L 7 AS 4298/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 467/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 4298/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Absenkung des Arbeitslosengeldes II wegen einer ersten wiederholten bzw. einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 SGB II setzt auch nach der zum 31. März 2011 geltenden Rechtslage voraus, dass die vorangegangene Sanktion bereits durch Bescheid festgestellt worden ist.
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. September 2011 abgeändert und der Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 15. Dezember 2010, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2011, verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2011 Arbeitslosengeld II i.H.v. EUR 140,60 monatlich zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen zu zwei Fünfteln zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2011 Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe der vollen Regelleistung und wendet sich in diesem Zusammenhang gegen die vollständige Absenkung der Leistungen.

Der am 1982 geborene Kläger, Diplomdesigner (FH), führt nach Beendigung einer Erwerbstätigkeit im Dezember 2006 mehrere gerichtliche, auf Schadenersatz gerichtete Streitigkeiten gegen den früheren Arbeitgeber wegen behaupteter Urheberrechtsverletzungen. Zum 11. Oktober 2007 nahm er eine selbständige Tätigkeit (Diplomdesigner/Dienstleistungen/Ent-wurf) auf. Der Kläger wohnt mietfrei gemeinsam mit seiner Mutter in einem Haus mit ca. 110m² Wohnfläche, dessen Miteigentümerin diese zur Hälfte und des Weiteren die aus ihr (Anteil ½), dem Kläger und dessen Schwester (Anteile jeweils ¼) bestehende Erbengemeinschaft ist. Den Verkehrswert gab der Kläger selbst mit EUR 175.000.- an. Belastet ist das Grundstück mit einer Grundschuld i.H.v. EUR 46.016,27. Bis zum ersten Leistungsantrag vom 26. Juni 2008 bestritt der Kläger seinen Lebensunterhalt aus seinem Vermögen. Diesen ersten Antrag lehnte die damals zuständige Bundesagentur für Arbeit wegen fehlender Bedürftigkeit mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 10. Juli 2008 ab.

Zum 1. Januar 2009 belief sich das Gesamtvermögen des Klägers (Giro- und Sparkonten, private Rentenversicherung und Bausparverträge) auf EUR 3.437,48. Auf weitere Leistungsanträge gewährte ihm die Bundesagentur für Arbeit ab dem 1. Januar 2009 Alg II i.H.d. jeweiligen Regelleistung, zunächst nur vorläufig wegen der selbständigen Tätigkeit. Nachdem diese seit Januar 2009 keine Einnahmen abwarf, erfolgte eine endgültige Bewilligung, so mit Bewilligungsbescheiden vom 17. Dezember 2009 und 14. Juni 2010 für die Zeiträume 1. Januar bis 30. Juni und 1. Juli bis 31. Dezember 2010.

Am 29. April 2010 wurde im Rahmen einer persönlichen Vorsprache des Klägers bei der Agentur für Arbeit Pforzheim über den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung und deren Inhalt verhandelt; auf Bl. 189/190 der Verwaltungsakte wird insoweit Bezug genommen. Schließlich unterschrieb der Kläger am selben Tag eine bis zum 31. Oktober 2010 geltende Eingliederungsvereinbarung. In deren Ziff. 1 verpflichtete sich die Agentur für Arbeit zur Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen und der Übernahme von Bewerbungs- und Reisekosten. Zu den in Ziff. 2 aufgeführten Verpflichtungen des Klägers heißt es u.a.: "Sie unternehmen während der Gültigkeitsdauer dieser Eingliederungsvereinbarung (01.05.2010-31.10.2010) für jeden Kalendermonat jeweils mindestens 4 Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse und reichen hierüber schriftliche Nachweise jeweils spätestens bis zum 5. des Folgemonats, der auf den Kalendermonat folgt, für den die Nachweise zu erbringen sind, ein." Wegen des vollständigen Inhalts der Eingliederungsvereinbarung und insbesondere der dort enthaltenen Rechtsfolgenbelehrung wird auf Bl. 191/193 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

In einem Schreiben vom selben Tag wandte sich der Kläger gegen den Inhalt der Eingliederungsvereinbarung, indem er u.a. ausführte, die Aufnahme einer Arbeit sei ihm als Hilfebedürftigen unzumutbar, weil der Ausübung der Arbeit ein sonstiger wichtiger Grund entgegenstehe, hier das "Ausbeuten der Arbeitskraft durch Bewerbungszwang zugunsten Dritter". Vielmehr sei bei ihm der dauerhafte Existenzaufbau durch Bewilligung von Schadenersatz zu fördern; eine weniger profitable oder anstrengendere Tätigkeit sei dann nicht notwendig. Ihm sei es nicht zumutbar "aufgrund der Arbeitsunwilligkeit der Justiz durch Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder anderen Tätigkeit, welche nicht auf der Führung eines selbständigen Betriebes beruht, eine zum geringeren Lohn ausbezahlte Infrastruktur für korrupte Beamte bereitzustellen." Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausführungen wird auf Bl. 126/128 der Verwaltungsakte verwiesen.

