L 7 R 84/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 6243/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 84/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 1. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt im Zugunstenverfahren die Gewährung höherer Renten wegen teilweiser und voller Erwerbsminderung; streitig ist insbesondere die Bewertung von Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG).

Die am 1952 in der ehemaligen UdSSR geborene Klägerin besuchte dort von September 1959 bis Juli 1969 erfolgreich die allgemeinbildende Mittelschule. Ab dem 1. Oktober 1969 absolvierte sie einen Lehrgang zur Krankenschwester für Kinderkrippen. Durch Beschluss der Staatlichen Qualifizierungskommission vom 1. September 1970 wurde ihr aufgrund dessen die Qualifikation einer "Krankenschwester für Kinderkrippen mit vollständig abgeschlossener Mittelschule" verliehen; wegen des Zeugnisses Nr. 085000 wird auf Bl. 191, 193 und 1185 der Verwaltungsakte Bezug genommen. Im Arbeitsbuch vom 20. März 1971 sowie vom 7. Januar 1987 wurde unter der Rubrik Bildung eine "mittlere" bzw. eine Mittelschulbildung vermerkt. In der Zeit vom 1. Oktober 1970 bis 12. April 1972 arbeitete die Klägerin als Fürsorgeschwester in der Kinderberatungsstelle bzw. Krankenschwester der Kinderabteilung des Krankenhauses von Asowo, vom 29. April 1972 bis zum 28. Februar 1974 als Krankenschwester im I. K. (Bl. 47/49, 59, 61 der Verwaltungsakten). Anschließend war sie in anderen Berufen tätig. Am 9. Januar 1973 (Beginn des Mutterschutzes am 14. November 1972), 2. November 1975 und 18. Januar 1984 kamen ihre drei Kinder zur Welt. Am 8. August 1994 siedelte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann (verstorben am 16. März 2005) in die Bundesrepublik Deutschland über, wo sie als Spätaussiedlerin anerkannt wurde (Bescheinigung nach § 15 des Bundesvertriebenengesetzes vom 4. April 1995).

Mit Bescheid vom 11. Juli 2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin auf deren Widerspruch nach vorangegangener Ablehnung Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 1. Oktober 2006 sowie mit Bescheid vom 13. Juli 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. April 2007 bis 31. März 2010. Dabei ordnete sie jeweils die Pflichtbeitragszeiten u.a. vom 1. Oktober 1970 bis 12. April 1972, vom 29. April bis 13. November 1972 sowie vom 21. Juli 1974 bis 6. September 1975 der Qualifikationsgruppe 5 zu. Als Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung wurden jeweils die zwölf Kalendermonate nach Geburt des jeweiligen Kindes zugrundegelegt, als Berücksichtigungszeit der Zeitraum vom 9. Januar 1973 bis 17. Januar 1994. Sowohl die Entgeltpunkte für Pflichtbeitragszeiten als auch für Berücksichtigungszeiten im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung wurden mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt und damit um 40 v.H. abgesenkt. Auf den weiteren Widerspruch der Klägerin wurde die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit Bescheid vom 11. September 2007 ab dem 1. Oktober 2006 sowie die Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Bescheid vom 21. Dezember 2007 ab dem 1. April 2007 unter zusätzlicher Anerkennung einer weiteren Schulzeit bis zum 30. September 1969 neu festgestellt. Dem Begehren der Klägerin auf Zuerkennung einer höheren Qualifikationsgruppe wurde nicht entsprochen. Die Zuordnung der Qualifikationsgruppen blieb ebenso wie die Absenkung um 40 v.H. unverändert. Daraufhin erklärte die Klägerin das Widerspruchsverfahren für erledigt.

Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 28. Juli 2009 beantragte die Klägerin neben der Weitergewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung auch die "Überprüfung der in der Vergangenheit ergangenen Rentenbescheide und Einstufungsbescheide nach dem FRG". Auf Bitte der Beklagten um Konkretisierung des Antrages, richtete die Klägerin diesen auf die Überprüfung der "Rentenbescheide der Vergangenheit, wohl speziell aus dem Jahr 2007", da eine Neuberechnung der Rente vorzunehmen sei. Die laut Zeugnis vom 1. September 1970 durchlaufene Ausbildung zur "Krankenschwester für Kinderkrippen" sei bei der Rentenhöhe zu berücksichtigen, da nicht die Qualifikationsgruppe 5, sondern 4 zu vergeben sei. Des Weiteren dürfte die Kürzung auf 60% für die "Kinderberücksichtigungszeit" nicht zutreffend sein, da sich hier die Frage einer Glaubhaftmachung nicht stelle.

