeladene war zuletzt als Konstruktionstechnikerin tätig und seit Juni 2003 wegen Beschwerden am linken Arm arbeitsunfähig erkrankt. Im Frühjahr 2004 trat sie mit der Bitte an den Zeugen B. - Geschäftsführer der Klägerin - heran, ihr eine Vollzeitbeschäftigung als Pferdewirtin zu ermöglichen. Die Beigeladene war selbst Halterin von drei Pferden und an einer Tätigkeit in der Pferdehaltung interessiert. Der Zeuge vereinbarte mit der Beigeladenen, dass sie auf dem Hof tätig werden könne, um die Pferde und die dort anfallenden Arbeiten kennenzulernen. Die näheren Umstände und der zeitliche Umfang der sich anschließenden Tätigkeiten sind im Verlauf des Verfahrens unterschiedlich beschrieben worden. Im Vorfeld des Unfalltages bat der Zeuge die Beigeladene, den Tierarzt am 2. Mai 2004 bei der künstlichen Besamung einer Stute zu unterstützen, weil er selbst nicht vor Ort sein könne. Die Beigeladene nahm den übersandten Samen am Samstag (1. Mai) in Empfang, bewahrte ihn sodann im eigenen Kühlschrank auf und brachte ihn am Unfalltag wieder auf das Gelände der Klägerin. Dort assistierte sie dem Tierarzt in der Form, dass sie ihm den Samen übergab und sich neben die zu behandelnde Stute stellte. Um die Stute ruhig zu halten, versuchte sie die Führungsleine um die Gitterstäbe der Box zu schlingen und zu verknoten. Hierbei scheute die Stute, stieg auf und zog die Leine ruckartig an. Dabei wurden drei Finger der linken Hand der Beigeladenen derart gequetscht, dass die Fingerendglieder amputiert werden mussten. Im Rahmen der Unfallmeldung vom 5. Mai 2004 gab der Zeuge B. an, die Beigeladene sei als "Besucherin" auf dem Hof gewesen und habe dabei dem Tierarzt "aus Gefälligkeit" geholfen. Damit übereinstimmend erklärte die Beigeladene ausweislich eines Telefonvermerks eines Mitarbeiters der Beklagten vom 24. Mai 2004, dass sie lediglich zu Besuch anwesend gewesen sei. In weiteren Telefonaten erklärten beide gegenüber der Beklagten, dass eine Einstellung als Pferdewirtin beabsichtigt gewesen war und die Beigeladene deshalb bereits mehrfach zuvor auf dem Hof tätig gewesen sei. In diesem Zusammenhang wurde auch bekannt, dass für die Beigeladene seit etwa einem Jahr Arbeitsunfähigkeit bescheinigt war. Mit Bescheid vom 18. Januar 2005 lehnte die Beklagte die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab. Aufgrund der bestehenden Arbeitsunfähigkeit könne nicht von einem Probearbeitsverhältnis ausgegangen werden. Die Beigeladene sei ausschließlich aus Pferdeliebhaberei tätig geworden, weshalb kein Versicherungsschutz bestehe. Den Widerspruch der Beigeladenen, den sie damit begründete, alle in der Landwirtschaft Tätigen wären versichert, wies die Beklagte mit Bescheid vom 20. April 2005 zurück. - Dieser Bescheid wurde gegenüber der Beigeladenen bestandskräftig. Am 27. Oktober 2005 legte der LVM Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a.G. (Haftpflichtversicherung) im Auftrag der Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. Januar 2005 ein. Die Klägerin habe ein Interesse an der Feststellung, dass die Tätigkeit der Beigeladenen dem Unfallversicherungsschutz unterfällt. Es liege eine versicherte Tätigkeit vor, denn die Beigeladene hätte bereits seit vier Wochen jeweils zwei Tage wöchentlich fünf Stunden im Unternehmen der Klägerin als Tierwirtin gearbeitet. Mit Bescheid vom 19. Januar 2006 wies die Beklagte auch diesen Widerspruch als unbegründet zurück und begründete dies im Wesentlichen mit dem fehlenden Nachweis einer regelmäßigen Arbeitserprobung. Es sei vielmehr von einer Gefälligkeitshandlung auszugehen. Im daraufhin vor dem Sozialgericht Gotha durchgeführten Klageverfahren sind die Beigeladene und der Zeuge B. in der mündlichen Verhandlung angehört beziehungsweise zeugenschaftlich vernommen worden. Die Beigeladene hat angegeben, mit dem Zeugen B. eine etwa zwei- bis dreimonatige Probezeit vereinbart zu haben, damit er prüfen könne, ob sie für die Tätigkeit der Pferdewirtin geeignet sei. Sie sei etwa seit vier bis fünf Wochen jeweils an einigen Tagen stundenweise tätig gewesen, als der Zeuge sie gebeten hätte, am folgenden Wochenende dem Tierarzt behilflich zu sein. Auf Vorhalt der anfänglich unterschiedlichen Angaben hat sie angegeben, dies sei wegen der eigentlich bestehenden Krankschreibung erfolgt. Der Zeuge hat ausgesagt, die Beigeladene hätte vor dem Unfall etwa vier Wochen mehrfach ausgeholfen, "je nachdem, wie sie Zeit hatte". Der Grundgedanke dieser Tätigkeit sei gewesen, dass sie einmal die Arbeiten im Pferdestall übernehmen sollte. Mit Urteil vom 12. November 2007 hat das Sozialgericht Gotha die Klage abgewiesen. In der Begründung hat es auf die wechselhaften Aussagen der Beteiligten verwiesen. Auf dieser Grundlage sei die versicherte Tätigkeit nicht im Vollbeweis nachgewiesen. Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihr Begehren weiter. Die Verletzung der Beigeladenen sei Folge eines Unfalls während einer versicherten Tätigkeit. Die erbrachten Tätigkeiten seien entweder im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses oder zumindest unter Umständen, die einem Arbeitsverhältnis ähnlich sind, erbracht worden. Ein Feststellungsinteresse bestehe, da die Klägerin wegen des Unfalls von der Krankenkasse der Beigeladenen in Anspruch genommen wird.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 12. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2006 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene am 2. Mai 2004 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene schließt sich dem Antrag der Klägerin an.