Auf ein Anhörungsschreiben der Agentur für Arbeit wegen fehlenden Nachweises von Eigenbemühungen für Mai 2010 führte der Kläger mit Schreiben vom 16. Juni 2010 weiter aus, eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei bei ihm in absehbarer Zeit schon durch seine Eigenbemühungen um Gewährung von Schadensersatz aus verschiedenen unerlaubten Verwertungen urheberrechtlich geschützter Werke gegeben. Dass die Erfolgsaussichten hierzu an korrupten Justizbehörden scheiterten, sei nicht von ihm zu vertreten. Eine Verpflichtung zur Vornahme von Eigenbemühungen in Form der Bewerbung auf Beschäftigungen sei daher rechtswidrig. So stelle sie auch einen Verstoß gegen das Verbot dar, Arbeitslose in Arbeitsverhältnisse zu vermitteln, die gegen die guten Sitten verstießen, was hier wegen des verweigerten Schadensersatzes vorliege. Er sei daher nicht verpflichtet, eine angebotene Arbeitsgelegenheit anzunehmen. Beigelegt waren Kopien verschiedener - ablehnender - staatsanwaltschaftlicher und gerichtlicher Entscheidungen (bezüglich der Einleitung von Ermittlungs- oder Strafverfahren, Privatklageverfahren u.a.) unter anderem wegen Verstoßes gegen das Geschmacksmuster- und das Urheberrechtsgesetz.

Nachdem der Kläger für Mai 2010 keine Nachweise über Bewerbungsbemühungen vorgelegt hatte, senkte die Agentur für Arbeit mit Bescheid vom 5. Juli 2010 das Alg II für den Zeitraum vom 1. August bis 31. Oktober 2010 um EUR 107,70 monatlich (30 v.H.) ab und hob den zugrundeliegenden Bewilligungsbescheid insoweit auf. In Fettdruck wurde darauf hingewiesen, dass bei wiederholter gleichartiger Pflichtverletzung der ihm zustehende Anspruch auf Leistungen für die Dauer von drei Monaten um 60 v.H. der ihm zustehenden Regelleistung gemindert werde.

Zur Begründung des gegen diesen ihm nach eigenen Angaben am 8. Juli 2010 zugegangenen Bescheid eingelegten Widerspruches wiederholte der Kläger sein Vorbringen aus dem Anhörungsverfahren und führte ergänzend insbesondere aus, ihm werde die Aufnahme einer Beschäftigung bei einem Dritten zu Arbeitsbedingungen aufgedrängt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen anderer Arbeitnehmer stünden, die die gleiche oder eine vergleichbare Tätigkeit ausübten, nämlich unter Verstoß gegen die Vertragsfreiheit und die freie Berufswahl. Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2010 ist beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) ein Klageverfahren anhängig (S 15 AS 4632/10). Im Anhörungsverfahren hinsichtlich eines Pflichtenverstoßes im Juni 2010 trug der Kläger vor, er habe wiederholt Geschmacksmuster mit der Möglichkeit der Lizenzvergabe durch ihn beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet. Weiter legte er eine an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gerichtete Petition vor, das juristische Staatsexamen bzw. eine juristische Ausbildung als Zugangsvoraussetzung für den Richterberuf zu streichen. Hierdurch habe er sich bereits ernstlich um die derzeit in Baden-Württemberg ausgeschriebenen Stellen als Richter oder Staatsanwalt (16 Stellen) beworben. Des Weiteren legte er elf auf den 9. August 2010 datierte Bewerbungen "höherer Verwaltungsdienst" vor, gerichtet an das Innen- und das Justizministerium Baden-Württemberg sowie das Regierungspräsidium Karlsruhe. Diese bezogen sich ausdrücklich auf nicht ausgeschriebene Stellen, die "es im Zuge angebrachter Dienstaufsichtsbeschwerden auch von Ihrer Seite neu zu besetzen" gelte; der jeweilige aktuelle Stelleninhaber wurde namentlich benannt. An die beiden Ministerien richtete er darüber hinaus jeweils eine Bewerbung auf eine nicht besetzte Stelle. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 233/243 der Verwaltungsakte verwiesen.

