L 12 AS 760/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 3287/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 760/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1969 geborene Kläger bezog zuletzt aufgrund Bewilligung vom 20. August 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis einschließlich 30. September 2008 vom Beklagten. Am 6. November 2008 beantragte er die Fortzahlung der Leistungen. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2008 wurde er unter Hinweis auf die Rechtsfolgen bei Nichtvorlage aufgefordert, weitere zur Prüfung des Antrags erforderliche Unterlagen (Zusatzblatt zum Antrag auf Fortzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß Anlage, Seite 1-3 vollständig ausgefüllt, versehen mit Nachweisen zu den gemachten Angaben - soweit vorhanden; Nachweise zu den gemachten Angaben, insbesondere Einkommensnachweise, Vermögensnachweise, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bzw. Folgebescheinigungen; Nachweise über etwaige gesundheitliche Einschränkungen; Nachweise von Eigenbemühungen um Arbeit in den letzten drei Monaten; Kontoauszüge sämtlicher Girokonten des letzten Vierteljahres oder Kontenumsatzliste; Finanzstatusbericht/Kontenübersichten der Sparkasse/Raiffeisenbank/sonstiger Banken) bis 16. Dezember 2008 vorzulegen.

Der Kläger legte diese Unterlagen nicht vor. Mit Bescheid vom 4. Februar 2009 teilte der Beklagte dem Kläger mit, seinem Antrag vom 14. September 2004 auf Leistungen nach dem SGB II könne nicht entsprochen werden. Rechtsgrundlage für die Versagung der beantragten Leistungen sei § 66 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Nachdem anhand der bisherigen Angaben und Unterlagen die Voraussetzungen eines Anspruchs nicht ausreichend nachgewiesen oder glaubhaft gemacht worden seien bzw. ein möglicher Anspruch nicht bezifferbar sei, würden die mit seinem Antrag vom 14. September 2004 begehrten Leistungen wegen fehlender bzw. unzureichender Mitwirkung versagt. Nach Abwägung aller Umstände im Rahmen des eingeräumten Ermessens halte man eine Versagung für sachgerecht. Außerdem enthielt der Bescheid grau unterlegt den Hinweis: " Da die Versagung von Leistungen nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Regelung 1 SGB I nur wegen fehlender Mitwirkung Ihrerseits, nicht aber wegen Fehlens materieller Leistungsvoraussetzungen ausgesprochen wird, wird dieser Verwaltungsakt rechtswidrig, sobald die Mitwirkungspflicht nachgeholt wird oder aus sonstigen Gründen entfällt. Dann ist der Versagungsbescheid gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB X aufzuheben. Wegen der vernichtenden Wirkung der Versagung hat dies jedoch nicht zur Folge, dass die Ansprüche, die während der Geltungszeit der Versagungsentscheidung erloschen waren, rückwirkend wieder aufleben. Vielmehr entsteht, sobald Sie Ihre Mitwirkung nachgeholt haben, gemäß § 67 SGB I i.V.m. § 39 Abs. 1 SGB I ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die nachträgliche Erbringung der versagten Sozialleistungen."

Den bereits am 26. Januar 2009 beim Sozialgericht Würzburg gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtschutz lehnte das Sozialgericht Würzburg ab (S 10 AS 54/09 ER). Die Beschwerde dagegen wies das Bayerische Landessozialgericht zurück (L 11 AS 140/09 B ER). Die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundessozialgericht (BSG) als unzulässig verworfen (B 14 AS 125/09 S).

Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 4. Februar 2009 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2010 zurück. Gegenstand des Widerspruchsverfahrens sei der Bescheid vom 4. Februar 2009, der über den Antrag vom 6. November 2008 entschieden habe. Für den zur Rede stehenden Zeitraum habe dem Kläger auch zur Überzeugung der Widerspruchsstelle kein Arbeitslosengeld II zugestanden. Rechtsgrundlage für die Ablehnung seien §§ 65, 66 SGB I (Versagung von Leistungen wegen fehlender Mitwirkung). Der Kläger habe die ihm gesetzte Frist zur Vorlage der angeforderten Unterlagen verstreichen lassen. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2008 sei er ausführlich über die Rechtsfolgen einer nicht rechtzeitigen Vorlage der angeforderten Unterlagen belehrt worden. Durch die Nichtvorlage der angeforderten Unterlagen sei es nicht möglich gewesen, einen möglichen Leistungsanspruch zu errechnen. Sowohl die Anforderung selbst als auch die gesetzte Frist seien nicht unangemessen. Im Rahmen des zustehenden Ermessens sei das Gebot der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung der Haushaltsmittel zu beachten. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass gem. §§ 67 SGB I i. V. m. 39 Abs. 1 SGB I grundsätzlich ab dem Zeitpunkt der Nachholung der Mitwirkungspflicht ein Anspruch auf fehlerfreie Entscheidung über die nachträgliche Erbringung der versagten Leistung bestehe, wenn die Leistungsvoraussetzungen vorlägen. Eine solche Entscheidung nach § 67 SGB I sei hier jedoch gerade nicht möglich, da der Kläger die geforderten Unterlagen entgegen seinem Vorbringen auch nicht nachträglich nachgereicht habe.

Am 26. April 2010 hat der Kläger zum Sozialgericht Würzburg Klage erhoben, die durch Beschluss vom 14. Mai 2010 an das Sozialgericht Stuttgart (SG) verwiesen wurde. Mit Gerichtsbescheid vom 14. Januar 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe zu Recht die Weitergewährung der Leistungen nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I versagt. Der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Er habe keine der vom Beklagten geforderten Nachweise und Unterlagen vorgelegt, insbesondere auch nicht die Kontoauszüge der letzten drei Monate und die Kontenübersicht. Zu deren Vorlage seien Leistungserbringer (gemeint: Leistungsbezieher) nach dem SGB II jedoch auch bei vorangegangenem Leistungsbezug und auch ohne konkreten Verdacht des Leistungsmissbrauchs verpflichtet. Vom Kläger seien erst mit Einreichung des Widerspruchs bruchstückhaft Kontoauszüge vorgelegt worden. Diese seien nicht geeignet, dem Beklagten eine Überprüfung des Vorliegens der Hilfebedürftigkeit des Klägers zu ermöglichen, welche Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II sei, und stellten keine Erfüllung der Mitwirkungspflichten durch den Kläger dar. Da dem Kläger im Aufforderungsschreiben vom 5. Dezember 2008 auch eine Frist für die Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten gesetzt und er auf die Folgen einer fehlenden Mitwirkung hingewiesen worden sei, seien auch die diesbezüglichen Anforderungen des § 66 Abs. 3 SGB I für eine Versagung erfüllt, und der Beklagte habe auch im angefochtenen Bescheid das ihm durch § 66 Abs. 1 SGB I eingeräumte Ermessen ausgeübt.

Hiergegen richtet sich die am 23. Februar 2011 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung trägt er vor, er habe am 27. August 2008 die letzte Gutschrift von Leistungen des Beklagten erhalten. Er habe dem Beklagten alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt. Nach Vorlage genau dieser Unterlagen beim J. in S. habe er umgehend ab 29. April 2009 Leistungen erhalten.

Der Kläger legte zunächst eine Bestätigung des R.-B.-K. S. über die teilstationäre psychotherapeutische Behandlung vom 11. November 2008 bis 13. Februar 2009 und teilweise Kontoauszüge zum Girokonto Nr. vor. Auf Aufforderung des Gerichts legte der Kläger am 30. Mai 2011 weitere Kontoauszüge vor. Er teilt dazu mit, die letzte Bargeldverfügung sei am 25. September 2008 erfolgt, die folgenden Kontenbewegungen würden sich lediglich auf Lastschriften und Rückbuchungen mangels Deckung beziehen. Es handle sich um sein einziges Konto, was dem Beklagten auch bekannt sei. Aufgrund der ausbleibenden Zahlungen sei die von ihm gemietete Wohnung in Zell am Main im April 2009 zwangsgeräumt worden.