Die Beklagte verweist darauf, dass selbst wenn man die Schilderung zur vorangehenden mehrwöchigen Tätigkeit der Beigeladenen im Unternehmen der Klägerin als wahr unterstellen würde, ein Versicherungsschutz daran scheitern würde, dass die Beigeladene im wesentlichen eigene Interessen verfolgt hätte. Die Tätigkeit sei als Probearbeitsverhältnis einzuordnen und diente daher wesentlich dem Interesse der Beigeladenen an der Erlangung eines Arbeitsverhältnisses. Die Beigeladene hat sich in der mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2012 dem Vortrag der Klägerin angeschlossen und nochmals geschildert, wie sie bei der Besamung der Stute helfen sollte. Der Zeuge B. und die Beigeladene sind anlässlich eines Erörterungstermins am 12. Mai 2011 zeugenschaftlich vernommen bzw. angehört worden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins verwiesen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Die Beigeladene hat am 2. Mai 2004 einen Arbeitsunfall erlitten und damit einen Anspruch auf eine entsprechende Feststellung. Die Klägerin kann sich ihrerseits darauf berufen, dass ein Arbeitsunfall vorgelegen hat.
Die Klage war als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig; die Klägerin begehrt ausschließlich die gerichtliche Feststellung, dass der erlittene Unfall ein Arbeitsunfall ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann der Versicherte die Grundlagen der in Frage kommenden Leistungsansprüche vorab im Wege einer isolierten Feststellungsklage klären lassen (BSG, Urteil vom 15. Februar 2005, Az: B 2 U 1/04 R, juris.de). Dies gilt entsprechend für die Klägerin des vorliegenden Verfahrens.
Die Klägerin als Unternehmerin ist nach § 109 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) klagebefugt. Danach können statt des Berechtigten auch Personen, deren Haftung nach §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist, Feststellungen nach § 108 SGB VII beantragen. Voraussetzung ist, dass sie vom Versicherten, dessen Angehörigen und Hinterbliebenen auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Für die Inanspruchnahme ist es ausreichend, wenn ein Dritter auf ihn übergegangene Ansprüche des Verletzten geltend macht (Ricke in Kasseler Kommentar § 109 SGB VII Rn. 3 und Urteil des Landessozialgerichts - LSG - Berlin-Brandenburg vom 24. September 2008, Az.: L 31 U 467/08, juris.de). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Klägerin bzw. ihre Haftpflichtversicherung wird nach § 116 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) von der gesetzlichen Krankenversicherung der Beigeladenen wegen des gezahlten Verletztengeldes in Anspruch genommen.
Streitgegenstand der Anfechtungsklage ist hier neben dem Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2006 auch der Bescheid vom 18. Januar 2005, der zwar nur an die Beigeladene gerichtet war, aber auch der Klägerin gegenüber Wirkung entfaltete. Die Klägerin konnte diesen Bescheid daher mit einem Widerspruch anfechten. Entsprechend hat sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2012 erklärt.
Die Berufung ist auch begründet. Die Beigeladene hat am 2. Mai 2004 einen durch die Beklagte versicherten Arbeitsunfall erlitten.
Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Die Einordnung als Arbeitsunfall setzt voraus, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zuzuordnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG Urteil vom 7. September 2004, Az: B 2 U 35/03 R m.w.N., recherchiert bei Juris). Die tatsächlichen Grundlagen dieser Abwägung unterliegen dem Vollbeweis, das heißt sie müssen in einem so hohen Maße wahrscheinlich sein, dass bei lebenspraktischer Betrachtung Zweifel zurücktreten, ohne dass diese jedoch völlig ausgeschlossen sein müssen (Wagner in Juris-Praxis-Kommentar § 7 SGB VII Rn. 37).