Mit Bescheid vom 19. August 2010 (Pflichtenverstoß Juni 2010) senkte die Agentur für Arbeit das Alg II für den Zeitraum vom 1. September bis 30. November 2010 um 60 v.H. der Regelleistung ab und hob den zugrundeliegenden Bewilligungsbescheid insoweit auf. Auf die vollständige Einstellung der Leistungen im Wiederholungsfalle wurde ebenso hingewiesen wie auf die Möglichkeit, auf Antrag ergänzende Sachleistungen zu erhalten. Schließlich wurde der Bewilligungsbescheid für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2010 vollständig aufgehoben (Bescheid vom 16. September 2010 wegen Pflichtenverstoß Juli 2010). Im Rahmen der gegen beide Bescheide eingelegten Widersprüche machte der Kläger u.a. geltend, nach dem Wortlaut der Eingliederungsvereinbarung seien die Bewerbungen nur "für", nicht "in" einem Monat vorzunehmen; entscheidend sei daher allein die Gesamtsumme während der Laufzeit der Eingliederungsvereinbarung. Wegen der an das Bundesverfassungsgericht und das Bayrische Justizministerium gerichteten Bewerbungen im September 2010 wird auf Bl. 282/286 und 331/334 der Verwaltungsakte Bezug genommen. Gegen die die beiden Widersprüche als unbegründet zurückweisenden Widerspruchsbescheide vom 23. August und 2. November 2010 richten sich zwei weitere beim SG noch anhängige Klageverfahren (Klageantrag im Rahmen des Verfahrens S 15 AS 3727/10 ER-B sowie S 15 AS 4680/10).

Mit Schreiben vom 16. September 2010 hörte die Agentur für Arbeit den Kläger auch zu einer Sanktion wegen nicht ausreichender Bewerbungsbemühungen im August 2010 an und wies u.a. darauf hin, dass auf Antrag Sachleistungen i.H.v. EUR 151.- monatlich erbracht werden könnten; auf Bl. 293 der Verwaltungsakte wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 11. November 2010 stellte sie außerdem klar, dass bei einer vollständigen Absenkung keine Sozialversicherung bestehe, die aber wieder auflebe, wenn Sachleistungen erbracht würden.

Auf seinen Weiterbewilligungsantrag vom 16. November 2010 bewilligte die Agentur für Arbeit dem Kläger mit Bescheid vom 15. Dezember 2010 Alg II für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2011 i.H.v. EUR 0.- unter Berufung auf eine neuerliche Sanktion sowie vom 1. April bis 30. Juni 2011 i.H.v. EUR 359.-. Mit Sanktionsbescheid vom selben Tag bestimmte sie, dass das Alg II (Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts) für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2011 vollständig entfalle, da der Kläger die ihm obliegenden Eigenbemühungen wiederholt, nunmehr im August 2010 nicht erfüllt habe. Auf Antrag könnten ihm Sachleistungen gewährt werden. Der Widerspruch hiergegen wurde durch Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2011 als unbegründet zurückgewiesen. Weitere Sanktionsbescheide sind für diesen Zeitraum nicht ergangen. Durch einen Änderungsbescheid vom März 2011 wurden dem Kläger wegen der rückwirkenden Erhöhung der Regelleistung für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2011 Leistungen i.H.v. EUR 5.- monatlich bewilligt.

Bereits am 3. Februar 2011 hat der Kläger beim SG wegen der vollständigen Minderung für Januar bis März 2011 Klage erhoben und über sein Vorbringen in den bisherigen Anhörungs- und Widerspruchsverfahren hinaus geltend gemacht, die in dem eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt für die Folgezeit gewählte neue Formulierung zeige die Rechtswidrigkeit der bisherigen Auslegung der alten Eingliederungsvereinbarung.