Auf die gerichtliche Nachfrage, ob der Beklagte nunmehr bereit sei, über den Leistungsantrag des Klägers zu entscheiden, teilte dieser zunächst mit, der Versagungsbescheid sei rechtmäßig ergangen. Der Kläger sei seiner Mitwirkungspflicht (damals) nicht nachgekommen. Eine eventuell später nachgeholte Mitwirkungshandlung sei für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheides unerheblich. Auf die Entscheidung des BSG vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 78/08 R - werde Bezug genommen. Vorliegend sei weiterhin fraglich, ob bei der jetzigen Vorlage der Kontoauszüge überhaupt von einer Nachholung gesprochen werden könne. Bei einer Vorlage von Unterlagen nach mehr als 2 Jahren könne nicht mehr von einer "Nachholung" im Sinne des Gesetzes gesprochen werden. Zum einen sei ein möglicher, mit dem Tag des Eingangs des Fortzahlungsantrags am 6. November 2008 beginnender Bewilligungszeitraum von 6 Monaten längst abgelaufen. Zum anderen habe der Kläger sein Recht auf Nachholung wohl verwirkt.

In der nichtöffentlichen Sitzung vom 21. Dezember 2011 erklärte die Vertreterin des Beklagten, dass sie aufgrund der Vorlage der Kontoauszüge am 30. Mai 2011 davon ausgehe, dass der Kläger seiner Mitwirkungsobliegenheit nunmehr nachgekommen sei und nun eine Entscheidung nach § 67 SGB I zu treffen sein werde. Eine solche liegt bislang nicht vor.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Januar 2011 sowie den Bescheid vom 4. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Akten des Sozialgerichts W. im Verfahren S 10 AS 54/09 E und des Bayerischen Landessozialgerichts in den Verfahren L 11 AS 454/09 NZB und L 11 AS 140/09 B ER sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid vom 4. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat der Beklagte die beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II versagt.

Inhalt des Bescheids vom 4. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2010 ist nach Auslegung unter Berücksichtigung des gesamten Bescheidinhalts die Versagung der mit Fortzahlungsantrag vom 6. November 2008 beantragten Weitergewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bis zur Nachholung der mit Schreiben vom 5. Dezember 2008 unter Fristsetzung und Rechtsfolgenhinweis geforderten Mitwirkung des Klägers. Zwar ergibt sich dieser Regelungsgehalt nicht allein aus dem Tenor des angegriffenen Bescheides, aber nach Auffassung des Senats unter Zugrundelegung eines objektiven Empfängerhorizonts eindeutig aus der Gesamtschau des Bescheidinhalts unter Einschluss der Begründung, auch wenn teilweise im Ausgangsbescheid ein falsches Antragsdatum genannt wird. In diesem Sinne konnte auch der Kläger den Bescheid verstehen, wie sich aus seinem Vorbringen im Rechtsstreit ergibt.

Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage zulässig. Die Rechtmäßigkeit eines Versagungsbescheides richtet sich danach, ob die in § 66 Abs. 1 SGB I normierten Voraussetzungen gegeben sind und zwar unabhängig davon, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Leistung vorliegen. In einem solchen Fall kommt in der Hauptsache allein eine isolierte Anfechtungsklage in Betracht, eine Leistungsklage wäre unzulässig (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 78/08 R - SozR 4-1200 § 66 Nr. 5 m.w.N.).

Rechtsgrundlage für die Leistungsversagung ist § 66 Abs. 1 SGB I.

Die Regelungen der §§ 60 ff SGB I sind vorliegend anwendbar. Das SGB II ist für eine ergänzende Anwendung der §§ 60 ff SGB I grundsätzlich offen (BSG, Urteil vom 19. September 2008 - B 14 AS 45/07 R - - SozR 4-1200 § 66 Nr. 2 m.w.N.). Dies wird auch anhand der Bußgeldvorschrift des § 63 Abs. 1 Nr. 6 SGB II, die Verstöße gegen § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I - Pflicht zur Mitteilung von wesentlichen Änderungen der Verhältnisse - als Ordnungswidrigkeit sanktioniert, ersichtlich. Dies gilt, solange keine spezielle Regelung des SGB II dies ausschließt. Das Verhältnis der allgemeinen Mitwirkungsvorschriften des SGB I zu den besonderen Mitwirkungsvorschriften in den übrigen Büchern des SGB bestimmt sich grundsätzlich nach § 37 Satz 1 SGB I. Danach gelten die Vorschriften des SGB I (ergänzend), soweit sich aus den übrigen Büchern des SGB nichts Abweichendes ergibt. Das SGB I normiert mithin in §§ 60 bis 67 SGB I die allgemeinen Mitwirkungsobliegenheiten hinsichtlich ihrer Tatbestände, Grenzen und Rechtsfolgen. § 37 SGB I begründet eine Vermutung dahingehend, dass die Regelungen des SGB I für alle Sozialleistungsbereiche des SGB gelten sollen (BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 a.a.O. m.w.N.). Die in den §§ 60 ff SGB I niedergelegten Mitwirkungsobliegenheiten bleiben mithin ergänzend anwendbar, solange und soweit das Normprogramm der besonderen Mitwirkungsobliegenheiten des SGB II dies nicht ausschließt, also den Lebenssachverhalt nicht ausdrücklich oder stillschweigend abweichend und/oder abschließend regelt. Eine solche die Anwendbarkeit der §§ 60 ff SGB I ausschließende abweichende oder abschließende Regelung enthält das SGB II bezüglich der Pflicht zur Mitteilung von Tatsachen, die für die Leistung erheblich sind und zur Vorlage von Unterlagen wie Kontoauszügen nicht.

Die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 SGB I sind erfüllt. Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann der Leistungsträger, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird, ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Vorliegend hat der Kläger seine Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I verletzt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts verhindert. Insbesondere konnte die Hilfebedürftigkeit des Klägers als Voraussetzungen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht nachgewiesen werden ohne die vollständige Vorlage der aktuellen Kontoauszüge. Dies hat der Kläger nicht innerhalb der ihm vom Beklagten mit Schreiben vom 5. Dezember 2008 gesetzten Frist getan. Hierzu war der Kläger aber verpflichtet. Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat nach § 60 Abs. 1 SGB I alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen, und Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Wie das BSG bereits im Einzelnen geklärt hat, sind Leistungsempfänger nach dem SGB II gemäß § 60 Abs. 1 SGB II verpflichtet, ihre Kontoauszüge der letzten drei Monate beim Leistungsträger vorzulegen (BSG, Urteil vom 19. September 208 - B 14 AS 45/07 R - BSGE 101,260-268 - die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009 - 1 BvR 3065/08; BSG, Beschluss vom 15. Juli 2010 - B 14 AS 45/10 B - Juris).

Eine Versagung nach § 66 Abs. 1 SGB I darf nach Absatz 3 der Regelung nur erfolgen, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Auch diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2008 wurde der Kläger unter konkreter Benennung zur Mitteilung bestimmter Tatsachen und Vorlage bestimmter Unterlagen aufgefordert, hierfür wurde eine Frist bis 16. Dezember 2008 gesetzt und der Kläger auf die Folgen bei Nichterfüllung dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist hingewiesen. Dennoch ist er der Aufforderung nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen.

Der Beklagte hat das ihm zustehende Ermessen erkannt und ausgeübt. Ermessensfehler sind nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.

Damit ist die Versagung der Leistungen rechtmäßig erfolgt.