Zwar scheidet hier ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs.1 Nr.1 SGB VII aus, weil die Beigeladene nicht aufgrund eines Arbeitsverhältnisses bei der Klägerin tätig war. Allerdings besteht Versicherungsschutz nach § 2 Abs.2 SGB VII.
Nach dieser Vorschrift sind auch Personen versichert, die wie ein nach § 2 Abs.1 Nr.1 SGB VII Versicherter tätig werden. Regelmäßig handelt es sich hierbei um Fälle, in denen zwar eine Beschäftigung für ein Unternehmen wie aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses vorliegt, es allerdings am Bestehen eines solchen Verhältnisses fehlt (vgl. BSG Breithaupt 1981, 859). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt die Anwendung dieser Vorschrift voraus, dass es sich um eine ernstliche, einem Unternehmen dienende Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht, die ihrer Art nach sonst von Personen in einem Beschäftigungsverhältnis verrichtet werden könnte und nach den Umständen des Einzelfalls arbeitnehmerähnlich ist (vgl. Kass-Komm-Ricke § 2 SGB VII Rdnr.104 m.w.N.). Wie bei allen Zurechnungsentscheidungen sind die gesamten Umstände des Einzelfalls zu beachten (BSG, Urteil vom 27.03.1990, B 2 RU 32/89).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Beigeladene stand somit zum Zeitpunkt des Unfalls unter Unfallversicherungsschutz.
Eine Tätigkeit dient einem Unternehmen, wenn sie ihm ernsthaft nützt. Dies ist der Fall, wenn sie wirtschaftlich als Arbeit anzusehen ist und dadurch für das unterstützte Unternehmen einen wirtschaftlichen Wert darstellt. Dabei genügt auch eine bereits geringfügige und kurze Hilfe. Ein erheblicher Nutzen ist somit nicht erforderlich. Es reicht aus, dass der Nutzen nur nach den vertretbaren subjektiven Vorstellungen des Handelnden eintreten soll, objektiv aber ausbleibt oder sogar ein Schaden eintritt. Maßgebend ist also nicht, ob die Tätigkeit allein objektiv dem Interesse des Unternehmens dient. Der erforderliche innere Zusammenhang zwischen der zum Unfall führenden Tätigkeit und dem Unternehmen ist gegeben, wenn die Tätigkeit den Interessen des Unternehmens rechtlich wesentlich dient, wobei der Handlungstendenz des Verletzten eine entscheidende Bedeutung für den Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs.2 Satz 1 SGB VII zukommt. Voraussetzung ist somit, dass die Tätigkeit der verletzten Person auf die Belange des Unternehmens gerichtet, sie also dem Unternehmen zu dienen bestimmt ist. Verfolgt sie dagegen wesentlich allein eigene Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung tätig geworden (BSG, Urteile vom 01.07.1997, B 2 RU 32/96 und vom 05.07.2005, B 2 U 22/04 R).
Die Beigeladene hat in diesem Sinne zum Unfallzeitpunkt eine ernstliche Tätigkeit ausgeübt, die dem Unternehmen der Klägerin rechtlich wesentlich zu dienen bestimmt war. Der Zeuge B. konnte am Unfalltag dem Tierarzt bei der Besamung einer Stute nicht assistieren. Auf Bitten des Zeugen nahm die Beigeladene den übersandten Samen in Empfang, lagerte ihn für das Unternehmen im eigenen Kühlschrank und half bei der Besamung der Stute, indem sie dem Tierarzt den Samen übergab und sich helfend neben die Stute stellte. Die Hilfestellung bei der Besamung ist sowohl objektiv als auch aus der Sicht der Beigeladenen eine für den Betrieb der Klägerin nützliche Tätigkeit gewesen. Es handelte sich aufgrund der Bedeutung der Besamung für das Unternehmen der Klägerin um eine messbare Arbeitsleistung von ernsthaftem Nutzen. Nach den Angaben der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2012 stammte der Samen aus den USA und hatte einen wirtschaftlichen Wert von über 1.000 EUR.
Die Beigeladene hat zum Unfallzeitpunkt keine eigenen Zwecken dienende und damit unternehmerähnliche Tätigkeit ausgeübt. Verfolgt eine Person mit einem Verhalten, das ansonsten einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnelt, in Wirklichkeit wesentlich allein eigene Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern wie ein Unternehmer eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht nach § 2 Abs. 2 SGB VII wie ein nach Abs. 1 Nr. 1 Tätiger unter Versicherungsschutz (BSG, Urteil vom 25. November 1992, B 2 RU 48/91; BSG, Urteil vom 5. März 2002, B 2 U 8/01 R). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kommt dabei der mit dem - objektiv arbeitnehmerähnlichen - Verhalten verbundenen Handlungstendenz, die vom bloßen Motiv für das Tätigwerden zu unterscheiden ist, ausschlaggebende Bedeutung zu (BSG Urteil vom 5. März 2002, B 2 U 9/01 R).
