L 9 R 2951/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 3290/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2951/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auch für die Zeit vom 21.08.2002 bis 30.11.2005 zusteht.

Die 1951 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie ist türkische Staatsangehörige und im August 1974 aus der Türkei zugezogen. Zuletzt war sie seit 1995 als Arbeiterin in einer Steppdeckenfabrik beschäftigt gewesen.

Wegen einer seit dem 13.03.2002 bestehenden Arbeitsunfähigkeit gewährte die Beklagte auf Antrag der Klägerin vom 21.08.2002 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Im Heilverfahren-Entlassungsbericht der B.-Klinik Bad K. vom 29.01.2003, wo sie vom 08.01.2003 bis 29.01.2003 stationär behandelt wurde, waren chronisch rezidivierende Lumbalgien und Dorsalgien bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, ein Cervikalsyndrom, eine Gonalgie beidseits bei ausgeprägter Varusfehlstellung und eine Adipositas permagna festgestellt worden. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch 6 Stunden und mehr mittelschwere Tätigkeiten ausüben, die überwiegend stehend, als auch überwiegend gehend und überwiegend sitzend im Wechsel erfolgen sollten. Bückbelastungen seien unter Berücksichtigung rückenschonender Kautelen noch zumutbar. Stoßbelastungen durch Springen, anhaltend vorgebeugte Körperpositionen, Arbeiten auf ungünstigem Untergrund (rutschigem und unebenem Gelände) sowie Ansteigen von Treppen und Leitern und Überkopfarbeiten sollten vermieden werden. Dementsprechend sei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Arbeiterin in einer Steppdeckenfabrik, die ständig stehend erfolge, nicht angepasst und somit nicht weiter zumutbar.

Den am 27.02.2003 gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.07.2003 ab. Grundlage für diese Entscheidung war (neben den Feststellungen der B.-Klinik Bad K. und einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 17.07.2003) das Gutachten des Dr. H. für die Agentur für Arbeit Freiburg vom 10.07.2003 (Diagnosen: belastungsabhängiges Lendenwirbelsäulensyndrom mit degenerativen Veränderungen und mittelgradigen Funktionseinschränkungen, Fehlstellung der Hals- und Lendenwirbelsäule mit deutlichen Verspannungen der Rückenstrecker, Fehlstellung der Kniegelenke [Varusfehlstellung] ohne Funktionseinschränkungen, Schulter-Armsyndrom beidseits mit nachweisbaren degenerativen Veränderungen bei passiver Funktionseinschränkung und Übergewicht. Dr. H. war in seinem Gutachten von einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit für überwiegend leichte, zeitweise mittelschwere Arbeit überwiegend gehend oder sitzend, teilweise auch stehend unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen ausgegangen.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren legte die Klägerin das Attest des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. N. vom 1.7.2003 vor, welcher ausführte, er halte die Patientin aus ganzheitlicher psychosomatischer Sicht (chronische Wirbelsäulenbeschwerden, Gonarthrose, depressive Tendenz mit Somatisierung) für in den Arbeitsprozess nicht mehr eingliederungsfähig und befürworte eine (BU)-Rente. Die Beklagte beauftragte den Orthopäden Dr. R. mit der Erstellung eines Gutachtens. In seinem Gutachten (vom 13.10.2003) stellte er einen Verschleiß der Wirbelsäule mit insgesamt mäßiger Funktionseinbuße sowie einen Verschleiß beider Kniegelenke fest. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten hielt er 6 Stunden und mehr für möglich und zumutbar.

Hierauf wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2003 zurück. Im anschließenden Klageverfahren S 6 R 101/04 vor dem Sozialgericht Freiburg hat die Beklagte unter dem 10.02.2005 das folgende - von der Klägerin angenommene - Vergleichsangebot unterbreitet:

1. Die LVA Baden-Württemberg gewährt der Klägerin eine stationäre Heilbehandlung für die Dauer von zunächst 4 Wochen in der Klinik am Südpark, 61231 Bad Nauheim. In dieser Einrichtung kann eine Therapie in türkischer Sprache erfolgen. 2. Die Klägerin nimmt das Angebot an und die Beteiligten betrachten das Verfahren übereinstimmend für erledigt.