Offen bleiben kann vorliegend, ob der Kläger mit der im Berufungsverfahren erfolgten Vorlage weiterer Kontoauszüge die erforderliche Mitwirkung vollständig nachgeholt hat. Denn die Nachholung der Mitwirkung hat vorliegend keinen Einfluss auf die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der angegriffenen Versagungsentscheidung. Der angegriffene Bescheid versagt Leistungen, er entzieht sie nicht. Während bei einer Leistungsentziehung bereits bewilligte Leistungen ganz oder teilweise vernichtet werden, wird mit einer Leistungsversagung lediglich die Entscheidung über die Bewilligung beantragter Leistungen abgelehnt. Vorliegend waren Leistungen lediglich für die Zeit bis 30. September 2008 bewilligt, nicht aber über diesen Zeitpunkt hinaus. Der Kläger hatte lediglich mit Schreiben vom 6. November 2008 die Fortzahlung beantragt. Der angegriffene Bescheid der Beklagten führt auch deutlich aus, dass Leistungen lediglich versagt, nicht entzogen werden. Eine nachträgliche Mitwirkung führt aber nur im Falle einer Leistungsentziehung zur Rechtswidrigkeit des Entziehungsbescheides, nicht aber im Falle einer Versagung zur Rechtswidrigkeit des Versagungsbescheides (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. Dezember 2010 - L 5 AS 374/10 B ER - Juris).

Bei der Entziehung gehen die (bereits zuerkannten) Leistungsansprüche vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Entziehungsentscheidung, d.h. zukunftsgerichtet für die Dauer der Entziehungsentscheidung, unter (BSG, Urteil vom 22. Februar 1995 - 4 RA 44/04 - BSGE 76,16). Daher wird dieser Verwaltungsakt rechtswidrig, sobald die Mitwirkungspflicht nachgeholt wird oder aus sonstigen Gründen entfällt. Der Entziehungsbescheid ist nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB X aufzuheben. Für die Zukunft hat dies zur Folge, dass die Leistungsbewilligung wieder auflebt. Für die Vergangenheit, d.h. für die Zeit der Geltung der Entziehungsentscheidung, tritt diese Folge nicht ein. Die Ansprüche für diese Zeit bleiben erloschen. Der Betroffene hat lediglich aus § 67 SGB I i.v.m. § 39 Abs. 1 SGB I ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die nachträgliche Erbringung der entzogenen Sozialleistung (BSG, Urteil vom 22. Februar 1995 a.a.O.). Bei einem Versagungsbescheid, mit dem beantragte Leistungen zu einem bestimmten Zeitpunkt schlicht abgelehnt werden, - wie vorliegend - hat die Nachholung der Mitwirkung diese Bedeutung nicht. Die Rechtmäßigkeit eines auf § 66 SGB I gestützten Versagungsbescheids ist allein danach zu beurteilen, ob die in dieser Vorschrift geregelten Voraussetzungen bei seinem Erlass erfüllt waren. Eine erst später nachgeholte Mitwirkungshandlung ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheids nach § 66 Abs. 1 SGB I unerheblich (BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 78/08 R). Eine nachgeholte Mitwirkung ist im Versagungsfall für eine zukünftige Leistungsbewilligung von Bedeutung, soweit damit die Anspruchsvoraussetzungen für die geltend gemachten Leistungen nachgewiesen worden sind. Hinsichtlich einer Leistungsgewährung für eine Zeit vor Erfüllen der Mitwirkungspflicht hat allein die Regelung des § 67 SGB I Bedeutung. Danach kann der Leistungsträger nachträglich die Leistung ganz oder teilweise erbringen, wenn die Mitwirkungshandlung nachgeholt wird und die Leistungsvoraussetzungen vorliegen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. Dezember 2010 a.a.O.).

Auch wenn die Vertreterin des Beklagten bereits im nichtöffentlichen Termin vom 21. Dezember 2011 erklärt hat, dass nach Vorlage der weiteren Kontoauszüge im Mai 2011 nun eine Entscheidung nach § 67 SGB I zu treffen sein werde, eine solche aber bislang nicht ergangen ist, führt dies zu keinem anderen Ergebnis des Berufungsverfahrens. Ein etwaiger Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 67 SGB I ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern ggf. gesondert gegenüber dem Beklagten geltend zu machen. Gegen die Versagung von Leistungen kann zulässigerweise nur mit der isolierten Anfechtungsklage vorgegangen werden kann, wie bereits oben ausgeführt.

Damit ist die Berufung insgesamt erfolglos.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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