Die Handlungstendenz der zum Unfall führenden Tätigkeit war aus Sicht der Beigeladenen auf die Hilfe bei der Besamung eines Pferdes der Klägerin ausgerichtet. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein wesentliches Motiv der Hilfestellung der Beigeladenen auch die Erlangung einer Festeinstellung im Unternehmen der Klägerin war. Dabei handelt es sich jedoch um unerhebliche Beweggründe für den Entschluss, helfend tätig zu werden.
Soweit die Beklagte der Ansicht ist, dass die Beigeladene lediglich eigenwirtschaftlich tätig wurde, verkennt sie die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Es kommt danach nicht darauf an, welchen Zweck die Beigeladene bei der (Praktikums-)Tätigkeit generell, sondern welchen sie bei der konkreten zur Unfall führenden Tätigkeit verfolgte. Betrachtet man die allein unfallrelevante Hilfestellung, wird der Zweck einer erfolgreichen Besamung deutlich. Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene statt für die Klägerin für den Tierarzt tätig werden wollte, bestehen nicht. Sie kam nicht einer Bitte des Tierarztes nach, sondern dem Wunsch des Zeugen B., dem Tierarzt zu attestieren. Der von der Beklagten angeführte Vergleich mit einem (nicht versicherten) Vorreiten (Bayr. LSG, Urteil vom 25.01.2011, L 3 U 5/09) führt zu keiner anderen Bewertung. Das Vorreiten selber stellte in dem Vergleichsfall keine nützliche, dem Unternehmen dienende Tätigkeit dar. Soweit die Beklagte weiter ihre Rechtsansicht auf ein Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 01.10.2008, Az: L 17 U 43/08 stützt, weist der Senat darauf hin, dass es in jenem Urteil um die Frage eines Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, nicht um einen Schutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII ging.
Die Besamung einer Stute ist ihrer Art nach eine Tätigkeit, die ohne das Eingreifen der Beigeladenen von anderen Beschäftigten der Klägerin hätte übernommen werden können. Der Zeuge B. hat insoweit vor dem Sozialgericht ausgesagt, er hätte sich auch jemand anderen suchen können. Die bei der Klägerin beschäftigten Tierwirte waren anscheinend für die erforderliche Hilfestellung wenig geeignet, aber man hätte auch auf Fachkräfte über den so genannten Maschinenring zurückgreifen können, die aber zu entlohnen waren und als Beschäftigte ohnehin versichert gewesen wären.
Die Hilfestellung war auch arbeitnehmerähnlich, insbesondere war die Mithilfe nicht durch familiäre oder ähnliche Bedingungen geprägt.
Dass die Tätigkeit schließlich dem wirklichen Willen der Klägerin entsprach, bedarf keiner besonderen Begründung. Der Zeuge B. hatte die Beigeladene ausdrücklich gebeten, den Samen in Empfang zu nehmen und ihn am 2. Mai dem Tierarzt zu übergeben. Auch die weitere Hilfestellung bei der Besamung war vom Zeugen ausdrücklich gewünscht.
Die Frage, ob und wie lange die Beigeladene der Klägerin während ihrer attestierten Arbeitsunfähigkeit ausgeholfen hat, ist für die rechtliche Bewertung im vorliegenden Fall unbeachtlich. Entscheidend ist allein die Betrachtung des konkreten Unfallgeschehens und der damit verbundenen Handlungstendenz. Allerdings würde ein "wochenlanges" Praktikum hier eher für ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis sprechen.
Der hier zugrunde gelegte Sachverhalt steht zur Überzeugung des Senates aufgrund der glaubhaften und schlüssigen Aussagen der Beigeladenen und des Zeugen B. fest und wurde insoweit auch durch die Beteiligten nicht in Zweifel gezogen. Dass die Beklagte aus der Aussage andere rechtliche Schlussfolgerungen zieht, ändert nichts an dem nach dem Inhalt der Aussage feststehenden Kerngeschehen, dem konkreten Unfallvorgang. Zwar wurden zunächst durch die Beigeladene zu Beginn des Verwaltungsverfahrens falsche Angaben gemacht. Die Angabe, dass sie nur Besucherin gewesen sei, wurde aber zeitnah und in Übereinstimmung mit den Angaben des Zeugen B. klargestellt. Nachvollziehbar erklärten beide, dass die falschen Angaben aus Angst um die Folgen der Tätigkeit während einer Krankschreibung gemacht wurden. Es ist glaubhaft, wenn nunmehr in Übereinstimmung mit den späteren Angaben ausgesagt wird, dass die Beigeladene auf Bitten des Zeugen B. bei der Besamung eines Pferdes geholfen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt. Der Wert des Streitgegenstandes ist nach der Bedeutung zu bestimmen, die die Sache nach dem Antrag der Klägerin hat (§§ 86b, 197a SGG i.V.m. §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG -). Dabei orientiert sich die Entscheidung mangels anderweitiger Gesichtspunkte nach § 197a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) an dem Auffangstreitwert von 5.000,- Euro.