Mit Gerichtsbescheid vom 26. September 2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt, der Kläger habe der wirksamen Verpflichtung aus der Eingliederungsvereinbarung nicht genügt. Die Stellen, auf die er sich beworben habe, seien bereits besetzt gewesen und hätten jeweils eine juristische Ausbildung verlangt, über die er nicht verfüge. Ein wichtiger Grund liege nicht vor; die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen rechtfertige es nicht, gänzlich von eigenen Bemühungen zur Arbeitsuche abzusehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 4. Oktober 2011 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und über sein bisheriges Vorbringen hinaus im Wesentlichen geltend gemacht, die Bewerbung auf nicht ausgeschriebene Stellen habe der Aufforderung der zuständigen Teamleiterin der Agentur für Arbeit entsprochen. Es sei auch unstreitig, dass er im Rahmen seines Designerstudiums die als "anderer Bewerber" für die fraglichen Stellen erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung erworben habe. Entgegen der Auffassung des SG sei für diese Stellen landesrechtlich aber keine juristische Ausbildung erforderlich gewesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. September 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 15. Dezember 2010 und Aufhebung des Sanktionsbescheides vom 15. Dezember 2010, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2011, zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2011 Arbeitslosengeld II i.H.v. weiteren EUR 359.- monatlich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend. Selbst wenn man davon ausginge, dass ein Sanktionsbescheid über die vorangehende Stufe nicht immer vor der Verhängung der nächsten erfolgt sei, reiche es vorliegend aus, dass dem Kläger durch die jeweiligen Rechtsfolgenbelehrungen die Konsequenzen vor Augen geführt worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft. Der Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Alg II i.H.v. EUR 364.- monatlich für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2011, so dass die Beschwerdewertgrenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG überschritten ist.

Nach § 76 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz SGB II ist der Landkreis Enzkreis als zugelassener kommunaler Träger (Jobcenter, §§ 6a, 6d SGB II) im laufenden Verfahren kraft Gesetzes auf Beklagtenseite an die Stelle der wegen getrennter Trägerschaft ursprünglich zuständigen Bundesagentur für Arbeit getreten.

Die Berufung hat teilweise Erfolg. Das SG hat die Klage zu Unrecht vollumfänglich abgewiesen. Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf Alg II i.H.v. EUR 145,60 monatlich. Die dies ablehnenden Bescheide des Beklagten sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Im Übrigen ist die Berufung hingegen unbegründet.

Anzuwenden sind vorliegend die leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB II in der vom 1. Januar bis 31. März 2011 geltenden Fassung durch Gesetz vom 24. März 2011, BGBl. I S. 453). Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Alg II, das den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung umfasst (§ 19 Abs. 1 SGB II). Der am 17. April 1982 geborene Kläger erfüllt die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 SGB II. An seiner Erwerbsfähigkeit i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB II bestehen keine Zweifel. Er ist hilfebedürftig i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 9, 11, 12 SGB II. Der alleinstehende Kläger verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum über kein eigenes Einkommen oder berücksichtigungsfähiges Vermögen. Letzteres belief sich auf EUR 3.437,48 (Stand 1. Januar 2009), ohne dass es in der Zwischenzeit zu einem Zuwachs gekommen wäre. Der Freibetrag gem. § 12 Abs. 2 SGB II i.H.v. EUR 4.950.- wird daher nicht überschritten. Ein Miteigentumsanteil am von der Mutter und ihm selbst bewohnten Haus besteht nur im Rahmen einer vor dem Erstantrag bereits entstandenen Erbengemeinschaft und wäre gem. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II auch nicht zu berücksichtigen. Eine Haushaltsgemeinschaft mit der Mutter besteht nicht. All dies wird im Übrigen auch vom Beklagten nicht in Abrede gestellt, zumal dem Kläger ab 1. Januar 2009 durchgängig Leistungen gewährt worden waren. Der Kläger ist mithin hilfebedürftig.

Der Leistungsanspruch umfasst vorliegend nur den Regelbedarf i.S.d. § 20 SGB II. Mehrbedarfe und Kosten der Unterkunft und Heizung fallen nicht an und werden vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Der Regelbedarf beläuft sich für den Kläger im streitigen Zeitraum auf monatlich EUR 364.- (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II).

Die Voraussetzungen für eine Minderung des Alg II um 100 v.H. liegen entgegen der Ansicht des Beklagten nicht vor. Maßgeblich ist § 31 SGB II in der vor dem 1. April 2011 geltenden Fassung (§ 77 Abs. 12 SGB II), wobei offenbleiben kann, ob in der bis 31. Dezember 2010 oder bis 31. März 2011 geltenden Fassung. Denn in den Regelungen sind keine Änderungen eingetreten, die hier einschlägig wären. Danach wird das Alg II in einer ersten Stufe um 30 v.H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, u.a. in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB II). Dies gilt nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist (Abs. 1 Satz 2). Bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung nach Absatz 1 wird das Alg II um 60 v.H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung gemindert. Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach Absatz 1 wird das Alg II um 100 v.H. gemindert (§ 31 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SGB II).