Mit Bescheid vom 3. Februar 2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Qualifikationsgruppe 4 (Facharbeiter) erfüllten nur qualifizierte Arbeiter, die eine umfassende Ausbildung von regelmäßig mehr als einem Jahr absolviert hätten. Die Ausbildung der Klägerin sei unter einem Jahr zurückgelegt worden und auf den Teilbereich "Krankenschwester für Kinderkrippen" beschränkt gewesen. Eine Anerkennung der Qualifikationsgruppe 4 aufgrund langjähriger Berufserfahrung scheide aus, da die Klägerin lediglich bis zum 28. Februar 1974 als Krankenschwester tätig gewesen sei. Die Vervielfältigung der Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 ergebe sich aus § 22 Abs. 4 FRG und betreffe nicht die Frage der Glaubhaftmachung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 1189 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches trug die Klägerin u.a. vor, bei der Ausbildung zur Krankenschwester für Kinderkrippen handle es sich nicht um einen Teilbereich eines Ausbildungsberufes, sondern um eine dem Facharzt vergleichbare Spezialisierung. Die Absenkung von Kindererziehungszeiten auf 60% stelle eine unzulässige Ungleichbehandlung dar. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2010, zur Post gegeben am selben Tag, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 6. Dezember 2010 (Montag) Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, mit der sie die Gewährung höherer Renten unter Zuordnung der Zeit vom 1. Oktober 1970 bis 13. November 1972 in Qualifikationsgruppe 4 sowie ohne Absenkung der Entgeltpunkte für Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten begehrt hat.

Nachdem die Klage nicht begründet worden war, hat sie das SG mit Gerichtsbescheid vom 1. Dezember 2011 abgewiesen und zur Begründung hinsichtlich der zuzuordnenden Qualifikationsgruppe auf die Gründe des Widerspruchsbescheides verwiesen. Weiter hat es ausgeführt, die Absenkung auch der Kindererziehungszeiten und der Berücksichtigungszeiten im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung entspreche den gesetzlichen Bestimmungen des § 22 Abs. 4 FRG, wonach die nach § 22 Abs. 1 und 3 maßgeblichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt würden; für Kindererziehungszeiten nach § 28b FRG seien Entgeltpunkte nach § 22 Abs. 1 Satz 9 FRG zuzuordnen. Da den Berücksichtigungszeiten für die Gesamtleistungsbewertung nach § 14 FRG i.V.m. § 71 Abs. 3 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Entgeltpunkte zugrundezulegen seien, die sich ergeben würden, wenn es sich um Kindererziehungszeiten handelte, seien auch diese von der Absenkung um 40 v.H. erfasst. Die Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG auf Personen, die wie die Klägerin ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland erst ab dem 1. Januar 1991 genommen hätten, sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsgemäß.

Gegen diese ihrem Bevollmächtigten am 6. Dezember 2011 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 5. Januar 2012 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt, die sie nicht begründet hat.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 1. Dezember 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2010 zu verurteilen, ihr unter teilweiser Rücknahme der Bescheide vom 11. September und 21. Dezember 2007 ab dem 1. Oktober 2006 höhere Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und für die Zeit vom 1. April 2007 bis 31. März 2010 höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung jeweils unter Zuordnung der Zeit vom 1. Oktober 1970 bis 13. November 1972 zur Qualifikationsgruppe 4 sowie ohne Kürzung von Entgeltpunkten für die nach dem FRG zu berücksichtigenden Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Schreiben vom 6. März 2012 hat der Berichterstatter die Klägerin unter Fristsetzung und Belehrung über die Rechtsfolgen der §§ 153 Abs. 1 i.V.m. 106a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aufgefordert, die Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung sie sich beschwert fühle, und hierzu Unterlagen vorzulegen oder andere Beweismittel zu bezeichnen. Eine Reaktion hierauf ist nicht erfolgt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 i. V. m. § 153 Abs. 1 SGG). Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft; sie ist jedoch in der Sache nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Wegen der bereits bestandskräftigen Rentenfeststellungen in den Bescheiden vom 11. September und 21. Dezember 2007 ist Rechtsgrundlage für das Begehren auf Gewährung höherer Renten wegen teilweiser und voller Erwerbsminderung § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Maßgebend für die Höhe der Rentenansprüche der Klägerin ist § 43 SGB VI i.V.m. §§ 63 ff. SGB VI. Die Höhe einer Rente richtet sich vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 SGB VI). Nach Abs. 2 dieser Vorschrift wird das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen in Entgeltpunkte umgerechnet. Die Versicherung eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens in Höhe des Durchschnittsentgelts eines Kalenderjahres ergibt einen vollen Entgeltpunkt. Für beitragsfreie Zeiten werden Entgeltpunkte angerechnet, deren Höhe von der Höhe der in der übrigen Zeit versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen abhängig ist (Abs. 3).

Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, beurteilt sich die Bestimmung und Bewertung der rentenrechtlichen Zeiten im Falle der Klägerin uneingeschränkt nach den Vorschriften des FRG (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 3 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes; auf die diesbezüglichen Ausführungen des SG wird Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG werden für die hier streitigen Beitragszeiten wegen Beschäftigung im Herkunftsgebiet nach § 15 FRG Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz, Satz 2 und 9 SGB VI ermittelt. Diese Ermittlung der Entgeltpunkte erfolgt anhand von Durchschnittsverdiensten in einem ersten Schritt nach Einstufung der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 zum SGB VI genannten Qualifikationsgruppen und in einem zweiten Schritt nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anlage 14 zum SGB VI genannten Wirtschaftsbereiche. Hinsichtlich der Zuordnung zu den einzelnen Bereichen modifiziert § 22 Abs. 1 Satz 3 FRG die auf die Verhältnisse der ehemaligen DDR zugeschnittene Regelung des § 256b Abs. 1 Satz 4 SGB VI und ordnet an, dass sich die Bestimmung des maßgeblichen Bereichs danach richtet, welchem Bereich der Betrieb, in dem der Versicherte seine Beschäftigung ausgeübt hat, zuzuordnen wäre, wenn der Betrieb im Beitrittsgebiet gelegen hätte. Eine ähnliche Bestimmung hinsichtlich der Einstufung in die in der Anlage 13 zum SGB VI definierten Qualifikationsgruppen enthält § 22 Abs. 1 FRG nicht. Die Merkmale der fünf Qualifikationsgruppen der Anlage 13 zum SGB VI spiegeln indes die Berufswelt der ehemaligen DDR wider und orientieren sich an den Richtlinien der früheren staatlichen Zentralverwaltung für Statistik für die Einstufung einer Beschäftigung in die dortigen fünf Qualifikationsgruppen (BSG SozR 4-5050 § 22 Nr. 3 m. w. N.). Auch wenn § 22 Abs. 1 FRG von einer unmittelbaren Anwendung des § 256b Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI und damit auch der Qualifikationsgruppenmerkmale der Anlage 13 zum SGB VI spricht, kann mit Blick auf Sachverhalte in Vertreibungsgebieten letztlich nur eine analoge Anwendung erfolgen. Die Bestimmung der maßgeblichen Qualifikationsgruppe der Anlage 13 zum SGB VI erfolgt deshalb ausgehend von der im Herkunftsgebiet erworbenen beruflichen Ausbildung und Qualifikation unter Beachtung des dort geltenden beruflichen, schulischen und universitären Bildungssystems. Sodann ist zu fragen, welcher Qualifikationsgruppe - übertragen auf die Verhältnisse in der ehemaligen DDR - nach den Kriterien der Lohngruppenstatistik der ehemaligen DDR diese berufliche Ausbildung und Qualifikation materiell entspricht. Dabei kann es dienlich sein, diese Merkmale in dem Sinne zu lesen, dass anstelle der ehemaligen DDR das jeweilige Herkunftsland eingesetzt wird (BSG a.a.O.).