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Unfall der Beigeladenen am 2. Mai 2004 ein Arbeitsunfall war. Die Klägerin betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen, zu welchem auch eine Pferdezucht gehört. Die Beigeladene war zuletzt als Konstruktionstechnikerin tätig und seit Juni 2003 wegen Beschwerden am linken Arm arbeitsunfähig erkrankt. Im Frühjahr 2004 trat sie mit der Bitte an den Zeugen B. - Geschäftsführer der Klägerin - heran, ihr eine Vollzeitbeschäftigung als Pferdewirtin zu ermöglichen. Die Beigeladene war selbst Halterin von drei Pferden und an einer Tätigkeit in der Pferdehaltung interessiert. Der Zeuge vereinbarte mit der Beigeladenen, dass sie auf dem Hof tätig werden könne, um die Pferde und die dort anfallenden Arbeiten kennenzulernen. Die näheren Umstände und der zeitliche Umfang der sich anschließenden Tätigkeiten sind im Verlauf des Verfahrens unterschiedlich beschrieben worden. Im Vorfeld des Unfalltages bat der Zeuge die Beigeladene, den Tierarzt am 2. Mai 2004 bei der künstlichen Besamung einer Stute zu unterstützen, weil er selbst nicht vor Ort sein könne. Die Beigeladene nahm den übersandten Samen am Samstag (1. Mai) in Empfang, bewahrte ihn sodann im eigenen Kühlschrank auf und brachte ihn am Unfalltag wieder auf das Gelände der Klägerin. Dort assistierte sie dem Tierarzt in der Form, dass sie ihm den Samen übergab und sich neben die zu behandelnde Stute stellte. Um die Stute ruhig zu halten, versuchte sie die Führungsleine um die Gitterstäbe der Box zu schlingen und zu verknoten. Hierbei scheute die Stute, stieg auf und zog die Leine ruckartig an. Dabei wurden drei Finger der linken Hand der Beigeladenen derart gequetscht, dass die Fingerendglieder amputiert werden mussten. Im Rahmen der Unfallmeldung vom 5. Mai 2004 gab der Zeuge B. an, die Beigeladene sei als "Besucherin" auf dem Hof gewesen und habe dabei dem Tierarzt "aus Gefälligkeit" geholfen. Damit übereinstimmend erklärte die Beigeladene ausweislich eines Telefonvermerks eines Mitarbeiters der Beklagten vom 24. Mai 2004, dass sie lediglich zu Besuch anwesend gewesen sei. In weiteren Telefonaten erklärten beide gegenüber der Beklagten, dass eine Einstellung als Pferdewirtin beabsichtigt gewesen war und die Beigeladene deshalb bereits mehrfach zuvor auf dem Hof tätig gewesen sei. In diesem Zusammenhang wurde auch bekannt, dass für die Beigeladene seit etwa einem Jahr Arbeitsunfähigkeit bescheinigt war. Mit Bescheid vom 18. Januar 2005 lehnte die Beklagte die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab. Aufgrund der bestehenden Arbeitsunfähigkeit könne nicht von einem Probearbeitsverhältnis ausgegangen werden. Die Beigeladene sei ausschließlich aus Pferdeliebhaberei tätig geworden, weshalb kein Versicherungsschutz bestehe. Den Widerspruch der Beigeladenen, den sie damit begründete, alle in der Landwirtschaft Tätigen wären versichert, wies die Beklagte mit Bescheid vom 20. April 2005 zurück. - Dieser Bescheid wurde gegenüber der Beigeladenen bestandskräftig. Am 27. Oktober 2005 legte der LVM Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a.G. (Haftpflichtversicherung) im Auftrag der Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. Januar 2005 ein. Die Klägerin habe ein Interesse an der Feststellung, dass die Tätigkeit der Beigeladenen dem Unfallversicherungsschutz unterfällt. Es liege eine versicherte Tätigkeit vor, denn die Beigeladene hätte bereits seit vier Wochen jeweils zwei Tage wöchentlich fünf Stunden im Unternehmen der Klägerin als Tierwirtin gearbeitet. Mit Bescheid vom 19. Januar 2006 wies die Beklagte auch diesen Widerspruch als unbegründet zurück und begründete dies im Wesentlichen mit dem fehlenden Nachweis einer regelmäßigen Arbeitserprobung. Es sei vielmehr von einer Gefälligkeitshandlung auszugehen. Im daraufhin vor dem Sozialgericht Gotha durchgeführten Klageverfahren sind die Beigeladene und der Zeuge B. in der mündlichen Verhandlung angehört beziehungsweise zeugenschaftlich vernommen worden. Die Beigeladene hat angegeben, mit dem Zeugen B. eine etwa zwei- bis dreimonatige Probezeit vereinbart zu haben, damit er prüfen könne, ob sie für die Tätigkeit der Pferdewirtin geeignet sei. Sie sei etwa seit vier bis fünf Wochen jeweils an einigen Tagen stundenweise tätig gewesen, als der Zeuge sie gebeten hätte, am folgenden Wochenende dem Tierarzt behilflich zu sein. Auf Vorhalt der anfänglich unterschiedlichen Angaben hat sie angegeben, dies sei wegen der eigentlich bestehenden Krankschreibung erfolgt. Der Zeuge hat ausgesagt, die Beigeladene hätte vor dem Unfall etwa vier Wochen mehrfach ausgeholfen, "je nachdem, wie sie Zeit hatte". Der Grundgedanke dieser Tätigkeit sei gewesen, dass sie einmal die Arbeiten im Pferdestall übernehmen sollte. Mit Urteil vom 12. November 2007 hat das Sozialgericht Gotha die Klage abgewiesen. In der Begründung hat es auf die wechselhaften Aussagen der Beteiligten verwiesen. Auf dieser Grundlage sei die versicherte Tätigkeit nicht im Vollbeweis nachgewiesen. Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihr Begehren weiter. Die Verletzung der Beigeladenen sei Folge eines Unfalls während einer versicherten Tätigkeit. Die erbrachten Tätigkeiten seien entweder im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses oder zumindest unter Umständen, die einem Arbeitsverhältnis ähnlich sind, erbracht worden. Ein Feststellungsinteresse bestehe, da die Klägerin wegen des Unfalls von der Krankenkasse der Beigeladenen in Anspruch genommen wird.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 12. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2006 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene am 2. Mai 2004 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene schließt sich dem Antrag der Klägerin an.
Die Beklagte verweist darauf, dass selbst wenn man die Schilderung zur vorangehenden mehrwöchigen Tätigkeit der Beigeladenen im Unternehmen der Klägerin als wahr unterstellen würde, ein Versicherungsschutz daran scheitern würde, dass die Beigeladene im wesentlichen eigene Interessen verfolgt hätte. Die Tätigkeit sei als Probearbeitsverhältnis einzuordnen und diente daher wesentlich dem Interesse der Beigeladenen an der Erlangung eines Arbeitsverhältnisses. Die Beigeladene hat sich in der mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2012 dem Vortrag der Klägerin angeschlossen und nochmals geschildert, wie sie bei der Besamung der Stute helfen sollte. Der Zeuge B. und die Beigeladene sind anlässlich eines Erörterungstermins am 12. Mai 2011 zeugenschaftlich vernommen bzw. angehört worden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins verwiesen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Die Beigeladene hat am 2. Mai 2004 einen Arbeitsunfall erlitten und damit einen Anspruch auf eine entsprechende Feststellung. Die Klägerin kann sich ihrerseits darauf berufen, dass ein Arbeitsunfall vorgelegen hat.
Die Klage war als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig; die Klägerin begehrt ausschließlich die gerichtliche Feststellung, dass der erlittene Unfall ein Arbeitsunfall ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann der Versicherte die Grundlagen der in Frage kommenden Leistungsansprüche vorab im Wege einer isolierten Feststellungsklage klären lassen (BSG, Urteil vom 15. Februar 2005, Az: B 2 U 1/04 R, juris.de). Dies gilt entsprechend für die Klägerin des vorliegenden Verfahrens.
Die Klägerin als Unternehmerin ist nach § 109 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) klagebefugt. Danach können statt des Berechtigten auch Personen, deren Haftung nach §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist, Feststellungen nach § 108 SGB VII beantragen. Voraussetzung ist, dass sie vom Versicherten, dessen Angehörigen und Hinterbliebenen auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Für die Inanspruchnahme ist es ausreichend, wenn ein Dritter auf ihn übergegangene Ansprüche des Verletzten geltend macht (Ricke in Kasseler Kommentar § 109 SGB VII Rn. 3 und Urteil des Landessozialgerichts - LSG - Berlin-Brandenburg vom 24. September 2008, Az.: L 31 U 467/08, juris.de). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Klägerin bzw. ihre Haftpflichtversicherung wird nach § 116 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) von der gesetzlichen Krankenversicherung der Beigeladenen wegen des gezahlten Verletztengeldes in Anspruch genommen.
Streitgegenstand der Anfechtungsklage ist hier neben dem Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2006 auch der Bescheid vom 18. Januar 2005, der zwar nur an die Beigeladene gerichtet war, aber auch der Klägerin gegenüber Wirkung entfaltete. Die Klägerin konnte diesen Bescheid daher mit einem Widerspruch anfechten. Entsprechend hat sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2012 erklärt.
Die Berufung ist auch begründet. Die Beigeladene hat am 2. Mai 2004 einen durch die Beklagte versicherten Arbeitsunfall erlitten.
Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Die Einordnung als Arbeitsunfall setzt voraus, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zuzuordnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG Urteil vom 7. September 2004, Az: B 2 U 35/03 R m.w.N., recherchiert bei Juris). Die tatsächlichen Grundlagen dieser Abwägung unterliegen dem Vollbeweis, das heißt sie müssen in einem so hohen Maße wahrscheinlich sein, dass bei lebenspraktischer Betrachtung Zweifel zurücktreten, ohne dass diese jedoch völlig ausgeschlossen sein müssen (Wagner in Juris-Praxis-Kommentar § 7 SGB VII Rn. 37).