Die vollständige Absenkung um 100 v.H. setzt voraus, dass zuvor eine vorangegangene Pflichtverletzung jeweils mit einem Absenkungsbescheid der niedrigeren Stufe sanktioniert und dem Hilfebedürftigen bekanntgegeben worden ist (Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-4200 § 31 Nr. 6; Sonnhoff in jurisPK-SGB II, § 31a Rdnr. 17, 21 auch zur hier maßgeblichen Fassung des § 31 SGB II). Dies ergibt sich aus der Systematik des § 31 SGB II, dessen Regelung strikt danach differenziert, ob es sich um eine erstmalige, eine erste wiederholte oder eine weitere wiederholte Obliegenheitsverletzung handelt. Die Sanktionierung durch Festlegung eines erhöhten Absenkungsbetrages soll erst greifen, wenn dem Hilfebedürftigen durch den vorangegangenen Sanktionsbescheid mit einer Minderung des Sanktionsbetrages in der niedrigeren Stufe die Konsequenzen seines Verhaltens vor Augen geführt worden sind (BSG a.a.O.). Die genannte Entscheidung des BSG erging zwar zu Meldeversäumnissen, also Obliegenheitsverletzungen nach § 31 Abs. 2, nicht Abs. 1 SGB II wie hier. Systematik und Zweck der Regelungen sind aber identisch. Insbesondere sieht das Gesetz in § 31 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Sätze 1 und 2 SGB II für Obliegenheitsverletzungen nach Abs. 1 ebenso eine Stufenfolge der Sanktionen vor wie in Abs. 3 Satz 3 für Meldeversäumnisse. In dem ab 1. April 2011 geltenden § 31a Abs. 1 SGB II wird nunmehr ausdrücklich geregelt, dass eine wiederholte Pflichtverletzung nur vorliegt, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Dies dient nach der amtlichen Begründung nur der Rechtsklarheit, stellt also auch nach gesetzgeberischer Vorstellung keine Rechtsänderung dar (vgl. BT-Drucks. 17/3404 S. 111). Der Senat vermag dem Einwand des Beklagten, dem Kläger seien die Konsequenzen seines Handelns bereits durch die Rechtsfolgenbelehrungen ausreichend vor Augen geführt worden, nicht zu folgen. Die gesetzliche Regelung schreibt die Rechtsfolgenbelehrung zwar ausdrücklich als Sanktionsvoraussetzung vor, allerdings nicht statt, sondern nur neben der aus der Systematik folgenden Stufung der Sanktionen. Erst die tatsächliche - vorherige - Sanktionierung wird daher nach gesetzgeberischer Vorstellung als ausreichende Warnung vor einem verschärften Eingriff in den Anspruch angesehen.

Vorliegend ist zwar unter dem 19. August 2010 ein Sanktionsbescheid über eine Minderung um 60 v.H. ergangen. Dieser ist aber rechtswidrig. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides inzident als Voraussetzung für den hier streitgegenständlichen Bescheid ist jedenfalls möglich, solange - wie vorliegend - keine Bestandskraft eingetreten ist. Die Anhängigkeit der auf die vorangegangenen Sanktionsbescheide bezogenen Klageverfahren beim SG steht nicht entgegen. Eine anderweitige Rechtshängigkeit liegt nicht vor, da die inzidente Prüfung den Bescheid nicht zum Verfahrensgegenstand macht. Es handelt sich auch nicht um eine Vorfrage, die nach § 114 SGG zur Aussetzung zwingt. Ob eine Aussetzung erfolgt, steht im Ermessen des Gerichts. Dieses ist vorliegend nicht auf Null reduziert, da die Sanktionsbescheide keine Feststellungswirkung gegenüber jedermann entfalten. Selbst bei rechtskräftiger (abweisender) Entscheidung des SG wäre eine inzidente Überprüfung des Bescheides nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) noch möglich (Sonnhoff, a.a.O., Rdnr. 23; vgl. BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 23 zum Erlöschen des Arbeitslosengeldanspruches wegen einer weiteren Sperrzeit). Der Senat verzichtet daher auf eine Aussetzung.

Der Sanktionsbescheid vom 19. August 2010 ist insoweit rechtswidrig, als eine erste wiederholte Pflichtverletzung i.S.d. § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB II nicht vorlag. Denn zum Zeitpunkt der maßgeblichen Pflichtverletzung war dem Kläger ein Sanktionsbescheid über die erste Pflichtverletzung noch nicht zugegangen. Die im Bescheid vom 19. August 2010 zugrunde gelegte Pflichtverletzung (keine Bewerbungen im Juni 2010) lag noch vor dem Erlass des ersten Sanktionsbescheides vom 5. Juli 2010. Dies gilt selbst dann, wenn man auf den vereinbarten Nachweistermin (5. Juli 2010) abstellt. Denn der Sanktionsbescheid ist dem Kläger nach dessen Angaben erst am 8. Juli 2010 zugegangen, was sich auch mit dem nach § 37 Abs. 2 SGB X fingierten Bekanntgabedatum decken würde. Die fehlenden Bewerbungen im Juni 2010 können daher keine (erste) wiederholte Pflichtverletzung i.S.d. § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB II darstellen. Eine Minderung um 60 v.H. hätte also nicht erfolgen dürfen.

Eine (erste) wiederholte Pflichtverletzung kann daher erst in den fehlenden Bewerbungen für Juli 2010 liegen. Der diese betreffende Sanktionsbescheid vom 16. September 2010 hätte also keine vollständige Absenkung, sondern nur eine um 60 v.H. regeln dürfen. Da er jedoch erst unter dem 19. September 2010 erging, lag er jedenfalls noch nicht vor, bevor die im vorliegenden Verfahren maßgebliche Obliegenheitsverletzung (unzureichende Bewerbungen für August 2010) begangen wurde.

Die hier streitgegenständliche Absenkung ist aber im Umfange von 60 v.H. der maßgeblichen Regelleistung rechtmäßig. Dabei kann es offenbleiben, welcher Rechtscharakter einer Eingliederungsvereinbarung zukommt (vgl. a. Senatsbeschluss vom 2. August 2011 - L 7 AS 2367/11 ER-B - (juris) m.w.N.) und ob eine solche nur dann unbeachtlich ist, wenn sie nach den Vertragsregeln des SGB X nichtig ist, ob diese so auszulegen sind, dass eine Rechtswidrigkeit bereits zur Nichtigkeit führt, oder ob die Rechtswidrigkeit der Eingliederungsvereinbarung auf die Rechtmäßigkeit der Sanktion unmittelbar durchschlägt (zum Meinungsstand vgl. Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 15 Rdnr. 32 ff. m.w.N.). Denn die in der Eingliederungsvereinbarung getroffenen Regelungen sind rechtmäßig.

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass ein auf - auch pauschal - vier Bewerbungen pro Monat bestimmtes Bewerbungsbemühen des Klägers zulässig und auch angemessen ist (vgl. a. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Februar 2008 - L 25 AS 522/06 - (juris); Sonnhoff, a.a.O., § 31 Rdnr. 43, m.w.N., (jeweils für 10 Bewerbungen monatlich)). Eine finanzielle Überforderung kann ausgeschlossen werden, da der Grundsicherungsträger die Übernahme von Bewerbungskosten bereits in die Eingliederungsvereinbarung aufgenommen hatte. Dass hinsichtlich der Art der Stellen keine weitere Konkretisierung erfolgt, ist nicht bedenklich. Vielmehr belässt dies dem Kläger zunächst einen Spielraum, naheliegender Weise z.B. vorrangig Beschäftigungen zu suchen, die seiner Ausbildung entsprechen. Bei Erfolglosigkeit kann im Rahmen der Evaluierung dann in folgenden Eingliederungsvereinbarungen eine weitere Konkretisierung nötig werden.

Die Suche bzw. Aufnahme einer Beschäftigung ist nicht unzumutbar (§ 10 SGB II). Soweit der Kläger meint, er müsse seine Ansprüche auf Schadensersatz wegen Urheberrechtsverletzungen geltend machen, kann er Rechtsstreitigkeiten, wie jeder betroffene Erwerbstätige, neben der Berufstätigkeit führen. Die selbständige Tätigkeit steht ebenfalls nicht entgegen. Deren Aufgabe ist zumutbar. Denn zumindest seit 1. Januar 2009 und damit zum maßgeblichen Zeitpunkt weit über ein Jahr wurden keine Einkünfte daraus erzielt. Damit fehlen begründete Anhaltspunkte, dass durch die bisherige Tätigkeit künftig die Hilfebedürftigkeit beendet werden kann (§ 10 Abs. 2 Nr. 5 SGB II). Soweit der Kläger einwendet, die Aufnahme einer Arbeitsgelegenheit sei erst relevant, wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit nicht möglich sei (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB II), geht dies ins Leere. Denn die Arbeitsgelegenheit gegen Aufwandsentschädigung (sog. Zweiter Arbeitsmarkt) ist etwas völlig anderes als die Stellensuche auf dem allgemeinen (ersten) Arbeitsmarkt, zu der die Regelung in der Eingliederungsvereinbarung verpflichtet. Eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Arbeitnehmern in den Arbeitsbedingungen kann wegen der Verpflichtung zur Bewerbung in keiner Weise erkannt werden.

Eine Pflichtverletzung i.S.d. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB II liegt im August 2010 in Form der Weigerung vor, Bewerbungen vorzunehmen. Die Petition an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages ist keine auf die Aufnahme einer konkreten Beschäftigung gerichtete Handlung. Die vorgelegten "Bewerbungsschreiben" stellen keine ernsthaften Bemühungen um Arbeit dar; der Senat nimmt nach eigener Prüfung auf die zutreffenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG) und sieht insoweit von einer eigenen Darstellung ab. Darüber hinaus sind die vorgelegten Bewerbungen vom 9. August 2010 nach ihrem Inhalt so abschreckend, dass sie von vornherein darauf zielen, nicht als ernsthafter Bewerber in Betracht gezogen zu werden (vgl. BSG SozR 4-4100 § 119 Nr. 3 und SozR 4-4300 § 144 Nr. 15 (jeweils zur Sperrzeit)). Die ausdrückliche Bewerbung auf besetzte Stellen, deren derzeitiger Inhaber namentlich genannt wird, mit dem zusätzlichen Bemerken, dass die Stelle wegen Dienstaufsichtsbeschwerden freizumachen sei, nimmt jeder Bewerbung - selbst bei unterstellter sachlicher Kompetenz des Bewerbers - von herein die Erfolgsaussicht. Ein solches Verhalten kann unter Beachtung der Verkehrsanschauung nur als Ausdruck des Bemühens verstanden werden, nicht als Bewerber in Betracht gezogen zu werden. Daher spielt es auch keine Rolle, dass der Kläger an das Justiz- und das Innenministerium Baden-Württemberg jeweils eine Bewerbung auf nicht besetzte Stellen vorgelegt hat. Diese können nicht aus dem Zusammenhang mit den anderen, den Bewerbungszweck konterkarierenden Schreiben gelöst werden. Diese Einschätzung wird bestätigt durch das eigene Vorbringen des Klägers, der in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, auf Nachfrage, weshalb er auf seine Bewerbungen bei den Ministerien keine Antwort erhalten habe, sei ihm mitgeteilt worden, diese seien nicht als ernsthaft angesehen worden. Der Senat hat auch nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck keine Zweifel daran, dass dem Kläger diese Wirkung auch bewusst war. Dies zeigt sein gesamtes Verhalten und Vorbringen nach Abschluss der Eingliederungsvereinbarung, das deutlich macht, dass er eine Beschäftigungssuche dem Grunde nach ablehnt.

Wie bereits oben ausgeführt, ist die Suche bzw. Aufnahme einer Beschäftigung nicht unzumutbar. Damit liegt auch der vom Kläger angeführte wichtige Grund i.S.d. § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht vor. Andere Umstände, die einen solchen wichtigen Grund rechtfertigen würden, bestehen nicht.

Dieses Verhalten stellt eine erste wiederholte Pflichtverletzung i.S.d. des § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB II dar. Denn mit den vollständig fehlenden Bewerbungen im Mai 2010 liegt eine erste Pflichtverletzung i.S.d. § 31 Abs. 1 SGB II vor, die auch durch - früheren - Sanktionsbescheid festgestellt worden ist. Dieser ist rechtmäßig.

Die vom Kläger - im Nachhinein - vorgenommene Auslegung der betreffenden Regelung der Eingliederungsvereinbarung, es käme allein auf die Gesamtzahl der Bewerbungen über die gesamte Laufzeit der Eingliederungsvereinbarung an (vier Bewerbungen für sechs Monate, also insgesamt 24 im gesamten Zeitraum, egal wann) trifft nicht zu. Zwar heißt es in der maßgeblichen Regelung tatsächlich "für" jeden Kalendermonat. Der weitere Wortlaut macht jedoch zweifelsfrei deutlich, dass die Bewerbungen im jeweiligen Kalendermonat zu erfolgen haben. Dies ergibt sich bereits aus dem "jeweils" für den Kalendermonat, so dass eine "Gesamtzahl" offensichtlich nicht vereinbart wurde. Des Weiteren zeigt der ausdrücklich bestimmte Nachweiszeitpunkt (jeweils der 5. des Folgemonats), dass eine monatsweise Bewerbungsverpflichtung geregelt wurde. Die Regelung ist in sich so eindeutig, dass keine Unklarheiten bestehen, die zu Lasten des Beklagten gingen. Im Mai hat der Kläger unzweifelhaft keine Bewerbungen unternommen, was auch er selbst nicht bestreitet. Ein wichtiger Grund liegt aus den bereits oben genannten Gründen auch hier nicht vor.

Diese Pflichtverletzung wurde mit Sanktionsbescheid vom 5. Juli 2010, Zugang bei Kläger am 8. Juli 2010, festgestellt, bevor die hier maßgebliche Pflichtverletzung (August 2010) begangen wurde. Es handelt sich also dann um eine (erste) wiederholte Pflichtverletzung i.S.d. § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB II.

Zutreffende und konkrete Rechtsfolgenbelehrungen waren sowohl hinsichtlich der ersten wie auch der ersten wiederholten Pflichtverletzung erteilt worden, so in der Eingliederungsvereinbarung und hinsichtlich der ersten wiederholten auch im vorangegangenen Sanktionsbescheid vom 5. Juli 2010. Beginn und Dauer der vorgenommenen Minderung entsprechen den gesetzlichen Vorschriften (§ 31 Abs. 6 SGB II).

Die Sanktionsbescheide sind nicht schon deshalb vollständig rechtswidrig, weil in ihnen nicht zugleich eine Regelung über die Bewilligung von ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen nach § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II getroffen wurde (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. März 2011- L 12 AS 822/11 ER-B -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. August 2009 - L 5 AS 287/09 B ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 16. November 2009 - L 5 AS 365/09 ER-B - und vom 10. Dezember 2009 - L 9 B 51/09 AS ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Dezember 2010 - L 29 AS 1852/10 B ER - (alle juris)). Die als Ermessensleistung ausgestaltete Regelung des § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II erfordert eine Einzelfallbetrachtung, die nur möglich ist, wenn der konkrete Sachverhalt bei Anlaufen der Sanktion offenbar wird. Insoweit ist nicht zwangsläufig eine Erbringung ergänzender Leistungen erforderlich, sondern es ist durchaus möglich, dass ein Hilfebedürftiger seinen Bedarf im Sanktionszeitraum auf andere Weise decken kann, etwa durch Unterstützungsleistungen von Verwandten. Mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Erbringung ergänzender Sachleistungen ist dem Gesetzeszweck des § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II ausreichend Rechnung getragen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Hilfebedürftige entweder nicht im Stande ist, seine bedrohliche Lage zu erfassen und/oder nicht in der Lage ist, aus der erkannten Situation die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen, also etwa Lebensmittelgutscheine zu beantragen. In einem solchen Fall gebietet es auch die staatliche Schutzpflicht hinsichtlich der Rechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit und Würde des Menschen nicht, den Grundsicherungsträger zu verpflichten, mit der Sanktionsentscheidung auch ohne einen entsprechenden Antrag des Hilfebedürftigen oder wenigstens einen Hinweis, dass entsprechende Sachleistungen überhaupt begehrt werden, stets zeitgleich darüber zu entscheiden, ob ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden (vgl. LSG Sachsen-Anhalt; LSG Nordrhein-Westfalen; LSG Berlin-Brandenburg, jeweils a.a.O.; a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - L 10 B 2154/08 AS ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. September 2009 - L 7 B 211/09 AS ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21. April 2010 - L 13 AS 100/10 B ER -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5. Januar 2011 - L 2 AS 428/10 B ER - (alle juris)). Es entspricht auch gerade der Subjektstellung des Hilfebedürftigen und damit seiner Menschenwürde, wenn ihm keine Sachleistungen aufgedrängt werden. Entscheidend ist, dass er über die Möglichkeit ausreichend informiert ist. Ob er sie dann tatsächlich in Anspruch nehmen will, ist seine freie Entscheidung.

Da keine weiteren Sanktionsbescheide ergangen sind, die eine Minderung im streitgegenständlichen Zeitraum auslösen könnten, hat der Kläger in der Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2011 zunächst Anspruch auf Alg II i.H.v. 30 v.H. der ihm zustehenden Regelleistung (EUR 145,60) monatlich. Da ihm allerdings bereits durch Änderungsbescheid vom 26. März 2011 für den genannten Zeitraum wegen der rückwirkenden Erhöhung der Regelleistung von EUR 359.- auf EUR 364.- jeweils EUR 5.- monatlich gewährt worden sind, stehen ihm nur noch (weitere) EUR 140,60 zu. Dass zum Zeitpunkt der angefochtenen Sanktionierung noch eine Regelleistung i.H.v. EUR 359.- galt, steht dem nicht entgegen. Denn der Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden keine betragsmäßig bezifferte Absenkung, etwa i.H.v. EUR 359.-, vorgenommen, sondern eine Minderung um das gesamte zustehende Alg II, hier in Form der zustehenden - nicht betragsmäßig eingeschränkten - Regelleistung. Da vorliegend auch keine reine Anfechtungs-, sondern eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage vorliegt, hat der Senat die Höhe der zustehenden Leistungen vollumfänglich zu prüfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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