§ 256b SGB VI inkorporiert den Tatbestand der Anlage 13 zum SGB VI. Danach sind Versicherte in eine der nachstehenden Qualifikationsgruppen einzustufen, wenn sie deren Qualifikationsmerkmale erfüllen und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben. Es genügt somit nicht, dass die Ausbildung des Versicherten den Qualifikationsmerkmalen der jeweiligen Qualifikationsgruppe entspricht. Vielmehr tritt als gleichwertige Voraussetzung neben diese formellen Merkmale, dass der Versicherte auch eine diesen Qualifikationsmerkmalen entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt hat. Die Tätigkeit muss somit der erworbenen Qualifikation entsprechen. Dabei reicht eine Übereinstimmung im Wesentlichen aus. Von einer der Qualifikation entsprechenden Tätigkeit ist auszugehen, wenn eine Qualifikation für die Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit zwingend vorgeschrieben ist oder wenn die Tätigkeit üblicherweise oder kraft gesetzlicher Regelung mit einer derartigen Qualifikation ausgeübt wird. Der Umkehrschluss daraus, dass nur dann eine entsprechende Tätigkeit vorliege, ist hingegen nicht zulässig (BSG a.a.O.). Zunächst ist daher zu prüfen, welches Qualifikationsmerkmal der Versicherte im Herkunftsland erworben hat (also Hochschule, mittlere Berufsbildung, Facharbeiter) und ob dies auch den Verhältnissen in der ehemaligen DDR entsprach. Da auf DDR-Verhältnisse abzustellen ist, genügt es insoweit, wenn eine Gleichwertigkeit oder Vergleichbarkeit nach Vorschriften des DDR-Rechts anerkannt war. Des Weiteren ist zu prüfen, ob die tatsächliche Tätigkeit dem Qualifikationsmerkmal entsprach. Dabei ist auf die Verhältnisse des Herkunftslandes abzustellen (BSG a.a.O.; BSG SozR 4-2600 § 256b Nr. 2; BSG, Urteil vom 23. September 2003 a.a.O.; Müller DAngVers 1995, 354, 365). Entscheidend ist mithin, ob im Herkunftsland die Tätigkeit üblicherweise mit der innegehaltenen Qualifikation ausgeübt wurde.

Nach Abs. 1 der Qualifikationsgruppe 4 (Facharbeiter) werden Personen erfasst, die über die Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach abgeschlossener Ausbildung in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden haben und im Besitz eines Facharbeiterzeugnisses (Facharbeiterbrief) sind oder denen aufgrund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitrittsgebiet die Facharbeiterqualifikation zuerkannt worden ist.

Aufgrund der vorliegenden Unterlagen und der eigenen Angaben der Klägerin ist der Senat davon überzeugt, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind. Dem vorgelegten Zeugnis Nr. 085000 kann zwar der "Titel" bzw. die Bezeichnung der erworbene Qualifikation entnommen werden ("Krankenschwester für Kinderkrippen"), nicht aber deren Wertigkeit. Eine ausdrückliche Bezeichnung als oder Gleichstellung mit einem qualifizierten Arbeiter oder Facharbeiter ist nicht erfolgt. Solche Eintragungen finden sich auch nicht im vorgelegten Arbeitsbuch. Soweit darin unter der Rubrik Bildung "mittlere" angegeben ist, bezieht sich dies offenbar auf die von der Klägerin besuchte und abgeschlossene - zehnjährige - Mittelschule. Dafür spricht die Abgrenzung der mittleren von den weiteren Kategorien "elementar" und "akademisch". Auch das Zeugnis Nr. 085000 weist den Abschluss des beruflichen Lehrgangs "mit vollständig abgeschlossener Mittelschule" aus. Dass es sich dabei um eine allgemein bildende Schule und damit nicht um eine Berufs- oder Berufsfachschule gehandelt hat, hat die Klägerin im Verwaltungsverfahren selbst angegeben. Allein die Bezeichnung der erworbenen Qualifikation als Krankenschwester für Kinderkrippen lässt nicht erkennen, dass es sich dabei um eine Facharbeiterqualifikation handelt. Denn nach Abs. 2 der Qualifikationsgruppe 4 zählen zu den erfassten Personen nicht solche, die im Rahmen der Berufsausbildung oder der Erwachsenenqualifizierung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes entsprechend der Systematik der Ausbildungsberufe im Beitrittsgebiet ausgebildet worden sind. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden - und dem folgend das SG - zutreffend dargelegt, dass von einer umfassenden (Facharbeiter-) Ausbildung regelmäßig nur dann ausgegangen werden kann, wenn ein Ausbildungsgang von mehr als einem Jahr absolviert wurde. Ausbildungsgänge bis zu einem Jahr vermittelten nur eine eng begrenzte Berufsausbildung und führten nach dem sowjetischen Tarifsystem üblicherweise maximal zur Lohnstufe 2. Sie kennzeichneten das untere Niveau der niederen Berufsbildung. Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an. Die Klägerin hat hiergegen nichts und insbesondere nichts Substantiiertes vorgetragen, das geeignet wäre, diese Feststellungen über das System der beruflichen Bildung in der ehemaligen UdSSR infrage zu stellen. Ihr Vorbringen beschränkt sich auf die Wertung, die Qualifikation einer Krankenschwester für Kinderkrippen stelle nicht einen Teilbereich eines Facharbeiterberufs, sondern sogar eine - dem Facharzt vergleichbare - Spezialisierung dar. Belege oder Quellen hierfür wurden nicht benannt. Der Senat vermag diesem Vortrag jedoch ohnehin nicht zu folgen. Dagegen sprechen schon die tatsächlichen Umstände. Die Klägerin hat nach einer allgemein-, nicht aber berufsbildenden Schule einen lediglich elfmonatigen Lehrgang absolviert. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wie ohne vorherige Berufsbildung eine auf einer Grundausbildung aufbauende Spezialisierung erworben werden könnte. Angaben oder Unterlagen über die zugeordnete Lohngruppe, die gegebenenfalls auf eine höherwertige Qualifikation hindeuten könnte, fehlen gänzlich.