Zwar scheidet hier ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs.1 Nr.1 SGB VII aus, weil die Beigeladene nicht aufgrund eines Arbeitsverhältnisses bei der Klägerin tätig war. Allerdings besteht Versicherungsschutz nach § 2 Abs.2 SGB VII.
Nach dieser Vorschrift sind auch Personen versichert, die wie ein nach § 2 Abs.1 Nr.1 SGB VII Versicherter tätig werden. Regelmäßig handelt es sich hierbei um Fälle, in denen zwar eine Beschäftigung für ein Unternehmen wie aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses vorliegt, es allerdings am Bestehen eines solchen Verhältnisses fehlt (vgl. BSG Breithaupt 1981, 859). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt die Anwendung dieser Vorschrift voraus, dass es sich um eine ernstliche, einem Unternehmen dienende Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht, die ihrer Art nach sonst von Personen in einem Beschäftigungsverhältnis verrichtet werden könnte und nach den Umständen des Einzelfalls arbeitnehmerähnlich ist (vgl. Kass-Komm-Ricke § 2 SGB VII Rdnr.104 m.w.N.). Wie bei allen Zurechnungsentscheidungen sind die gesamten Umstände des Einzelfalls zu beachten (BSG, Urteil vom 27.03.1990, B 2 RU 32/89).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Beigeladene stand somit zum Zeitpunkt des Unfalls unter Unfallversicherungsschutz.
Eine Tätigkeit dient einem Unternehmen, wenn sie ihm ernsthaft nützt. Dies ist der Fall, wenn sie wirtschaftlich als Arbeit anzusehen ist und dadurch für das unterstützte Unternehmen einen wirtschaftlichen Wert darstellt. Dabei genügt auch eine bereits geringfügige und kurze Hilfe. Ein erheblicher Nutzen ist somit nicht erforderlich. Es reicht aus, dass der Nutzen nur nach den vertretbaren subjektiven Vorstellungen des Handelnden eintreten soll, objektiv aber ausbleibt oder sogar ein Schaden eintritt. Maßgebend ist also nicht, ob die Tätigkeit allein objektiv dem Interesse des Unternehmens dient. Der erforderliche innere Zusammenhang zwischen der zum Unfall führenden Tätigkeit und dem Unternehmen ist gegeben, wenn die Tätigkeit den Interessen des Unternehmens rechtlich wesentlich dient, wobei der Handlungstendenz des Verletzten eine entscheidende Bedeutung für den Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs.2 Satz 1 SGB VII zukommt. Voraussetzung ist somit, dass die Tätigkeit der verletzten Person auf die Belange des Unternehmens gerichtet, sie also dem Unternehmen zu dienen bestimmt ist. Verfolgt sie dagegen wesentlich allein eigene Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung tätig geworden (BSG, Urteile vom 01.07.1997, B 2 RU 32/96 und vom 05.07.2005, B 2 U 22/04 R).
Die Beigeladene hat in diesem Sinne zum Unfallzeitpunkt eine ernstliche Tätigkeit ausgeübt, die dem Unternehmen der Klägerin rechtlich wesentlich zu dienen bestimmt war. Der Zeuge B. konnte am Unfalltag dem Tierarzt bei der Besamung einer Stute nicht assistieren. Auf Bitten des Zeugen nahm die Beigeladene den übersandten Samen in Empfang, lagerte ihn für das Unternehmen im eigenen Kühlschrank und half bei der Besamung der Stute, indem sie dem Tierarzt den Samen übergab und sich helfend neben die Stute stellte. Die Hilfestellung bei der Besamung ist sowohl objektiv als auch aus der Sicht der Beigeladenen eine für den Betrieb der Klägerin nützliche Tätigkeit gewesen. Es handelte sich aufgrund der Bedeutung der Besamung für das Unternehmen der Klägerin um eine messbare Arbeitsleistung von ernsthaftem Nutzen. Nach den Angaben der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2012 stammte der Samen aus den USA und hatte einen wirtschaftlichen Wert von über 1.000 EUR.
Die Beigeladene hat zum Unfallzeitpunkt keine eigenen Zwecken dienende und damit unternehmerähnliche Tätigkeit ausgeübt. Verfolgt eine Person mit einem Verhalten, das ansonsten einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnelt, in Wirklichkeit wesentlich allein eigene Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern wie ein Unternehmer eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht nach § 2 Abs. 2 SGB VII wie ein nach Abs. 1 Nr. 1 Tätiger unter Versicherungsschutz (BSG, Urteil vom 25. November 1992, B 2 RU 48/91; BSG, Urteil vom 5. März 2002, B 2 U 8/01 R). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kommt dabei der mit dem - objektiv arbeitnehmerähnlichen - Verhalten verbundenen Handlungstendenz, die vom bloßen Motiv für das Tätigwerden zu unterscheiden ist, ausschlaggebende Bedeutung zu (BSG Urteil vom 5. März 2002, B 2 U 9/01 R).
Die Handlungstendenz der zum Unfall führenden Tätigkeit war aus Sicht der Beigeladenen auf die Hilfe bei der Besamung eines Pferdes der Klägerin ausgerichtet. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein wesentliches Motiv der Hilfestellung der Beigeladenen auch die Erlangung einer Festeinstellung im Unternehmen der Klägerin war. Dabei handelt es sich jedoch um unerhebliche Beweggründe für den Entschluss, helfend tätig zu werden.
Soweit die Beklagte der Ansicht ist, dass die Beigeladene lediglich eigenwirtschaftlich tätig wurde, verkennt sie die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Es kommt danach nicht darauf an, welchen Zweck die Beigeladene bei der (Praktikums-)Tätigkeit generell, sondern welchen sie bei der konkreten zur Unfall führenden Tätigkeit verfolgte. Betrachtet man die allein unfallrelevante Hilfestellung, wird der Zweck einer erfolgreichen Besamung deutlich. Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene statt für die Klägerin für den Tierarzt tätig werden wollte, bestehen nicht. Sie kam nicht einer Bitte des Tierarztes nach, sondern dem Wunsch des Zeugen B., dem Tierarzt zu attestieren. Der von der Beklagten angeführte Vergleich mit einem (nicht versicherten) Vorreiten (Bayr. LSG, Urteil vom 25.01.2011, L 3 U 5/09) führt zu keiner anderen Bewertung. Das Vorreiten selber stellte in dem Vergleichsfall keine nützliche, dem Unternehmen dienende Tätigkeit dar. Soweit die Beklagte weiter ihre Rechtsansicht auf ein Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 01.10.2008, Az: L 17 U 43/08 stützt, weist der Senat darauf hin, dass es in jenem Urteil um die Frage eines Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, nicht um einen Schutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII ging.
Die Besamung einer Stute ist ihrer Art nach eine Tätigkeit, die ohne das Eingreifen der Beigeladenen von anderen Beschäftigten der Klägerin hätte übernommen werden können. Der Zeuge B. hat insoweit vor dem Sozialgericht ausgesagt, er hätte sich auch jemand anderen suchen können. Die bei der Klägerin beschäftigten Tierwirte waren anscheinend für die erforderliche Hilfestellung wenig geeignet, aber man hätte auch auf Fachkräfte über den so genannten Maschinenring zurückgreifen können, die aber zu entlohnen waren und als Beschäftigte ohnehin versichert gewesen wären.
Die Hilfestellung war auch arbeitnehmerähnlich, insbesondere war die Mithilfe nicht durch familiäre oder ähnliche Bedingungen geprägt.
Dass die Tätigkeit schließlich dem wirklichen Willen der Klägerin entsprach, bedarf keiner besonderen Begründung. Der Zeuge B. hatte die Beigeladene ausdrücklich gebeten, den Samen in Empfang zu nehmen und ihn am 2. Mai dem Tierarzt zu übergeben. Auch die weitere Hilfestellung bei der Besamung war vom Zeugen ausdrücklich gewünscht.
Die Frage, ob und wie lange die Beigeladene der Klägerin während ihrer attestierten Arbeitsunfähigkeit ausgeholfen hat, ist für die rechtliche Bewertung im vorliegenden Fall unbeachtlich. Entscheidend ist allein die Betrachtung des konkreten Unfallgeschehens und der damit verbundenen Handlungstendenz. Allerdings würde ein "wochenlanges" Praktikum hier eher für ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis sprechen.
Der hier zugrunde gelegte Sachverhalt steht zur Überzeugung des Senates aufgrund der glaubhaften und schlüssigen Aussagen der Beigeladenen und des Zeugen B. fest und wurde insoweit auch durch die Beteiligten nicht in Zweifel gezogen. Dass die Beklagte aus der Aussage andere rechtliche Schlussfolgerungen zieht, ändert nichts an dem nach dem Inhalt der Aussage feststehenden Kerngeschehen, dem konkreten Unfallvorgang. Zwar wurden zunächst durch die Beigeladene zu Beginn des Verwaltungsverfahrens falsche Angaben gemacht. Die Angabe, dass sie nur Besucherin gewesen sei, wurde aber zeitnah und in Übereinstimmung mit den Angaben des Zeugen B. klargestellt. Nachvollziehbar erklärten beide, dass die falschen Angaben aus Angst um die Folgen der Tätigkeit während einer Krankschreibung gemacht wurden. Es ist glaubhaft, wenn nunmehr in Übereinstimmung mit den späteren Angaben ausgesagt wird, dass die Beigeladene auf Bitten des Zeugen B. bei der Besamung eines Pferdes geholfen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt. Der Wert des Streitgegenstandes ist nach der Bedeutung zu bestimmen, die die Sache nach dem Antrag der Klägerin hat (§§ 86b, 197a SGG i.V.m. §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG -). Dabei orientiert sich die Entscheidung mangels anderweitiger Gesichtspunkte nach § 197a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) an dem Auffangstreitwert von 5.000,- Euro.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
FST
Saved