Die Klägerin, die bis 31.03.2005 Arbeitslosengeld über die Agentur für Arbeit W. bezog und der für die Dauer der Maßnahme Unterhaltsgeld bewilligt war, befand sich daraufhin vom 28.09.2005 bis 09.11.2005 zu einem stationären Heilverfahren in der genannten Klinik. Im Heilverfahren-Entlassungsbericht vom 17.11.2005 wurde eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, eine Hypercholesterinämie, eine Adipositas und ein Verschleiß der Wirbelsäule angegeben. Für die Tätigkeit einer angelernten Arbeiterin bestünde ein unter 3-stündiges Leistungsvermögen. Eine Besserung sei unwahrscheinlich, weil die rezidivierende depressive Störung und die anhaltende somatoforme Schmerzstörung keine wesentliche Tendenz zur Besserung zeige. Die getroffenen Feststellungen gälten seit dem 10.11.2005. In ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 04.01.2006 wies die Ärztin für Psychiatrie MUDr. Hoffmann darauf hin, dass nur eine leichte depressive Episode beschrieben sei und sich die Klägerin im Heilverfahren durchaus introspektionsfähig und zu einer ambulanten muttersprachlichen Psychotherapie motiviert gezeigt habe. Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien daher mehr als 6 Stunden zumutbar und möglich.

Mit einem am 18.10.2006 bei der Beklagten eingegangen Antrag beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Ferner machte der Bevollmächtigte der Klägerin geltend, der Antrag auf Gewährung medizinischer Rehabilitation im Jahre 2003 sei in einen Rentenantrag umzudeuten. Unter Berücksichtigung vorgelegter Befundberichte des Orthopäden Dr. E., W., und eines weiteren Gutachtens von Dr. R. vom 28.02.2007 (Diagnosen: Depressive Störung, somatoformes Schmerzsyndrom, chronische Schmerzerkrankung und der Leistungsbeurteilung, dass auch leichte Tätigkeiten auf das allgemeine Arbeitsmarktes nur noch unter 3 Stunden ausgeführt werden könnten und dass diese Feststellung seit dem 09.11.2005 anzunehmen sei) bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 22.03.2007 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, beginnend mit dem 01.12.2005 längstens bis zu Vollendung des 65. Lebensjahres. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2008 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die rentenrelevante Leistungsminderung sei erst nach Ablauf der vom 28.09.2005 bis 09.11.2005 durchgeführten Reha-Maßnahme eingetreten und die Annahme des Vergleichsangebotes am 07.03.2005 sei als fiktiver Reha-Antrag anzusehen gewesen. Der Reha-Antrag vom 21.08.2002 sei auf Grund des festgestellten Leistungsvermögens nicht umzudeuten.

Hiergegen hat die Klägerin am 03.07.2008 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben.

Die Klägerin hat daran festgehalten, dass bereits der frühere Reha-Antrag umzudeuten sei, nachdem im ersten Reha-Entlassungsbericht ein Leistungsvermögen von unter 3 Stunden festgestellt worden sei.

Das SG hat Kopien des Klageverfahrens S 6 RJ 101/04 zum Verfahren beigezogen. Insbesondere die sachverständigen Zeugenaussagen des Orthopäden Bugger vom 15.03.2004 (der die Klägerin für in der Lage hielt, leichte Tätigkeiten über mindestens 6 Stunden in Wechselstellung auszuführen), des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. N. vom 15.03.2004 (unter Berücksichtigung des psychosomatischen Gesamtbildes könnten leichte Arbeiten mindestens 6 Stunden täglich ohne weitere Gefährdung der Restgesundheit nicht verrichtet werden), des Facharztes für Orthopädie Dr. D. (der mitteilte, seine Praxis am 1.04.2004 an Dr. E. abgegeben zu haben), der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M.-F. (welche angegeben hat, die Klägerin seit dem 9.06.2004 psychiatrisch-psychotherapeutisch zu behandeln, aber mitteilte, dass der Zeitraum noch zu kurz sei, um eine Beantwortung der gestellten Fragen zu ermöglichen) und des Orthopäden Dr. E., der mitgeteilt hat, dass die Klägerin nach der ihm vorliegenden Akte in der Lage sei, leichte Arbeiten mindestens 6 Stunden täglich ohne weitere Gefährdung der Restgesundheit zu verrichten. An dieser Einschätzung hielt er in seiner ergänzenden am 22.11.2004 eingegangenen sachverständigen Zeugenaussage fest. Er wies darauf hin, dass die psychiatrische Situation durch einen Fachkollegen getrennt zu beurteilen sei. Das SG hat im Verfahren S 6 RJ 101/04 daraufhin weiter Beweis erhoben durch das Einholen eines Gutachtens beim Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R ... Er stellte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung seit ca. 15 Jahren, vorwiegend Rücken- und Knieschmerzen, fest. Der begleitende ängstlich depressive Versagenszustand sei inhaltlich vollständig auf das körperliche Geschehen bezogen. Er ging davon aus, dass die Symptome mit zumutbarer Willensanstrengung und therapeutischer Unterstützung aus eigener Kraft überwunden werden könnten. Leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen ohne Zeitdruck und Zwangshaltung, ohne Heben und Tragen von Lasten ohne Nachschicht seien möglich und könnten mindestens 6 Stunden verrichtet werden. Er empfahl eine erneute stationäre und anschließend ambulante psychosomatische Reha-Behandlung, weil ihm die bisherigen Bemühungen in dieser Hinsicht nicht ausreichend erschienen.

Mit Urteil vom 11.05.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin, welche die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente rechtfertige, habe nicht vor dem November 2005 vorgelegen. Dies folge aus den Heilverfahren-Entlassungsberichten vom 29.01.2003 und vom 17.11.2005, dem Gutachten des Dr. R. vom 29.01.2005 sowie aus den Gutachten des Dr. R. vom 13.10.2003 und 28.01.2007. Es hat darauf hingewiesen, dass der Heilverfahren-Entlassungsbericht vom 29.01.2003 nur für die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit von einem Leistungsvermögen in einem Umfang von lediglich unter 3 Stunden ausgegangen sei. Mittelschwere körperliche Arbeiten hätten mit einer Arbeitshaltung überwiegend im Stehen, Gehen und im Sitzen bei Tages-, Nacht- und Spätschicht ausgeübt werden können. Einschränkungen hätten lediglich bezüglich des Bewegungs- und Haltungsapparates vorgelegen. Diese Befunde der Breisgau-Klinik seien durch den sachverständigen Zeugen Dr. E. im August 2004 bestätigt worden. Auch er stelle im Wesentlichen dieselben Rückenbeschwerden fest. Dass die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt noch leichte Arbeiten noch mindestens 6 Stunden täglich ohne weitere Gefährdung der Restgesundheit habe verrichten können, werde durch das Gutachten von Dr. R. vom 13.10.2009 (richtig: 13.10.2003) bestätigt. Anhaltspunkte für eine Erwerbsminderung fänden sich demnach erst im Heilverfahren-Entlassungsbericht vom 17.11.2005. Die Einschätzung im Heilverfahren-Entlassungsbericht werde durch das Gutachten durch Dr. R. vom 28.02.2007 im Wesentlichen bestätigt.

Gegen das ihr am 18.06.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.06.2010 Berufung eingelegt.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Gutachten von Dr. R. sei entgegen der Auffassung des SG nicht überzeugend. Es werde bagatellisiert, dass eine somatoforme Schmerzstörung mit psychosomatischen Symptomen vorliege. Es sei abwegig, und zwar vollkommen abwegig, wenn man bei einer solchen Diagnose die Auffassung vertrete, dass diese Symptome bei zumutbarer Willensanstrengung mit therapeutischer Unterstützung aus eigener Kraft überwunden werden könnten. Sie sei jahrelang in Behandlung gewesen, wenn nicht sogar 10 Jahre lang mindestens, und es habe ihr nicht geholfen werden können. Psychosomatische Erkrankungen seien in dem Schweregrad, wie er sich bei ihr dargestellt habe, keine Bagatelle und sei unter Umständen therapieresistent, wie es sich bei ihr darstelle. Ein entsprechend neutraler Arzt würde hier sicherlich zu einer anderen Auffassung kommen. Zur Frage der Aussagekraft von Rehabilitationsberichten werde zum hundertsten Mal wiederholt, dass diese nicht neutral seien und in den letzten 10 Jahren im wesentlichen Umfang als geschönt anzusehen seien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung auch für die Zeit vom 21. August 2002 bis 30. November 2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf den Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und auf die für zutreffend erachteten Ausführungen im angefochtenen Urteil.

Der Senat hat die Beteiligten mit Verfügung vom 30.09.2011 darauf hingewiesen, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt sind und das Landessozialgericht nach § 154 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückweisen könne, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung für den geltend gemachten Zeitraum (21.08.2002 bis 30.11.2005) hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 30.09.2011 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen voller und teilweise Erwerbsminderung - § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil die Klägerin noch wenigstens 6 Stunden täglich Leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass sich neue medizinische Gesichtspunkte im Berufungsverfahren nicht ergeben haben. Der Senat vermag auch die gegenüber dem Gutachten von Dr. R. geäußerte Kritik nicht zu teilen. Schließlich steht sie in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Orthopäden Dr. E., der aus orthopädischer Sicht die wegen Rücken- und Armschmerzen bestehenden Einschränkungen ebenfalls noch nicht für so ausgeprägt erachtete, dass sich hieraus ein Leistungsvermögen von nur noch weniger als 6 Stunden am Tag auch für leichte Tätigkeiten ergab. Soweit der Heilverfahren-Entlassungsbericht aus dem Jahr 2003 angeführt wird, lässt sich mit ihm ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht beweisen, weil dieser noch von einem Leistungsvermögen von mehr als 6 Stunden noch selbst für mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen ausgegangen war. Auch wenn der Bevollmächtigte diesen für geschönt hält, fehlt es an nachvollziehbaren Befunden, die Einschränkungen belegen, wie sie zuletzt Dr. R. in seinem Gutachten beschrieben hat und die zur Anerkennung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.12.2005 geführt haben. Insbesondere die Diagnosen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer rezidivierenden depressiven Störung waren 2003 noch nicht gestellt worden. Neben dem Heilverfahren-Entlassungsbericht (2003) beschrieb auch das Gutachten für die Agentur für Arbeit im Juli 2003 ausschließlich orthopädisch bedingte Einschränkungen, sodass für eine im Wesentlichen durch psychische Erkrankungen vermittelten Leistungseinschränkung keine Anhaltspunkte bestehen. Ebenso wenig vermag eine quantitative Leistungsminderung durch das Gutachten von Dr. R. als nachgewiesen angesehen werden können, weil dort die Voraussetzungen für die Annahme eines zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögens noch nicht begründet werden konnten. Entsprechend hat die damals anwaltlich vertretene Klägerin an ihrem Rentenantrag auch nicht weiter festgehalten.

Massive Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der Klägerin waren somit allenfalls - wovon die Beklagte ausgegangen ist - mit der Begutachtung von Dr. R. im Februar 2007 nachgewiesen. Er beschrieb eine zuvor in dieser Ausprägung noch nicht aktenkundige "depressive Problematik in Kombination mit der anhaltend somatoformen Schmerzstörung", die Klägerin "wirkte psychisch stark verändert", weshalb er aufgrund des persönlichen Eindrucks und der ihm vorliegenden Beschwerdeschilderung von einem aufgehobenen Leistungsbild ausgegangen war. Dieser Auffassung hat sich die Beklagte angeschlossen, ohne diese Einschätzung durch weitere Ermittlungen zu untermauern. Sie ist auch der Empfehlung von Dr. R. gefolgt, den Leistungsfall als bereits im November 2005 eingetreten anzusehen, obwohl aussagekräftige Befunde hierfür und für den Zeitraum dazwischen nicht vorgelegen haben. Der Entlassungsbericht der Klinik am Südpark vermag den Senat angesichts der gestellten Diagnosen (anhaltende somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende depressive Störung, ggw. leichte Episode) und der zum damaligen Zeitpunkt noch erhaltenen Introspektionsfähigkeit der Klägerin ebenfalls nicht davon zu überzeugen, dass jedenfalls vor dem November 2005 eine quantitative Leistungsminderung in rentenrechtlich relevantem Ausmaß bereits vorgelegen hat.

Eines Gutachtens nach Aktenlage bedarf es nicht, weil es an den hierfür erforderlichen Anknüpfungstatsachen, an ausführlichen Befunderhebungen im streitigen Zeitraum mangelt. Solche sind auch vom als sachverständigen Zeugen gehörten Hausarzt nicht mitgeteilt worden, der zwar von einem "psychosomatischen Gesamtbild" spricht, hierzu jedoch keine Befunde mitteilte und hierzu auch nicht auf fachärztlich erhobene Befunde verweist.

Der Bezug von Arbeitslosengeld vom 29.04.2004 bis 01.05.2005 und der erst zum 01.11.2005 festgestellte Grad der Behinderung mit 50 (so die Angaben des Bevollmächtigten im Schriftsatz vom 10.12.2009) belegen zudem, dass eine wesentliche Verschlimmerung im Gesundheitszustand der Klägerin wohl erst zu dem von der Beklagten angenommenen und vom SG bestätigten Leistungsfall im November 2005 eingetreten, oder wenigstens nachgewiesen ist.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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