Lediglich ergänzend wird daher darauf hingewiesen, dass die hier zugrunde gelegten Feststellungen zum System der beruflichen Bildung in der ehemaligen UdSSR in der Literatur nicht in Frage gestellt, sondern vielmehr bestätigt werden (vgl. zum Ganzen Müller DAngVers 1995, 354, 360 ff). Danach verfügten "Qualifizierte Arbeiter" über eine umfassende berufliche Ausbildung für komplizierte bzw. komplexe Berufe und wurden im Rahmen des Tarifsystems regelmäßig in die Lohnstufen drei und vier eingruppiert. "Wenig qualifizierte Arbeiter" verfügten über Kenntnisse für eng begrenzte, einfache Tätigkeiten und wurden im Rahmen des Tarifsystems regelmäßig in die Lohnstufen eins und zwei eingruppiert. Die betriebliche Ausbildung wurde meist in Form von Lehrgängen mit einer Dauer von einem bis sechs Monaten durchgeführt und schlossen mit einer Prüfung ab, bei der nicht nur die Berufsqualifikation, sondern auch die Tarifeinstufung bestätigt wurde. Unterschieden wurde zwischen betrieblicher Erstausbildung und Weiterbildung. Mit der Erstausbildung konnte nur das unterste Niveau der "wenig qualifizierten Arbeiter" erreicht werden; erst mit den Weiterbildungsmaßnahmen war der Erwerb höherer Berufsqualifikationen möglich. Schulische Ausbildungseinrichtungen waren verschiedene Formen der Berufsschule, deren Länge auch abhing von der zuvor absolvierten Ausbildung auf einer allgemeinbildenden Schule. Die Ausbildung - unter Einschluss der "wenig qualifizierten Arbeiter" dauerte ein bis drei Jahre. Für Absolventen der "vollständigen" Mittelschule (Zehn-Klassen- Schule), die kein Studium aufnahmen, gab es eine weitere Form der Berufsschule (Technische Fachschule bzw. Technische Lehranstalt), in der in einem bis zwei Jahren eine Berufsbildung vermittelt wurde. Da für die Klägerin der erfolgreiche Abschluss der zehnjährigen Mittelschule belegt ist, war ihr auch diese Möglichkeit der Berufsbildung eröffnet. Insgesamt konnte demnach jedoch eine den Kriterien der Qualifikationsgruppe 4 entsprechende Facharbeitertätigkeit nicht mit einer Berufsschulausbildung unter einem Jahr oder einem betrieblichen Lehrgang der Erstausbildung erreicht werden. Nach dem vorliegenden Zeugnis Nr. 085000 hat die Klägerin den "Lehrgang" bzw. "Kurs" zur Vorbereitung der Krankenschwester für Kinderkrippen "beim Irtyscher Krankenhaus" absolviert. Dem lässt sich dessen Art (betrieblich oder gegebenenfalls angegliederte Berufsschule) nicht entnehmen. Jedenfalls erreicht die Dauer von elf Monaten (1. Oktober 1969 bis 1. September 1970) nicht die Untergrenze von einem Jahr. Ebenso wenig ist bestätigt, dass es sich um eine betriebliche Weiterbildung gehandelt habe; hierfür fehlte es ohnehin an der vorab nötigen betrieblichen Erstausbildung.

Die Klägerin erfüllt auch nicht die zweite Art des Qualifikationsnachweises der Gruppe 4. Danach sind der Qualifikationsgruppe 4 auch Personen zugeordnet, denen aufgrund langjähriger Berufserfahrungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitrittsgebiet die Facharbeiterqualifikation zuerkannt worden ist. Hier muss notwendig ein formaler Akt der Zuerkennung der Facharbeiterqualifikation trotz fehlender Ausbildung vorliegen. Einen solchen formalen Zuerkennungsakt hat auch die Klägerin nicht behauptet. Das Zeugnis Nr. 085000 kann nicht als solcher angesehen werden. Zum einen erfolgte dort die "Zuerkennung der Qualifikation" nicht aufgrund langjähriger Berufserfahrungen, sondern allein aufgrund der Durchführung des elf-monatigen Vorbereitungskurses. Des Weiteren kann aus oben genannten Gründen gerade nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der "zuerkannten" Qualifikation um eine Facharbeiterqualifikation handelt.

Schließlich erfüllt die Klägerin auch nicht die Voraussetzungen für eine Einstufung in die Qualifikationsgruppe 4 nach Satz 2 der Anl. 13 zum SGB VI. Danach sind Versicherte, die aufgrund langjähriger Berufserfahrung Fähigkeiten erworben haben, die üblicherweise denen von Versicherten einer höheren Qualifikationsgruppe entsprechen, in dieser Qualifikationsgruppe eingestuft. Die Regelung stellt auf die Fähigkeiten ab, die für die jeweilige höhere Gruppe erforderlich sind. Sie müssen durch "langjährige Berufserfahrung" in dem höherwertigen Beruf "erworben" worden sein, setzen also eine Ausübung des höherwertigen Berufs während eines Zeitraums voraus, der ausreicht, um die mangels formeller Ausbildung erforderlichen theoretischen und praktischen Befähigungen für eine vollwertige Berufsausübung zu vermitteln. Hierfür kommt es auf den jeweiligen ausgeübten Beruf an. Entscheidend ist mithin, wann die Klägerin den Beruf der höheren Qualifikationsgruppe theoretisch und praktisch vollwertig ausgeübt hat. Dies kann nicht vor dem Zeitpunkt liegen, zu dem sie so lange mit Arbeiten einer Facharbeiterin betraut war, wie es der Regelausbildung für einen "qualifizierten Arbeiter" im jeweiligen Zeitraum entsprach (vgl. BSG SozR 2600 § 256b Nr. 1). Nach den Angaben im vorgelegten Arbeitsbuch kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der vom 1. Oktober 1970 bis 12. April 1972 ausgeübten Tätigkeit um eine solche handelte, die eine höhere Qualifikation voraussetzte, als die Klägerin nach Abschluss des elfmonatigen Lehrgangs erworben hatte. Dagegen spricht schon die Bezeichnung im Arbeitsbuch als Fürsorgeschwester in der Kinderberatungsstelle des Krankenhauses von Asowo bzw. Krankenschwester der Kinderabteilung im genannten Krankenhaus. Substantiierte Angaben zum Inhalt der genauen Tätigkeit, aus denen sich eine höherwertige Tätigkeit ergäbe, liegen nicht vor. Mit einer Dauer von lediglich einem Jahr und sechseinhalb Monaten erfüllt diese Tätigkeit schon nach dem Wortlaut nicht das Tatbestandsmerkmal einer "langjährigen" Berufserfahrung. Ohnehin wäre der Mindestzeitraum für die Annahme einer vollwertigen Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit (vgl. BSG a.a.O.) noch nicht erfüllt. Wie oben dargestellt, bedurfte es auch nach dem Abschluss einer vollständigen Mittelschule zum Erwerb einer beruflichen Qualifikation auf Facharbeiterniveau noch eines ein- bis zweijährigen Besuchs einer Technischen Fachschule. Ob die sich anschließende Tätigkeit vom 29. April 1972 bis 28. Februar 1974 im Irtyscher Krankenhaus tatsächlich eine höherwertigere darstellt, muss vorliegend nicht geklärt werden, da die Klägerin ihr Begehren bereits im Klageverfahren ausdrücklich auf die Bewertung der Zeit vom 1. Oktober 1970 bis 13. November 1972 (Beginn des Mutterschutzes) beschränkt hatte. Eine langjährige Berufserfahrung kann in der Zeit vom 29. April bis 13. November 1972 nicht vorliegen.

Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass und weshalb die von der Beklagten bei der Rentenberechnung vorgenommene Absenkung der Entgeltpunkte für die nach dem FRG anerkannten Beitragszeiten der Klägerin um 40 v.H. nach § 22 Abs. 4 FRG gesetzeskonform und verfassungsgemäß und auch - soweit von der Beklagten vorgenommenen - bei der Berechnung der Kinder-erziehungs- und Berücksichtigungszeiten zu berücksichtigen ist. Dem schließt sich der Senat vollumfänglich an und weist insoweit die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück, weshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen wird (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Berufung war daher insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved